anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Dienstag, 19. Oktober 2021
Cake Factory II und Ausgrenzungen
Home-Office war heute entspannt, keinerlei akute Querschläger, so dass ich ausreichend Zeit hatte, alte Dinge aufzuarbeiten, das gibt dann ein sehr angenehmes Gefühl des "was geschafft habens".

Zwischendurch habe ich mich mit einem weiteren Rezept für die Cake Factory beschäftigt, denn es gibt ja zu dem Gerät auch eine App, in der noch viele weitere Rezepte vorgeschlagen werden und unter anderem fand ich die Idee, selber Müsliriegel zu backen, ganz spannend.
Es ist jetzt nicht so, dass ich gerne Müsliriegel esse, aber ich mag ja auch keine weiße Schokolade und keinen Käsekuchen, insofern fand ich meine persönlichen Geschmacksvorlieben nicht relevant für die Auswahl eines Rezeptes.

Das Rezept bestand aus getrockneten Mangostreifen, Haferflocken, gemahlenen Haselnüssen, Apfelsaft und Honig. Und Schokostreusel.
Weil es sich bei den Zutaten im Wesentlichen um Dinge handelte, die sich alle in meinen Vorräten befanden und sowieso mal langsam verbraucht werden mussten, fand ich das Rezept prima. Das einzige, was ich extra dafür einkaufte war Apfelsaft, aber das auch nur, weil tatsächlich überhaupt kein Apfelsaft mehr im Haus war. Zufall.

Ich begann damit, dass ich ein Paket Honig, das schon ziemlich alt und ziemlich hart geworden war, in die Mikrowelle stellte, um es zu verflüssigen. Dass es dort explodierte und eine gigantische Sauerei veranstaltete, laste ich der Cake Factory nur mittelbar an, es war aber kein guter Start für das Rezept.

Die weitere Verarbeitung der Zutaten verlief störungsfrei, zum Abschluss sollten die fertigen Müsliteigriegel mit Schokostreuseln bestreut werden, hier war ich etwas großzügig, weil ich annahm, dass die Schokolade dann schmilzt und eine schöne Umhüllung entsteht.

Nun, gelernt habe ich
a) dass Schokostreusel nicht schmelzen, sondern verbrennen und
b) dass eine Stunde Backzeit in der Stufe "Lavakuchen" wohl deutlich zu viel ist für Müsliriegel

Das Ergebnis sah so aus und taugt wirklich nur für die Tonne


In der Stufe "Lavakuchen" werden normalerweise Kuchen gebacken, die innen noch einen flüssigen Kern haben und das Rezept sah ausdrücklich diese Einstellung und diese Backzeit für die Müsliriegel vor.

Da ich mir überhaupt keine Gedanken darum gemacht habe, welche Gradzahl wohl die Stufe "Lavakuchen" bedeutet, hatte ich auch kein schlechtes Gefühl dabei, aber ich fürchte, Lavakuchen bedeutet grundsätzlich außen verbrannt und innen noch flüssig und, nun ja, ich werde das dann wohl eher nicht wiederholen.
Aber immerhin habe ich eine große Menge alte Vorräte verbraucht, das ist ja auch was wert.

Am Abend bin ich dann noch mal eine Runde mit dem Rad gefahren, weil ich Post wegbringen musste und weil es bei Lidl grade Bresso im Angebot gibt. Seit neuestem gibt es hier auf Borkum auch eine Packstation, passenderweise auf dem Lidl-Parkplatz, was ich ganz ungemein praktisch finde.
In meinem Einkaufsrausch neulich habe ich nicht nur Maschinen, sondern auch einen Ostfriesennerz bestellt, von dem ich mir einbildete, ich müsse ganz dringend so ein quietschegelbes Plastikteil haben. Zum Glück war er mir dann aber zu klein, so dass ich ihn mit einer guten Begründung wieder einpacken konnte und jetzt noch zurückschicken musste.
Inzwischen ist auch der Einkaufsrausch abgeklungen, ich werde also um eine gelbe Plastikjacke drumherum kommen.

Auf dem Lidl-Parkplatz gibt es nicht nur eine Packstation, sondern auch eine E-Bike-Ladestation, die so funktioniert, dass man die Batterie seines E-Bikes aus seinem Fahrrad ausbaut und in einem sehr großen Schließfach an Strom anschließt, dann das Schließfach abschließt und in Ruhe einkaufen gehen kann. Diese Ladestation steht passenderweise neben den Fahrradständern und an den Fahrradständern stellen Leute ihre Fahrräder ab.
Auch die Leute, die ihre Batterie nicht in der Ladestation laden lassen, stellen ihre Fahrräder dort ab, dafür sind Fahrradständer da.

Als ich mit Einkaufen fertig war und zu meinem Fahrrad ging, stand ein Mann vor der Ladestation und schimpfte lautstark auf die rücksichtslosen Fahrradfahrer, die alle nur an sich denken, denn überhaupt denkt ja heutzutage jeder nur noch an sich und eine Schande sei das, wie die Welt verkommen sei, keine Rücksichtnahme mehr, jeder nur noch ichichich - und so schimpfte er in einem fort immer weiter, weil er ein E-Mobil (und davon die große Version mit Nummernschild) an dieser Ladestation laden wollte und die Fahrradfahrer hatten doch tatsächlich die Fahrradständer neben der Ladestation benutzt und ihm damit den Weg zugeparkt. Für ein Fahrrad wäre problemlos Platz gewesen, nicht aber für das dicke E-Mobil. Das regte ihn ungemein auf, schließlich ist der Strom inzwischen so teuer, dass man sich den auch nicht mehr leisten könne und jetzt parkten sie ihm hier den Weg zu. Er war sehr aufgebracht und ich schaute mir das Spektakel eine ganze Zeitlang an, weil ich es immer spannend finde, wenn Leute so völlig unreflektiert vor sich hin eskalieren. Der Gute war allen Ernstes der Meinung, die rücksichtslosen Fahrradfahrer würden ihn in seinen Rechten behindern und mich faszinierte das sehr.

Ich glaube, dass auch die Ungeimpften, die sich jetzt darüber aufregen, dass sie von der 2G-Regel ausgegrenzt werden, so ein krudes Gerechtigkeitsgefühl haben und sich ständig Ansprüche einbilden, die tatsächlich gar nicht existieren.
Wie kommt jemand auf das schmale Brett, dass er das Recht hat, überall dabei zu sein?
Und wieso ist es nicht umgekehrt das Recht der Geimpften, dass sie keinen Bock mehr auf Mundschutz und Abstand haben und deshalb mit Ungeimpften nicht zusammen sein wollen?
Wieso ist "ich will mit dem nichts zu tun haben" nicht ein gleichwertiges Recht?
Wieso kann man sich überhaupt darüber beschweren, dass man von Privatpersonen ausgegrenzt wird?
Ich meine, Ausgrenzung ist ein ganz normaler Alltagsvorgang und kommt ständig und überall vor, weil es eben schlicht unmöglich ist, dass jeder immer alle miteinbezieht.

Aber auch außerhalb der praktischen Möglichkeiten hat Ausgrenzung umgekehrt doch auch immer etwas von "sich selber absondern".
Es will hat nicht immer jeder mit jedem umgehen und dafür muss es keinerlei rationale Gründe geben, oft ist es eben wirklich nur ein diffuses Unwohlsein, was einzelne Menschen verspüren, wenn sie mit bestimmten anderen Menschen in einer Gruppe interagieren sollen.

Mir persönlich ist es schon oft so gegangen, dass ich nicht zu Einladungen oder Veranstaltungen gegangen bin, weil ich wusste, dass da auch Leute sind, die ich nicht leiden kann. Wer grenzt dann eigentlich wen aus?
Mir wurde in meinem Leben schon mehrfach vorgeworfen, dass ich Leute ausgrenze, dabei habe ich nie etwas anderes getan als zu sagen, dass jeder tun kann, was er will, dass das aber auch für mich gelten muss.
Ich reagiere da tatsächlich durchaus deutlich, weil ich es unsinnig finde, dass ich mir meine Laune von Leuten verderben lasse, die ich blöd finde. Warum ich einzelne Menschen blöd finde, hat ganz viele unterschiedliche Gründe und manchmal ist es auch rational nicht zu fassen.

In der Schule zB gab es früher ein Mädchen, die roch. Ich fand ihren Körpergeruch derart unangenehm, dass ich ihr grundsätzlich weit aus dem Weg gegangen bin, weil ich grade bei Geruch extrem empfindlich bin. Ich wusste, dass sie nichts für ihren Geruch konnte, denn es lag nicht an schlecht gewaschen, sie roch auch beim Schwimmunterricht, wenn sie grade frisch aus der Dusche gekommen war. Und ich fand diesen Geruch ganz schrecklich.
Aus meiner Sicht gab es für diese Situation keine Lösung, außer dass ich ihr aus dem Weg ging, was aber gleichzeitig auch bedeutete, dass sich alle Menschen, die mit mir zusammen sein wollten, entscheiden mussten. Wenn jemand gerne auch dieses Mädchen mit in die Gruppe einbeziehen wollte, fand ich das völlig okay, bin aber dann aufgestanden und gegangen. Und ich finde, ich habe genauso viel Recht, zu gehen, wie dieses Mädchen sicherlich ein Recht hatte, nicht ausgegrenzt zu werden. Der Lehrer, der damals versuchte, in diesem Fall zu vermitteln, scheiterte kläglich an meiner kompromisslosen Sturheit.

Mir macht es gar nichts aus, alleine zu sein. Ich bin im Zweifel immer lieber alleine als mit Menschen zusammen, die ich nicht mag oder die mir unangenehm sind. Für die Menschen, die mich mögen und gerne mit mir zusammen sein wollen, ist das sicherlich ein echtes Problem, denn ich verweigere Kompromisse. Zumindest im Privatleben. Beruflich lasse ich mich dafür bezahlen, Dinge zu tun, die ich freiwillig privat nie täte, insofern ist mein Beruf auch nichts anderes als Prostitution, ich verkaufe halt nur nicht meinen Körper, sondern meinen Kopf, nur, ist das nicht noch um vieles intimer?

Und was diese Debatte um Impfen und das Auseinandersortieren von Geimpften und Nichtgeimpften angeht, stehe ich auch mal wieder ratlos daneben. In diesem Fall ist es mir übrigens tatsächlich sogar egal, d.h. mich persönlich interessiert der Impfstatus anderer Menschen im Grunde überhaupt nicht mehr, seitdem ich mich mit meiner geboosterten Multiimpfung soweit sicher fühle, dass ich die Seuche für mich in die gleiche Gefahrenklasse wie TBC, Grippe und Diphterie sortiert habe. Bin ich auch gegen geimpft, kann ich aber rein theoretisch auch alles kriegen, war aber auch schon immer so und gehört zum normalen Alltagsrisiko.

Dass es aber Leute gibt, die sagen, sie hätten keinen Bock mehr auf diese lästigen Hygieneregeln, die man in 2G-Gruppen relativ problemlos fallen lassen kann, das kann ich gut verstehen und reagiere insofern gerne solidarisch: Ich grenze Ungeimpfte überhaupt nicht aus, ich überlasse ihnen sogar das komplette Spielfeld und ziehe mich ohne zu klagen in die kleinen, privaten 2G-Gruppen zurück. Denn die Grundhaltung ist dieselbe: Warum soll ich mit Menschen zusammen sein, die in meinen Augen schlicht 'ne Meise haben?

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