anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Montag, 2. November 2020
Autofahren und Feminismus
Früher bin ich mit großer Begeisterung Auto gefahren.
Autofahren war einfach toll, es machte mindestens so viel Spaß wie eine Herbstjagd über die Felder (also auf dem Pferd, nicht als Jäger, ich habe große Teile meiner Jugend im Reitstall verbracht.)
Autofahren habe ich aber auch schon früh gelernt, lange vor den ersten offiziellen Fahrstunden, nämlich von einem Freund mit einem Manta A, 1,9l, 105 PS, für damalige Verhältnisse ein echter Flitzer. Dieser Freund war Hobby-Straßen-Rallye-Fahrer, besaß diesen (getuneten) Manta und war wahrscheinlich in mich verliebt, bestätigte mir aber natürlich, dass echte Freundschaft viel wichtiger ist als Poppen, so dass ich das einzige Mädchen war, das mit seinem Manta fahren durfte, was ich völlig in Ordnung fand.
Seine Eltern hatten eine Landwirtschaft mit Futtermittelhandlung, so dass ich natürlich auch das Fahren von Trecker und Unimog ausprobieren konnte, Trecker mit Anhänger allerdings nur einmal, denn bei der Ankunft waren alle Futtermittelsäcke auf dem Anhänger umgefallen und teilweise aufgeplatzt, Trecker mit (beladenem) Anhänger sollte man anders fahren als einen getuneten Manta A und als Alternative für eine wilde Herbstjagd über die Stoppelfelder taugt das auch nicht. Das gleich galt auch für den Unimog, die Dinger kippen wirklich eklig leicht um, wir waren uns nach wenigen Versuchen einig, dass ich am besten nur Manta fahre, für die anderen Fahrzeuge bringe ich nicht die nötige Geduld auf.
Bevor sich also ein echter, seriöser Fahrlehrer meiner Autofahrerausbildung annehmen konnte, hatte ich nicht nur diverse Autorennen mit Schleuderübungen und allem Pipapo hinter mir, sondern auch die feste Überzeugung intus, dass ich längst ein gut ausgebildeter Rennfahrer bin, eine Überzeugung, die meinen Fahrlehrer während der 12 Fahrstunden, die ich vorschriftsgemäß absolvieren musste, viele Nerven kostete. Immerhin gelang es ihm, mir beizubringen, dass es unklug ist, in der praktischen Führerscheinprüfung beim Linksabbiegen die Reifen quietschen zu lassen, das war ein wertvoller Hinweis.
Die praktische Führerscheinprüfung bestand ich übrigens trotz meines etwas zu wilden Fahrstils, weil ich beim Rückwärtseinparken nicht die vom Prüfer angepeilte große, 10m lange Parklücke nahm, sondern die nur halb so große, eigentlich viel zu enge Parklücke davor, weil ich bei meiner Trecker- und Rallyefahrerausbildung auch wirklich exaktes Rangieren für jedes Fahrzeug gelernt hatte, eine Fähigkeit, die den Prüfer sehr staunen ließ.
Ich fand das natürlich alles normal und habe erst im Laufe meines Lebens gelernt, wie viele Leute, und ja, auch viele Männer!, sich mit dem exaktem Rangieren eines Autos schwertun. Eine meiner Lieblingsmännerprovokationen ist deshalb bis heute, dass ich anbiete, den Wagen einzuparken, wenn der am Steuer sitzende Mann eine Parklücke als "zu klein" ablehnt.

Als ich dann endlich ganz legal mit einem eigenen Führerschein, der auf meinen eigenen Namen lautete, Auto fahren durfte, lernte ich schnell einen weiteren wichtigen Mann in meinem Leben kennen, Erich, der war nämlich Autohändler, hatte ständig mehrere Autos zur Verfügung und war deshalb für mich ein hochattraktiver Mann.
Er war auch für viele andere Frauen ein hochattraktiver Mann, aber das ist eine andere Geschichte, die erzähle ich ander Mal.
Erich handelte mit gebrauchten Luxusautos und freute sich sehr, dass ich kostenlos für ihn Autos von A nach B fuhr, ich freute mich sehr, dass ich jeden zweiten Tag irgendeine andere geile Karre fahren konnte.
So kam es, dass ich mit 19 Jahren schon ca. 50 verschiedene Autos gefahren hatte, vom Jaguar E-Typ über einen Ford Thunderbird und eine Corvette war so ziemlich alles dabei, es war eine dolle Zeit.

Damit ich selber mobil bin, stellte mir Erich einen R16 aus einer der ersten Baureihen zur Verfügung, den durfte ich fahren, bis dass der TÜV uns schied.
Ich mochte den R16 sehr, vor allem weil an diesem Auto so ziemlich alles anders war als man es von anderen Autos kannte. Es gab eine Lenkradschaltung, die fast jeden uneingewiesenen Fahrer vor eine echte Herausforderung stellte, weil es eine "echte" Lenkradschaltung war, nicht so eine Revolverschaltung wie beim R4 oder der Ente. Außerdem war der Beifahrersitz nicht festgeschraubt, weil da irgendwas abgebrochen war, der Sitz schlitterte also fröhlich auf den Führungsschienen vor und zurück, ein geübter Beifahrer schob den Sitz maximal zurück und klemmte dann seine Füße unter die Windschutzscheibe, so dass der Sitz auch bei einer Bremsung nicht mehr nach vorne rutschen konnte. Jeder neue Beifahrer musste das aber erst lernen. Als Fahrer hatte ich dabei stets viel Spaß.
Selbstverständlich gab es keine Anschnallgurte, die waren damals nämlich nicht zwingend vorgeschrieben und waren in älteren Autos deshalb noch gar nicht verbaut worden.

Ich glaube, unter meinen Mitschülern (ich habe erst mit 19 1/2 Abitur gemacht) kursierten damals abenteuerliche Geschichten über mein wildes Lotterleben, weil ich ja nicht nur dieses eigene Auto besaß, sondern auch ständig von Erich in irgendeinem anderen Luxusschlitten von der Schule abgeholt wurde, nämlich immer dann, wenn wir zu zweit in einem Auto irgendwohin fuhren, um dort ein anderes Auto abzuholen.
Dabei war mein sonstiges Leben eigentlich gar nicht sehr lotterhaft, ich wollte eigentlich nur Autofahren, aber das musste ich meinen neugierigen Mitschülern ja so genau nicht erklären.

Nun, wie auch immer, ich liebte es, Auto zu fahren und fand es völlig normal, an einem Tag eine Tour Düsseldorf-München und zurück runterzureißen, 16 Stunden Autofahren, toll!

Aber irgendwann wurden auch die spektakulärsten Autos zur Gewohnheit, irgendwann hatte ich gefühlt auch alle denkbaren Gefahrensituationen schon einmal gemeistert, so dass das Autofahren so nach und nach seinen Reiz verlor und zu einer normalen Alltagsroutine wurde.

Ich fahre nach wie vor gerne schnell und mag hochmotorisierte Autos, aber nicht mehr wegen des Thrills, sondern weil ich es praktisch finde, wenn ich schneller ankomme.
Ansonsten drängele ich mich heute nicht mehr aktiv ums Autofahren, wenn da jemand anderes ist, der gerne fahren möchte, dann lasse ich gerne andere fahren, ich bin heute ein zufriedener Beifahrer, wenn ich einsteigen und kurz danach einschlafen kann.
Überhaupt habe ich ja nur noch sehr wenig Reiselust, am allerliebsten bleibe ich einfach nur zuhause und fahre nirgendwo hin.
Klappt aber nicht immer, manchmal muss ich halt Autofahren, wenn ich bestimmte Dinge erledigen möchte.
So wie heute, als ich endlich mal wieder den Vater besucht habe, das erste Mal seit sehr langer Zeit.
Im August und September hinderte mich der gebrochene Fuß, dann das Wetter, dann war der Vater im Krankenhaus mit Besuchsverbot, irgendwas war immer.
Ab Morgen wird wieder alles runtergefahren, heute war also die letzte Chance für die nächsten Wochen. Erlaubt war aber nur ein Besucher, deshalb fuhr ich alleine, K hat derweil den Keller aufgeräumt.

Deshalb bin ich heute also mit dem Auto nach Leer gefahren, der Vater hat sich gefreut, ich habe sein Telefon wieder aktiviert, seine Post gesichtet, die Rechnungen mitgenommen, mich zwei Stunden mit ihm unterhalten und dann bin ich wieder zurückgefahren.

Ich habe festgestellt, dass mir Autofahren zwar nichts ausmacht, dass ich es aber eigentlich ziemlich langweilig finde, jedoch ist es gleichzeitig auch eine sehr gute Gelegenheit, einen längeren Podcast zu hören und genau das tat ich, diesmal aus der "Alles gesagt-Reihe" die Folge mit Alice Schwarzer, das war superinteressant. Alice Schwarzer gefällt mir sehr gut, weil sie keine Ideologien verherrlicht, sondern nur eine klare Haltung vertritt, nämlich dass Frauen nicht als Frauen geboren werden, sondern dazu gemacht werden und dass sie einerseits die Frauen dazu aufruft, sich dem zu widersetzen und die Männer anprangert, die sich dadurch persönliche Vorteile verschaffen.
Das ist eine Sorte Feminismus, die kann ich verstehen und akzeptieren. Mit der ideologischen Variante habe ich ja sonst eher Probleme, weil da bei mir was schiefgelaufen ist, mit der klassischen Prägung zur Frau, ich glaube, ich bin da eindeutig fehlgeprägt und habe für die "typische" Frau wirklich herzlich wenig Verständnis
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