anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Freitag, 16. April 2021
Schmetterlingstag
Manche Tage entpuppen sich völlig plötzlich und wunderbar wie ein bunter Schmetterling aus einer runzeligen Raupe, so ein Tag war das heute.

Beim Aufwachen heute früh fühlte ich mich derart kaputt, dass ich ernsthaft eine ganze Zeit darüber nachdachte, ob ich mich nicht einfach heute krankmelde, unaufgestanden im Bett bleibe und so lange weiterschlafe bis es Zeit wird, abends wieder ins Bett zu gehen.
Ich fand den Gedanken sehr reizvoll, aber dann schellte das Telefon, der Projektleiter von dem großen Projekt rief an und weil ich den gerne mag und sehr schätze, ging ich ans Telefon, wir telefonierten eine halbe Stunde und dann war ich fit genug, um richtig aufzustehen und in den Tag zu starten.

Im Büro stand dann als erstes ein Kollege auf der Matte, der mit mir sprechen wollte, weil er ein Problem mit einer anderen Kollegin hat. Ich konnte das Problem gut verstehen, ich habe grundsätzlich das gleiche, aber weil ich das völlig normal finde, dass ich mit Menschen Probleme habe, freue ich mich jedesmal, wenn es jemand anderem auch so geht, das gibt mir das angenehme Gefühl, doch einen kleinen Tick normaler zu sein, als ich mir selber immer einrede.

Als ich wieder alleine in meinem Büro war und meinen E-Mail-Eingang durchsortierte, beschloss ich eine andere Kollegin aus dem Mutterhaus anzurufen, die mir am letzten Tag vor meinem Urlaub eine E-Mail geschrieben hatte, die ich nicht mehr beantwortete und inzwischen erschien es mir klüger, das Thema am Telefon zu klären, weil ich hoffte, sie hätte es in der Zwischenzeit sowieso alleine und ohne meine Rückantwort erledigt.
Genau so war es auch und ich freue mich immer, wenn andere selbstständig vernünftige Entscheidungen treffen, in denen sie das Risiko eingehen, dass ich nicht damit einverstanden bin, das aber bewusst in Kauf nehmen, weil sie der festen Überzeugung sind, dass sich das Problem mit mir klären lässt.
Und weil das Gespräch so erfreulich war, sprachen wir noch über dieses und jenes und kamen vom Höcksken aufs Stöcksken bis wir bei der allgegenwärtigen Genderei landeten, denn die ist uns im Konzern jetzt verpflichtend von oben verordnet worden und meine Gesprächspartnerin, eine junge Frau Anfang 30, sagte, sie hätte da ihre Meinung geändert, sie würde jetzt gendern, um für ihre Tochter ein "role model" zu sein. Sowas triggert mich ja jedesmal sehr und so wurde das Gespräch deutlich länger als für eine berufliche Problemklärung nötig gewesen wäre, es endete aber sehr positiv und ich bin jetzt guten Mutes, hier ein wichtiges Samenkorn der Erkenntnis in fruchtbaren Boden gelegt zu haben.
Role model wird man nämlich nicht durch das Austauschen von Worten, sondern durch das Vorleben von positiven Überzeugungen. So bin ich davon überzeugt, dass alle Zurückweisungen, Misserfolge, gescheiterten Pläne ihren Grund ganz einzig in meiner Person, meiner Persönlichkeit, meinen Vorstellungen und Wünschen sowie meinen Fähigkeiten und Kenntnissen haben, also ausschließlich in Dingen, die ich ändern kann und auf keinen Fall komme ich auf die Idee, dass es in irgendeiner Weise an meinem Geschlecht liegt - denn das kann ich nicht ändern. Wenn ich meinem Geschlecht die Schuld an meinem Scheitern geben würde, machte ich mich zum passiven Opfer - was für eine deprimierende Vorstellung und vor allem, was nützt es mir? Nein, das ist ganz definitiv keine attitude für mich, ich bin lieber Bestimmer als passives Opfer und meiner Meinung nach eignet sich so eine Grundeinstellung besser als role model, als eine Mutter die krampfhaft alle Feuerwehrmänner zu Feuerwehrfrauen umbenennt, weil Frauen das auch können.
Eben grade weil Frauen das auch können, haben sie es gar nicht nötig, sich sprachlich nach vorne zu drängeln.
Eine Frau kann alles, was ein Mann auch kann (bis auf Bilder in den Schnee pinkeln) und zusätzlich kann eine Frau noch all das, was nur eine Frau kann. In Summe ist das also grundsätzlich mehr und besser. Und weil das für mich so ungemein selbstverständlich ist, käme ich halt nie auf den Gedanken, dass ich mir eine sprachliche Alleinstellung sichern muss, ich bin doch eh schon im Vorteil den Jungs gegenüber. Das generische Maskulinum ist also so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner - Jungs haben nicht mehr zu bieten, also einigt man sich auf die geringste Form. Und genau das ist für mich dann ein role model.
Im Ergebnis stellten wir fest, dass diese Grundhaltung natürlich auch wieder diskriminiert, nämlich die Jungs und da musste ich ihr absolut recht geben. Ich glaube schon, dass meine Söhne eine schwere Kindheit hatten, waren halt nur Jungs.

Nach diesem langen Gespräch hatte ich zwei nette Videocalls, bis ich eine Nachricht von meinem jüngsten Sohn bekam, er hätte eine Freundin, die hätte Mehlmotten und weil ich seiner Meinung nach eine absolute Mehlmottenexpertin bin*, fragte er, ob sie mich mal anrufen könne, damit ich ihr Tipps gebe.
*ich habe immerhin fast 10 Jahre hartnäckig gegen die Viecher gekämpft, bis ich sie irgendwann besiegt hatte und lebe seitdem in Daueralarm, wenn irgendwo im Haus was kriecht oder flattert. Meine Präventionsmaßnahmen haben natürlich einen sehr hohen Abwehrstandard, aber seit 13 Jahren lebe ich mehlmottenfrei - in zwei Haushalten.

Da hatte ich natürlich nichts gegen, so dass ich zu einem weiteren langen Telefongespräch heute kam, das, nach einem längeren Vortrag über das Leben, die Aufzucht und die Ausrottung der Mehlmotte plötzlich auch wieder im Feminismus endete, ich weiß auch nicht, was heute los war. Ich fand es aber witzig.

Am Abend hatte ich dann noch zwei weitere Gespräche mit Mitarbeitern, die beide sehr gute Verbesserungsvorschläge hatten - und so etwas macht mich ja auch immer glücklich, vor allem weil beide Ideen nicht nur sinnvoll und nützlich sind, sondern auch jener besagten Kollegin, die ich oben erwähnte und die diversen anderen Kollegen Probleme bereitet, ganz viel Wind aus den Segeln nimmt, manchmal kann es so einfach sein.

So war es insgesamt also ein sehr redseliger, aber auch ein sehr bunter Tag, der zum Abschluss noch mit einem Anruf von Ks Hausarzt endete, der ihn fragte, ob er jetzt sofort zum Impfen kommen könne, es wäre genau eine Dosis frei geworden und er stände oben auf der Reserveliste. Das ist dann doch wohl mal ein wirklich guter Abschluss des Tages, nicht wahr?
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