anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Donnerstag, 7. Dezember 2017
Nachträgliche Gedanken
Die Teilnahme an der Blogparade bei Frau Brüllen hat ja nun eine Menge Traffic auf dieses Blog gelenkt und ich weiß noch gar nicht, ob das eine kluge Idee war oder ob ich als Folge dessen demnächst wieder dieses Verfolgungswahnsyndrom entwickele und meine, ich müsse sofort und maximal spurenlos aus dem Internet verschwinden.
Denn zwischendurch ist es ja durchaus so, dass ich mich über Meinungen und/oder Menschen aus meinem "real life-Umfeld" aufrege. In der Regel sind das auch immer dieselben Meinungen und/oder Menschen, gleichzeitig habe ich aber in meinem real life überhaupt keine Lust, mich mit diesen Menschen tatsächlich und in echt über diese Meinungen oder Dinge auseinanderzusetzen, bei denen ich eben regelmäßig einen anderen Standpunkt habe.
In meinem real life gehe ich solchen Auseinandersetzungen üblicherweise durch "ghosting" oder durch aktives auf die Zunge beißen aus dem Weg, weil ich bei einigen (oder vielen?) Menschen der festen Überzeugung bin, dass da eine offene Auseinandersetzung sowieso frucht- und zwecklos ist.
Meiner Meinung nach (und das ist etwas, was ich in vielen Jahren immer wieder durch aktive, negative Erfahrung gelernt habe), gibt es bestimmte Themen, über die kann man mit den meisten anderen Leuten nicht reden, weil sie zu diesen bestimmten Themen bereits eine derart feste Überzeugung haben, dass es für sie außer 100% nein und niemals (bzw. 100% ja und immer) keine Grautöne gibt und sie deshalb noch nicht mal bereit sind, sich mit einem ganz, ganz kleinen bisschen Graueintrübung wenigstens gedanklich auseinanderzusetzen. Denn für bestimmte Dinge gibt es schlicht niemals und never eine positive Erklärung oder Begründung - meinen einige Menschen.
Nehmen wir extreme Beispiele: Ein Kinderschänder ist ein Kinderschänder und da gibt es keine Entschuldigung oder gar Erklärung. Jeder kennt die klassischen Entschuldigungen, die ein Kinderschänder so vorbringt "es hat ihr aber doch auch Spaß gemacht" oder so etwas in der Art - und das ist natürlich völliger Blödsinn, denn ein elfjähriges Mädchen kann noch gar nicht wissen, was so etwas für sie bedeutet, die kann gar nicht beurteilen, was ihr wirklich Spaß macht, das hat sich der Kinderschänder nur selber eingeredet und die schweren Traumatisierungen zeigen sich eventuell auch erst im Rentenalter, aber auf alle Fälle und zu 100% sicher gibt es für so eine Tat keine Entschuldigung. - Ich habe dieses extreme Beispiel gewählt, weil ich bei Kinderschändern im Zweifel selber so reagieren würde, zu fest sitzt die Überzeugung, dass es für so etwas niemals, ich wiederhole: NIEMALS einen vernünftigen Grund oder gar eine Erklärung und Entschuldigung gibt.

Und das gleiche gilt für Mörder oder für Vergewaltiger oder Tierquäler oder Eltern, die ihre Kinder schlagen oder eben jede Gattung menschlicher Verfehlungen, die man moralisch ethisch schlicht ablehnt, eben weil so etwas nur schlechte Menschen machen.
Um das Ganze besonders kompliziert zu machen, hat natürlich jeder seine eigenen moralisch-ethischen Wertvorstellungen, die für ihn nicht disponabel sind, und wenn man selber in einem dieser ehtisch-moralischen Themenkomplexe eine Mindermeinung hat, weil man zB Leute, die Spinnen totschlagen nicht als Tierquäler bezeichnen würde, dann weiß man nie, ob jemand, der vielleicht für diese eine, besondere Mindermeinung ein Verständnis hat, das für eine andere Mindermeinung auch noch aufbringt. Es ist also ein dauernder Tanz auf dem Vulkan, wenn man meinungsgebildet nicht mit der Masse schwimmt und da ich mir auf diesem Vulkan schon so und so oft die Finger und die Füße verbrannt habe, habe ich irgendwann aufgehört, mich mit anderen Menschen überhaupt auseinandersetzen zu wollen.

Dazu kommt, dass ich grundsätzlich auch überhaupt keinen missionarischen Eifer verspüre, irgendjemanden zwingend von meiner Sicht der Dinge überzeugen zu müssen, genauso wenig will ich aber selber bekehrt werden. Ich möchte am allerallerliebsten so zurückgezogen wie möglich in meiner selbstgeschaffenen Filterblase leben und mich nur mit Leuten umgeben, die entweder meine Meinung teilen oder mir glaubhaft vermitteln, dass sie zwar selber eine andere Meinung haben, dass es ihnen aber ansonsten komplett egal, welche Meinung ich habe, wenn unsere Meinungen nicht identischen sind, dann reden wir eben nicht weiter drüber, gibt ja noch andere Themen.

Ich werde zB niemals in der Lage sein, Helikoptereltern als vernünftige Eltern zu akzeptieren, ich kann vielleicht verstehen, warum sie sind, wie sie sind, aber ihre Kinder werden mir trotzdem grundsätzlich leid tun und gleichzeitig weiß ich aber auch, dass es vollkommen aussichtslos ist, mit diesen Menschen darüber zu diskutieren. Bei dem Begriff "Helikoptereltern" finde ich vielleicht noch eine Menge Gleichgesinnte, die so etwas auch ätzend finden, aber wenn ich meine Meinung zu einem "vernünftigen Eltern-Kind-Verhältnis" ganz konkret vortragen würde, dann hätte ich wahrscheinlich sofort ca. 95% der aktuell existierenden Elternschaft gegen mich. Denn im Grunde bin ich der Meinung, dass Kinder aus den klassischen Mittelschichtfamilien (und das sind dann die Eltern, die ich so treffe), fast entschieden durchgängig viel zu sehr gepampert werden und dass vor allem die Eltern ihre Elternschaft viel zu ernst und zu wichtig nehmen und überhaupt mit viel zu viel Ehrgeiz überfrachten. Da ich aber nicht für andererleuts Kinder zuständig bin und meine eigenen Kinder ihre Kindheit ja nun unerwarteterweise überlebt haben, versuche ich dieses Thema im real life so gut es geht zu vermeiden, denn bisher hat es noch immer und mit allen Eltern zu Konflikten geführt, wenn ich meine rotzigen Anmerkungen gemacht habe und damit ordentliche Eltern zu Tode erschreckte. (Ich erinnere mich bis heute grinsend an eine Szene, wo der älteste Sohn, damals ca. 9 Monate alt aber schon wieselflink und vor allem sehr sicher auch auf steilen Treppen unterwegs, in irgendeinem Gebäude auf eine Treppe zukrabbelte und ich dem nur ungerührt zusah, was wiederum andere anwesende Eltern in höchste Alarmbereitschaft versetzte, denn um Gotteswillen, das Baby dort, das fällt gleich die Treppe runter und ich die Warnrufe nur mit einem entspannten "ach, dann machen wir ein neues" kommentierte. Als Folge bekam ich Besuch vom Jugendamt.)

So, wo war ich? - Ach ja, dass ich eben oft eine sehr individuelle Meinung habe, die von vielen Leuten nicht geteilt wird und ich das im real life dadurch egalisiere, dass ich über die meisten Dinge mit vielen Leuten eben gar nicht erst rede. Ich weiß inzwischen, dass ich nicht verstanden werde, macht ja auch nichts, erwarte ich ja auch nicht.
Problematisch wird das in Situationen, bei denen sich Menschen in ihrem ethisch-moralischen Grundsatzdenken provoziert fühlen. So wie mir die fremden Eltern damals das Jugendamt ins Haus geschickt haben, so finden sich überall immer wieder sehr überzeugte Gutmenschen, die dann meinen, handeln zu müssen, wenn sie von meinen Gräueltaten erfahren, denn man kann ja nicht immer weggucken und einer muss doch mal was dagegen unternehmen......
So habe ich in manchen Dingen zB ein komplett anderes Unrechtsbewusstsein als die Mehrzahl der Leute. Nur weil es für irgendetwas eine Vorschrift gibt, heißt das ja nicht, dass es sinnvoll ist, diese Vorschrift grundsätzlich und immer und in allen Situationen ohne Ausnahme zu beachten. Ich überlege mir meist, warum es diese Vorschrift gibt und wenn ich dafür einen vernünftigen Grund erkennen kann, dann beachte ich sie. Wenn ich aber nur einen Grund erkennen kann, der zwar "grundsätzlich" nachvollziehbar ist, aber ausgerechnet in meinem aktuellen Einzel-Spezialfall grade nicht greift (meiner Meinung nach), dann habe ich ausgesprochen wenig Unrechtsbewusstsein beim Übertreten oder Ignorieren irgendwelcher Vorschriften, egal wie kriminell das ist oder für wie moralisch verwerflich die Mehrheit der Menschen das hält.
Dagegen kann man dann natürlich sofort einwenden, dass das schon eine gewaltig abgezockte Hybris ist, die ich mir da anmaße, dass ich meine persönliche Beurteilung einer Situation über Recht und Gesetz oder über Ethik und Moral der Mehrheit stelle. Und ja, das ist wohl wirklich so, und mehr Gründe habe ich auch nicht dafür, außer eben, dass ich der Meinung bin, dass es so gut wie nie eine Vorschrift gibt, die zu 100% und immer und ohne Ausnahme beachtet werden muss. (siehe oben).
Ein Beispiel, wo ich ohne jedes empfundene Unrechtsbewusstsein gewaltig gegen alle möglichen Gesetze verstoßen habe, war der Tag, wo ich morgens zum Flughafen fahren wollte, weil eine längere USA und Mittelamerikarundreise geplant war und feststellte, dass mein Pass abgelaufen war.
Ich habe an dem Morgen meinen Pass kurzerhand selber verlängert. Das ging damals noch, das waren diese Pässe ohne eingeschweißtes Plastikteil, da war grundsätzlich eine Verlängerung vorgesehen, nur hätte das normalerweise ja nur die passende Behörde machen dürfen. Die hatte aber morgens um 6h noch zu und ich musste zum Flughafen. Also habe ich mir die Kinderpost der Kinder geschnappt, da gab es totschicke, winzig kleine "Gebührenmarken", davon habe ich eine in den Pass geklebt, daneben geschrieben verlängert bis ..... und dann mit einem leicht verschmierten Stempelabdruck aus der Kinderpost amtlich gesiegelt. Hat wunderbar funktioniert und ich bin mit diesem verlängerten Pass zwei Wochen anstandslos durch alle möglichen Länder gereist. (Danach habe ich den Pass aber vorsorglich als verloren gemeldet und einen neuen beantragt, ich wollte die Behörde selber ja nun nicht mit der Nase drauf stoßen.)
Okay, zugegeben, das ist jetzt ein Beispiel, wo wahrscheinlich die meisten Leute nur leise grinsen und ein gewisses Verständnis für mein Verhalten haben, aber - und das ist es, was ich eigentlich damit sagen wollte, wenn ich solche Dinge hier auf dem Blog erzähle, dann gebe ich Leuten, die mich nicht mögen, durchaus eine gute Gelegenheit, mir das real life-Leben ziemlich ungemütlich zu machen. Und damit habe ich jetzt auch den Bogen zurück zu meiner ursprünglichen Ausgangsüberlegung geschlagen: Wenn diese Passgeschichte nur Leute lesen, die mich im real life gar nicht kennen, dann macht mir das auch überhaupt kein Problem. Diejenigen, die hier mitlesen und mich im real life kennen, haben den Link von mir persönlich bekommen, damit habe ich auch kein Problem.
Aber was ist, wenn der so besonders tiefbegabte Assistent der Geschäftsleitung, mein Lieblingshasskollege, durch irgendwelche Zufälle auf dieses Blog stößt, eben weil es blöderweise irgendwann doch einen gewissen Verbreitungsgrad hat und dann lässt sich die Wahrscheinlichkeit für solche Zufälle nicht mehr nur mit Nachkommastellen angeben, wenn also Leute, die mich ziemlich sicher ganz deutlich nicht leiden mögen, wenn die hierhin finden und mit Freude entdecken, womit sie mir mal ganz gepflegt Ärger machen können. Was dann?
Dann werde ich wieder hektisch und lösche alles, denn natürlich kann ich mich schon heute nicht mehr daran erinnern, was ich noch vor drei Wochen hier geschrieben habe und wenn ich Sorge habe, dass hier Leute mitlesen, die alles, was ich hier so sage, gegen mich verwenden könnten, dann............ ja dann bricht bei mir mal wieder diese Panik aus und dann müssen wir mal sehen, wie es weitergeht.

Aktuell geht es noch, aber ich schaue besorgt hin.
Denn was ich auch nicht möchte, ist, das zB meine Nachbarn hier mitlesen, weil ich mich dann ja nie mehr mit gutem Wissen über meine Nachbarn aufregen kann. (und ich kann nur sagen, die Nachbarn zur Linken, die heißen im internen Familiensprachgebrauch nur "die Flodders" und das Beste an diesen Nachbarn ist ihre sortenreine Flodderhaftigkeit, gegen die unsere eigene, durchschnittliche Schlampigkeit gar nicht mehr auffällt und ich mir zeitweise vorkomme, wie Frau Superhausfrau, nur weil ich seit dem Einzug der Nachbarn vor vier Jahren jetzt schon zum zweiten Mal meine Fenster geputzt habe, dabei finden die Flodders von nebenan das noch lange nicht nötig.

Lange Rede kurzer Sinn: Ich muss noch mal ausgiebig darüber nachgrübeln, wie ich das finde, wenn hier die Klickzahlen steigen, die letzten zwei Jahre war ich mit meiner gefühlten Anonymität hier in meinem Eckchen durchaus zufrieden
.
(Abgelegt in anjesagt und bisher 1106 x anjeklickt)

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(...) und ich die Warnrufe nur mit einem entspannten "ach, dann machen wir ein neues" kommentierte

Aus genau dem Grund, keinen Bock auf Besuch vom Jugendamt zu kriegen, habe ich mir diesen Spruch (der übrigens vom Ephraim Kishon stammt) immer verkniffen, wenn ich nicht 100%ig sicher sein konnte, dass er so verstanden wird wie es gemeint ist.

Was den mangelnden Bock auf Diskussionen angeht, verstehe ich Sie sehr gut, über Ihre soziophobe Ader hatten Sie sich ja schon mehrfach ausgelassen. Erkenne mich da ansatzweise wieder, nur mit dem Unterschied, dass es bei mir nicht ganz so extrem ausgeprägt ist, an sehr guten Tagen kann ich auch smalltalk machen oder auch mal missionarisch unterwegs sein, was mir im Normalfall eher nicht liegt.

Und machen Sie sich wegen der Klickzahlen keinen Kopf...

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Von Kishon?
Das ist ja interessant. Das wusste ich nicht. Ich hielt es für einen der typischen „Allerweltssprüche“, die man mal irgendwo in einer Witzgeschichte aufgeschnappt hat, um sie dann selber bei passender Gelegenheit weiter zu verwursten
Diese Urheberschaft adelt den Spruch ja noch extra.