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Mittwoch, 20. Mai 2020
Charaktertest
anje, 00:51h
Die Woche geht weiter wie sie begonnen hat, intensives Anschwimmen gegen den Strom, um nicht völlig abgetrieben zu werden.
Der Chef erster Ordnung ist noch viel mehr eingespannt, der hechelt nur mit hängender Zunge von Termin zu Termin, um zwischendurch, wenn er meint, jetzt hätte er mal fünf Minuten Zeit mit mir zu reden, von weiterem, hoch akutem Störfeuer von der Seitenauslinie beschossen zu werden, also entscheide ich manche Dinge eben ganz alleine, auch gut.
Andere Dinge nehme ich zur Kenntnis und verweigere mich hartnäckig, mich aktuell damit auseinanderzusetzen. So nach und nach kommt bei den Mitarbeitern der allgemeine Coronaunmut auf, der nicht wirklich was mit der Arbeit zu tun hat, aber da kann man sich ja auch mal versuchsweise austoben und einige Kollegen schwingen jetzt Reden, die finde ich schon bemerkenswert.
So eine Krise ist eben vor allem auch ein Charaktertest - jetzt zeigt sich bei einigen Menschen nur leider ein sehr seltsamer Charakter und ich staune immer mehr, was sich bei einigen unter der sonst stromlinienförmigen Oberfläche versteckt.
Wenn ich die Situation der Mitarbeiter bei uns in der Firma mal versuche, so objektiv wie möglich zu beschreiben, so bleibt doch als Kurzzusammenfassung: Sie haben schon gewaltiges Glück mit ihrem Job und den allgemeinen Rahmenbedingungen, verglichen mit vielen anderen Angestellten sind sie alle miteinander wirklich privilegiert. Und genau deshalb macht es mich auch sehr böse, wenn sie jetzt ankommen und noch weitere Forderungen stellen.
Eine drohende Arbeitslosigkeit ist genausowenig ein Thema wie Kurzarbeit oder irgendwelche anderen Lohneinbußen. Sie kriegen alle ihr Gehalt mit unveränderter Sicherheit weiter, wobei die Arbeit insgesamt sogar etwas abgenommen hat, weil halt alles zur Zeit ruhiger und damit weniger intensiv abläuft.
Die Büros sind in einem sehr großen, sehr weitläufigen Gebäude, jeder hat ein großes Einzelbüro, auch auf den Gängen kann man sich weiträumig aus dem Weg gehen, es gibt also an keiner Stelle einen unvermeidbaren Kontakt, trotzdem wurde ab Mitte/Ende März für jeden die Möglichkeit geschaffen, im Homeoffice zu arbeiten, was auch aktuell noch jedem freigestellt ist.
Abgeschafft wurde die Zeiterfassung, es arbeiten jetzt also alle auf Vertrauensarbeitszeitbasis - und das sorgt bei einigen doch für größeren Unmut. Da wir keine Umsätze durch Mitarbeiterproduktivität generieren, sondern rein vermögensverwaltend tätig sind, also Immobilien und Kapitalvermögen verwalten, ist eine genaue Zeiterfassung, die irgendwelchen nichtexistenten Kunden gegenüber abgerechnet werden könnte, überflüssig. Wir haben die Zeiterfassung beim Kommen und beim Gehen nur für die Erfassung der Gesamtarbeitszeit, die das Ansammeln von Überstunden ermöglicht, die dann auch wieder abgeglitten werden können, d.h. zusätzliche Gleittage neben dem regulären Urlaub können so rausgearbeitet werden.
Aktuell geht das aber nicht, weil man aktuell keine Überstunden machen kann. Das verärgert einige Mitarbeiter sehr und mich verärgert dieses unangemessene Anspruchsdenken. Statt froh zu sein, einen Job zu haben, der aktuell wirklich alle Vorteile auf einen Schlag in sich vereint, nörgeln sie rum und wollen noch mehr.
Daneben gibt es dann noch den Trupp der Regelüberwacher und -einforderer. Die habe ich bei uns zum Glück durch frühes Zurechtweisen und der klaren Ansage der fehlenden Zuständigkeit einigermaßen gut ausbremsen können, aber im Büro einer Freundin scheinen mehrere Frl. Rottenmeiers auferstanden zu sein und machen der Geschäftsführung das Leben zur Hölle. So erzählte sie, dass sich eine Kollegin sehr darüber aufregt, dass innerhalb des Büros niemand einen Mundschutz trägt und in der Mittagspause palavert sie lautstark in der Küche (natürlich vor einer Gruppe von Kollegen, alle gemeinsam überflüssigerweise in einem Raum, aber sonst kann man ja auch keine Reden schwingen), dass sie es unmöglich findet, dass sich nur sowenige Menschen an die Maskenpflicht halten (btw. im Büro gibt es keine Maskenpflicht, aber man kann es ja mal behaupten und als selbstverständlich nötig einfach so postulieren) und dass sie es noch viel unmöglicher finde, dass auch die Geschäftsführung keinen Mundschutz trägt, von der Geschäftsführung würde sie auf alle Fälle eine Vorbildfunktion erwarten.
Unabhängig von der Frage, wer oder was mit so einem Mundschutz überhaupt geschützt wird, (ich halte die Dinger ja nach wie vor für komplett überbewertet und eine alberne Spielerei, die aber natürlich einen nicht zu verleugnenden psychologischen Mehrwert hat.) finde ich es immer wieder spannend, dass solche Leute in derartigen Krisen zu ganz großer Form auflaufen und wie die Pilze aus dem Boden schießen. Sie waren im Keim immer schon da, nur ohne Krise sieht man sie nicht. Und so fällt es einem wieder ein, das passende Oberwort zu dieser Krise: Charaktertest.
Nie war er so wertvoll wie heute
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Der Chef erster Ordnung ist noch viel mehr eingespannt, der hechelt nur mit hängender Zunge von Termin zu Termin, um zwischendurch, wenn er meint, jetzt hätte er mal fünf Minuten Zeit mit mir zu reden, von weiterem, hoch akutem Störfeuer von der Seitenauslinie beschossen zu werden, also entscheide ich manche Dinge eben ganz alleine, auch gut.
Andere Dinge nehme ich zur Kenntnis und verweigere mich hartnäckig, mich aktuell damit auseinanderzusetzen. So nach und nach kommt bei den Mitarbeitern der allgemeine Coronaunmut auf, der nicht wirklich was mit der Arbeit zu tun hat, aber da kann man sich ja auch mal versuchsweise austoben und einige Kollegen schwingen jetzt Reden, die finde ich schon bemerkenswert.
So eine Krise ist eben vor allem auch ein Charaktertest - jetzt zeigt sich bei einigen Menschen nur leider ein sehr seltsamer Charakter und ich staune immer mehr, was sich bei einigen unter der sonst stromlinienförmigen Oberfläche versteckt.
Wenn ich die Situation der Mitarbeiter bei uns in der Firma mal versuche, so objektiv wie möglich zu beschreiben, so bleibt doch als Kurzzusammenfassung: Sie haben schon gewaltiges Glück mit ihrem Job und den allgemeinen Rahmenbedingungen, verglichen mit vielen anderen Angestellten sind sie alle miteinander wirklich privilegiert. Und genau deshalb macht es mich auch sehr böse, wenn sie jetzt ankommen und noch weitere Forderungen stellen.
Eine drohende Arbeitslosigkeit ist genausowenig ein Thema wie Kurzarbeit oder irgendwelche anderen Lohneinbußen. Sie kriegen alle ihr Gehalt mit unveränderter Sicherheit weiter, wobei die Arbeit insgesamt sogar etwas abgenommen hat, weil halt alles zur Zeit ruhiger und damit weniger intensiv abläuft.
Die Büros sind in einem sehr großen, sehr weitläufigen Gebäude, jeder hat ein großes Einzelbüro, auch auf den Gängen kann man sich weiträumig aus dem Weg gehen, es gibt also an keiner Stelle einen unvermeidbaren Kontakt, trotzdem wurde ab Mitte/Ende März für jeden die Möglichkeit geschaffen, im Homeoffice zu arbeiten, was auch aktuell noch jedem freigestellt ist.
Abgeschafft wurde die Zeiterfassung, es arbeiten jetzt also alle auf Vertrauensarbeitszeitbasis - und das sorgt bei einigen doch für größeren Unmut. Da wir keine Umsätze durch Mitarbeiterproduktivität generieren, sondern rein vermögensverwaltend tätig sind, also Immobilien und Kapitalvermögen verwalten, ist eine genaue Zeiterfassung, die irgendwelchen nichtexistenten Kunden gegenüber abgerechnet werden könnte, überflüssig. Wir haben die Zeiterfassung beim Kommen und beim Gehen nur für die Erfassung der Gesamtarbeitszeit, die das Ansammeln von Überstunden ermöglicht, die dann auch wieder abgeglitten werden können, d.h. zusätzliche Gleittage neben dem regulären Urlaub können so rausgearbeitet werden.
Aktuell geht das aber nicht, weil man aktuell keine Überstunden machen kann. Das verärgert einige Mitarbeiter sehr und mich verärgert dieses unangemessene Anspruchsdenken. Statt froh zu sein, einen Job zu haben, der aktuell wirklich alle Vorteile auf einen Schlag in sich vereint, nörgeln sie rum und wollen noch mehr.
Daneben gibt es dann noch den Trupp der Regelüberwacher und -einforderer. Die habe ich bei uns zum Glück durch frühes Zurechtweisen und der klaren Ansage der fehlenden Zuständigkeit einigermaßen gut ausbremsen können, aber im Büro einer Freundin scheinen mehrere Frl. Rottenmeiers auferstanden zu sein und machen der Geschäftsführung das Leben zur Hölle. So erzählte sie, dass sich eine Kollegin sehr darüber aufregt, dass innerhalb des Büros niemand einen Mundschutz trägt und in der Mittagspause palavert sie lautstark in der Küche (natürlich vor einer Gruppe von Kollegen, alle gemeinsam überflüssigerweise in einem Raum, aber sonst kann man ja auch keine Reden schwingen), dass sie es unmöglich findet, dass sich nur sowenige Menschen an die Maskenpflicht halten (btw. im Büro gibt es keine Maskenpflicht, aber man kann es ja mal behaupten und als selbstverständlich nötig einfach so postulieren) und dass sie es noch viel unmöglicher finde, dass auch die Geschäftsführung keinen Mundschutz trägt, von der Geschäftsführung würde sie auf alle Fälle eine Vorbildfunktion erwarten.
Unabhängig von der Frage, wer oder was mit so einem Mundschutz überhaupt geschützt wird, (ich halte die Dinger ja nach wie vor für komplett überbewertet und eine alberne Spielerei, die aber natürlich einen nicht zu verleugnenden psychologischen Mehrwert hat.) finde ich es immer wieder spannend, dass solche Leute in derartigen Krisen zu ganz großer Form auflaufen und wie die Pilze aus dem Boden schießen. Sie waren im Keim immer schon da, nur ohne Krise sieht man sie nicht. Und so fällt es einem wieder ein, das passende Oberwort zu dieser Krise: Charaktertest.
Nie war er so wertvoll wie heute
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