anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Donnerstag, 29. April 2021
Schmerzempfinden
Als ich mich neulich wegen zunehmend unangenehmer werdenden Rückenschmerzen mit mir selber rumplagte, gab es verschiedene Fragen, die mir so nach und nach durch den Kopf gingen.
Zunächst dachte ich darüber nach, ob es wohl irgendeine Möglichkeit gibt, die Intensität von Schmerz zu messen.
Es ist jetzt schon länger her, dass ich Rückenschmerzen hatte und ich hätte die Intensität des aktuellen Rückenschmerzes gerne mit früheren Rückenschmerzen verglichen, weil ich mir ja jedesmal einbilde, dass es so schlimm wie jetzt noch nie war, zum Glück bleibt mir aber meist noch ein Rest Vernunft, um diese Aussage sofort anzuzweifeln, eben deshalb würde ich ja gerne objektiv vergleichen.
Im nächsten Schritt fand ich es aber auch interessant die Intensität des eigenen Schmerzes mit einem entsprechenden Schmerz anderer Menschen zu vergleichen.
Weil, wenn A sagt, dies oder jenes schmerzt so sehr, dass es nicht zum Aushalten sei und dringend nach Schmerzmitteln verlangt, dann kann es durchaus sein, dass B mit derselben Krankheit oder Verletzung zwar auch einen Schmerz empfindet, den aber weder als unerträglich einstuft noch nach Schmerzmitteln verlangt.
Mich fasziniert schon seit immer, wie unterschiedlich Menschen auf Schmerz reagieren und ich würde zu gerne wissen, was die Gründe dafür sind. Natürlich ist eine naheliegende und vor allem richtige Erklärung, dass sie unterschiedlich empfindliche Schmerzrezeptoren haben. Es gibt ja sogar Menschen, die haben gar keine. Dazu kommt, dass diese Schmerzrezeptoren noch nicht mal bei ein und demselben Menschen immer gleich arbeiten, d.h. es kann durchaus passieren, dass man einen im Grunde identischen Schmerz je nach Gusto der Rezeptoren an verschiedenen Tagen unterschiedlich intensiv empfindet. Das war übrigens das eigentliche Interesse an dieser Möglichkeit des Schmerzmessens, weil ich die Vermutung habe, ich werde aufs Alter immer zimperlicher.
Aber neben dem eigenen Vergleich im Zeitverlauf fände ich natürlich auch den Vergleich mit anderen interessant, d.h. mich interessiert sehr, warum die Schmerzrezeptoren so unterschiedlich arbeiten und daraus weitergeführt dann die Frage, warum die Menschen so unterschiedlich auf Schmerzen reagieren. So, wie Menschen unterschiedlich stark und unterschiedlich klug und unterschiedlich schwer und unterschiedlich groß und überhaupt in vielen Dingen eben unterschiedlich sind, so sind sie meiner Meinung nach auch unterschiedlich schmerzerträglich, oder wie auch immer das Adjektiv heißt, das beschreibt, wie gut jemand Schmerzen ertragen kann. Ertragen finde ich hier übrigens spannender als Empfinden, weil ich mir vorstellen kann, dass Ertragen eine größere psychologische Komponente hat als Empfinden, aber wenn man eh schon eine Skala für Vergleichswerte entwickelt, dann kann man auch gleich gucken, ob es einen Unterschied zwischen Ertragen und Empfinden gibt, das wäre richtig spannend, vielleicht ist es ja auch nur eine Frage der Definition. Um Schmerz aber überhaupt "objektiv" messen zu können, bräuchte man eine Mess-Skala mit Schmerzeinheiten, sonst kann man das ja nicht vergleichen.
Bei "Vergleichen" fiel mir dann die Antidiskriminierungsliga ein. Wenn man nämlich Schmerz vergleichen könnte, würden sofort diejenigen, die nur eine geringe Schmerzerträglichkeit haben, behaupten, sie würden diskriminiert, weil es natürlich Menschen geben wird, die sich über die "low performer" lustig machen. Andererseits: Machen sie das nicht heute schon? Ich meine, Begriffe wie "Heulsuse", "Memme", "Weichei" usw. gab es doch schon immer, nur wird heute halt subjektiv und willkürlich entschieden, wer deshalb gedisst wird. Wäre es da nicht praktischer, man könnte das tatsächlich messen und dann eine biologische Erklärung für unterschiedliches Schmerzempfinden als medizinischen Nachweis haben und damit berechtigter gegen die überheblichen Schmerzertrager vorgehen, die meinen, sie könnten auf Menschen mit weniger Schmerzerträglichkeit herabsehen, schließlich ist es dann nur eine Laune der Natur, ob man groß oder klein, oder viel oder wenig schmerzerträglich ist und wegen solcher unvermeidbaren "Schwächen" sollte wirklich niemand gehänselt werden.
Ein bisschen anders wäre es allerdings, wenn man Schmerzen ertragen üben und trainieren könnte, und damit eine Möglichkeit hätte, seine Fähigkeiten in diesem Punkt selber wenigstens bis zu einem gewissen Grad zu beeinflussen. So wie bei stark oder schnell oder klug oder schwer - da gibt es jeweils unterschiedliche, angeborene Basisdisponierungen und natürlich wird man aus einem Esel kein Rennpferd machen können, aber immerhin einen schnellen Esel, der, wenn er ausreichend trainiert und sich Mühe gibt, nachher problemlos untrainierte Pferde im Wettrennen schlagen kann.
Hier stellt sich dann natürlich sofort die Frage, wie viel Eigenverantwortung jeder einzelne Mensch zu übernehmen hat und wo der Unterschied ist zwischen "der ist eine Memme, weil der sich gar keine Mühe gibt, mal was auszuhalten" oder "der ist eine Memme, weil seine Schmerzrezeptoren ihn rauskicken."

An dieser Stelle fiel mir auf, dass meine persönliche Beurteilung von Menschen ganz extrem an diesen Punkt anknüpft und ich jederzeit bereit bin, Menschen zu helfen oder sie zu unterstützen, wenn ich das Gefühl habe, sie haben sich selber schon ganz viel Mühe gegeben, kommen jetzt aber aus eigener Kraft nicht weiter. Im Unterschied zu Menschen, bei denen ich den Eindruck habe, sie jammern aus reiner Bequemlichkeit und vor allem weil sie es ungerecht finden, dass es jemand anderem besser geht oder dass er mehr hat als sie, obwohl der auch nichts dafür getan hat.
Hier versagt nämlich mein Mitleid und ich gehe diesen Menschen gerne weit aus dem Weg, weil ich sie schmarotzig finde. In der Biologie sind Schmarotzer Kreaturen, die davon profitieren, dass jemand anderes etwas hat oder kann und die sich dann an den anderen dran hängen, um selber auch ein gutes Leben zu haben.
Meistens beeinträchtigen oder schädigen sie ihren Wirt, wenn sie ihn töten, spricht man von Parasiten.

Dass Menschen unterschiedlich sind, ist eine Realität, die sich nicht übersehen lässt. Diese Unterschiedlichkeit hat enorm viele Facetten und beschränkt sich nicht nur auf angeborene biologische Unterschiede, sondern auch auf (angeborene) soziale Unterschiede. Ein Kind, was bei uns in Deutschland geboren wird, hat es mit hoher Wahrscheinlichkeit in seinem Leben deutlich besser als eines, was in Afghanistan geboren wird. Und Kinder mit reichen Eltern haben im Durchschnitt auch bessere Startvoraussetzungen als Kindern aus finanziell minderbemittelten Haushalten. usw. usw. All diese Unterschiede sind ungerecht. Natürlich sind die ungerecht, weil sie ja vollkommen willkürlich passieren und das frischgeborene Kind überhaupt keinen Einfluss darauf hat, mit welchen Eigenschaften und in welche Umgebung es hineingeboren wird.

Gleichzeitig sind sie aber auch Teil des Lebens, das gesamte Leben beginnt ungerecht und setzt sich auch ungerecht fort. Die Natur selber hat keinerlei ethische Gerechtigkeitsvorstellungen, das ist eine Variante, die erst durch den Menschen ins Spiel gebracht wurde, wahrscheinlich ist es der Hauptunterschied zwischen Mensch und Tier, nämlich dass der Mensch versucht, von der Natur zufällig verursachte Ungerechtigkeiten durch ein ethisches Moralsystem auszugleichen.
Das finde ich soweit auch alles richtig und gut, ich glaube allerdings nicht, dass es machbar ist, alle Unterschiede zu beseitigen und vor allem bin ich nicht der Meinung, dass diejenigen, die mehr haben, also mehr Möglichkeiten, mehr Fähigkeiten, mehr Reichtum etc., dass die alleine dafür verantwortlich sind, diejenigen, die weniger haben, "auszuleveln" und vor allem sehe ich keine Notwendigkeit, jemanden zu unterstützen, der im Grunde sehr gut alleine klarkäme, das aber durch seine eigenen Ansprüche selber boykottiert.
Selbstverwirklichung ist sicherlich etwas Tolles, wer träumt nicht von einem komplett selbstbestimmten Leben, nur tun und lassen, was einem selber gefällt und alles, was keinen Spaß macht, kurzerhand zur Seite schieben. Yolo, schon klar.
Und wenn man sich vor lauter Yolo in eine Sackgasse manövriert hat, wird da schon jemand sein, der einen wieder rausholt, da hat man schließlich einen Anspruch drauf.
"Ich möchte nur, was mir zusteht." ist so ein Satz, auf den ich in aller Regel sehr allergisch reagiere, damit wird nämlich eine Schuldumkehr bewirkt. Plötzlich sieht es so aus, als ob da jemandem etwas vorenthalten wird, was ihm aktiv weggenommen wurde. Diebstahl sozusagen, dabei übersehen viele Leute, dass sie im Zweifel niemals das Eigentum an dem hatten, was sie da "zurück"verlangen.

Triage ist als Wort erst zu einer flächendeckenden Bekanntheit gelangt, seitdem wir Pandemie haben, es beschreibt aber ein System, was sich auch außerhalb der Medizin vielfältig anwenden lässt. Nämlich immer dann, wenn begrenzte Ressourcen mit dem maximalen Nutzen für den gewünschten Output eingesetzt werden sollen. Ich helfe gerne anderen Menschen und ich gebe auch gerne ab, wenn ich selber schon versorgt bin, aber ich möchte erstens selber entscheiden, wem und was ich abgebe und außerdem versuche ich mit dem, was ich an Leistung/Geld/Zeit/Energie/Kraft abgeben kann, auch einen sinnvollen Nutzen zu erreichen, also Triage bei der Beurteilung, wen ich womit unterstütze.

Das alles ging mir so durch den Kopf, als ich über Schmerzen nachdachte, weil ich mir nicht sicher war, ob ich mich selber bemitleiden würde, wenn ich mein eigener Klon wäre, denn auch Mitleid ist eine Form von Unterstützung. Empathische Seelenunterstützung. Wer jemanden bemitleidet, gibt ihm etwas von seiner eigenen Kraft und Energie ab, denn man trägt das Leid des anderen ein Stück weit mit und entlastet ihn so.
Und im Ergebnis stellte ich fest, dass ich mich wahrscheinlich selber nicht bemitleiden würde (obwohl die Rückenschmerzen echt ganz schrecklich gruselig waren), aber ich hatte sie doch selber verursacht und in solchen Fällen versagt mein Mitleid komplett. Alles, was ich dann maximal bereit bin als Unterstützungsleistung anzubieten, sind nüchterne, pragmatisch notwendige Lebenserhaltungsmaßnahmen, in diesem Fall zwei Ibus und ein flüchtiges Kopftätscheln: "Wird schon wieder und beim nächsten Mal überleg dir vorher, ob du dein Wasserbett abgeben willst und mach vor allem gefälligst endlich mal vorbeugende Rückengymnastik. Und wenn du keinen Bock auf Rückengymnastik hast, na, dann beschwer dich nicht."

.
(Abgelegt in anjedacht und bisher 642 x anjeklickt)

... ¿hierzu was sagen?

 
Wir haben hier auch lange mit Matratzen rumprobiert, mit verschiedenen Sorten. Schreibman hatte auch lange Rückenprobleme. Inzwischen hat er eine ganz normale Federkernkernmatratze mit großen Federn, die taugt ihm halt einfach, hat er einmal in einem Hotel gut gefunden, haben wir gekauft. Außerdem haben wir einen Massagesessel, den wir Rüttelsessel nennen, den er jeden Morgen besucht ne halbe Stunde lang. Inzwischen hat er überhaupt keine Probleme mehr. Also, es muss nicht unbedingt das Wasserbett sein. Ansonsten: Gute Besserung!

... ¿noch mehr sagen?  

 
Ich denke auch, dass man ohne Wasserbett leben kann, es ist halt nur eine Umgewöhnung, die etwas dauert.
Inzwischen sind die Rückenschmerzen aber auch schon wieder komplett verschwunden, übrigens auch mit Hilfe so einer Massagematte, die bei uns an einem Esstischstuhl angebracht ist und wirklich ganz wunderbar gegen Rückenschmerzen und Verspannungen hilft.