anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Donnerstag, 8. November 2018
Wie ein Blatt


Mein Tag heute hat sich einen ganz fremden Rhythmus gesucht.
Jetzt, wo ich den Tag kurz Revue passieren lasse, um rauszupicken, was aufschreibenswert sein könnte, stehe gerade selber staunend davor und fühle mich wie das Blatt dort oben, das ich in meiner Mittagspause fotografiert habe: Durch Zufall in die Gegend gepustet, keine Ahnung, warum es hier liegt, es hat wohl schon eine Menge erlebt, eine Ecke ist eingerissen und abgeknickt. Die beste Zeit ist vorbei, aber die Farben sind noch sehr schön und es ist auch noch nicht komplett vertrocknet.
Man könnte noch was damit anfangen.
Oder etwas draus machen.
Nur was?
Pressen zwischen Buchseiten und eine verwunschene Geschichte dazu erfinden?
Oder mit Farbe bestreichen und auf eine Postkarte drucken?
Vielleicht aber auch ganz viele Blätter sammeln und dann damit rascheln.
Oder einfach nur fotografieren und nicht wissen, warum man das tut.

Das Aufstehen begann schon mit einer Synkope. (Ich meine den Begriff aus der Musiktheorie, nix medizinisches). Nach einem kurzen, unbedeutenden Aufwachen bin ich erstmal tief und fest wieder eingeschlafen. Im Büro war ich um kurz vor elf. Das ist selbst für meinen schon üblicherweise späten Bürobeginn sehr aus dem Takt geraten.
Gegen Mittag bekam ich Hunger. Auf ein richtiges Mittagessen. Passiert mir sonst auch nie.
Aber deshalb habe ich das Büro verlassen und bin in die Kantine gegangen.
Schnitzel und Pommes, die Kassenfrau an der Kantine schaute mich groß an und wollte wissen, wie es mir so geht, sie hätte mich ja wirklich sehr lange nicht gesehen. Stimmt, ich tippe das letzte Mal ist mehr als neun Monate her, dass ich in der Kantine war.
Schnitzel und Pommes, ich kann nicht erklären, was mich dazu trieb.
Auf dem Rückweg habe ich mich in der Sonne auf eine Bank gesetzt und darüber nachgedacht, wie lange es her ist, dass ich hier das letzte Mal saß. Ich glaube, die Antwort ist "unendlich", ich habe noch nie auf dieser Bank gesessen. Dabei steht sie direkt neben dem Eingang ins Bürohaus und es ist wirklich eine schöne Bank, es sitzt sich sehr gut dort und heute schien so wunderbar die Sonne, dass ich am liebsten ganz lange dort sitzen geblieben wäre.
Aber dann sah ich das Blatt und dachte, es ist besser, ich gebe mir selber wieder eine Bestimmung, zB die, vernünftig im Büro zu sitzen und nicht auf einer Bank draußen davor.
Nachher kommt noch jemand vorbei, macht ein Foto von der seltsamen Frau auf der Bank und fragt sich, warum sie da sitzt. Sie hat bestimmt schon eine Menge erlebt und ihre beste Zeit hat sie offensichtlich hinter sich, aber man könnte noch was aus ihr machen.
Und bevor ich dann zwischen zwei Buchseiten lande, bin ich einfach wieder ins Büro gegangen
.
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