anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Donnerstag, 6. August 2020
Das Hasemobil
K ist wieder da und ich bin sehr glücklich.
Ich tauge nicht als Einzelmensch, insbesondere dann nicht, wenn ich alleine mit anderen Menschen zusammen bin.
Hört sich seltsam an, aber wenn ich länger mit anderen Menschen zusammen bin, fällt mir regelmäßig auf, wie schwer es mir fällt, ein guter Mensch zu sein.
Wenn ich wählen kann, ob ich Dinge alleine und unabhängig mache oder gemeinsam mit anderen, auf die ich dann aber nach deren Regeln Rücksicht nehmen muss, ist es mir immer und grundsätzlich lieber, Dinge alleine zu machen. Ich bin am besten darin auf andere Menschen Rücksicht zu nehmen, wenn ich ihnen einfach aus dem Weg gehe.
Alles andere wird zu einem immer größer werdenden Berg an schiefgelaufenen Kommunikationen und es gelingt mir nicht, das zu verhindern. Ich meine, es gelänge mir grundsätzlich natürlich schon, das zu verhindern, aber dann fühlt es sich für mich an wie im Job. Und das verweigere ich privat einfach.

Im Job reagiere ich üblicherweise nie spontan, sondern in aller Regel sehr kuratiert und überlegt. Im Job gebe ich mir viel Mühe, die Menschen, mit denen ich zu tun habe, jeweils genau so zu behandeln, dass sie anschließend möglichst gut ihre Arbeit erledigen, entweder genau das tun, was ich möchte oder sich zufrieden und motiviert fühlen und selbstständig weiterarbeiten, dabei ist es völlig unerheblich, wie ich persönlich mich dabei fühle, ich mache meinen Job nicht zu meiner persönlichen Selbstverwirklichung, sondern meine Zielvorgabe ist maximale Effizienz.

Aber genau deshalb ist es mir so wichtig, in meinem privaten Umfeld nicht auch noch dauernd auf irgendwelche Befindlichkeiten anderer achten zu müssen, privat möchte ich gerne einfach nur so sein, wie ich bin, ohne mich verstellen zu müssen, ohne jedes Wort erst angemessen zu gewichten und vor allem möchte ich gerne genau das sagen dürfen, was ich meine und ich will es in dem Tonfall sagen, der mir dabei spontan einfällt. Wenn Dinge daneben gehen oder falsch gelaufen sind, ist das kein Beinbruch, aber es ist ärgerlich - und ich will sagen, dass ich es ärgerlich finde. Weil ich mich ja auch wirklich spontan ärgere, dann sage ich, dass ich das blöd finde und dann ist die Sache für mich erledigt. Ich suche weder nach einem Schuldigen noch will ich die Sache selber diskutieren, es ist halt vergossene Milch, blöd, aber kann passieren, das einzige, was mich wirklich interessiert, ist Vorbeugung für die Zukunft.
Wenn ich sage, dass ich das jetzt grade nicht gut fand, dann möchte ich damit vor allem eine Wiederholung verhindern. Wenn da ansonsten noch nie drüber geredet wurde, kann es deshalb gar kein Vorwurf gegenüber irgendjemandem sein (aus meiner Sicht), weil das ja bisher noch niemand wusste. Interessanterweise fühlen sich die allermeisten Menschen aber persönlich angegriffen, wenn ich sage, was mir nicht passt und das wiederum finde ich enorm anstrengend. Insgesamt fühle ich mich dadurch in einem permanenten Rechtfertigungsdruck, der aber auch aussichtslos ist, denn, wenn ich mich rechtfertige und versuche, das gesamte Verhalten zu diskutieren, endet es mit dem Vorwurf, dass man mit mir nicht diskutieren könne, weil ich jeden an die Wand quatsche.
Ja, wtf - aus genau dem Grund finde ich es einfach nur ermüdend, anstrengend und nicht sehr erstrebenswert mit anderen Menschen zusammen zu sein, ich habe kein Talent dafür.

Heute klingelte der Gasableser, C hat ihm die Tür geöffnet, es wurde der Gaszähler abgelesen und dann ist der Mensch wieder gegangen. Als ich C zwei Stunden später fragte, wer da denn heute Vormittag geklingelt habe, sagte sie: "Der Gasableser." und ich reagierte einfach nur superspontan mit "Ach Du Kacke, dann haben wir jetzt wohl ein Problem." um aber auch SOFORT, quasi noch im selben Atemzug nachzuschieben: "Du kannst da gar nichts für, das ist komplett allein mein Problem."

Erklärung: Weil ich wusste, dass die Gaspreise steigen, habe ich bei der letzten Ablesung im Februar mal sehr großzügig den Zählerstand nach oben aufgerundet. Ich habe also schon Gas bezahlt, was ich noch gar nicht verbraucht habe, das aber mit dem niedrigen Gaspreis, der bis zum 31.1. galt. Ich fand mich enorm tricky und bis zur nächsten Ablesung im Winter ist das ja locker alles wegverbraucht.
Dass die jetzt aber im Sommer auch ablesen, wegen USt-Wechsel und Zwischenabrechnung, das hatte ich nicht bedacht und jetzt haben die heute einen Zählerstand abgelesen, der niedriger ist als der Zählerstand im Februar. Das wird ein Erklärungsproblem, fürchte ich.
C hat heute einfach zu 100% gar nichts verkehrt gemacht, es ist absolut logisch und richtig, den Zählermenschen den Zähler ablesen zu lassen, wenn er klingelt. Den Fehler habe ich gemacht, ich hätte daran denken sollen und schon einen Zettel mit dem passenden Zählertand paratlegen können, dann wäre nix passiert. Habe ich aber nicht, weil ich da nicht dran gedacht habe. Darüber habe ich mich geärgert und deshalb habe ich das gesagt, was ich gesagt habe.

Dass sich C dann von meiner spontanen Reaktion verletzt gefühlt hat, ist ihr gutes Recht - und mich nervt diese Mimosigkeit, der ich nicht gewachsen bin. Zumindest nicht privat und wenn ich einfach nur spontan reagiere.

Das war jetzt nur ein Beispiel von vielen, alle anderen waren extrem ähnlich - und ich bin müde.
Ich bin müde und erschöpft und ausgelaugt und mag nicht mehr mit Menschen umgehen, die sich von mir ständig verletzt und gedemütigt fühlen, obwohl ich das nicht im Entferntesten beabsichtigt habe.

Meine Stimme ist zu laut, mein Ton zu schrill, die Worte zu scharf - irgendwas ist immer und ich kann nichts davon ändern, außer ich schalte um auf Büromodus und nehme meine eigene Persönlichkeit vollkommen raus und konzentriere mich nur noch auf die anderen.
Das könnte ich tun, dafür fehlt mir aber grade die Energie.
Mein Bein tut weh und schränkt mich enorm ein, in dem Zustand auch noch auf die Empfindlichkeiten von anderen einzugehen, nur damit die sich wohlfühlen und gute Laune haben, wäre ein hehres Projekt für einen guten Menschen, ich bin nur leider kein guter Mensch.
Meine eigene Bequemlichkeit, mein eigener Komfort sind mir tatsächlich wichtiger als das Seelenheil anderer Menschen und mit lästigen Schmerzen und erhöhter Immobilität umgehen zu müssen, lässt wenig Spielraum für weitere Verzichte auf andere Komfortpunkte. Ich habe einfach keinen Bock mehr auf Befindlichkeiten, die mir eh komplett fremd sind, Rücksicht nehmen zu müssen.

Vielleicht ist das aber auch der Grund, weshalb ich mit K so zufrieden bin, denn bei ihm gelingt mir der private Umgang ohne Probleme, oder vielleicht sollte ich es andersherum ausdrücken: Er ist einer der ganz wenigen Menschen, der mir nicht übelnimmt, wenn ich bin wie ich bin.
Er fühlt sich von mir weder ständig angegriffen noch beleidigt oder provoziert, er nimmt mich so an, wie ich bin und das genieße ich sehr.

Die letzten drei Tage habe ich mich deshalb schon sehr einsam gefühlt, aber jetzt ist es sofort wieder besser. Immerhin weiß ich jetzt, dass es wenigstens einen Menschen auf der Welt gibt, der von mir nicht verlangt, ständig auf Zehenspitzen und nur verlogene Floskeln flüsternd um ihn herumzutanzen.

Weil ich mich hier im Haus nicht mehr wohl gefühlt habe, habe ich heute Nachmittag einen Ausflug zum Onkel gemacht - der Onkel lebt sowieso in einer eigenen Welt, bei dem schalte ich automatisch auf "Betreuungsmodus", hier gibt es also keine Kommunikationsprobleme, weil meine Erwartungshaltung eine andere ist.
Zum Glück gibt es ja noch das Hasemobil*, was der Vater vor fünf Jahren bekommen hat, als er sich die Hüfte gebrochen hatte, damit bin ich wunderbar mobil und kann im Grunde dann ja doch wieder alles alleine


*Das Gefährt heißt bei uns "Hasemobil", weil man die Geschwindigkeit von Schildkröte bis Hase regulieren kann. Mein Vater fuhr stets auf Hase, was auch sinnvoll ist, denn bei einer Hasenhöchstgeschwindigkeit von 6km/h ist es immer noch weit weg von schnell.
Aber immerhin, es fährt, elektrisch, umweltfreundlich und vor allem gipsfußfreundlich
.
(Abgelegt in anjesagt und bisher 881 x anjeklickt)

... ¿hierzu was sagen?

 
Ohne Wandreden
Wir machen das mal hier. Hier kannst du niemanden an die Wand reden, hier kannst du niemanden totquatschen, es gibt kein unterbrechen und keine falsche Wortwahl. Du musst es ja nicht mal lesen, im Zweifel machst du das wie mein Bruder: „Oh, DIE Nachricht hab ich dann wohl übersehen.“

Ich finde übrigens nicht, dass du jemanden an die Wand redest. Deine Rhetorik ist zwar sehr gut, aber leider in dem Sinne der antiken Philosophen Griechenland und Roms: „in einer Debatte gewinnen
Sicherlich weißt du schrecklich viele Dinge und bist entsetzlich gut in einer noch größeren Anzahl - aber nicht in solchen Diskussionen, nicht in diesen Debatten.
Das Ziel, was man (oder zumindest ich, aber ich formuliere mal alles mit Universalanspruch) in unsere letzten Diskussionen verfolgt hat, ist leider nicht objektiv messbar. Man kann weder Zeit sparen oder Geld gewinnen, Komfort erhöhen oder Dinge möglich machen, man kann leider nur am Ende sagen „Ich finde das gut“ und „Ich finde das schlecht“.

Und hier versagst du, auf voller Linie.

Ich sage das so, ohne böse zu sein - wenn du meiner Argumentation hier folgen kannst, dann kaufst du mir das hoffentlich, abseits des Grundwohlwollens, auch ab.
Ich schreibe das hier, weil das dein Raum ist, wo du reden darfst wie du willst und es ja auch immer getan hat. Meine Geschwister lesen das ja eh nicht, also wirst du zumindest von denen keine zusätzlichen „Anfeindungen“ bekommen, falls du „falsch“ reagierst und das sind meiner Meinung nach auch die wichtigsten Dritten.

Die Geschichte die du oben erzählt hast ging leicht, aber entscheidend, anders. Ich nehme hier jetzt zwei Zitate, die ich auswähle nicht, weil ich auf deiner Wortwahl rumhacken möchte, sondern weil ich glaube, dass sie genau repräsentativ für dich sind. Ich hoffe, ich interpretiere sie richtig und reiße sie nicht aus dem Zusammenhang:
(1) „und mich nervt diese Mimosigkeit, der ich nicht gewachsen bin.“
(2)„Ich habe einfach keinen Bock mehr auf Befindlichkeiten, die mir eh komplett fremd sind, Rücksicht nehmen zu müssen.“

C hat gefragt, was sie hätte besser machen können. Sie hat das mehrfach gefragt, weil deine Antwort (nämlich die Wiederholung davon, dass es nur deine Schuld ist) ihr nicht gereicht hat. Das ist verständlich, denn ihre Frage ging nicht um Schuld. Ihre Frage ging darum, was sie besser machen hatte können.
Das musstest du ihr nicht zuschreiben; ich finde es völlig vernünftig von dir, anzunehmen, dass meine Schwester auf einer Gefühlsebene gefragt hat.
Was ich allerdings von dir erwarte ist, dass du ihr danach zuhörst. Und auch wenn dein Bein wehtut, dann erwarte ich, dass du ihr zuhörst.
Sie hat nämlich gefragt, was sie „nächstes mal“ besser machen soll. Die Erwiderung „das war meine Schuld“ ist da nicht hilfreich, schließlich ist sie mit einer Mutter großgeworden, die bereitwillig immer gesagt hat „mir egal wer Schuld hat, meinetwegen ist es meine Schuld, das ist nicht wichtig“. Es ging darum ein Problem zu lösen und meistens gibt es auch Mittel und Wege, um unsere Probleme zu lösen.

Danach hat sie gesagt, dass sie sich angegriffen gefühlt hat von deiner Wortwahl/Tonlage/Wasauchimmer, um aber auch SOFORT, quasi noch im selben Atemzug nachzuschieben: „Aber das ist ok für mich“.
Du möchtest nicht auf Befindlichkeiten Rücksicht nehmen. Und dann kommt jemand und sagt, du musst nicht auf ihre Befindlichkeiten Rücksicht nehmen.
Und dann beschwerst du dich, dass man von dir etwas verlangt?
„Leave it, love it, or change it.“
Deine Konsequenz aus einem deiner Lieblingszitate ist, dass du dann wohl nicht mehr reden kannst. Nein, nicht mehr reden darfst!
Niemand verlangt von dir, dass du deine Sprache änderst. Niemand verlangt von dir, dass du deine Stimme änderst.
Niemand verlangt, dass du dich versteckst oder Freude regnest oder beim Essen dich mit Leuten unterhältst.
Niemand, zu keinem Zeitpunkt, hat das von dir hier verlangt.
Das ist dein Haus, auf deiner Insel, mit deiner Familie, der Gipfel vom Worte „privat“!
Aber genau so, wie von dir niemand verlangt, dich zu ändern, hast du auch nicht von uns verlangt, uns zu ändern, das hast du tatsächlich nicht.
Und deswegen tun wir das auch nicht. Keine Kompromisse, so wie es dir am liebsten ist.
Jeder darf sein wie er ist.
Aber wie kommst du auf die Idee, dass du deshalb weg musst? Du willst drei Dinge, die sich ausschließen. Du willst dich nicht ändern, du willst nicht dass andere verletzt sind und du willst nicht, dass du Rücksicht nehmen musst.
Und alles, alles bietet man dir so an, genau so.

Nur nimm dir nicht raus, vor der Realität fliehen zu dürfen. Du hast kein Recht, dass man dir nicht sagt, wenn einem etwas nicht gefällt. Punkt.
Und, Bemerkung am Rande, wolltest du nicht immer, dass man dir sagt, wenn einem etwas nicht passt?
Ist dir nicht der Gast lieber, der sich zuhause fühlt, statt verschüchtert rumzustehen?
Willst du nicht von deinen Peers gesagt bekommen, wenn du etwas tust, mit dem man nicht zufrieden ist?
Die Gesetze der Kommunikation sind nunmal so, dass man das nicht kombinieren kann.
Das scheint allen klar zu sein, weshalb alle auch stets sagen „das ist ok.“
„Damit können wir leben.“
„Dann ist das so.“
„Nicht schlimm.“
Wieso schreibst du uns nicht zu, dass wir damit umgehen können, wenn wir uns auf die Füße getreten fühlen? Wenigstens wir?

Du hast im Umgang mit unserem Vater gerne von Materialermüdung gesprochen. Irgendwann ging es einfach nicht mehr, auch wenn es vorher immer gut war.

Du magst vielleicht ermüdet sein und dein Fundament bekommt Risse. Aber ich nicht, C nicht. Wir sind wie wir sind und du bist, wie du bist und das ist okay.

Das ist einfach, okay.

... ¿noch mehr sagen?