anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Dienstag, 6. April 2021
Über die Widrigkeiten des Alterns mit Technik
"Genießen Sie unser letztes Update" sagt mir die App, die mir per Signal anzeigte, dass sie mir etwas zu sagen hat. Das finde ich eine erfreuliche Nachricht, wenn es denn stimmt, dass es wirklich das letzte Update ist. Ich fürchte aber, die App spricht mit gespaltener Zunge und wird mir auch in Zukunft weitere Updates immer als das letzte Update verkaufen.

Diese beständige Updaterei aller möglichen Apps, Programme und technischen Hilfsmittel geht mir in der letzten Zeit zunehmend auf die Nerven. Ständig wird an allem rumgebastelt, nix bleibt so wie es war, unentwegt muss ich mich an eine neue Bedienung, eine neue Oberfläche oder veränderte Knöpfe gewöhnen, ich habe es einfach nur noch satt. Ich möchte nicht mehr dauernd etwas Neues lernen, ich will einfach nur das behalten, was ich bisher hatte, ich verzichte auf Verbesserungen, ich bin auch mit den alten Möglichkeiten vollauf zufrieden.

Aber geht ja nicht, ich kann das Alte nicht behalten, weil es einfach abgeschaltet wird, getötet von den Updatejüngern, die permanent nach besser, schneller, weiter gieren und alles alte, schwache und weniger nützliche eliminieren. Ich finde, hier könnten sich die Gutmenschen mal engagieren, das ist doch eine zutiefst unethische Grundhaltung, die die Technikmenschen da zeigen.

Ich bemerke eine auffällige Änderung in meiner Grundhaltung. War ich früher sehr von und an allem Neuen, Innovativen und Disruptivem fasziniert und interessiert, so hat sich diese Faszination in eine Gleichgültigkeit und das Interesse gar oft in eine Ablehnung gewandelt. Ich bin nicht mehr scharf auf erste Male, ich sammele jetzt letzte Male, ohne dass ich deshalb gleich von allem ausgeschlossen oder abgeschaltet sein möchte, was mein bisheriges Leben ausmachte, ich fürchte aber, genau so wird es kommen, weshalb ich mich verstärkt darauf vorbereite, auch das zu akzeptieren.

Die Technik um mich herum wird zunehmend "touch". Nicht nur alle Anwendungen auf dem Smartphone und dem Tablet werden über Wisch- und Berührungsgesten gesteuert, sondern immer mehr auch andere Haushaltsgeräte wie Kochplatten, Wasch- und Spülmaschinen und jede Art der sonstigen Haussteuerung, also Heizung, Licht, Klima, Türen bzw. Zugangsberechtigungen usw. Wenn man sich mal bewusst umschaut, findet man kaum noch ein Gerät, was mit analogen "Druckknöpfen" oder manuellen Schaltern bedient wird.
Ich finde diese allumfassende Touch-Bedienung anstrengend, weil es mir regelmäßig passiert, dass ein Gerät auf meinen Touch nicht so reagiert wie ich es mir vorstelle. Das funktioniert bei mir sogar als Vorführeffekt: Ich tippe auf das Display und es passiert: Nix. Oder etwas Erratisches.
Meine Tochter tippt auf exakt der gleichen Stelle auf das Display und das Gerät/das Programm macht genau das, was es soll. C steht grinsend neben mir und meint "deine alten Frauenfinger, die leiten nicht mehr genug Energie weiter". Ich betrachte meine alten Frauenfinger etwas ratlos und denke, sie wird recht haben, nur, was soll ich dagegen tun? Der Herd reagiert mit willkürlichen Temperatursprüngen, die Spülmaschine startet statt des Töpfeprogramms den Schnelldurchlauf für Gläser und der Scanner simuliert den Unberührbaren und verweigert die Zusammenarbeit.
Als wir die neue Haustür ausgesucht haben, wollten wir beide einen "schlüssellosen Zugang" haben, denn natürlich ist das Leben deutlich komfortabler, wenn man keinen Schlüssel mehr mit sich rumschleppen muss, sondern sich einfach mit seinem Fingerabdruck Eintritt verschaffen kann. Zum Glück empfahl uns der Verkäufer vorher, dass wir unsere Finger auf "Touchfähigkeit" überprüfen sollten, dazu gab es extra eine Demotür, bei der wir unsere Finger registrieren konnten und dann passierte das, was mir bei vielen anderen Touchgeräten auch passiert: Die Demotür reagierte nicht auf meinen Finger. Das sparte uns nicht nur rund 2.000 Euro, weil wir natürlich auf die einfache Tür mit manueller Schließanlage umschwenkten, sondern auch viel Frust, wenn mich meine eigene Haustür nicht mehr reinlässt, weil sie meine alten Frauenfinger nicht erkennt.

Mein neues Handy hat jetzt eine Gesichtserkennung. Die funktioniert angenehm problemlos, ganz unbestritten besser als jede Toucherkennung und ich muss gar nichts mehr tun, um das Handy anzuwerfen, sehr angenehm. Da ich jetzt aber meine Pin nicht mehr ständig eingeben muss, mache ich mir natürlich Sorgen, wie lange es dauert, bis ich die Pin vergessen habe und wann der Moment erreicht ist, in dem das Handy mein altes Frauengesicht auch nicht mehr erkennt, weil zu faltig und zu ausgetrocknet, so wie meine Finger. Die Technik wird sich ganz bestimmt neue Wege ausdenken, mich zu triezen, da bin ich sehr sicher
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