anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Dienstag, 23. Juni 2020
Unfall, Sterben und Insolvenz
Meine Mutter erzählte immer was davon, dass es wichtig ist, ordentliche Unterwäsche anzuhaben, wenn man das Haus verlässt, weil es ja jederzeit passieren kann, dass man einen Unfall hat und was sollen dann die Sanitäter oder Krankenschwestern von einem denken, wenn sie sehen, dass man gestopfte Unterhosen trägt.
Ich weiß nicht, ob sie diesen Grundsatz auch für sich selber konsequent beherzigt hat, ich glaube, sie erzählte es eher mit einem kleinen Augenzwinkern von einer Großtante, die das dann aber bestimmt und konsequent immer beachtet hat, wenn sie das Haus verließ. Mir fiel das nur neulich wieder ein, als ich mir überlegte, dass ich vor meinem Tod auf alle Fälle noch meine Nachttischlektüre sorgfältig kuratieren muss, was da aktuell liegt, möchte ich nicht als letzten Eindruck hinterlassen. Und dann habe ich mir die Nacht über Sorgen gemacht, dass ich jetzt doch ganz kurzfristig und unerwartet versterbe, man steckt ja nicht drin, und dass die Chancen für so einen plötzlichen Übernachttod streng nach Murphy bestimmt viel größer sind, wenn man eine ungünstige Nachttischlektüre hinterlässt. Ich habe deshalb meinen Nachttisch jetzt erst mal aufgeräumt und etwas Nachlassenswertes ausgelegt, jetzt kann ich beruhigter versterben.

Weil ich über Versterben nachdachte, bin ich beim nächsten Gedanken bei Insolvenzen gelandet und habe mir überlegt, dass es doch eigentlich gar nicht so schlimm wäre, wenn alle diese Fleischzerlegebetriebe jetzt wegen Corona endlich mal neue Auflagen bekommen, so dass sie anschießend alle kein billiges Fleisch mehr produzieren könnten, weil die Auflagen, die sie erfüllen müssen, so teuer sind, dass sich die Kosten verdoppeln, weshalb die Leute dann weniger Fleisch essen, so dass sie dann nicht genug Umsatz haben und einfach alle pleite gehen.
Ich fände das ehrlich gesagt gar nicht so schlimm.
Ich habe noch nie verstanden, weshalb Fleisch so billig verkauft werden muss, wenn man den Preis einfach nur verdoppelt (doch wahrscheinlich reicht das noch nicht, verdreifachen wäre eigentlich noch besser), dann essen die Leute, worst case, nur noch 1/3 so viel Fleisch wie bisher, eben weil es plötzlich so teuer ist. Nur mal ganz ketzerisch gefragt: Und wo ist das Problem? Dass dann die riesengroßen Fleischzerlegebetriebbe nicht mehr rentabel arbeiten können, weil ihnen die Mengen fehlen? Ja nu, dann kaufen die Kunden halt wieder von kleineren Metzgern, die kommen mit dem dreifachen Preis ganz gut klar. Und Familie Tönnies kehrt wieder zurück zu ihren Wurzeln und macht als einfach Schlachterfamilie weiter, das haben die beiden Gründer schließlich mal von der Pike auf gelernt.

Außerdem würde ich noch eine andere Firma ganz entspannt in die Insolvenz gehen lassen, nämlich die Lufthansa. Die könnte sich mit so einer Insolvenz wunderbar sanieren und wäre auf einen Schlag all ihre gigantischen Pensionsverbindlichkeiten los. Die machen bei der Lufthansa nämlich mittlerweile ein Vielfaches ihres aktuellen Börsenwertes aus und irgendwie ist das Gesamtgefüge dort definitiv nicht mehr zeitgemäß. Die können das bei AEG abgucken, die hat sich auf die Art gleich zweimal all ihrer Pensionsverpflichtungen entledigt
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... ¿hierzu was sagen?

 
Bliebe das dann nicht am Pensions-Sicherungsverein PSV hängen? Dann müssten die anderen Mitglieder höhere Beiträge zahlen - einen höheren Beitragssatz können die Unternehmen in der Krise sicherlich auch nicht brauchen.

... ¿noch mehr sagen?  

 
Bei AEG ist jedesmal der Staat eingesprungen

 
Der davon dann aber gar nix hatte. Die Arcandor-Pleite war übrigens noch viel teurer:

Milliardenschaden bei Betriebsrenten
Die Arcandor-Pleite beschert der deutschen Wirtschaft den wohl größten Einzelschaden bei Betriebsrenten. Martin Hoppenrath, Vorstand des Pensions-Sicherungs-Vereins in Köln, geht von einer finanziellen Belastung seiner Gesellschaft in Milliardenhöhe aus.

Die Beiträge für die Unternehmen schnellten damals um ein vielfaches nach oben. Und für die Rentner war es bitter, die standen wohl zum Teil finanziell sehr dumm da, weil die Betriebsrente ausblieb.

Kaufhof hat im Mai wegen Corona vorerst die Betriebsrenten eingestellt. Da Verkaufspersonal und Einzelhandelsleute eh nicht so dicke verdienen, sind auch ihre Renten aus der Deutschen Rentenversicherung nicht so dicke. Daher halte ich es für wahrscheinlich, dass etliche von denen nun auch Probleme haben.

Versicherungswirtschaft heute (vom 30.04.2020): Der Fall Lufthansa: Insolvenz könnte zum Totalschaden für das Betriebsrenten-System werden

 
Das stimmt natürlich, dass die PSV im Falle einer Insolvenz von Lufthansa ein echtes Problem hätte, genau deshalb gehe ich ja davon aus, dass dann der Staat einspringen wird, aber gleichzeitig ist das vielleicht auch eine gute Gelegenheit, über die Absicherung dieses Betriebsrentensystems noch mal nachzudenken und dabei auch zu überprüfen, bis zu welcher Höhe Betriebsrenten überhaupt von der Gemeinschaft abgesichert sein müssen.

Ich habe die Zahlen nicht recherchiert, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass bei der Arcandor Pleite deutlich mehr kleine Verkäufer*innen Renten dabei waren, davon dann halt viele und weniger Pilotenrenten, die bereits ab 53 gezahlt werden müssen, weil sich die armen Piloten dann ja im Dienste ihres Jobs so kaputtgemacht haben, dass sie in Rente gehen müssen und zu nix anderem mehr taugen als hohe Renten zu kassieren.

Mag sein, dass ich da eine falsche Vorstellung von der Zusammensetzung der Pensionsrückstellung habe, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass die Arcandor Betriebsrenten eine andere Bemessungsgröße pro Person hatten.