Mittwoch, 3. März 2021
Rente mit 40
anje, 23:32h
Gestern hatte ich keine Zeit, deshalb war ich sehr froh, dass J für mich eingesprungen ist und meinem Blog die Schmach eines Bloglochs erspart hat, auch wenn er selber grade hauptsächlich mit Erholen beschäftigt ist, denn er hat am Montag seine letzte Klausur geschrieben und kann das Semester nun offiziell als "bestanden" markieren und sich auf ausschweifende drei Wochen Semesterferien freuen, in denen er allerdings noch weiter in der Apotheke arbeiten wird, um sein Stundenkonto für das kommende Semester ein wenig auf Vorrat zu befüllen.
Entdeckt hat er dabei, dass man sich durch Arbeiten ganz schön viele Stunden Freizeit klauen kann, eine Erkenntnis, die seine Schwester parallel auch grade gewonnen hat und mir tun beide Kinder ein bisschen leid, weil ich keine Lösung weiß, wie ich sie an dieser Stelle vor der Brutalität des Lebens schützen kann.
Oder ist das jetzt genau das klassische Problem, das die Generation Y kennzeichnet?
Zitat aus der Wikipedia, die ihrerseits die Heinrich-Böll-Stiftung zitiert:
?Die Gruppe der heute 18 bis 38-Jährigen ist die erste Generation in westlichen Gesellschaften, die ohne Systemalternative aufgewachsen ist, nach den großen Ideologien. Als Generation Y [WHY] wird ihr nachgesagt, sinnerfüllende Arbeit und Freizeit mit einem hohen Maß an sozialer Sicherheit verbinden zu wollen. In den Augen dieser Generation scheint alles eine Frage der individuellen Prioritätensetzung zu sein. Leben diese jungen Menschen damit einen Traum, den bereits frühere Generationen träumten, ohne ihn verwirklichen zu können? Oder handelt es sich nur um die neueste Form eines Kapitalismus, der Non-Konformismus, Weltoffenheit und Technikaffinität braucht? Und wie wirkt sich die Dialektik von hohen Sinnerwartungen im Arbeiten einerseits und dem Rückzug ins private Freizeitglück andererseits auf das politische Leben aus?"
Für mich besteht die Alltagsrealität schon seit vielen, vielen Jahren schwerpunktmäßig aus Erwerbsarbeit, dass man sich mit Arbeit den ganzen Tag versauen kann, habe ich schon früh bemerkt, aber in den letzten 40 Jahren leider keine Alternative dazu gefunden.
Spannend finde ich den Ansatz der Frugalisten, deren bekanntester Vertreter wahrscheinlich der Blogger Oliver Noelting ist, der mit seinem Blog sogar 2019 den Finanzblog Award gewonnen hat.
Die Idee, einige Jahre beruflich voll reinzuhauen, dabei sparsam zu leben und in der Zeit so viel Kapital anzuhäufen, dass man dann schon mit 40 in Rente gehen kann, ist ja auch durchaus charmant, ich fürchte nur, es ist für die meisten nicht ganz so leicht umzusetzen, wie es sich auf den ersten Blick liest.
In der FAZ stand dazu gestern auch ein Text.
Der Artikel liegt hinter der paywall, aber die Kernaussage lässt sich kurz zusammenfassen:
Man muss sich überlegen, wie viel man meint, im Monat brauchen zu müssen, muss sich entscheiden, wie lange man (davon) leben möchte und sollte dann noch eine Meinung haben, ob man seine "Rente" inflationssichern möchte und wenn ja, wie hoch und mit welcher Verzinsung man für das vorhandene Kapital durchschnittlich rechnen kann.
Diese Eckwerte kann man dann entweder in eine Barwertformel in einer Excel-Tabelle eingeben oder man nutzt einen der praktischen online-Internet-Rechner, die die passende Formel hinter einer komfortablen Eingabemaske schon programmiert haben.
Im Artikel wurde die Seite Zinsen berechnen verlinkt, wo man zB ausrechnen lassen kann, dass man heute 716.732,61 Euro braucht, wenn man für die nächsten 40 Jahre monatlich 1.500 Euro ausgeben möchte und davon ausgeht, dass man nur 1% Rendite erhält, was man aber auch sofort wieder in eine Dynamisierung steckt, weil man auch mit einer Inflation von 1% rechnet.
Die Schwierigkeit ist auf der einen Seite, dass man sich heute schon entscheiden muss, wie lange man noch leben will, weil, wenn man den Plan so aufzieht, wie hier beschrieben, dann ist am Ende der Rentendauer eben auch das Kapital verbraucht, wenn dann noch Leben übrig ist, ist blöd.
Und auf der anderen Seite gibt es halt noch ein paar Imponderabilien, die nur schwer im Voraus zu berechnen sind.
Was ist, wenn ich nach einigen Jahren dann doch deutlich mehr Geld brauche, bspw. weil ich meine Kinder unterstützen will (oder muss)?
Was ist, wenn der Euro crasht?
Was ist, wenn die gewählte Geldanlageform keine gute war?
Was ist, wenn ich zwischendurch mal größere Ausgaben habe?
Was ist, wenn ich meine Bedürfnisse falsch kalkuliert habe und ich deshalb irgendwann mit der Rente nicht mehr auskomme? Denn mal ehrlich, 1.500 Euro habe ich jetzt nur so gegriffen, weil sich das ja schon viel anhört für nichts tun, aber man muss dabei auch bedenken, dass man sich dann privat krankenversichern muss und dann bleiben von den 1500 nur noch 1000 oder weniger über und dann wird es langsam eng. Wenn man davon auch noch Wohnen und Reisen und ab und zu mal ein paar Extras bezahlen will, wird man auf Dauer mit 1500 nicht auskommen.
Wahrscheinlicher wird man also eher 3000 im Monat brauchen, um noch ein bisschen Puffer zu haben, dass man sich von seiner eigenen Rente auch mal was ansparen kann, wenn ich aber 40 Jahre lang 3000 Euro Rente entnehmen möchte, dann brauche ich unter den gleichen Bedingungen eben auch einen doppelt so großen Kapitalausgangsstock, also über 1,4 Mio.
Wenn man sich dann noch überlegt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland inzwischen bei 81 Jahren liegt, was aber auch bedeutet, dass es eine Menge Leute gibt, die älter werden, dann muss man sich gut überlegen, ab welchem Alter man diese Rente beginnen will und wie viele Jahre man da wirklich einkalkuliert.
Sind halt schon eine Menge Unsicherheiten, auf die man sich mit so einem Modell einlassen muss, wenn man 25 Jahre früher als der Rest der Bevölkerung in Rente gehen will - für mich wäre das deshalb nichts gewesen, wenngleich ich grundsätzlich durchaus etwas Ähnliches gemacht habe. Ich habe auch im Laufe meines aktiven Arbeitslebens viele Jahre lang sehr sparsam gelebt, um nebenher an einem Vermögensaufbau zu arbeiten, der für mich immer die persönliche Altersvorsorge war. Ich habe ja eher wenig Vertrauen in staatliche Systeme, weshalb ich es klug fand, meine Altersvorsorge selber zu organisieren und das hat tatsächlich gut funktioniert, so dass ich mir heute schon keine Sorgen mehr um später machen muss. Aber wie gesagt, mit 40 hätte ich dazu noch nicht den Mut gehabt
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(Abgelegt in anjedacht und bisher 940 x anjeklickt)
Entdeckt hat er dabei, dass man sich durch Arbeiten ganz schön viele Stunden Freizeit klauen kann, eine Erkenntnis, die seine Schwester parallel auch grade gewonnen hat und mir tun beide Kinder ein bisschen leid, weil ich keine Lösung weiß, wie ich sie an dieser Stelle vor der Brutalität des Lebens schützen kann.
Oder ist das jetzt genau das klassische Problem, das die Generation Y kennzeichnet?
Zitat aus der Wikipedia, die ihrerseits die Heinrich-Böll-Stiftung zitiert:
?Die Gruppe der heute 18 bis 38-Jährigen ist die erste Generation in westlichen Gesellschaften, die ohne Systemalternative aufgewachsen ist, nach den großen Ideologien. Als Generation Y [WHY] wird ihr nachgesagt, sinnerfüllende Arbeit und Freizeit mit einem hohen Maß an sozialer Sicherheit verbinden zu wollen. In den Augen dieser Generation scheint alles eine Frage der individuellen Prioritätensetzung zu sein. Leben diese jungen Menschen damit einen Traum, den bereits frühere Generationen träumten, ohne ihn verwirklichen zu können? Oder handelt es sich nur um die neueste Form eines Kapitalismus, der Non-Konformismus, Weltoffenheit und Technikaffinität braucht? Und wie wirkt sich die Dialektik von hohen Sinnerwartungen im Arbeiten einerseits und dem Rückzug ins private Freizeitglück andererseits auf das politische Leben aus?"
Für mich besteht die Alltagsrealität schon seit vielen, vielen Jahren schwerpunktmäßig aus Erwerbsarbeit, dass man sich mit Arbeit den ganzen Tag versauen kann, habe ich schon früh bemerkt, aber in den letzten 40 Jahren leider keine Alternative dazu gefunden.
Spannend finde ich den Ansatz der Frugalisten, deren bekanntester Vertreter wahrscheinlich der Blogger Oliver Noelting ist, der mit seinem Blog sogar 2019 den Finanzblog Award gewonnen hat.
Die Idee, einige Jahre beruflich voll reinzuhauen, dabei sparsam zu leben und in der Zeit so viel Kapital anzuhäufen, dass man dann schon mit 40 in Rente gehen kann, ist ja auch durchaus charmant, ich fürchte nur, es ist für die meisten nicht ganz so leicht umzusetzen, wie es sich auf den ersten Blick liest.
In der FAZ stand dazu gestern auch ein Text.
Der Artikel liegt hinter der paywall, aber die Kernaussage lässt sich kurz zusammenfassen:
Man muss sich überlegen, wie viel man meint, im Monat brauchen zu müssen, muss sich entscheiden, wie lange man (davon) leben möchte und sollte dann noch eine Meinung haben, ob man seine "Rente" inflationssichern möchte und wenn ja, wie hoch und mit welcher Verzinsung man für das vorhandene Kapital durchschnittlich rechnen kann.
Diese Eckwerte kann man dann entweder in eine Barwertformel in einer Excel-Tabelle eingeben oder man nutzt einen der praktischen online-Internet-Rechner, die die passende Formel hinter einer komfortablen Eingabemaske schon programmiert haben.
Im Artikel wurde die Seite Zinsen berechnen verlinkt, wo man zB ausrechnen lassen kann, dass man heute 716.732,61 Euro braucht, wenn man für die nächsten 40 Jahre monatlich 1.500 Euro ausgeben möchte und davon ausgeht, dass man nur 1% Rendite erhält, was man aber auch sofort wieder in eine Dynamisierung steckt, weil man auch mit einer Inflation von 1% rechnet.
Die Schwierigkeit ist auf der einen Seite, dass man sich heute schon entscheiden muss, wie lange man noch leben will, weil, wenn man den Plan so aufzieht, wie hier beschrieben, dann ist am Ende der Rentendauer eben auch das Kapital verbraucht, wenn dann noch Leben übrig ist, ist blöd.
Und auf der anderen Seite gibt es halt noch ein paar Imponderabilien, die nur schwer im Voraus zu berechnen sind.
Was ist, wenn ich nach einigen Jahren dann doch deutlich mehr Geld brauche, bspw. weil ich meine Kinder unterstützen will (oder muss)?
Was ist, wenn der Euro crasht?
Was ist, wenn die gewählte Geldanlageform keine gute war?
Was ist, wenn ich zwischendurch mal größere Ausgaben habe?
Was ist, wenn ich meine Bedürfnisse falsch kalkuliert habe und ich deshalb irgendwann mit der Rente nicht mehr auskomme? Denn mal ehrlich, 1.500 Euro habe ich jetzt nur so gegriffen, weil sich das ja schon viel anhört für nichts tun, aber man muss dabei auch bedenken, dass man sich dann privat krankenversichern muss und dann bleiben von den 1500 nur noch 1000 oder weniger über und dann wird es langsam eng. Wenn man davon auch noch Wohnen und Reisen und ab und zu mal ein paar Extras bezahlen will, wird man auf Dauer mit 1500 nicht auskommen.
Wahrscheinlicher wird man also eher 3000 im Monat brauchen, um noch ein bisschen Puffer zu haben, dass man sich von seiner eigenen Rente auch mal was ansparen kann, wenn ich aber 40 Jahre lang 3000 Euro Rente entnehmen möchte, dann brauche ich unter den gleichen Bedingungen eben auch einen doppelt so großen Kapitalausgangsstock, also über 1,4 Mio.
Wenn man sich dann noch überlegt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland inzwischen bei 81 Jahren liegt, was aber auch bedeutet, dass es eine Menge Leute gibt, die älter werden, dann muss man sich gut überlegen, ab welchem Alter man diese Rente beginnen will und wie viele Jahre man da wirklich einkalkuliert.
Sind halt schon eine Menge Unsicherheiten, auf die man sich mit so einem Modell einlassen muss, wenn man 25 Jahre früher als der Rest der Bevölkerung in Rente gehen will - für mich wäre das deshalb nichts gewesen, wenngleich ich grundsätzlich durchaus etwas Ähnliches gemacht habe. Ich habe auch im Laufe meines aktiven Arbeitslebens viele Jahre lang sehr sparsam gelebt, um nebenher an einem Vermögensaufbau zu arbeiten, der für mich immer die persönliche Altersvorsorge war. Ich habe ja eher wenig Vertrauen in staatliche Systeme, weshalb ich es klug fand, meine Altersvorsorge selber zu organisieren und das hat tatsächlich gut funktioniert, so dass ich mir heute schon keine Sorgen mehr um später machen muss. Aber wie gesagt, mit 40 hätte ich dazu noch nicht den Mut gehabt
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