anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Dienstag, 24. Januar 2017
Bewerbungsskurrilitäten Fortsetzung
Wenn man auf seltsame Erlebnisse mit anderen Menschen steht, dann sind Bewerbungsgespräche eine sehr gute Gelegenheit, hier aus dem Vollen zu schöpfen.
Ich habe meine letzten beiden Tage stundenlang mit Bewerbungsgesprächen verbracht und zweifel mal wieder an der These, dass der Mensch als solches grundsätzlich die "höhere Existenz" darstellt.
Zur Spezies Mensch gehören so seltsame Exemplare, dass die Abgrenzung oder Unterscheidung zu seltsamen Tierarten nicht immer leichtfällt.

Ausgeschrieben hatten wir die Stelle einer Sekretärin für die Geschäftsführung und einen Ingenieur für technisches Facility Management. Auf die Sekretärinnenstelle sind erwartungsgemäß extrem viele Bewerbungen eingegangen, da sortiert man natürlich rein nach der Papierlage schon gut 90% vorher aus, was dazu führt, dass man sich einbildet, dass diejenigen, die man dann tatsächlich zu einem Vorstellungsgespräch einlädt, doch sicherlich schon zu den "im Grunde wirklich guten" gehören. - Vielleicht ist es diese überspannte Erwartungshaltung, die einen die Realität dann als skurril empfinden lässt.
Dass keiner der eingeladenen Bewerber irgendwelche sinnvollen Infos über die Firma im Netz erfolgreich recherchiert hat, war schon fast zu erwarten. Sehr häufig werden wir mit einer ganz anderen Gesellschaft, die sich nur so ähnlich schreibt, aber nichts mit uns zu tun hat, verwechselt. Wenn dann aber ein Bewerber, nachdem er darauf hingewiesen wurde, dass er da wohl eine Verwechslung begangen hat, und wir seien nicht der landwirtschaftliche Genossenschaftsverband, irritiert zurückfragt, dass er da sowieso mal eine Frage hätte, er hätte noch nirgendwo Kühe gesehen, ob wir denn gar nicht für die Milchwirtschaft zuständig seien, dann ist es zumindest ein wenig schräg.
Lustig ist es auch, wenn ein Bewerber trotz Hinweis auf die Verwechslung darauf besteht, dass wir was mit Landwirtschaft zu tun haben müssen, das hätte er nämlich extra im Internet recherchiert und das stände da, da sei er ganz sicher.
Bei den Sektretärinnen war gestern eine dabei, deren Kernkompetenz vor allem "Loyalität und Verschwiegenheit" war, wie sie nicht müde wurde, immer wieder zu wiederholen, was sie dann aber trotzdem nicht daran hinderte, ausführlich zu erklären, was ihr an ihrer alten Firma, die sie verlassen möchte, alles nicht passt.
Die Krone an Irrsinn hat dann aber heute einer der Bewerber auf die Technikerstelle abgeschossen. Aufgefordert, er möge seinen beruflichen Lebenslauf doch noch einmal kurz mündlich zusammenfassen, damit wir darüber einen Gesprächseinstieg finden, begann er seinen Bericht bei dem Lehrer Weißenfels in der Grundschule. Der Lehrer Weißenfels, den er in der vierten Klasse gehabt hätte und der kurz danach in Pension ging, den er aber dann doch noch mal 20 Jahre später bei Aldi auf dem Parkplatz getroffen hat, wo er ihm dann erklären konnte, wie übel er ihm genommen habe, dass er, also der Lehrer Weißenfels ihm, dem äußerst klugen Bewerber, das Leben derart schwer gemacht habe damit, dass er ihm nur eine Hauptschulempfehlung gegeben habe, so dass er erst nach vielen Umwegen seine Brillianz hätte zeigen können, aber dann hätte er doch studiert und einen Abschluss mit sieben Einsen gemacht (und dem Hinweis an uns; "Haben Sie sich das Zeugnis auch genau angesehen? Sieben Einsen ist schon was Besonderes.") .Das hat er 20 Jahre später alles dem Lehrer Weißenfels auf dem Parkplatz von Aldi gesagt, denn er hätte ihm ja fast sein Leben versaut, aber dann hätte er ja doch noch studiert. Mit sieben Einsen im Abschluss. Und man sieht sich immer zweimal.
In seinem ersten Job hätte er dann das Badezimmer für den Fußballstar XYirgendwie renovieren sollen und da hätten ein paar ganz schmutzige, staubige Fußballschuhe in der Ecke gestanden, die er fast weggeworfen hätte, als in lezter Sekunde dieser Fußballstar XYirgendwas dann doch noch eingriff, denn das waren seine Weltmeisterschaftsschuhe von 1974.
Jaja, er hat schon so einiges erlebt, er könnte uns da eine Menge Anekdoten erzählen. Was er dann auch weiter hemmungslos tat, bis er irgendwann fragte, ob das etwa zu weitschweifig sei, und der Oberchef, der seit über fünf Minuten mit offenem Mund fassungslos da saß, nur noch antwortete: "Aber nein, erzählen Sie ruhig weiter." - Ich glaube, der war längst überzeugt, dass jeden Moment die Tür aufgeht und jemand vom Team der versteckten Kamera reinkommt.

Waren wahrlich zwei erlebnisreiche Tage
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