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Freitag, 15. Juni 2018
Kontaktanzeige mit Stellungswechsel
anje, 01:12h
Frau Nessy berichtet hier sehr ausführlich über ihre Erlebnisse bei Parship. Absolute Leseempfehlung und UNBEDINGT auch die Kommentare lesen, ich kann mich nicht entscheiden, was ich lustiger finde.
Während ich mich grinsend durch Frau Nessys Geschichte gelesen habe, fielen mir natürlich dabei die Briefe ein, die ich 1990 auf meine Kontakanzeige erhalten habe und ich fand das alles noch viel lustiger - oder gruseliger, ganz wie man es betrachtet, denn ich kann es komplett und rundum nur bestätigen, ganz genauso ist es mir auch ergangen, ich habe mich nur nicht mit so vielen Männern getroffen, als ich vor 28 Jahren mal versuchte auf Deiwel komm raus, mir einen Mann zu erzwingen.
Denn eigentlich hatte ich zu der Zeit einen Freund, aber das war eine schwierige Beziehung, ich habe mich ständig über ihn geärgert, weil er sich für meinen Geschmack deutlich zu wenig Mühe gab. Deshalb hatte ich irgendwann gründlich die Nase voll und wollte ihm mal zeigen, dass ich auch sehr gut ohne ihn glücklich sein kann.
Ich brauchte dafür möglichst schnell und problemlos einen neuen Mann, vor allem zum Vorzeigen. Eine Zeitungsannonce (1990! nix Internet!) erschien mir dafür eine gute Idee. Da ich ja nichts fürs Leben suchte und im Grunde auch keine ganz hohen Ansprüche stellte (außer, dass es wenigstens nach außen so aussieht als sei es ernst gemeint), war ich natürlich zu geizig, für so eine Annonce ein edles Anzeigenblatt zu wählen und verzichtete erst recht auf eine Vermittlung durch Frau Püschel-Knies o.ä. und fand, eine Anzeige im örtlichen Stadtanzeiger, der einmal wöchentlich kostenlos an alle Haushalte verteilt wird, muss reichen.
Ich gab also eine Anzeige im Wochenblatt auf und die lautete so:
Ich dachte ja, da melden sich jetzt nur Männer, die auch ausreichend souverän sind, ein derart explosives Bündel an Gruseleigenschafter bei einer Frau zu händeln und war eigentlich ziemlich stolz auf meinen Text.
Nicht bedacht hatte ich dabei, dass dieses kostenlose Wochenblatt wohl auch gleichzeitig die Werkszeitung für alle in Krefeld-Uerdingen und Duisburg ansässigen Industrieunternehmen ist - denn genau aus dieser Region kamen die meisten Zuschriften.
Insgesamt habe ich 49 Briefe erhalten, vier getippte, 45 handgeschrieben., Schreibmaschinen waren damals längst nicht in jedem Haushalt zu finden, Computer mit Drucker erst recht nicht. Ist ja auch schon Jahrhunderte her - oder um genau zu sein: exakt 28 Jahre. Als ich vorhin die Mappe mit den Briefen wieder herausgekramt habe, habe ich selber wieder ein bisschen gestaunt, aber vor 28 Jahren schrieb man tatsächlich noch flächendeckend mit der Hand.
Und selbstverständlich waren einige der Zuschriften so faszinierend, dass ich bis heute nicht sicher bin, ob die echt waren oder sich da jemand einen Spaß erlaubt hat. Ich fürchte allerdings, sie waren echt.
Schwab Versand - so erfrischend anders.
Dieser Verehrer hatte aber schon eine gewisse Professionalität entwickelt, für seine Leserbriefzuschriften auf Chiffreanzeige. Der Umschlag war nur noch mit der Chiffrenummer beschriftet, ohne Anschrift der Redaktion und ohne Briefmarke, was darauf schließen lässt, dass er per Sammelumschlag gleich mehrere Briefe verschickte - spart schließlich Porto. Briefpapier kommt vom Werbenotizblock, da kann man es sich locker leisten, auf 10-15 Anzeigen gleichzeitig zu antworten. Das Handschriftliche macht sicher etwas Mühe, aber man kann das ja auch als Hobby ansehen unnd dann wird es eine abendfüllende Freizeitbeschäftigung.
Die meisten Zuschriften waren allerdings einzeln an die Redaktion adressiert, die die Briefe dann ungeöffnet an mich weiterleitete.
Viele hatten ein Bild beigelegt mit der Bitte "Bitte Bild zurück bei Nichtgefallen" - irgendwie spricht daraus ja auch schon eine gewisse resignierende Routine.
Je öfter ich mir die Briefe ansah, umso mehr deprimierten sie mich
Dieser zB ist sehr typisch - von dieser Art gab es mehrere:
Ich habe damals zum ersten Mal begriffen, dass es neben der Welt, in der ich lebe, noch eine (oder viele) andere Welten gibt, die so weit weg sind von meinem Leben, dass mir bisher noch nicht mal bewusst war, dass sie existieren.
Wenn man aber persönlich Post bekommt aus dieser Welt, dann rückt das alles plötzlich sehr nahe und außer der Tatsache, dass wir vielleicht alle unter demselben Himmel leben, aber sicher nicht den gleichen orthographischen Horizont teilen, fiel mir durch diese Briefe auch auf, wie viele einsame Menschen es gibt und welche Mühe sie sich geben, das zu ändern.
Manche hatten richtig lange Episteln verfasst, die längste Zuschrift umfasste 6 (sechs!) handschriftlich engbeschriebene DIN A 4 Seiten.
Mein höchstpersönlicher Lieblingstreffer bei dieser Aktion war dann allerdings die Zuschrift von M.
M. war nämlich mit mir zur Grundschule gegangen, wohnte (immer noch) in der Nachbarschaft meiner Eltern (d.h. meine Eltern wohnten dort nicht mehr, aber früher waren wir halt mal Nachbarn) und ich habe ihn heimlich viele Jahre angeschwärmt. M. war als Jugendlicher schon ein schnieker Kerl, mit Ende Zwanzig wird er ganz bestimmt sehr gut ausgesehen haben (ausgerechnet er hatte kein Bild beigelegt), und dieser M. antwortete jetzt auf Kontaktanzeigen. Ich konnte es nicht fassen, denn ausgerechnet dieser M. hatte auch immer schon so getan, als könne er sich all der Groupieweiber, die ihn dauernd bedrängten, kaum erwehren und hatte vor allem immer böse Witze auf Kosten der eher blassen Jungs gemacht, die halt keine abbekamen.
Mein Problem war nur, dass ich M. ja nicht offiziell antworten konnte, denn dann hätte ich ja zugegeben, dass ich auch per Kontaktanzeige unterwegs war und das wäre mir defintiv viel zu peinlich gewesen.
So habe ich mich einfach nur stumm über mein heimliches Geheimwissen gefreut und 14 Tage später selber auf eine Anzeige geantwortet, das war allerdings eine Stellenanzeige, in der ein Niederlassungsleiter für eine Steuerberaterkanzlei in Chemnitz gesucht wurde - und so fand ich dann doch noch einen Mann über eine Anzeige, wenn auch anders als erwartet
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Während ich mich grinsend durch Frau Nessys Geschichte gelesen habe, fielen mir natürlich dabei die Briefe ein, die ich 1990 auf meine Kontakanzeige erhalten habe und ich fand das alles noch viel lustiger - oder gruseliger, ganz wie man es betrachtet, denn ich kann es komplett und rundum nur bestätigen, ganz genauso ist es mir auch ergangen, ich habe mich nur nicht mit so vielen Männern getroffen, als ich vor 28 Jahren mal versuchte auf Deiwel komm raus, mir einen Mann zu erzwingen.
Denn eigentlich hatte ich zu der Zeit einen Freund, aber das war eine schwierige Beziehung, ich habe mich ständig über ihn geärgert, weil er sich für meinen Geschmack deutlich zu wenig Mühe gab. Deshalb hatte ich irgendwann gründlich die Nase voll und wollte ihm mal zeigen, dass ich auch sehr gut ohne ihn glücklich sein kann.
Ich brauchte dafür möglichst schnell und problemlos einen neuen Mann, vor allem zum Vorzeigen. Eine Zeitungsannonce (1990! nix Internet!) erschien mir dafür eine gute Idee. Da ich ja nichts fürs Leben suchte und im Grunde auch keine ganz hohen Ansprüche stellte (außer, dass es wenigstens nach außen so aussieht als sei es ernst gemeint), war ich natürlich zu geizig, für so eine Annonce ein edles Anzeigenblatt zu wählen und verzichtete erst recht auf eine Vermittlung durch Frau Püschel-Knies o.ä. und fand, eine Anzeige im örtlichen Stadtanzeiger, der einmal wöchentlich kostenlos an alle Haushalte verteilt wird, muss reichen.
Ich gab also eine Anzeige im Wochenblatt auf und die lautete so:
Ich dachte ja, da melden sich jetzt nur Männer, die auch ausreichend souverän sind, ein derart explosives Bündel an Gruseleigenschafter bei einer Frau zu händeln und war eigentlich ziemlich stolz auf meinen Text.
Nicht bedacht hatte ich dabei, dass dieses kostenlose Wochenblatt wohl auch gleichzeitig die Werkszeitung für alle in Krefeld-Uerdingen und Duisburg ansässigen Industrieunternehmen ist - denn genau aus dieser Region kamen die meisten Zuschriften.
Insgesamt habe ich 49 Briefe erhalten, vier getippte, 45 handgeschrieben., Schreibmaschinen waren damals längst nicht in jedem Haushalt zu finden, Computer mit Drucker erst recht nicht. Ist ja auch schon Jahrhunderte her - oder um genau zu sein: exakt 28 Jahre. Als ich vorhin die Mappe mit den Briefen wieder herausgekramt habe, habe ich selber wieder ein bisschen gestaunt, aber vor 28 Jahren schrieb man tatsächlich noch flächendeckend mit der Hand.
Und selbstverständlich waren einige der Zuschriften so faszinierend, dass ich bis heute nicht sicher bin, ob die echt waren oder sich da jemand einen Spaß erlaubt hat. Ich fürchte allerdings, sie waren echt.
Schwab Versand - so erfrischend anders.
Dieser Verehrer hatte aber schon eine gewisse Professionalität entwickelt, für seine Leserbriefzuschriften auf Chiffreanzeige. Der Umschlag war nur noch mit der Chiffrenummer beschriftet, ohne Anschrift der Redaktion und ohne Briefmarke, was darauf schließen lässt, dass er per Sammelumschlag gleich mehrere Briefe verschickte - spart schließlich Porto. Briefpapier kommt vom Werbenotizblock, da kann man es sich locker leisten, auf 10-15 Anzeigen gleichzeitig zu antworten. Das Handschriftliche macht sicher etwas Mühe, aber man kann das ja auch als Hobby ansehen unnd dann wird es eine abendfüllende Freizeitbeschäftigung.
Die meisten Zuschriften waren allerdings einzeln an die Redaktion adressiert, die die Briefe dann ungeöffnet an mich weiterleitete.
Viele hatten ein Bild beigelegt mit der Bitte "Bitte Bild zurück bei Nichtgefallen" - irgendwie spricht daraus ja auch schon eine gewisse resignierende Routine.
Je öfter ich mir die Briefe ansah, umso mehr deprimierten sie mich
Dieser zB ist sehr typisch - von dieser Art gab es mehrere:
Ich habe damals zum ersten Mal begriffen, dass es neben der Welt, in der ich lebe, noch eine (oder viele) andere Welten gibt, die so weit weg sind von meinem Leben, dass mir bisher noch nicht mal bewusst war, dass sie existieren.
Wenn man aber persönlich Post bekommt aus dieser Welt, dann rückt das alles plötzlich sehr nahe und außer der Tatsache, dass wir vielleicht alle unter demselben Himmel leben, aber sicher nicht den gleichen orthographischen Horizont teilen, fiel mir durch diese Briefe auch auf, wie viele einsame Menschen es gibt und welche Mühe sie sich geben, das zu ändern.
Manche hatten richtig lange Episteln verfasst, die längste Zuschrift umfasste 6 (sechs!) handschriftlich engbeschriebene DIN A 4 Seiten.
Mein höchstpersönlicher Lieblingstreffer bei dieser Aktion war dann allerdings die Zuschrift von M.
M. war nämlich mit mir zur Grundschule gegangen, wohnte (immer noch) in der Nachbarschaft meiner Eltern (d.h. meine Eltern wohnten dort nicht mehr, aber früher waren wir halt mal Nachbarn) und ich habe ihn heimlich viele Jahre angeschwärmt. M. war als Jugendlicher schon ein schnieker Kerl, mit Ende Zwanzig wird er ganz bestimmt sehr gut ausgesehen haben (ausgerechnet er hatte kein Bild beigelegt), und dieser M. antwortete jetzt auf Kontaktanzeigen. Ich konnte es nicht fassen, denn ausgerechnet dieser M. hatte auch immer schon so getan, als könne er sich all der Groupieweiber, die ihn dauernd bedrängten, kaum erwehren und hatte vor allem immer böse Witze auf Kosten der eher blassen Jungs gemacht, die halt keine abbekamen.
Mein Problem war nur, dass ich M. ja nicht offiziell antworten konnte, denn dann hätte ich ja zugegeben, dass ich auch per Kontaktanzeige unterwegs war und das wäre mir defintiv viel zu peinlich gewesen.
So habe ich mich einfach nur stumm über mein heimliches Geheimwissen gefreut und 14 Tage später selber auf eine Anzeige geantwortet, das war allerdings eine Stellenanzeige, in der ein Niederlassungsleiter für eine Steuerberaterkanzlei in Chemnitz gesucht wurde - und so fand ich dann doch noch einen Mann über eine Anzeige, wenn auch anders als erwartet
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