Montag, 23. November 2015
Liebe als Einbahnstraße?
anje, 22:25h
Was macht man eigentlich, wenn man jemanden liebt, der einen nicht (mehr) zurückliebt?
Eine Kollegin war jetzt eine Woche krankgeschrieben, weil ihr ihr "Leben weggebrochen war". Durch verschiedene Umstände hatten wir heute ein längeres Gespräch und sie hat mir die Hintergründe etwas näher erläutert. Ihr Freund hat sie nach vielen Jahren Beziehung verlassen und zwar im Grunde "einfach so". Es gab also keinen konkreten Grund, sie haben sich nicht gestritten, es war keiner fremd gegangen oder hatte jemand Neuen, er hat ihr sogar gesagt, dass sie gar nichts falsch gemacht hat, aber er hätte eben nur einfach keine Lust mehr und wollte lieber alleine sein. Oder mit anderen Leuten etwas unternehmen, egal, auf alle Fälle nicht mehr mit ihr.
Für sie brach eine Welt zusammen, denn sie hatte sich sehr auf diese Beziehung fokussiert. Eigentlich hatte sie schon alles bis zur Rente durchgeplant: Heiraten, Kinder kriegen, Haus bauen und es sich nett machen. Sie hatte das Gefühl, dass sie in ihrem Leben angekommen war, sie wollte nicht mehr suchen, sie war vollkommen zufrieden mit dem, was sie so hatte.
Und dann, zack, zieht er ihr einfach den Teppich unter den Füßen weg und will noch nicht mal mehr vernünftig darüber reden. Und sie steht da jetzt und weiß nicht mehr weiter. Sie hat doch nichts falsch gemacht. Und was soll sie denn jetzt tun? Und irgendwie hat er ihr auch die Zukunft zerstört, denn sie ist schon 35 und jetzt nochmal ganz von vorne anfangen, Mann suchen, Familie planen.
Ihre Uhr tickt, sie hat da nicht mehr ewig Zeit - und sowas dauert ja auch. Schließlich musss man erst mal einen finden und dann muss man sich kennenlernen und ausprobieren und ob dann sofort der nächste der Vater ihrer Kinder sein wird, kann man auch nicht garantieren.
Und alles nur weil dieser Typ sagt, er hätte keine Lust mehr. Einfach so.
Eigentllich müsste man dem das verbieten. Von außen betrachtet ist das doch vollkommen egoistisch und rücksichtslos. Sie hat sich schließlich darauf verlassen und ihr Leben entsprechend eingerichtet. Sie ist extra für ihn nach Münster gezogen. Da hätte sie auch in Emsdetten bleiben können, wenn er sich das mal eher überlegt hätte. So vor 10 Jahren z.B. - da hätte sie auch noch alles anders machen können.
Und überhaupt, das ist doch wirklich unfair, was er da mit ihr macht und vernünftig begründen kann er es auch nicht. Im Gegenteil, jeden Grund, den er ihr genannt hat, den hat sie ihm sofort entkräften können. Aber er ist einfach nicht zur Vernunft zu bringen. Und jetzt will er gar nicht mehr mit ihr reden - nur weil sie recht hat.
----------------------------
Und ich frage mich jetzt: Was macht man eigentlich, wenn der eine sagt, ich will mit dir zusammen sein, weil ich dich liebe und der andere sagt, ich habe aber keine Lust dazu.
Kann man Liebe erzwingen? Oder erwarten?
Oder mit vernünftigen Argumenten herbeireden?
Hat man einen Anspruch darauf, dass man geliebt wird, wenn man alles richtig macht?
Gibt es Liebe aus Gewohnheitsrecht oder weil sich jemand darauf verlässt?
Wie entsteht Liebe, warum liebt man überhaupt jemanden und woran merkt man selber, dass man jemanden liebt?
Warum liebt man den A und nicht den B? Und wenn man 10 Jahre mit dem A zusammengelebt hat, wie kann es sein, dass man den A plötzlich nicht mehr liebt, dafür aber den B?
Kann es etwa sein, dass Liebe nicht unbedingt rationalen Vorgaben folgt?
Was ist der Unterschied zwischen Liebe und "nicht allein sein wollen"?
Gibt es sowas wie angeborene Liebe? Muss eine Mutter ihre Kinder automatisch lieben? Oder ein Vater? (hier stellt sich dann die Frage, ab wann dieser Automatismus eintritt, ja wohl frühestens ab dem Zeitpunkt, wo er weiß, dass er der Vater ist. Bei Müttern wäre ich deshalb eher bereit, über so etwas wie "angeboren" nachzudenken.) Und umgekehrt, müssen Kinder ihre Eltern lieben? Überhaupt Familie: Müssen sich Familienmitglieder untereinander lieben?
Ich lese mir die letzten Sätze durch und frage mich, ob "müssen" und "Liebe" in einem Satz überhaupt möglich ist.
Und bin wieder bei meiner Ausgangsfrage: Was ist Liebe? Woran erkenne ich, dass oder ob ich jemanden liebe?
Meine These dazu ist, dass es sehr viel Größe braucht, jemanden zu lieben, der einen nicht genauso zurückliebt, der einem unter Umständen sogar sagt, dass er einen nicht liebt und dazu auch noch schlecht behandelt, aber ich bin fest davon überzeugt, dass das möglich ist.
Man darf allerdings niemals "Liebe" und "Anspruch" verwechseln.
Weil ich dich liebe, lasse ich dich frei. Wirkliche Liebe verzichtet ohne Anspruch.
Mit einer Träne im Herzen, aber sie engt den anderen niemals ein. Sie macht ihm keine Vorschriften und legt ihm keine Fesseln an. Weder durch offensichtliches herumschleudern von Tränen, noch durch das Verschleudern von klugen oder giftigen, klebrigen oder bestechenden Wortpfeilen.
Wirkliche Liebe ist auch immer Vertrauen. Vertrauen darein, dass der andere ein guter, kluger, toller, besonderer Mensch ist.
Wirkliche Liebe ist selbstlos und immer darauf bedacht, dass es dem anderen so gut wie möglich geht.
Deshalb ist es für Eltern viel leichter ihre Kinder zu lieben als umgekehrt.
Kinder lieben ihre Eltern nur solange sie auf sie angewiesen sind. Je erwachsener die Kinder werden, umso erwachsener wird auch ihre Liebe. Und wird nur Bestand haben, wenn die Eltern auch liebenswert sind.
Geliebt werden zu wollen ist das Gegenstück.
Natürlich will ich auch zurückgeliebt werden, aber wer ist denn dafür zuständig, dass das auch klappt? Der andere, der, von dem ich geliebt werden will?
Ist der dafür zuständig, dass er mich gefälligst zu lieben hat?
Ja wohl eher nicht.
Er wird mich lieben, wenn ich ein guter, kluger, toller, besonderer Mensch bin - aus seiner Sicht.
Er wird mich nicht lieben, wenn ich ein Klotz am Bein bin, ihn hindere sein Leben zu leben, ihm ständig einen Knopf an die Backe quatsche zu Dingen, die ihn nicht interessieren. Er wird mich auch nicht lieben, nur weil ich recht habe und ihm rhethorisch einwandfrei bewiesen habe, dass meine Argumente die besseren sind.
Er wird mich auch nicht lieben, wenn er sich mit mir langweilt, wenn er unzufrieden ist und andere Interessen hat als ich.
Er wird mich nicht lieben, weil ich es so dringend nötig habe, denn Liebe aus Mitleid ist Mitleid und keine Liebe. Und er wird mich auch nicht lieben, wenn ich es immer wieder einfordere oder weil er es früher mal getan hat oder weil er keine Lust hat, sich zu streiten.
Es gibt entsetzlich viele Gründe, warum mich jemand NICHT lieben wird und nur sehr wenige, wenn es doch jemand tut.
Unbestritten ist es das schönste, was es gibt auf dieser Welt: Einen Menschen zu haben, den man nicht nur selber liebt, sondern der einen auch genauso zurückliebt.
Aber wenn der andere seine Freiheit will, muss ich sie ihm nicht geben, wenn ich ihn wirklich liebe?
.
(Abgelegt in anjesagt und bisher 1488 x anjeklickt)
Eine Kollegin war jetzt eine Woche krankgeschrieben, weil ihr ihr "Leben weggebrochen war". Durch verschiedene Umstände hatten wir heute ein längeres Gespräch und sie hat mir die Hintergründe etwas näher erläutert. Ihr Freund hat sie nach vielen Jahren Beziehung verlassen und zwar im Grunde "einfach so". Es gab also keinen konkreten Grund, sie haben sich nicht gestritten, es war keiner fremd gegangen oder hatte jemand Neuen, er hat ihr sogar gesagt, dass sie gar nichts falsch gemacht hat, aber er hätte eben nur einfach keine Lust mehr und wollte lieber alleine sein. Oder mit anderen Leuten etwas unternehmen, egal, auf alle Fälle nicht mehr mit ihr.
Für sie brach eine Welt zusammen, denn sie hatte sich sehr auf diese Beziehung fokussiert. Eigentlich hatte sie schon alles bis zur Rente durchgeplant: Heiraten, Kinder kriegen, Haus bauen und es sich nett machen. Sie hatte das Gefühl, dass sie in ihrem Leben angekommen war, sie wollte nicht mehr suchen, sie war vollkommen zufrieden mit dem, was sie so hatte.
Und dann, zack, zieht er ihr einfach den Teppich unter den Füßen weg und will noch nicht mal mehr vernünftig darüber reden. Und sie steht da jetzt und weiß nicht mehr weiter. Sie hat doch nichts falsch gemacht. Und was soll sie denn jetzt tun? Und irgendwie hat er ihr auch die Zukunft zerstört, denn sie ist schon 35 und jetzt nochmal ganz von vorne anfangen, Mann suchen, Familie planen.
Ihre Uhr tickt, sie hat da nicht mehr ewig Zeit - und sowas dauert ja auch. Schließlich musss man erst mal einen finden und dann muss man sich kennenlernen und ausprobieren und ob dann sofort der nächste der Vater ihrer Kinder sein wird, kann man auch nicht garantieren.
Und alles nur weil dieser Typ sagt, er hätte keine Lust mehr. Einfach so.
Eigentllich müsste man dem das verbieten. Von außen betrachtet ist das doch vollkommen egoistisch und rücksichtslos. Sie hat sich schließlich darauf verlassen und ihr Leben entsprechend eingerichtet. Sie ist extra für ihn nach Münster gezogen. Da hätte sie auch in Emsdetten bleiben können, wenn er sich das mal eher überlegt hätte. So vor 10 Jahren z.B. - da hätte sie auch noch alles anders machen können.
Und überhaupt, das ist doch wirklich unfair, was er da mit ihr macht und vernünftig begründen kann er es auch nicht. Im Gegenteil, jeden Grund, den er ihr genannt hat, den hat sie ihm sofort entkräften können. Aber er ist einfach nicht zur Vernunft zu bringen. Und jetzt will er gar nicht mehr mit ihr reden - nur weil sie recht hat.
----------------------------
Und ich frage mich jetzt: Was macht man eigentlich, wenn der eine sagt, ich will mit dir zusammen sein, weil ich dich liebe und der andere sagt, ich habe aber keine Lust dazu.
Kann man Liebe erzwingen? Oder erwarten?
Oder mit vernünftigen Argumenten herbeireden?
Hat man einen Anspruch darauf, dass man geliebt wird, wenn man alles richtig macht?
Gibt es Liebe aus Gewohnheitsrecht oder weil sich jemand darauf verlässt?
Wie entsteht Liebe, warum liebt man überhaupt jemanden und woran merkt man selber, dass man jemanden liebt?
Warum liebt man den A und nicht den B? Und wenn man 10 Jahre mit dem A zusammengelebt hat, wie kann es sein, dass man den A plötzlich nicht mehr liebt, dafür aber den B?
Kann es etwa sein, dass Liebe nicht unbedingt rationalen Vorgaben folgt?
Was ist der Unterschied zwischen Liebe und "nicht allein sein wollen"?
Gibt es sowas wie angeborene Liebe? Muss eine Mutter ihre Kinder automatisch lieben? Oder ein Vater? (hier stellt sich dann die Frage, ab wann dieser Automatismus eintritt, ja wohl frühestens ab dem Zeitpunkt, wo er weiß, dass er der Vater ist. Bei Müttern wäre ich deshalb eher bereit, über so etwas wie "angeboren" nachzudenken.) Und umgekehrt, müssen Kinder ihre Eltern lieben? Überhaupt Familie: Müssen sich Familienmitglieder untereinander lieben?
Ich lese mir die letzten Sätze durch und frage mich, ob "müssen" und "Liebe" in einem Satz überhaupt möglich ist.
Und bin wieder bei meiner Ausgangsfrage: Was ist Liebe? Woran erkenne ich, dass oder ob ich jemanden liebe?
Meine These dazu ist, dass es sehr viel Größe braucht, jemanden zu lieben, der einen nicht genauso zurückliebt, der einem unter Umständen sogar sagt, dass er einen nicht liebt und dazu auch noch schlecht behandelt, aber ich bin fest davon überzeugt, dass das möglich ist.
Man darf allerdings niemals "Liebe" und "Anspruch" verwechseln.
Weil ich dich liebe, lasse ich dich frei. Wirkliche Liebe verzichtet ohne Anspruch.
Mit einer Träne im Herzen, aber sie engt den anderen niemals ein. Sie macht ihm keine Vorschriften und legt ihm keine Fesseln an. Weder durch offensichtliches herumschleudern von Tränen, noch durch das Verschleudern von klugen oder giftigen, klebrigen oder bestechenden Wortpfeilen.
Wirkliche Liebe ist auch immer Vertrauen. Vertrauen darein, dass der andere ein guter, kluger, toller, besonderer Mensch ist.
Wirkliche Liebe ist selbstlos und immer darauf bedacht, dass es dem anderen so gut wie möglich geht.
Deshalb ist es für Eltern viel leichter ihre Kinder zu lieben als umgekehrt.
Kinder lieben ihre Eltern nur solange sie auf sie angewiesen sind. Je erwachsener die Kinder werden, umso erwachsener wird auch ihre Liebe. Und wird nur Bestand haben, wenn die Eltern auch liebenswert sind.
Geliebt werden zu wollen ist das Gegenstück.
Natürlich will ich auch zurückgeliebt werden, aber wer ist denn dafür zuständig, dass das auch klappt? Der andere, der, von dem ich geliebt werden will?
Ist der dafür zuständig, dass er mich gefälligst zu lieben hat?
Ja wohl eher nicht.
Er wird mich lieben, wenn ich ein guter, kluger, toller, besonderer Mensch bin - aus seiner Sicht.
Er wird mich nicht lieben, wenn ich ein Klotz am Bein bin, ihn hindere sein Leben zu leben, ihm ständig einen Knopf an die Backe quatsche zu Dingen, die ihn nicht interessieren. Er wird mich auch nicht lieben, nur weil ich recht habe und ihm rhethorisch einwandfrei bewiesen habe, dass meine Argumente die besseren sind.
Er wird mich auch nicht lieben, wenn er sich mit mir langweilt, wenn er unzufrieden ist und andere Interessen hat als ich.
Er wird mich nicht lieben, weil ich es so dringend nötig habe, denn Liebe aus Mitleid ist Mitleid und keine Liebe. Und er wird mich auch nicht lieben, wenn ich es immer wieder einfordere oder weil er es früher mal getan hat oder weil er keine Lust hat, sich zu streiten.
Es gibt entsetzlich viele Gründe, warum mich jemand NICHT lieben wird und nur sehr wenige, wenn es doch jemand tut.
Unbestritten ist es das schönste, was es gibt auf dieser Welt: Einen Menschen zu haben, den man nicht nur selber liebt, sondern der einen auch genauso zurückliebt.
Aber wenn der andere seine Freiheit will, muss ich sie ihm nicht geben, wenn ich ihn wirklich liebe?
.
mark793,
Dienstag, 24. November 2015, 00:49
Ich würde die Frage mit "ja" beantworten. Im Grunde war ich mit meiner früheren Lebensgefährtin in einer ähnlichen Situation - nur dass sie diejenige war, die nicht mehr wollte. Und ich bin nicht aus allen Latschen gekippt vor Überraschung, ich hatte es schon länger kommen sehen, aber auch nicht so recht eine Idee gehabt, wie es sich verhindern ließe.
Ich habe sie gehen lassen, ohne den Versuch zu machen, sie aufzuhalten oder die Beziehung zu retten. Wenn sie sich von mir wirklich eingeengt fühlt, dann wäre es doch das Allerverkehrteste, den Versuch zu machen, sie anzuketten. Der Loslösungsprozess hat aber nach ihrem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung noch ziemlich lange gedauert (das jetzt genauer auszuführen, würde den Rahmen dieses Kommentars sprengen). Ich habe mich in all der Zeit manchmal gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, für eine gemeinsame Zukunft zu kämpfen, denn im Grunde haben wir uns immer noch gut verstanden, in mancher Hinsicht sogar besser denn je, als wir noch zusammen wohnten. Auf der anderen Seite wusste ich aber auch, für einen erfolgversprechenden Neuanfang hat es an einigen Voraussetzungen gefehlt, wenngleich uns immer noch vieles verband. Lustigerweise kam es irgendwann zu ein paar Begegnungen von ihr, mir und meiner (späteren) Frau, zu dem Zeitpunkt noch Kollegin. Letztere war einmal ziemlich sicher, dass das mit mir und meiner Verflossenen nochmal was werden würde. Und exakt an dem gleichen Abend hatte meine Ex den Eindruck gewonnen, zwischen mir und meiner Kollegin wäre schon alles klar. Dabei war für uns zumindest noch überhaupt nichts klar zu dem Zeitpunkt.
Vielleicht war in jenen Tagen das window of opportunity noch mal offen, ich weiß von meiner Ex, dass sie zu Zeiten auch drüber nachgedacht hat, ob wirs nicht doch nochmal probieren sollten. Aber wir haben uns die Freiheit gelassen, andere Wege zu gehen, uns weiterzuentwickeln, andere Partner zu finden - und es war richtig so.
Ach ja, nach Jahren relativer Funkstille haben wir ab und zu gemailt, zu Geburtstagen gratuliert und so, und neulich haben wir seit Ewigkeiten mal wieder telefoniert, bis die Akkus unserer schurlosen Telefone am Ende waren, das war sehr herzerwärmend...
Ich habe sie gehen lassen, ohne den Versuch zu machen, sie aufzuhalten oder die Beziehung zu retten. Wenn sie sich von mir wirklich eingeengt fühlt, dann wäre es doch das Allerverkehrteste, den Versuch zu machen, sie anzuketten. Der Loslösungsprozess hat aber nach ihrem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung noch ziemlich lange gedauert (das jetzt genauer auszuführen, würde den Rahmen dieses Kommentars sprengen). Ich habe mich in all der Zeit manchmal gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, für eine gemeinsame Zukunft zu kämpfen, denn im Grunde haben wir uns immer noch gut verstanden, in mancher Hinsicht sogar besser denn je, als wir noch zusammen wohnten. Auf der anderen Seite wusste ich aber auch, für einen erfolgversprechenden Neuanfang hat es an einigen Voraussetzungen gefehlt, wenngleich uns immer noch vieles verband. Lustigerweise kam es irgendwann zu ein paar Begegnungen von ihr, mir und meiner (späteren) Frau, zu dem Zeitpunkt noch Kollegin. Letztere war einmal ziemlich sicher, dass das mit mir und meiner Verflossenen nochmal was werden würde. Und exakt an dem gleichen Abend hatte meine Ex den Eindruck gewonnen, zwischen mir und meiner Kollegin wäre schon alles klar. Dabei war für uns zumindest noch überhaupt nichts klar zu dem Zeitpunkt.
Vielleicht war in jenen Tagen das window of opportunity noch mal offen, ich weiß von meiner Ex, dass sie zu Zeiten auch drüber nachgedacht hat, ob wirs nicht doch nochmal probieren sollten. Aber wir haben uns die Freiheit gelassen, andere Wege zu gehen, uns weiterzuentwickeln, andere Partner zu finden - und es war richtig so.
Ach ja, nach Jahren relativer Funkstille haben wir ab und zu gemailt, zu Geburtstagen gratuliert und so, und neulich haben wir seit Ewigkeiten mal wieder telefoniert, bis die Akkus unserer schurlosen Telefone am Ende waren, das war sehr herzerwärmend...
,
Dienstag, 24. November 2015, 13:51
Wer verlässt, ist längst vorher verlassen worden ...
Wer, oder vielmehr was da "aus allen Wolken fällt" ist die Illusion einer symbiotischen Verklettung: Nur weil es einem in der Beziehung gut geht, muss dies nicht auch zwangsläufig für den anderen gelten.
Gegenseitig wahrhaftig im Kontakt zu sein, heißt ALLES zu kommunizieren und auszudrücken.
Wann immer mir jemand erzählt, sein langjähriger Partner sei "plötzlich und unerwartet" gegangen, weiß ich, dass er sich (zurZeit) nur als Opfer fühlen kann, d.h. die Verantwortung für das Beziehungs-Aus nur dem anderen zuschreibt. Jemand, der verbal oder nonverbal Ausgedrücktes und andere Zeichen nicht deuten mochte/konnte/wollte ist natürlich im Schock, wenn die Wirklichkeit seiner Beziehung ihn so plötzlich einholt - möge es ein heilsamer Schock sein. In der nächsten Beziehung den Focus vom eigenen auch auf das Befinden des Anderen zu legen.
Wer, oder vielmehr was da "aus allen Wolken fällt" ist die Illusion einer symbiotischen Verklettung: Nur weil es einem in der Beziehung gut geht, muss dies nicht auch zwangsläufig für den anderen gelten.
Gegenseitig wahrhaftig im Kontakt zu sein, heißt ALLES zu kommunizieren und auszudrücken.
Wann immer mir jemand erzählt, sein langjähriger Partner sei "plötzlich und unerwartet" gegangen, weiß ich, dass er sich (zurZeit) nur als Opfer fühlen kann, d.h. die Verantwortung für das Beziehungs-Aus nur dem anderen zuschreibt. Jemand, der verbal oder nonverbal Ausgedrücktes und andere Zeichen nicht deuten mochte/konnte/wollte ist natürlich im Schock, wenn die Wirklichkeit seiner Beziehung ihn so plötzlich einholt - möge es ein heilsamer Schock sein. In der nächsten Beziehung den Focus vom eigenen auch auf das Befinden des Anderen zu legen.
anje,
Dienstag, 24. November 2015, 19:51
@ Herr Mark: Ja, wir hatten das ja an anderer Stelle auch schon: Eine Trennung in einer Beziehung muss nicht das Ende der Freundschaft bedeuten, sondern ganz im Gegenteil, manchmal hat die Freundschaft dann erst Platz, um wirklich aufzublühen.
Ich habe die Situation so rum erlebt, dass ich den Vater meiner Kinder nach vielen Jahren verlassen habe, weil ich nicht mehr die Kraft hatte, eine Beziehung mit Alltag und allen Selbstverständlichkeiten, die eben eine Beziehung von einer Freundschaft unterscheidet, zu leben. Und um das Ganze zu toppen, bin ich auch sofort eine neue Beziehung eingegangen.
Ich kenne viele Leute, die dann ganz anders reagiert hätten als dieser Mann es getan hat, denn er hat es mir nie übelgenommen. Im Gegenteil, er hat mich während und nach der Trennung immer unterstützt, hat den neuen Mann an meiner Seite als Freund angenommen und ich habe nicht einmal einen Vorwurf (für das Verlassen) von ihm zu hören bekommen.
Dabei hätte er jedes Recht der Welt gehabt, sich massiv zu beschweren. Nicht nur habe ich ihn für jemand anderen sitzen lassen, sondern ich habe ihm den Großteil seines bisherigen Lebens weggenommen. Ich bin mit den Kindern an einen anderen Ort gezogen und habe ihn mit dem gesamten Kram unserer gemeinsamen Jahre einfach hintergelassen. Ich hätte wirklich Verständnis dafür gehabt, wenn er sauer auf mich geworden wäre.
Wurde er aber nicht, sondern hat immer wieder nur gesagt: "Wenn du das so möchtest, dann muss ich das respektieren. Nur weil du gehst, ändert das nichts daran, dass ich dich liebe. Und weil ich dich liebe, will ich nie etwas tun, was dir schadet. Was hätte ich davon? Du kämst dann doch trotzdem nicht zurück."
Ich habe ihn für diese Haltung sehr bewundert, er hat aber immer wieder versucht zu erklären, dass es aus seiner Sicht doch gar keine vernünftige Alternative zu seinem Verhalten gibt. Wenn er angefangen hätte, auf mich einzuschlagen (in welcher Form auch immer), hätte das nur bedeutet, dass er nicht in der Lage ist, mit seinem persönlichen Frust selbständig umzugehen. Er hätte darüberhinaus seinen Kindern geschadet, die ohne Zweifel mit daruntergelitten hätten, wenn sich die Eltern böse fetzen - aber außer primitiver Rachebefriedigung hätte er keinen weiteren Nutzen aus so einem Verhalten gezogen.
Natürlich war er traurig - sehr sogar, denn er hat das alles nicht gewollt, aber manchmal läuft es im Leben eben nicht so, wie man das selber will und dann muss man trotzdem damit leben.
Und weil ich genau diese Begründung so ungemein richtig finde, fehlt es mir natürlich immer ein wenig an Verständnis, wenn jemand böse und giftig wird, nur weil ihn jemand anderes nicht (mehr) so liebt, wie er sich das wünscht.
Und @Gringa: ja, genau das ist das Problem. Die Illusion der symbiotischen Verkettung. Meines Erachtens nach funktionieren viele Beziehungen nur, weil beide dieser Illusion unterliegen und wenn der erste aufwacht, kracht es gewaltig.
Und grade das Nichtdeuten möchten/können/wollen von nonverbalen aber auch verbalen Reaktionen des anderen erstaunt mich immer wieder.
Ganz auffällig finde ich so ein Verhalten übrigens oft bei Eltern-Kind-Beziehungen. Je älter die Kinder werden, umso mehr sind sie in der Lage ihren Eltern sehr bewusst zu signalisieren, dass sie mehr Abstand brauchen, aber wie viele Eltern gibt es, die das stumpf ignorieren?
Wenn ein Dreijähriger in einem Trotzanfall seine Eltern mit wilden Schimpfworten belegt, dann nehmen sie das zum Anlass, ihm einen langen Vortrag über die Benutzung von Wörtern zu halten. Wenn aber ein Dreißigjähriger auf die freundliche Frage der Eltern "Wo gehst du denn hin?" mit einem sehr deutlichen "Das geht dich gar nichts an." antwortet, kommt ihnen nicht in den Sinn, dass der die Benutzung von Wörtern doch längst gelernt haben sollte und nur deshalb nicht "Arschloch" sagt, weil sie es ihm mühsam abgewöhnt haben.
Ich habe die Situation so rum erlebt, dass ich den Vater meiner Kinder nach vielen Jahren verlassen habe, weil ich nicht mehr die Kraft hatte, eine Beziehung mit Alltag und allen Selbstverständlichkeiten, die eben eine Beziehung von einer Freundschaft unterscheidet, zu leben. Und um das Ganze zu toppen, bin ich auch sofort eine neue Beziehung eingegangen.
Ich kenne viele Leute, die dann ganz anders reagiert hätten als dieser Mann es getan hat, denn er hat es mir nie übelgenommen. Im Gegenteil, er hat mich während und nach der Trennung immer unterstützt, hat den neuen Mann an meiner Seite als Freund angenommen und ich habe nicht einmal einen Vorwurf (für das Verlassen) von ihm zu hören bekommen.
Dabei hätte er jedes Recht der Welt gehabt, sich massiv zu beschweren. Nicht nur habe ich ihn für jemand anderen sitzen lassen, sondern ich habe ihm den Großteil seines bisherigen Lebens weggenommen. Ich bin mit den Kindern an einen anderen Ort gezogen und habe ihn mit dem gesamten Kram unserer gemeinsamen Jahre einfach hintergelassen. Ich hätte wirklich Verständnis dafür gehabt, wenn er sauer auf mich geworden wäre.
Wurde er aber nicht, sondern hat immer wieder nur gesagt: "Wenn du das so möchtest, dann muss ich das respektieren. Nur weil du gehst, ändert das nichts daran, dass ich dich liebe. Und weil ich dich liebe, will ich nie etwas tun, was dir schadet. Was hätte ich davon? Du kämst dann doch trotzdem nicht zurück."
Ich habe ihn für diese Haltung sehr bewundert, er hat aber immer wieder versucht zu erklären, dass es aus seiner Sicht doch gar keine vernünftige Alternative zu seinem Verhalten gibt. Wenn er angefangen hätte, auf mich einzuschlagen (in welcher Form auch immer), hätte das nur bedeutet, dass er nicht in der Lage ist, mit seinem persönlichen Frust selbständig umzugehen. Er hätte darüberhinaus seinen Kindern geschadet, die ohne Zweifel mit daruntergelitten hätten, wenn sich die Eltern böse fetzen - aber außer primitiver Rachebefriedigung hätte er keinen weiteren Nutzen aus so einem Verhalten gezogen.
Natürlich war er traurig - sehr sogar, denn er hat das alles nicht gewollt, aber manchmal läuft es im Leben eben nicht so, wie man das selber will und dann muss man trotzdem damit leben.
Und weil ich genau diese Begründung so ungemein richtig finde, fehlt es mir natürlich immer ein wenig an Verständnis, wenn jemand böse und giftig wird, nur weil ihn jemand anderes nicht (mehr) so liebt, wie er sich das wünscht.
Und @Gringa: ja, genau das ist das Problem. Die Illusion der symbiotischen Verkettung. Meines Erachtens nach funktionieren viele Beziehungen nur, weil beide dieser Illusion unterliegen und wenn der erste aufwacht, kracht es gewaltig.
Und grade das Nichtdeuten möchten/können/wollen von nonverbalen aber auch verbalen Reaktionen des anderen erstaunt mich immer wieder.
Ganz auffällig finde ich so ein Verhalten übrigens oft bei Eltern-Kind-Beziehungen. Je älter die Kinder werden, umso mehr sind sie in der Lage ihren Eltern sehr bewusst zu signalisieren, dass sie mehr Abstand brauchen, aber wie viele Eltern gibt es, die das stumpf ignorieren?
Wenn ein Dreijähriger in einem Trotzanfall seine Eltern mit wilden Schimpfworten belegt, dann nehmen sie das zum Anlass, ihm einen langen Vortrag über die Benutzung von Wörtern zu halten. Wenn aber ein Dreißigjähriger auf die freundliche Frage der Eltern "Wo gehst du denn hin?" mit einem sehr deutlichen "Das geht dich gar nichts an." antwortet, kommt ihnen nicht in den Sinn, dass der die Benutzung von Wörtern doch längst gelernt haben sollte und nur deshalb nicht "Arschloch" sagt, weil sie es ihm mühsam abgewöhnt haben.