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Montag, 3. August 2020
Fotos und Erinnerungen
anje, 00:37h
CW erzählte gerne die Geschichte von seinem Onkel Ewald, der mit seiner Frau Marie eine Rundreise durch Italien gebucht hatte und am letzten Tag wurde ihnen der Fotoapparat geklaut, mitsamt Kameratasche, in der auch die vollgeknipsten Filme der Reise steckten.
"Und jetzt haben wir kein einziges Foto, von der ganzen Reise nichts gehabt."
Als ich neulich auf der Bank saß und aufs Meer guckte, konnte ich einem Menschen zuhören, der ausführlich über den irren Fotowahn der Leute schimpfte. Die Leute würden alles nur noch fotografieren, immerzu und ständig und dabei gar nicht mehr das genießen, was sie grade sehen, weil nur noch die Fotos wichtig sind, nicht mehr das reale Erleben.
Herr Buddenbohm verlinkte dazu neulich einen Rant in der TAZ, es scheint also grade mal wieder schick zu sein, über den neumodischen Kram zu schimpfen, der die Menschen oberflächlich und genussresistent werden lässt.
Ich musste dabei an den neumodischen Onkel Ewald denken, dem das schon vor fünfzig Jahren so ging. Die gesamte Reise war nutzlos geworden, weil er sie anschließend nicht in einem Diaabend präsentieren konnte.
Mir geht das häufiger so, dass ich das Schimpfen der Menschen über die digitalen Entwicklungen, insbesondere Smartphones, die für einige Menschen ja nach wie vor echtes Teufelszeug und Verderbnis bringendes Unheil symbolisieren, richtig niedlich finde, weil ihr Geschimpfe fast wortgleich dem Gerantere der Menschen in meiner Jugend entspricht, die mir eine düstere Zukunft prognostizierten, weil ich immer und ständig ein Buch vor der Nase hatte und deshalb viel zu wenig Lust zeigte, draußen mit anderen Kindern zu spielen, mich einfach nur mal nett zu unterhalten, in der Schule vernünftig aufzupassen oder abends im Bett pünktlich einzuschlafen.
Ich glaube, es gibt viele Menschen, die der festen Überzeugung sind, dass nur Menschen, die permanent aktiv und offen zugewandt mit anderen Menschen kommunizieren und sich körperlich betätigen und sich niemals eigenbrötlerisch zurückziehen, um sich mit ihren einsamen Solointeressen zu beschäftigen, dass nur solche Menschen das Glück im Leben finden und das auch nur hier das echte Glück überhaupt zu finden ist.
Wer sich nur mit der virtuellen Welt beschäftigt (früher waren das Bücher, heute sind das Smartphones) der lebt halt nicht richtig und ist mit hoher Sicherheit dem Untergang geweiht.
Ich sehe das naturgemäß etwas anders, erstens, weil ich immer noch nicht an meiner Eigenbrötlerei eingegangen bin und zweitens weil ich exakt der gegenteiligen Meinung bin.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die wahren Abenteuer im Kopf stattfinden,
und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo.
Ich finde es deshalb auch ganz herrlich, dass es heute so ungemein einfach ist, jederzeit und in jeder Situation mal eben ein Foto machen zu können, um sich eine Gedankenstütze mitnehmen zu können. Für mich ist der digitale Fotoapparat im Handy das wichtigste Teil an dem ganzen Gerät und ich nutze ihn viel und gerne.
Nicht um andere zu beeindrucken, sondern in allererster Linie für mich selber. Und ein bisschen für die Menschen um mich herum, mit denen ich dann einzelne Erinnerungen teile.
Die Fotos meiner Vergangenheit sind wie Energiexplosionen beim Erinnerungssurfen.
Ich habe heute meine Fotos sortiert, wunderbare Arbeit, wenn man eh ans Haus gefesselt ist - und es hat einen Höllenspaß gemacht. Wie viele schon leicht ins Halbdunkle abgetauchte Erinnerungen ich wieder hervorgeholt habe, einfach toll. Hätte ich all diese Momente nicht als Foto festgehalten, wären die Bilder in meinem Kopf nach und nach verstaubt und ich wäre ständig unterwegs auf der Suche nach neuem Input. Wie entsetzlich anstrengend. Und wie ermüdend.
So reicht mir ein Foto und der gesamte Tag ist wieder auferstanden.
Oder auch eine ganze Geschichte.
Unter anderem habe ich die Fotos von unserem Ausflug nach Marokko noch mal durchgesehen und sofort stand die gesamte Reise wieder wie grade frisch erlebt ganz aktuell und neu in meinem Kopf parat.
Wir sind 2009 mal für eine Woche nach Marokko geflogen, vier Maschinen aus dem Fliegerclub waren gemeinsam unterwegs. Wir waren zu viert in einer Maschine, C und J waren dabei, und K musste die gesamte Tour alleine fliegen und funken, ich hatte damals noch keine Funkerlizenz.
Wie abenteuerlich das wirklich war und vor allem welche Fliegerleistung K damals abgeliefert hat, kann ich eigentlich erst heute richtig beurteilen, heute habe ich 11 Jahre mehr Flieger- und Funkererfahrung und bin sehr froh, dass ich das Abenteuer jetzt wirklich nur noch im Kopf erleben muss. Aber es war toll.
Oben links sieht man eine marokkanische Fliegerkarte. Wenn man weiß, wie normalerweise Fliegerkarten aussehen, zuckt man schon leicht zusammen, wenn man jetzt noch weiß, dass man diese Karte weder vor noch während der Reise kaufen konnte, sondern wir haben sie im Tower in Al Houceima an der Wand hängen sehen und dann abfotografiert, was verboten war, aber die einzige Chance, um überhaupt an eine Fliegerkarte mit den dort abgedruckten wichtigen Infos für Meldepunkte und Funkfrequenzen zu kommen, wenn man das also mal gleich als Ausgangsinfo für den gesamten Charakter der Reise nimmt, dann kann man sich in etwas vorstellen, wie fröhlich und unbekümmert frei improvisierend wir da alle durch die Gegend geflogen sind.
Aber es war lustig.
Für den Hinflug haben wir zwei Tage gebraucht, am ersten Tag über die Alpen bis Empuriabrava im Norden von Spanien. Dort haben wir übernachtet und stellten am nächsten Tag fest, dass K leider, leider den Hauptschalter unserer Maschine angelassen hatte, was bedeutete: Batterie leer. Empuriabrava ist jetzt kein Großflughafen mit Werft, also konnten wir die Batterie dort nicht laden. Flugzeuge kann man zwar nicht anschieben wie Autos, aber man kann den Propeller anreißen (ist allerdings ungleich gefährlicher, weil, wenn der Propeller anspringt, sollte man unbedingt den Arm vorher weggezogen haben).
Das Anreißen gelang aber ohne Verletzung, wir flogen anschließend weiter bis Almería, konnten dort noch mal tanken, die Batterie aufladen und den Kindern eine Gelegenheit geben, beim Warten auf das Aufladen ausführlich auf dem Flugfeld rumzutollen. Am Abend kamen wir dann recht spät in Al Houceima in Marokko an. Geplant war das anders, aber es stellte sich heraus, dass wir zwingend über Al Houceima einreisen müssen, weil das damals seit neuestem der vorgeschriebene port of entry für EU-Ausländer war (ist?).
Zwar ist Englisch offiziell die internationale Fliegersprache - aber nur in der Luft. Am Boden sprach das in Marokko natürlich niemand. Zum Glück sprechen in Marokko aber alle recht brauchbar Französisch, ich habe uns da also fröhlich radebrechend durchgedolmetscht* und durch Zufall für den Leiter unserer Truppe den perfekten Job angegeben. Da ich nicht wusste, was "Beamter" auf Französisch heißt, habe ich einfach gesagt, er wäre "ministre d'État" - was sofort die gesamte Truppe der marokkanischen Grenzpolizei strammstehen und salutieren ließ.
*Ich spreche recht fließendes "Gassenfranzösisch", was ich eben wirklich nur vor Ort auf der Straße bzw. durch einen Schüleraustausch von einer gleichaltrigen Französin gelernt habe, mit so Feinheiten wie Grammatik oder gewählten Schulfranzösisch-Ausdrücken habe ich mich dafür nie aufgehalten.
Nach dem sich in Al Houceima also blitzartig flüsternd die Kunde von dem hohen Besuch aus Deutschland, der "très privé" jetzt dringend für sich und seine Entourage ein Hotelzimmer brauchte, verbreitet hatte, klappte das alles vorzüglich.
Wir landeten in einem Hotel, das offiziell noch gar nicht eröffnete hatte, waren also die einzigen Gäste, was uns natürlich vor allem wegen der "securité" sehr gut gefiel und wurden fürstlich bewirtet. Das war witzig.
Der Weiterflug nach Fès am nächsten Tag wurde nicht gestattet, weil der König grade in Fès war und dann ist der gesamte Luftraum komplett für alle Maschinen gesperrt.
Also flogen wir nach Meknes, mittlerweile kam es ja auch nicht mehr drauf an.
Dort wohnten wir in einem wunderschönen Hotel mitten in der Altstadt, liefen durch den Souk und wenn ich die Bilder sehe, sind auch sofort alle Gerüche wieder da.
Was mir aber am eindruckvollsten in Erinnerung geblieben ist, war das Essen.
Als wir am dritten Tag Marokko ein McDov-Geschäft entdeckten, waren die Kinder und K sofort total begeistert und stellten fest, dass es trotz der seltsam arabisch angehauchten Burgerauswahl dort das beste Essen ganz Marokkos gegeben hätte. So ganz konnten sie sich nämlich mit der typischen Landesküche nicht anfreunden.
Bis auf den Obstsalat, der war wirklich überall ganz hervorragend und so lebten die Kinder im Wesentlichen von Obstsalat und McDov in Marokko, es ist ihnen bekommen.
Der Leiter unserer Truppe (Dietmar) hatte irgendwann mitbekommen, dass die Kinder überall immer einen ganz wunderbaren Obstsalat bekamen und als am letzten Tag in Marokko nur die Erwachsenen abends in ein empfohlenes Restaurant zum Essen ausgingen, bestellte sich Dietmar auch Obstsalat - und hoffte natürlich auf so ein toll zusammengeschnipseltes Obstcomposé, wie er es bei den Kindern immer gesehen hatte.
Nun, was er bekam sieht man auf dem oberen Bild, ich bin vor Lachen fast unter den Tisch gefallen, aber sehr offensichtlich war dieses Restaurant nicht auf Obstsalat für Kinder eingestellt.
Als wir live und aktiv vor Ort auf dieser Reise unterwegs waren, fühlte es sich eigentlich immer nur wie ein sehr improvisierter Ausflug mit witzigen Einzelherausforderungen an, das echte Abenteuergefühl entsteht erst im Nachhinein, im Kopf, wenn man die Bilder sieht und die Reise noch mal nacherlebt. Es gab wahrlich viele schräge Momente. Eine Pilotin bekam unterwegs einen hysterischen Nervenzusammenbruch und weigerte sich, in der kleinen Maschine weiterzufliegen, sie bestand auf Lufthansa, was bedeutete, dass wir sie erst mal zu einem Flughafen transportieren mussten, wo Lufthansa überhaupt abflog.
Überhaupt die gesamte Luftnavigation quer durch/über Marokko war komplett abenteuerlich. Wir sind noch bis Essaouira am Atlantik geflogen und von dort quer übers Land und über den Atlas wieder nach Al Houceima und von dort zurück nach Europa.
Und das alles nur mit einer abfotografierten Karte. Das darf man eigentlich gar nicht erzählen, deshalb liebe Kinder: Auf keinen Fall nachmachen
.
"Und jetzt haben wir kein einziges Foto, von der ganzen Reise nichts gehabt."
Als ich neulich auf der Bank saß und aufs Meer guckte, konnte ich einem Menschen zuhören, der ausführlich über den irren Fotowahn der Leute schimpfte. Die Leute würden alles nur noch fotografieren, immerzu und ständig und dabei gar nicht mehr das genießen, was sie grade sehen, weil nur noch die Fotos wichtig sind, nicht mehr das reale Erleben.
Herr Buddenbohm verlinkte dazu neulich einen Rant in der TAZ, es scheint also grade mal wieder schick zu sein, über den neumodischen Kram zu schimpfen, der die Menschen oberflächlich und genussresistent werden lässt.
Ich musste dabei an den neumodischen Onkel Ewald denken, dem das schon vor fünfzig Jahren so ging. Die gesamte Reise war nutzlos geworden, weil er sie anschließend nicht in einem Diaabend präsentieren konnte.
Mir geht das häufiger so, dass ich das Schimpfen der Menschen über die digitalen Entwicklungen, insbesondere Smartphones, die für einige Menschen ja nach wie vor echtes Teufelszeug und Verderbnis bringendes Unheil symbolisieren, richtig niedlich finde, weil ihr Geschimpfe fast wortgleich dem Gerantere der Menschen in meiner Jugend entspricht, die mir eine düstere Zukunft prognostizierten, weil ich immer und ständig ein Buch vor der Nase hatte und deshalb viel zu wenig Lust zeigte, draußen mit anderen Kindern zu spielen, mich einfach nur mal nett zu unterhalten, in der Schule vernünftig aufzupassen oder abends im Bett pünktlich einzuschlafen.
Ich glaube, es gibt viele Menschen, die der festen Überzeugung sind, dass nur Menschen, die permanent aktiv und offen zugewandt mit anderen Menschen kommunizieren und sich körperlich betätigen und sich niemals eigenbrötlerisch zurückziehen, um sich mit ihren einsamen Solointeressen zu beschäftigen, dass nur solche Menschen das Glück im Leben finden und das auch nur hier das echte Glück überhaupt zu finden ist.
Wer sich nur mit der virtuellen Welt beschäftigt (früher waren das Bücher, heute sind das Smartphones) der lebt halt nicht richtig und ist mit hoher Sicherheit dem Untergang geweiht.
Ich sehe das naturgemäß etwas anders, erstens, weil ich immer noch nicht an meiner Eigenbrötlerei eingegangen bin und zweitens weil ich exakt der gegenteiligen Meinung bin.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die wahren Abenteuer im Kopf stattfinden,
und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo.
Ich finde es deshalb auch ganz herrlich, dass es heute so ungemein einfach ist, jederzeit und in jeder Situation mal eben ein Foto machen zu können, um sich eine Gedankenstütze mitnehmen zu können. Für mich ist der digitale Fotoapparat im Handy das wichtigste Teil an dem ganzen Gerät und ich nutze ihn viel und gerne.
Nicht um andere zu beeindrucken, sondern in allererster Linie für mich selber. Und ein bisschen für die Menschen um mich herum, mit denen ich dann einzelne Erinnerungen teile.
Die Fotos meiner Vergangenheit sind wie Energiexplosionen beim Erinnerungssurfen.
Ich habe heute meine Fotos sortiert, wunderbare Arbeit, wenn man eh ans Haus gefesselt ist - und es hat einen Höllenspaß gemacht. Wie viele schon leicht ins Halbdunkle abgetauchte Erinnerungen ich wieder hervorgeholt habe, einfach toll. Hätte ich all diese Momente nicht als Foto festgehalten, wären die Bilder in meinem Kopf nach und nach verstaubt und ich wäre ständig unterwegs auf der Suche nach neuem Input. Wie entsetzlich anstrengend. Und wie ermüdend.
So reicht mir ein Foto und der gesamte Tag ist wieder auferstanden.
Oder auch eine ganze Geschichte.
Unter anderem habe ich die Fotos von unserem Ausflug nach Marokko noch mal durchgesehen und sofort stand die gesamte Reise wieder wie grade frisch erlebt ganz aktuell und neu in meinem Kopf parat.
Wir sind 2009 mal für eine Woche nach Marokko geflogen, vier Maschinen aus dem Fliegerclub waren gemeinsam unterwegs. Wir waren zu viert in einer Maschine, C und J waren dabei, und K musste die gesamte Tour alleine fliegen und funken, ich hatte damals noch keine Funkerlizenz.
Wie abenteuerlich das wirklich war und vor allem welche Fliegerleistung K damals abgeliefert hat, kann ich eigentlich erst heute richtig beurteilen, heute habe ich 11 Jahre mehr Flieger- und Funkererfahrung und bin sehr froh, dass ich das Abenteuer jetzt wirklich nur noch im Kopf erleben muss. Aber es war toll.
Oben links sieht man eine marokkanische Fliegerkarte. Wenn man weiß, wie normalerweise Fliegerkarten aussehen, zuckt man schon leicht zusammen, wenn man jetzt noch weiß, dass man diese Karte weder vor noch während der Reise kaufen konnte, sondern wir haben sie im Tower in Al Houceima an der Wand hängen sehen und dann abfotografiert, was verboten war, aber die einzige Chance, um überhaupt an eine Fliegerkarte mit den dort abgedruckten wichtigen Infos für Meldepunkte und Funkfrequenzen zu kommen, wenn man das also mal gleich als Ausgangsinfo für den gesamten Charakter der Reise nimmt, dann kann man sich in etwas vorstellen, wie fröhlich und unbekümmert frei improvisierend wir da alle durch die Gegend geflogen sind.
Aber es war lustig.
Für den Hinflug haben wir zwei Tage gebraucht, am ersten Tag über die Alpen bis Empuriabrava im Norden von Spanien. Dort haben wir übernachtet und stellten am nächsten Tag fest, dass K leider, leider den Hauptschalter unserer Maschine angelassen hatte, was bedeutete: Batterie leer. Empuriabrava ist jetzt kein Großflughafen mit Werft, also konnten wir die Batterie dort nicht laden. Flugzeuge kann man zwar nicht anschieben wie Autos, aber man kann den Propeller anreißen (ist allerdings ungleich gefährlicher, weil, wenn der Propeller anspringt, sollte man unbedingt den Arm vorher weggezogen haben).
Das Anreißen gelang aber ohne Verletzung, wir flogen anschließend weiter bis Almería, konnten dort noch mal tanken, die Batterie aufladen und den Kindern eine Gelegenheit geben, beim Warten auf das Aufladen ausführlich auf dem Flugfeld rumzutollen. Am Abend kamen wir dann recht spät in Al Houceima in Marokko an. Geplant war das anders, aber es stellte sich heraus, dass wir zwingend über Al Houceima einreisen müssen, weil das damals seit neuestem der vorgeschriebene port of entry für EU-Ausländer war (ist?).
Zwar ist Englisch offiziell die internationale Fliegersprache - aber nur in der Luft. Am Boden sprach das in Marokko natürlich niemand. Zum Glück sprechen in Marokko aber alle recht brauchbar Französisch, ich habe uns da also fröhlich radebrechend durchgedolmetscht* und durch Zufall für den Leiter unserer Truppe den perfekten Job angegeben. Da ich nicht wusste, was "Beamter" auf Französisch heißt, habe ich einfach gesagt, er wäre "ministre d'État" - was sofort die gesamte Truppe der marokkanischen Grenzpolizei strammstehen und salutieren ließ.
*Ich spreche recht fließendes "Gassenfranzösisch", was ich eben wirklich nur vor Ort auf der Straße bzw. durch einen Schüleraustausch von einer gleichaltrigen Französin gelernt habe, mit so Feinheiten wie Grammatik oder gewählten Schulfranzösisch-Ausdrücken habe ich mich dafür nie aufgehalten.
Nach dem sich in Al Houceima also blitzartig flüsternd die Kunde von dem hohen Besuch aus Deutschland, der "très privé" jetzt dringend für sich und seine Entourage ein Hotelzimmer brauchte, verbreitet hatte, klappte das alles vorzüglich.
Wir landeten in einem Hotel, das offiziell noch gar nicht eröffnete hatte, waren also die einzigen Gäste, was uns natürlich vor allem wegen der "securité" sehr gut gefiel und wurden fürstlich bewirtet. Das war witzig.
Der Weiterflug nach Fès am nächsten Tag wurde nicht gestattet, weil der König grade in Fès war und dann ist der gesamte Luftraum komplett für alle Maschinen gesperrt.
Also flogen wir nach Meknes, mittlerweile kam es ja auch nicht mehr drauf an.
Dort wohnten wir in einem wunderschönen Hotel mitten in der Altstadt, liefen durch den Souk und wenn ich die Bilder sehe, sind auch sofort alle Gerüche wieder da.
Was mir aber am eindruckvollsten in Erinnerung geblieben ist, war das Essen.
Als wir am dritten Tag Marokko ein McDov-Geschäft entdeckten, waren die Kinder und K sofort total begeistert und stellten fest, dass es trotz der seltsam arabisch angehauchten Burgerauswahl dort das beste Essen ganz Marokkos gegeben hätte. So ganz konnten sie sich nämlich mit der typischen Landesküche nicht anfreunden.
Bis auf den Obstsalat, der war wirklich überall ganz hervorragend und so lebten die Kinder im Wesentlichen von Obstsalat und McDov in Marokko, es ist ihnen bekommen.
Der Leiter unserer Truppe (Dietmar) hatte irgendwann mitbekommen, dass die Kinder überall immer einen ganz wunderbaren Obstsalat bekamen und als am letzten Tag in Marokko nur die Erwachsenen abends in ein empfohlenes Restaurant zum Essen ausgingen, bestellte sich Dietmar auch Obstsalat - und hoffte natürlich auf so ein toll zusammengeschnipseltes Obstcomposé, wie er es bei den Kindern immer gesehen hatte.
Nun, was er bekam sieht man auf dem oberen Bild, ich bin vor Lachen fast unter den Tisch gefallen, aber sehr offensichtlich war dieses Restaurant nicht auf Obstsalat für Kinder eingestellt.
Als wir live und aktiv vor Ort auf dieser Reise unterwegs waren, fühlte es sich eigentlich immer nur wie ein sehr improvisierter Ausflug mit witzigen Einzelherausforderungen an, das echte Abenteuergefühl entsteht erst im Nachhinein, im Kopf, wenn man die Bilder sieht und die Reise noch mal nacherlebt. Es gab wahrlich viele schräge Momente. Eine Pilotin bekam unterwegs einen hysterischen Nervenzusammenbruch und weigerte sich, in der kleinen Maschine weiterzufliegen, sie bestand auf Lufthansa, was bedeutete, dass wir sie erst mal zu einem Flughafen transportieren mussten, wo Lufthansa überhaupt abflog.
Überhaupt die gesamte Luftnavigation quer durch/über Marokko war komplett abenteuerlich. Wir sind noch bis Essaouira am Atlantik geflogen und von dort quer übers Land und über den Atlas wieder nach Al Houceima und von dort zurück nach Europa.
Und das alles nur mit einer abfotografierten Karte. Das darf man eigentlich gar nicht erzählen, deshalb liebe Kinder: Auf keinen Fall nachmachen
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