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Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Freitag, 3. Dezember 2021
Impfen und sozialer Egoismus
Seltsamer Tag heute, meine Laune schwankte zwischen genervt, entscheidungsfreudig, gesprächsbereit und wieder genervt.
Irgendwann verließ ich entschieden und gleichzeitig achselzuckend das Büro, ich hatte einen Termin zum Impfen und wollte dort pünktlich erscheinen.

Dritte Impfung auf das erste Zertifikat, diesmal gab es Moderna und jetzt habe ich bis auf Astra schon von jedem Impfzeug etwas intus. Finde ich gut, so eine vielseitige Impfmischung, ich bin sicher, gemischt schützt besser als monoton.

Insgesamt war das eine ziemlich schnelle Sache, dieses Impfen heute, nach fünf Minuten war ich schon wieder draußen, den QR-Code zum Einlesen in die App hatte ich sogar schon vor der Impfung selber bekommen.

Am Ticketcounter neben mir verhandelte ein mittelalter Mann, der auch einen Termin hatte, mit der Arzthelferin über den Impfstoff, denn als er hörte, es gäbe heute nur Moderna, wollte er doch nicht mehr geimpft werden und ob sie ihn nicht benachrichtigen könnten, wenn sie wieder Biontech im Angebot hätten. Die MTA versuchte ihm ausführlich zu erklären, dass Moderna als Booster sogar besser wäre als Biontech, und eigentlich wäre es ja ansonsten sowieso sehr ähnlich, halt auch ein mRNA Präparat und er müsse sich da keine Sorgen machen, aber der Mann wand sich wie ein Aal und entschied sich schließlich, den Termin heute abzublasen, er traut der Sache nicht. Mir kam er vor wie ein Kleinkind beim Friseur, das panisch wird, wenn jemand mit einer Schere zu dicht an seinen Kopf kommt, blöd nur, wenn man als ausgewachsener Mensch da immer noch in derart irrationalen Reaktionen festhängt.

Am Abend war ein virtuelles Cafe Klatsch Meeting mit einer langen Diskussion über die eigene Einstellung zur aktuellen Situation und ich habe mal wieder gelernt, dass ich mit meiner ausgesprochen pragmatisch geprägten Grundhaltung im Sinne von "shit happens, was kann ich tun, um mich selber zu schützen?" nicht mehrheitsfähig bin.
Die Mehrheit der Leute wollen sich erstens über andere Leute aufregen und biegen sich zweitens ihr Leben im Sinne von "ich habe Verantwortung und mache das ja alles hauptsächlich für andere" auf eine für mich ausgesprochen faszinierende Weise zurecht.

Ich mache ja nie irgendetwas für andere, habe ich auch noch nie getan und plane das auch bis zu meinem Ableben so beizubehalten.
Ich mache alles immer nur für mich und bin der festen Meinung, dass es allen besser ginge, wenn das jeder täte.

Ich halte Egoismus auch für eine ausgesprochen soziale Lebensform, denn in allen Bereichen, in denen ich mit anderen interagiere, die tendenziell für mich nützlich sein könnten, bemühe ich mich ja schon aus reinem Eigeninteresse, den anderen bei Laune zu halten und für gute Stimmung zu sorgen.

Für mich ist das Leben alles in allem ein großes Tauschgeschäft, das nach dem Prinzip des komparativen Kostenvorteils funktioniert und wenn man diese Idee optimiert, dann ist es eine win-win-Situation für alle.
Wenn also Menschen Nutzen und Zufriedenheit daraus ziehen können, dass sie sich für andere aufopfern, dann ist das ja auch akzeptabel getauscht, bietet nur für mich keine Grundlage für Geschäfte, weil ich nicht bereit bin, so viel zu geben. Ich kann lieber und grundsätzlich immer alles alleine, macht aber das Tauschgeschäft zu einer low budget Show, denn natürlich spielen die ganz großen Dramen auf einer deutlich größeren Bühne, wo auch große Emotionen bühnenreif ausgelebt werden können.

Interessant fand ich eine Frage zum Schluss, als jemand wissen wollte, welche Musikstücke man sich wohl selber für den großen Zapfenstreich aussuchen würde, wenn man abtritt.
Ich habe gründlich darüber nachgedacht und mich schließlich für "Take five" entschieden. Ich würde mir kein Lied mit Text aussuchen, weil der von so vielen Menschen anders bzw. eben verschieden interpretiert wird und dann würde ich mich schon ärgern.
Den Tweet, dass sich jemand darüber amüsierte, dass Frau Merkel sich ausgerechnet ein Lied ausgesucht hat, in dem sich eine wütende Frau über einen schlecht vorbereiteten Mann ärgert, habe ich auch gelesen und hatte Mitleid mit Frau Merkel. Ich glaube nicht, dass sie sich diese Interpretation vorgestellt hat.
Und deshalb würde ich mir nur etwas Instrumentales aussuchen, aber die Idee, sich das mal für sich selber zu überlegen, fand ich gut.

Deshalb fragte ich zwei Stunden später auch K, was er sich als Zapfenstreichmusik aussuchen würde. Er überlegte gründlich und meinte dann: "Auf alle Fälle wäre "Take Five" dabei."

Das wiederum fand ich sehr faszinierend, denn unsere gemeinsame Musikschnittmenge ist eigentlich gar nicht so groß
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