Mittwoch, 22. April 2020
Von Knochen, Muskeln und Bändern...
cnf_ahoi, 23:56h
Wieder darf ich die Er- und Befüllungsaufgabe des Blogs übernehmen - Mutter ist eingeschlafen. Leider habe ich dieses Mal ein Thema parat, was ich selbst zwar faszinierend, aber letztlich doch recht banal und langweilig finde – es wird also ein eher kurzer Beitrag. Und zwar soll es dieses Mal vom Bewegungsapparat handeln, also das Gerüst, was aus all den Organen eigentlich erst etwas sinnvolles macht. Das wichtigste theoretische Fach dahinter ist die Physik – insbesondere die Hebelwirkung. Leider stehe ich bei der Physik seit Lebzeiten immer wieder auf dem Schlauch, ich denke ich werde bis an mein Lebensende nicht wirklich begreifen, wieso ein Stück geformtes Metall, was deutlich mehr wiegt als ich, einfach so fliegen kann. Aber anderes Thema.
Das Skelett besteht als etwas mehr als 200 Knochen - der größte ist der Oberschenkelknochen, der kleinste ein Teil der Gehörknöchelchenkette, der wichtigste wohl der Schädel (der aus mehreren Anteilen besteht), wobei man hier schon mit Streitereien beginnen kann. Aus neurologischer Sicht ist wohl der Schädel der wichtigste, schützt er doch unser zentrales Organ, das Gehirn. Genauso schützt aber auch die Wirbelsäule unser Knochenmark (was letztlich nur eine Verlängerung des Hirns ist), sie ist aber auch essentieller Teil unserer Stabilität im Stehen. Hierfür ist wiederum das Becken elementar, was das Gewicht des Oberkörpers gleichmäßig auf die Beine überträgt. Von diesem Standpunkt aus sind auch die Beine, oder sogar die Füße unerlässlich - wobei andersrum man ohne Arme und Hände auch extrem blöde rumstünde... Und dann ist da noch der Brustkorb, ein komplex stabil-biegsames Konstrukt, was Herz, Lunge (und Leber und Milz) schützt, aber gleichzeitig auch ständige atmungsbedingte Bewegungen aushalten (und mitmachen) muss. Spannend ist die recht hohe Ähnlichkeit des Aufbaus von Armen und Beinen, bei Tieren handelt es sich ohnehin um funktional kaum unterscheidbare Extremitäten (so nennen wir Mediziner Arme und Beine in Summe). Während offensichtlich das Ende dann anders aufgebaut ist (dennoch gibt es auch gewisse Ähnlichkeiten zwischen Hand- und Fußwurzel), unterscheidet sich (auch bei Tieren!) vor allem die Aufhängung. Unten liegt der Oberschenkelknochen im massiven Becken, oben liegt ein mehrknöchiger Halbring um/auf dem Brustkorb (= Schulter), an dem wiederum der Arm befestigt ist.
Gelenke erfüllen eine Meisterleistung zwischen Stabilität und Flexibilität. So entstehen komplizierte Gebilde wie die Hand- oder Fußwurzelknochen, die durch viele Einzelteile eine abfedernde und kraft-leitende Komponente erfüllen. Ein recht interessantes Ergebnis evolutionärer Tüftelei ist das Schultergelenk – keines sonst hat einen so riesigen Bewegungsspielraum. Es haben hauptsächlich Muskeln und dehnbare Bänder und Knorpel den Aufbau übernommen, was zur Folge hat, dass sich hier die häufigsten Luxationen (also das Herausspringen eines Knochens aus seiner Position im Gelenk) ereignen. Im Gegensatz dazu setzt die Hüfte viel stärker auf Stabilität und hat deutlich mehr knöchernen Gelenksanteil. Das Lieblingsgelenk meines Anatomieprofessors ist das Kopf-Hals-Gelenk. Es ist strenggenommen eine Hintereinanderschaltung der Halswirbelgelenke, die die recht weite Bewegungsfreiheit unseres Kopfes ermöglichen (und kombiniert mit der automatisierten Objektverfolgung beim Sehen ähnliche Leistung vollbringt wie der Leopard 2-Panzer, der wohl einer der ersten war, der einen hydraulischen Kanonenturm hatte – zumindest laut Anekdote eben dieses Anatomieprofessors…). Innerhalb der Halswirbel liegt gut geschützt das Rückenmark – die Verbindung zwischen Kopf und Körper. Bänder sind hauptsächlich stabilisierende Gerüste um Gelenke herum, teilweise werden sie darin durch Muskeln unterstützt.
Muskeln sind etwas Faszinierendes – wie allein auf der Basis biochemischer Vorgänge ein solch kräftiges Potential entsteht scheint unglaublich. Muskeln vereinigen sich zumeist in Sehnen, die wiederum fest mit einem Knochen verbunden sind. Teilweise ziehen sie über eine Hebelrolle, wodurch eine Überleitung der Kraft ermöglicht wird. Bestes Beispiel hierfür ist die Kniescheibe, sie übertragt vor allem die Kraft des großen Oberschenkelmuskels auf den Unterschenkel, um ihn auf in geknickter Position noch strecken zu können. Der Zungenmuskel ist (abgesehen von Ringmuskeln) der einzige Muskel, der nirgends ansetzt. Mein persönlicher Liebling ist der „Musculus sternocleidomastoideus“, allein deshalb, weil ihn wahrscheinlich niemand hier richtig aussprechen kann. Er sitzt gut sichtbar seitlich am Hals und zieht vom Schlüsselbein zum Hinterkopf und ist an der Drehung des Kopfes in die jeweils andere Richtung* beteiligt.
*Also der M. sternocleidomastoideus auf der rechten Seite bewirkt bei seinem Zusammenziehen eine Drehung des Kopfes sodass man nach links schaut.
Neben den willkürlich bewegbaren Muskeln gibt es eine Vielzahl an vollkommen unbewusst gesteuerten Muskeln, neben den Schließmuskeln von Harnröhre und Anus sind dies die Muskeln in Gefäßen sowie das Herz, teilweise unbewusst gesteuert werden sämtliche Stabilisierungsmuskeln, v.a. im Bauch und Rücken, sowie die Atemmuskulatur. Wenn man es ganz genau nimmt, wird bei so gut wie jeder Bewegung „unbewusst“ auch irgendwas anderes gesteuert, sei es, weil verschiedene Muskeln für eine Bewegung kongruent miteinander aktiviert, oder aber weil die gegenseitigen Muskeln gehemmt werden müssen.
Na, schau, so ganz kurz ist der Beitrag nun doch nicht - und hoffentlich auch nicht so langweilig, wie ich die medizinischen Fächer dahinter finde...
!
(Abgelegt in anjeworben - Gastbeiträge mit Herz und bisher 839 x anjeklickt)
Das Skelett besteht als etwas mehr als 200 Knochen - der größte ist der Oberschenkelknochen, der kleinste ein Teil der Gehörknöchelchenkette, der wichtigste wohl der Schädel (der aus mehreren Anteilen besteht), wobei man hier schon mit Streitereien beginnen kann. Aus neurologischer Sicht ist wohl der Schädel der wichtigste, schützt er doch unser zentrales Organ, das Gehirn. Genauso schützt aber auch die Wirbelsäule unser Knochenmark (was letztlich nur eine Verlängerung des Hirns ist), sie ist aber auch essentieller Teil unserer Stabilität im Stehen. Hierfür ist wiederum das Becken elementar, was das Gewicht des Oberkörpers gleichmäßig auf die Beine überträgt. Von diesem Standpunkt aus sind auch die Beine, oder sogar die Füße unerlässlich - wobei andersrum man ohne Arme und Hände auch extrem blöde rumstünde... Und dann ist da noch der Brustkorb, ein komplex stabil-biegsames Konstrukt, was Herz, Lunge (und Leber und Milz) schützt, aber gleichzeitig auch ständige atmungsbedingte Bewegungen aushalten (und mitmachen) muss. Spannend ist die recht hohe Ähnlichkeit des Aufbaus von Armen und Beinen, bei Tieren handelt es sich ohnehin um funktional kaum unterscheidbare Extremitäten (so nennen wir Mediziner Arme und Beine in Summe). Während offensichtlich das Ende dann anders aufgebaut ist (dennoch gibt es auch gewisse Ähnlichkeiten zwischen Hand- und Fußwurzel), unterscheidet sich (auch bei Tieren!) vor allem die Aufhängung. Unten liegt der Oberschenkelknochen im massiven Becken, oben liegt ein mehrknöchiger Halbring um/auf dem Brustkorb (= Schulter), an dem wiederum der Arm befestigt ist.
Gelenke erfüllen eine Meisterleistung zwischen Stabilität und Flexibilität. So entstehen komplizierte Gebilde wie die Hand- oder Fußwurzelknochen, die durch viele Einzelteile eine abfedernde und kraft-leitende Komponente erfüllen. Ein recht interessantes Ergebnis evolutionärer Tüftelei ist das Schultergelenk – keines sonst hat einen so riesigen Bewegungsspielraum. Es haben hauptsächlich Muskeln und dehnbare Bänder und Knorpel den Aufbau übernommen, was zur Folge hat, dass sich hier die häufigsten Luxationen (also das Herausspringen eines Knochens aus seiner Position im Gelenk) ereignen. Im Gegensatz dazu setzt die Hüfte viel stärker auf Stabilität und hat deutlich mehr knöchernen Gelenksanteil. Das Lieblingsgelenk meines Anatomieprofessors ist das Kopf-Hals-Gelenk. Es ist strenggenommen eine Hintereinanderschaltung der Halswirbelgelenke, die die recht weite Bewegungsfreiheit unseres Kopfes ermöglichen (und kombiniert mit der automatisierten Objektverfolgung beim Sehen ähnliche Leistung vollbringt wie der Leopard 2-Panzer, der wohl einer der ersten war, der einen hydraulischen Kanonenturm hatte – zumindest laut Anekdote eben dieses Anatomieprofessors…). Innerhalb der Halswirbel liegt gut geschützt das Rückenmark – die Verbindung zwischen Kopf und Körper. Bänder sind hauptsächlich stabilisierende Gerüste um Gelenke herum, teilweise werden sie darin durch Muskeln unterstützt.
Muskeln sind etwas Faszinierendes – wie allein auf der Basis biochemischer Vorgänge ein solch kräftiges Potential entsteht scheint unglaublich. Muskeln vereinigen sich zumeist in Sehnen, die wiederum fest mit einem Knochen verbunden sind. Teilweise ziehen sie über eine Hebelrolle, wodurch eine Überleitung der Kraft ermöglicht wird. Bestes Beispiel hierfür ist die Kniescheibe, sie übertragt vor allem die Kraft des großen Oberschenkelmuskels auf den Unterschenkel, um ihn auf in geknickter Position noch strecken zu können. Der Zungenmuskel ist (abgesehen von Ringmuskeln) der einzige Muskel, der nirgends ansetzt. Mein persönlicher Liebling ist der „Musculus sternocleidomastoideus“, allein deshalb, weil ihn wahrscheinlich niemand hier richtig aussprechen kann. Er sitzt gut sichtbar seitlich am Hals und zieht vom Schlüsselbein zum Hinterkopf und ist an der Drehung des Kopfes in die jeweils andere Richtung* beteiligt.
*Also der M. sternocleidomastoideus auf der rechten Seite bewirkt bei seinem Zusammenziehen eine Drehung des Kopfes sodass man nach links schaut.
Neben den willkürlich bewegbaren Muskeln gibt es eine Vielzahl an vollkommen unbewusst gesteuerten Muskeln, neben den Schließmuskeln von Harnröhre und Anus sind dies die Muskeln in Gefäßen sowie das Herz, teilweise unbewusst gesteuert werden sämtliche Stabilisierungsmuskeln, v.a. im Bauch und Rücken, sowie die Atemmuskulatur. Wenn man es ganz genau nimmt, wird bei so gut wie jeder Bewegung „unbewusst“ auch irgendwas anderes gesteuert, sei es, weil verschiedene Muskeln für eine Bewegung kongruent miteinander aktiviert, oder aber weil die gegenseitigen Muskeln gehemmt werden müssen.
Na, schau, so ganz kurz ist der Beitrag nun doch nicht - und hoffentlich auch nicht so langweilig, wie ich die medizinischen Fächer dahinter finde...
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