anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Dienstag, 5. Dezember 2017
Ein neues erstes Mal
Ich sagte es neulich schon, dass ich in vielen Dingen ein laggard oder late adopter bin, nicht wahr?
Bis ich bereit bin, mich mit neuen Dingen auseinanderzusetzen, muss ich immer erst meine eigenen Phasen des noch-nicht-kennens, des kennens-aber-nicht-ernst-nehmens, des bewussten-ignorierens, des aktiven-beschimpfens bis hin zum ersten-mal-selber-ausprobieren durchlaufen.
Nach dem ich jetzt endlich ein eigenes Avatar habe, kann ich ja nun auch noch einen Schritt weiter gehen und mich tatsächlich aktiv an einer blogparade beteiligen, die ich in meinen bisherigen Stadien natürlich immer konsequent ignoriert bzw. abgelehnt habe.
Das schöne beim Durchlaufen dieser Stadien ist die retrograde Amnesie, die Teil des Ganzen ist, d.h. wenn ich irgendetwas erstmal irgendwann selber akzeptiere, habe ich im selben Moment aber auch vergessen, was ich vorher überhaupt dagegen hatte.

Nun, sei es wie es sei, ich wollte damit nur sagen, dass ich weder bekloppt noch inkonsequent bin, sondern dass so eine Sinnesänderung ein ganz normaler und alltäglicher Vorgang in der eigenen Entwicklung ist und dass ich deshalb heute mit viel Spaß und noch mehr guten Vorsätzen das erste Mal an der WmdedgT Aktion teilnehme, die seit viereinhalb Jahren jeden 5. im Monat von Frau Brüllen organisiert wird.

"Was machst du eigentlich den ganzen Tag" ist eine Frage, die ich mir in leicht abgewandelter Form ja nun schon seit über zwei Jahren jeden Abend selber stelle: "Was habe ich den ganzen Tag gemacht und worüber könnte ich etwas schreiben?" ist meistens mein Ansatz, aber diese Aktion hier stellt ja die Frage aktiv schon am Morgen, so dass ich mir seit heute Morgen viel Mühe gebe, das genau zu protokollieren.

Also, los geht's:
Der Tag begann wie viele Tage: mit aufwachen. Das geschah so gegen 7:05h (aus Protokollgründen gucke ich heute ständig auf die Uhr, weil ich mir einbilde, mir dann besser merken zu können, was ich wirklich alles so gemacht habe. Aus eigener Erfahrung ist es ja oft so, dass gefühlt 30 Minuten nach dem Aufwachen schon wieder Abend ist und man sich verzweifelt fragt, wo der Tag geblieben ist und was man, verdammte Hacke, damit angestellt hat.)
Gegen 7:15h brachte mir K. meinen Morgenkaffee.

Es folgten Lesen im Bett, Aufstehen, Duschen (ohne Haarewaschen natürlich), Zähneputzen, Anziehen, Schminken, Kämmen und runtergehen. (Schlafzimmer in der ersten Etage).
In der Küche habe ich dann mein Mitnehmessen geschmiert und geputzt (Butterbrot und Möhren) und als ich im Flur stand und die Jacke anzog, war es schon wieder kurz vor 9h. Mein Lebensdrama, es wird mir ein ewiges Rätsel bleiben, wie andere Leute es schaffen, schon um 8h im Büro zu sein.

Dabei hatte ich heute noch einen Zwischenstopp auf dem Weg ins Büro zu erledigen, denn J. braucht seine Original Geburtsurkunde. J. möchte bei der Bundeswehr studieren und zu den einzureichenden Bewerbungsunterlagen gehört auch die Geburtsurkunde im Original.
Er hatte dort gestern ein erstes Vorgespräch (den Termin zu diesem Gespräch hat er schon im August gemacht), bei dem ihm mitgeteilt wurde, was er alles einreichen muss und dass es jetzt plötzlich aber ganz wichtig ist, dass er all diese Dinge am besten bis Donnerstag dort einreicht. Manchmal fragt man sich ja schon, was bei diesen Behörden-Leuten so im Kopf vorgeht, viel kann es auf alle Fälle nicht sein. Denn, hallo? Wie soll ein Jugendlicher, der auf einer Insel wohnt und auf dem Festland in ein Internat geht, mal eben in drei Tagen alle möglichen Original herbeischaffen? Egal, J. hatte mir Bescheid gegeben, dass er seine Geburtsurkunde benötige und ich kam auf den klugen Gedanken, davon eine beglaubigte Kopie herstellen zu lassen, dann muss ich das echte Original nicht mit der Post durch die Gegend schicken. Deshalb bin ich heute mit dem Original von J.s Geburtsurkunde in das Rathaus in Greven marschiert, weil ich annahm, dass ein Amt, was solche Urkunden ausstellt, mir ja auch eine beglaubigte Kopie von einer bereits ausgestellten Urkunde fertigen kann.
Im Rathaus angekommen habe ich mich über die quasi nicht vorhandene Schlange vorm Einwohnermeldeamt gefreut

und musste auch nur fünf Minuten warten, bis ich dran war, um mir sagen zu lassen, dass das Einwohnermeldeamt für Beglaubigungen von Geburtsurkunden nicht zuständig ist, aber das Standesamt und das befindet sich in Zimmer 110.
Auf der Suche nach Zimmer 110 stellte ich fest, dass das Rathaus zwischen der ersten und der zweiten Etage auch noch eine 1,5te Etage hat, die man nur erreicht, wenn man durch eine versteckte Zwischentür und einen abgedunkelten Flur erst eine Treppe runter und dann eine halbe Treppe wieder hoch läuft - ein wenig kam ich mir vor, als wäre ich auf dem Weg nach Hogwarts. Andererseits, ich war auf dem Weg zum Standesamt, da passt das ja sogar vielleicht, irgendwie.....
Aber irgendwann hatte ich Zimmer 110 tatsächlich gefunden und die dort residierende Verwaltungsbeamtin erklärte mir dann, dass überhaupt gar niemand eine beglaubigte Kopie von einer Geburtsurkunde fertigen könne, sondern dass nur die ausstellende Behörde selber eine Original Geburtsurkunde ausstellen könne. Und da J. nicht in Greven geboren wurde, könne sie mir nicht helfen. Punktum, andere Alternativen gibt es nicht. Und wenn man sich im öffentlichen Dienst bewerben wolle (und Bundeswehr gehört da eindeutig dazu), dann würde meine uralt Geburtsurkunde sowieso nicht ausreichen, die wollen immer eine aktuelle. Würde also auch nichts nutzen, wenn ich ihm mein bisher so sorgfältig gehütetes Original gebe oder schicke, es muss sowieso was neues her.
Meine 27 Fragezeichen, die mir in den Augen standen, konnte ich gar nicht alle gleichzeitig als Warum-Fragen formulieren. Was soll sich bitteschön an einer Geburtsurkunde ändern? Geburt 2.0? Wird die upgedated und das ursprünglich ohne Wahlfreiheit festgelegte Geschlecht wird wieder offengelassen und ergänzt um die dritte Variante, die heutzutage ja wohl sein muss, um Gendergerechtigkeit herzustellen?
Oder wird die Postleitzahl aktualisiert? oder WTF?
Die Dame erklärte mir dann, dass es ja sein könne, dass der Mensch inzwischen seinen Namen geändert hat oder adoptiert wurde - und das wäre da dann alles vermerkt. Und deshalb benötige man für eine Bewerbung im öffentlichen Dienst eben eine frisch ausgestellte Geburtsurkunde.
So ist das. Jetzt weiß ich es. Sie gab mir dann noch den Tipp, dass die meisten Behörden so etwas inzwischen auch übers Internet regeln und ich solle doch einfach mal googeln, wie das die Behörde in J.s Geburtsstadt handhabt.
Also bin ich recht unverrichteter Dinge wieder gegangen und erst mal ins Büro gefahren. Dort waren die Handwerker immer noch mit dem Verlegen des WLAN-Kabels beschäftigt, heute soll der zweite Gang fertig werden.

(Kleiner Zeitsprung: Am Abend hatten mir insgesamt drei Handwerker mitgeteilt, dass es sich um ein LAN-Kabel handelt und dass es WLAN-Kabel gar nicht gibt. Ich kam mir vor wie der Postillion, der regelmäßig Leserbriefe postet, die ich besonders witzig finde, weil es wohl häufiger Menschen gibt, die nicht denselben Humor haben.)
Von den Dingen im Büro gibt es dann eigentlich nicht viel zu erzählen, das ist eben Büro.
Besteht aus Computerarbeit, Excel-Tabellen, Akten, Schreiben und mittendrin meiner Teetasse samt Obst- und Rohkostteller

In 14 Tagen ist mal wieder Aufsichtsrat, deshalb sind hier grade alle ganz hektisch mit Vorlagen schreiben, Wirtschaftsplänen und Reportings beschäftigt.
Den ersten Teil des Tages habe ich mich damit beschäftigt, den Jahresbericht für eine kleine Vermögensverwaltung zu schreiben, den zweiten Teil damit, mit diversen Banken zu telefonieren und Angebote für Depotverwaltungen, Festgeldzinsen u.ä. einzuholen sowie so Alltagskrimskrams, der täglich zu erledigen ist.
Ach so, und natürlich das Standesamt in J.s Geburtsstadt angemailt und um Übersendung einer frischen Geburtsurkunde gebeten, vorzugsweise gleich an J.s Internatadresse, die Gebühr konnte man mit paydirect bezahlen.
Zwischendurch habe ich ein wenig amüsiert den Familienchat beobachtet, da gingen J. und seine Schwester in einen verbalen Clinch, ob Chatprogramme oder E-Mails besser sind und die beiden älteren Kinder haben sehr souverän den kleinen Schülerbruder niedergemacht, der E-Mails grässlich findet und verlangt hatte, dass wir bitte nie mehr über E-Mails kommunizieren, weil sie ihm erklärten, das läge nur daran, dass er noch für nichts verantwortlich ist und keine wichtigen Projekte managen muss.
Recht haben sie, ich persönlich würde am allerliebsten sowieso überhaupt nur per E-Mail kommunizieren, ich habe noch nie verstanden, wo der besondere Vorteil von Chatprogrammen ist, habe mich aber längst daran gewöhnt, einfach auf jedem Kanal, auf dem ich angesprochen werde, auch zu antworten, was aber nicht heißt, dass ich Chatprogramme deshalb gut finde. WhatsApp zB finde ich sogar ziemlich ätzend, da das nur auf dem Handy läuft und dann auch nur auf einem Handy, die Hälfte der Zeit merke ich deshalb gar nicht, dass ich da angeschrieben wurde.
Familienintern nutzen wir iMessage, weil ich die Kindern einfach per Gelddiktat zu einem iPhone gezwungen habe (lieber ein iPhone geschenkt, als ein cooles Handy selber bezahlen), aber ich persönlich wäre auch völlig zufrieden, wenn es nur E-Mails gäbe. (Ich fand aber früher auch SMS schon blöd.)

Eigentlich hätte ich auch noch eine Vorlage über ein Vergleichsangebot in einem laufenden Klageverfahren schreiben sollen, aber irgendwie ging mir das nicht von der Hand.
Mir fiel schon der Einleitungssatz nicht ein, klassischer Fall von akuter Schreibblockade.
Ich habe dann eine Zeitlang stumpf auf meinen Bildschirm gestarrt und auf eine geniale Eingebung gewartet, als die ausblieb, habe ich akzeptiert, dass ich ein Problem habe und keine Lösung, weshalb ich kurzerhand beschloss, den Rechner runterzufahren und nach Hause zu gehen.
Eigentlich war es noch gar nicht wirklich spät als ich ging, erst so 19.30h, der Parkplatz war aber schon ziemlich verwaist, ich habe das dumpfe Gefühl, der Rest der Menschheit hat einen anderen Biorhythmus als ich.

Tja, und als ich dann so gegen 20h zu Hause ankam, konnte der Tag ja endlich beginnen gemütlich werden, wenn mich mein Hunger nicht in die Küche getrieben hätte. Ein Butterbrot, ein Apfel und vier Möhren sind wohl doch etwas wenig für einen ganzen Tag.
Da ich aber keine Lust zum aufwändigen Kochen hatte, wurde es mal wieder mein Lieblingsessen: Pellkartoffeln mit Sylter Heringsstip, denn davon habe ich noch hochbeglückt ein Paket im Kühlschrank entdeckt.

Und genau das werde ich jetzt genüsslich verspeisen, denn genau hier endet der Bericht meiner Tagesbeschäftigung

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