anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Donnerstag, 25. Februar 2021
Nun ja
Ich habe heute an einer online-Veranstaltung (webex) zum Thema E-Mobilität teilgenommen, in dem drei Vertreterinnen und ein Vertreter des Bundes die Strategie und Unterstützung des Bundes für Länder und Kommunen vorstellten und dabei insbesondere das Flächentool erläuterten. Zielgruppenpassend bestand das Publikum fast ausschließlich aus Menschen, die bei Ländern und Kommunen angestellt sind* und das für mich Spannendste bestand in der Erfahrung, an einer online Veranstaltung mit über 150 Personen teilzunehmen, die zu Beginn der Veranstaltung alle mit Mikro und Kamera frei geschaltet waren (gruselig, auch nach einem Jahr Pandemie mit entsprechender Erfahrung in online meetings, haben es viele Menschen immer noch nicht begriffen) und die komplett durchgegenderte Sprache der Sprecherinnen.
*Jede weitere Bemerkung zu Mitarbeitern im öffentlichen Dienst habe ich mir im Folgenden heroisch verkniffen, wenigstens darauf möchte ich hinweisen.

Ich gehe davon aus, dass dieser Glottal Stop immer hipper wird, so dass diese Sprechweise auf Dauer die Verdoppelung verdrängt, d.h. aus Bürgerinnen und Bürgern werden künftig nur noch Bürger'innen, was in der Konsequenz bedeutet, dass das generische Maskulinum künftig durch das generische Femininum ersetzt wird, denn es ist jetzt schon zu beobachten, dass sich im Sprachfluss der Menschen, die diese Variante benutzen, der theoretisch gedachte Glottal Stop immer mehr abschleift und so aus Bürger'innen sehr schnell Bürge'rinnen werden, einfach weil sich das leichter spricht.

Da es grade für den öffentlichen Dienst ja eine gesetzliche Zwangsvorschrift gibt, sich "genderneutral" ausdrücken zu müssen, bin ich mal gespannt, wann sich der erste Mann beschwert, dass er sich bei Bürge'rinnen nicht mehr mitgemeint fühlt.

Ansonsten stelle ich für mich fest, dass die krampfhaften Jünger'innen dieser Sprechform bei mir ein Kicher-Gen triggern, das ich nur mit sehr viel Konzentration unterdrücken kann, was wiederum dazu führt, dass ich inhaltlich wenig mitbekomme, weil ich leider hauptsächlich damit beschäftigt bin, nicht eine blöde Bemerkung nach der anderen abzulassen. Im Endeffekt verstärkt es aber auch nur meine Überzeugung, dass ich einfach zu alt bin, für die heute übliche Kommunikationsform der jüngeren Menschen und dass deshalb alle davon profitieren, wenn ich mich so schnell wie möglich aus diesem Spiel verabschiede.
Noch drei Jahre und dieses, oder, Stand heute: noch 1.305 Tage.
Neulich las ich bei irgendsoeinem Coaching-Motivations-Fredel, dass Menschen, die sich auf die Rente freuen, den falschen Job haben. Dem kann ich nur zustimmen, ich habe ganz bestimmt den falschen Job, mein Traumjob wäre eindeutig "Privatier", aber ich arbeite ja dran.

In der Vorstellung dieses Flächentools ging es heute darum, dass dort Länder, Gemeinden/Kommunen und Kreise Flächen eintragen können, die sie für den Aufbau einer Ladeinfrastruktur zur Verfügung stellen.
"Anbieter" im Sinne der Idee dahinter sind also Körperschaften öffentlichen Rechts und keine Einzelpersonen. Trotzdem wurden die Anbieter natürlich zu Anbieter'innen, was mich wirklich sehr erheiterte und zu der Feststellung brachte, dass dann ja wohl DER Bund die männliche Oberherrschaft übernimmt, DIE Gemeinde, DIE Stadt oder eben DIE Kommune die weibliche Haushalts Alltagsarbeit erledigt, wobei DER Kreis dabei auch noch vorkommt und für alles zuständig ist, was außerhalb der Möglichkeiten der einzelnen Kommune liegt und DAS Land übernimmt die Rolle der diversen Neutralposition. Und weil hier natürlich alle Geschlechter vorkommen, werden die Anbieter'innen sorgfältig gegendert.
Süß war dann noch, dass sich am Ende der Veranstaltung mehrere Teilnehmer offen im Chat für das wunderbare Gendern bedankten, das hätten sie ganz toll gefunden. Ich fand's auch toll, ich hatte schließlich viel Spaß daran.

Noch ein Schmankerl zur Gendersprache: Ich arbeite unter anderem viel mit gemeinnützigen Gesellschaften zusammen, die sich um die Belange von Menschen mit Behinderung kümmern. In diesem Zusammenhang ist das Entwickeln von Leitfäden, Informationsflyern, Handbüchern u.ä. in einfacher oder leichter Sprache ein wichtiger Baustein.
Grade wenn es um den gesamten administrativen und bürokratischen "Lebens-Drumherum-Kram" geht, den jeder, der für sich selber verantwortlich und selbstständig lebt, managen muss, ist es ungemein wichtig, dass die Menschen überhaupt erst mal lernen, was es bei diesen Themen alles zu beachten gibt und was man wissen muss.
So wurde z.B. ein "Mieterführerschein" in leichter Sprache entwickelt, wo alles, was man rund um das Thema "eigene Wohnung" wissen sollte, so verständlich erklärt wird, dass ich mir das Teil gleich mal abgespeichert habe, um es an meine Kinder weiterzugeben, wenn von dort Fragen kommen zu Nebenkostenabrechnung, Stromanbieter, Kaution, Kündigung oder was man eben sonst so lernen muss, wenn man nicht mehr bei den Eltern wohnt.
Wirklich gut finde ich auch Energiespar- und Umwelt-Tipps in leichter Sprache, ich erinnere mich noch gut an die hochkomplexen Einweisungen in das System der Mülltrennung, die ich jährlich jedem neuen AuPair mühsam beibringen musste und wie kompliziert ich es fand, dieses System möglichst einfach zu erklären.
Die neueste Entwicklung ist jetzt ein Mietvertrag in einfacher Sprache, was ich für eine wirklich genial gute Idee halte, denn von der ganz unbestritten komplett vermurksten Juristensprache sind tatsächlich nicht nur Menschen mit einer Behinderung überfordert. Hier sehe ich ernsthaftes und sinnvolles Potential für eine generelle Änderung der Sprache.

Das Problem wird nur sein, dass die einfache Sprache keine Gendervarianten kennt, die sind nämlich nur was für Akademiker, die überhaupt einen Unterschied zwischen gefühltem Femininum und generischem Maskulinum markieren können und für derartig intellektuelle Kopfwichsereien Kapazitäten frei haben.
In der einfachen Sprache, die eine wirklich wichtige und wesentliche Kommunikationsplattform für viele Menschen bedeutet (oder bedeuten würde), ist für solche Spirenzchen kein Raum, das wiederum wird aber wohl bedeuten, dass sich, getragen von der aktuellen Modeströmung, die einfache Sprache kaum unterstützt wird, denn das geht ja gar nicht, dass man da einfach nur von Mietern spricht und dann alle Menschen einheitlich mitmeint.

Ach, und weil ich grade dabei bin, mich über Akademike'rinnen lustig zu machen, die so offensichtlich andere Schwerpunkte im Leben haben als ich, heute war der vorletzte Tag unserer promovierten Dr. phil. Sekretärin, und ich bin extrem guter Hoffnung, dass unserer Sekretariat ab nächster Woche wieder einwandfrei funktionieren wird, wir haben back to the basics nachbesetzt und das bedeutet, dass wir künftig einfach wieder "einfach" arbeiten können
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