anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Donnerstag, 22. Oktober 2020
Der tiefbegabte Assistent
Als ich heute Morgen um halb acht aufwachte, weil K rumkramte und Kaffee brachte, war ich immer noch so unendlich müde, dass ich vor lauter Gähnen kaum in der Lage war, den Aufwachkaffee zu trinken, das ist schon alles reichlich absurd. Wer hat eigentlich erfunden, dass man Aufstehen soll, bevor man ausgeschlafen ist?

Auf dem Weg ins Büro rief dann eine Sachbearbeiterin vom Finanzamt an, weil ich letzte Woche einen Schwung Steuererklärungen mit den entsprechenden Erläuterungen und weiteren Anträgen eingereicht hatte und weil sie da wohl vorher ein paar Fehler gemacht hatte, die ihr jetzt peinlich waren. So hatte sie u.a. mit kurzer Fristsetzung die Steuererklärungen 2019 für eine Gesellschaft angefordert, die schon vorletztes Jahr gelöscht worden war und das hatte ich dem FA in der Steuererklärung für 2018 auch ausführlich mitgeteilt. Erst hatte ich versucht, das telefonisch zu klären, da war sie aber recht kurz ab und meinte, wenn die Gesellschaft gelöscht worden wäre, dann müsse man ihr das aber auch mitteilen, so einfach auf Zuruf am Telefon könne ich ihr ja viel erzählen. Ich schickte ihr also als Erwiderung auf ihre Anforderung für 2019 einfach noch mal meine Erklärungen von 2018, wo ich die Stellen mit der Löschung der Gesellschaft gelb gemarkert hatte. So offensichtlich mit der Nase draufgestoßen, schämte sie sich dann doch ein bisschen und entschuldigte sich. Das wiederum fand ich gut.
Dann besprachen wir noch zwei andere Fälle, wo sie in alten, längst ergangenen Bescheiden Fehler gemacht hatte, weil sie mir mitteilen wollte, dass die ergangenen Bescheide zwar gültig blieben, dass diese Bewertung aber keine Bindungswirkung für die Zukunft hat und dass ich mich deshalb schon mal darauf einstellen solle, dass es künftig anders beurteilt wird. Schade eigentlich, aber man hat ja leider kein Recht auf fortgesetzt begünstigendes Unrecht.

Insgesamt dauerte das alles so lange, dass ich noch eine halbe Stunde in der Tiefgarage im Auto saß und weiter telefonierte, weil beim Aussteigen das Gespräch zusammengebrochen wäre.

Im Büro habe ich dann als erstes die Post von gestern bearbeitet und mich sehr über zwei Rechnungen amüsiert, auf denen die Verkabelungen eines W-LAN-Netzes berechnet wurde. Installiert wurden Access-Points, aber der Fachbegriff war dem Handwerker beim Rechnung schreiben wohl grade entfallen.

Nach einer längeren TelKo und der Freigabe des gesamten Zahlungsverkehrs war es schon 14.30h und ich beschloss, dass ich um 15.30h wieder nach Hause fahren wollte, weil ich um 17h schon wieder einen Physiotermin hatte und wenn ich früher fahre, kann ich mich zu Hause noch umziehen und das ist alles nicht so eine Hetze.
Leider guckte ich vorher noch kurz in mein nze*-Postfach und fand dort eine 14 Tage alte E-Mail, die das Quartalsreporting für eine neu übernommene Stiftungsverwaltung anforderte.

*nze=noch zu erledigen=Wiedervorlage. E-Mails, die ich noch beantworten oder bearbeiten muss, verschiebe ich in das nze-Postfach, damit ich meinen aktuellen Posteingang regelmäßig aufräumen kann, ohne gleich alles erledigen zu müssen.

Dieses Reporting ist grundsätzlich keine große Sache, weil die Aktivitäten der Stiftung noch sehr überschaubar sind, aber genau deshalb fand ich es eine ideale Aufgabe für den tiefbegabten Assistenten der Geschäftsleitung. Da kann er alle drei Monate rund 20 Kontobewegungen zusammenstellen und daraus ein schickes Reporting basteln, das Ganze hat vielleicht 2 von 10 Punkten auf der Schwierigkeitsskala von Aufgaben für Jobeinsteiger, wobei der tiefbegabte GF-Assistent schon seit rund 20 Jahren kein Jobeinsteiger mehr ist, aber irgendwie ist es bisher noch niemandem gelungen, ihn wirklich vernünftig anzulernen.
Nun, das erste Reporting, was für diese Stiftung zum 31.3. erstellt werden musste, hat er komplett gnadenlos in den Teich gefahren, wir erinnern uns, im März hatten wir schon Corona und die Börsen waren alle radikal eingebrochen, was unseren tiefbegabten GF-Assi aber nicht hinderte, eine Jahres-Performance von +7,8% zu errechnen und es fiel ihm auch keine Sekunde auf, dass das doch wirklich ein äußerst bemerkenswertes Ergebnis gewesen wäre, wenn es gestimmt hätte. Weltweit einzigartig, würde ich sagen.
Ich hatte den Fehler gemacht, nicht daran zu denken, dass er für so eine Aufgabe komplett unterqualifiziert ist, so wie er im Grunde für jede Aufgabe komplett unterqualifiziert ist, aber manchmal weigere ich mich, das wirklich zu glauben, weil es halt schwer ist, sich so viel Inkompetenz als unveränderlichen Dauerzustand vorzustellen.
Aber weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass er so ein pipileichtes Pillepallereporting derart verkackt, habe ich es zu spät kontrolliert und dann hatte ich nur noch ganz wenig Zeit, um es komplett neu aufzusetzen und war zudem dadurch gehandicapt, dass ich auch keine weiteren Unterlagen hatte, denn auch die hatte der gute Mensch natürlich nicht besorgt, weil, woher soll er wissen, dass man für ein Reporting Unterlagen braucht? Er ist schließlich erst seit 20 Jahren Assistent der Geschäftsleitung in einer Vermögensverwaltungsfirma.
So war das also mit dem ersten Reporting, was ich dann zusammen mit dem Chef erster Ordnung (der den ganzen Kram in der Sitzung vortragen muss und deshalb ein durchaus großes Interesse daran hat, dass er da eine vernünftige Vorbereitung bekommt), also mit dem zusammen habe ich dann das erste Reporting "erfunden", wenn einem die Hälfte der notwendigen Unterlagen fehlt, kann man nur improvisieren.
Als das zweite Reporting fällig wurde, habe ich dem tiefbegabten GF-Assi gesagt, er möge sich darum kümmern, das wäre zwar das letzte Mal komplett schiefgelaufen, aber jetzt wüsste er ja, was er falsch gemacht hätte, da dürfte das Folgereporting doch wohl kein Problem mehr sein.
Ja Pustekuchen, diesmal dachte er sich komplett neue Fehler aus, einige davon so absurd und skurril, dass ich richtig lange brauchte, um sie alle zu finden, weil es mir bei einigen Fehlern gar nicht gelang, so kraus zu denken, wie es nötig ist, um sich überhaupt vorstellen zu können, was man alles falsch machen kann bzw. um dann an den entsprechenden Stellen zu suchen.
Immerhin waren diesmal alle Unterlagen zusammengestellt, also machte ich das Reporting komplett neu und achtete diesmal darauf, es so aufzubauen, dass es für künftige Reportings als Vorlage dienen kann. Für die nächsten Male muss also niemand mehr denken, es ist jetzt alles fertig vorgegeben, alles passend programmiert, alles schick und übersichtlich, man musss nur noch die aktuellen Zahlen aus den Unterlagen eintragen (=abtippen) - ich hielt es für narrensicher.

Vor zwei Wochen kam dann die E-Mail (und sie ging natürlich auch an den tiefbegabten Assi der GF), mit der das Reporting für das dritte Quartal angefordert wurde, Abgabetermin: morgen.
Und ich dachte mir, es kann ja nichts passieren, er muss nur die aktuellen Zahlen zum 30.09. in das von mir wunderbar vorprogrammierte Reportingtool eintippen und anschließend alles Seite für Seite per copy and paste in Powerpoint einfügen und voilà, fertig ist die Präsentation. Copy and paste ist nämlich seine ganz besondere Stärke, üblicherweise kann er das wirklich sehr gut.

Und was hatte er sich dieses Mal als besonderen Gimmick ausgedacht? Ganz einfach: Er hat die Mail komplett ignoriert und überhaupt alles ignoriert, was mit dem Reporting für diese Stiftung zusammenhängt, also dass das dritte Quartal ja auch ohne extra Aufforderung reported werden muss und ist einfach schon mal ohne irgendetwas vorbereitet zu haben gestern in Urlaub verschwunden.

Das wurde mir dann um 14.30h klar, als ich wegen der Mail in meinem nze-Postfach mal eben kontrollieren wollte, ob das Reporting für das dritte Quartal diesmal auch wirklich fehlerfrei erstellt wurde.
Von 14.30h bis 14.45h habe ich mich dann mit Atmen beschäftigt, dann habe ich fix alle Zahlen in das Reporting-Tool eingetippt, was zwar fix ging, aber natürlich doch so lange dauerte, dass ich wieder nur auf den letzten Drücker Punkt 17h zu meinem Physiotermin erschien und nix mehr war mit keine Hetze und vorher zu Hause umziehen.

Und morgen bringe ich ihn um
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