anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Montag, 11. Oktober 2021
Der Tag, an dem ich Kondome kaufte
Ich habe heute Home-Office gemacht, das war eine ziemlich ruhige Veranstaltung, denn von 20 Mitarbeitern sind derzeit 10 entweder im Urlaub oder krank, es war also nicht viel los und ich konnte alten Kram nacharbeiten.

Um halb vier meinte K aber, dass nun Dienstschluss sei, er wolle noch mal eine Runde mit dem Rad fahren.

K war heute gut drauf, denn sein Fuß hatte sich über Nacht zum Großteil selber repariert, er konnte wieder beschwerdefei laufen und wenn etwas gebrochen wäre, dann wäre es schlimmer aber nicht besser geworden, also verzichtete er aufs Röntgen und allein das stimmte ihn schon fröhlich.

Wir fuhren dann zum Baumarkt, denn wir brauchten noch eine Rolle Raufaser, damit K die Wandstücke rund um die neu eingebauten Fenster reparieren kann. Flur und Wohnküche werden ja neu tapeziert, in den anderen Zimmern werden die beschädigten Stellen um die Fenster nur mit neuer Raufaser geflickt.

Weil der Baumarkt nur 100m von Lidl entfernt ist, gingen wir danach auch dort noch einkaufen, wenn man schon mal quasi vor der Tür steht, dann kann man auch mal eben reingehen.

Ich gehe ja mit großer Begeisterung bei Lidl einkaufen und seitdem es diese Lidl-App gibt, macht mir das noch mehr Spaß.
Mir ist natürlich klar, dass Lidl die Rabatte in der App vor allem mit den Daten finanziert, die jeder App-Benutzer beim Einkaufen hinterlässt, aber da ich selber mit meinen Daten ja sonst nichts anfangen kann, kann Lidl die gerne haben, wenn ich dafür Rabatt bekomme.

Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn die Börse schwankt und mein Depot sich an einem Tag schon mal um fünfstellige Beträge nach unten bewegt, das macht mich weder nervös noch finde ich es schlimm. Ich bin ja schließlich reich und wenn ein Teil des Reichtums durch Börsenschwankungen wieder drauf geht, egal, mit dem, was übrig bleibt, kann ich auch nach einem bösen Börsencrash noch gut leben und außerdem verlieren bei einem Börsencrash ja alle, da wird sich schon einer der anderen kümmern, dass es irgendwann auch wieder aufwärts geht.

Was ich aber gar nicht vertrage, ist sinnloses Geldverschwenden bei Alltagseinkäufen und wenn es beim Discounter Rabatte gibt, dann kaufe ich gerne extra viel, wenn ich dabei spare. Und nein, ich möchte das weder diskutieren noch sonstwie analysieren, die 25 cent vom Pfandbon sind für mich entschieden wertvoller als 25.000 Euro mehr oder weniger beim Kauf einer Immobilie.

Meine Reaktionen auf verlorene oder vergessene Pfandbons sind ähnlich hysterisch wie die eines Arachnophobikers auf eine Spinne. Und der weiß auch, dass er albern reagiert, kann es aber genauso wenig abstellen wie ich.

Die Rabatte und Gratisangebote in der Lidl-App sind also sowas wie viele kleine Pfandbons und ich reagiere darauf sehr ähnlich.

Jetzt ist es allerdings so, dass K diesen psychischen Zwang, ganz unbedingt auch den allerletzten Rabatt noch mitnehmen zu müssen, nicht hat. Er verliert ja auch Pfandbons.
Echt wahr - ich falle jedesmal halbtot um vor Entsetzen und habe anschließend mindestens eine Stunde lang schlechte Laune - er wird uns mit seiner ungezügelten Lotterigkeit in Punkto Pfandbons noch in den Ruin treiben, ihm dagegen passiert das durchaus häufiger und kratzt ihn unerfreulich wenig.
Genauso uninteressiert ist er an den Rabatten der Lidl App. Schlimm!

In der Grundfunktion der App gibt es wöchentlich wechselnde Sonderrabatte, die man bekommt, wenn man die App aufs Handy geladen hat und zu jedem Sonderrabatt einzeln ja gesagt hat. Man muss also jeden Rabatt einzeln aktivieren und sich durchaus ausführlich mit der App beschäftigen, wer da nicht konzentriert und sorgfältig arbeitet, verspielt jede Menge Rabatte.

Außer den jeweils bis Sonntag gültigen Wochenrabatten, die für alle App-Nutzer gleich sind, gibt es noch weitere, individuell unterschiedliche Rabatte. Zum einen gewinnt man nach jedem Einkauf einen Extrarabtt. Entweder, in dem man ein Gewinnlos freirubbelt oder, so wie diesen Monat, in dem man an einem Glücksrad dreht. Den so gewonnen Rabatt muss man aber natürlich auch noch einzeln aktivieren, damit er an der Kasse berücksichtigt wird. Für diese Rabatte muss man also zweimal arbeiten: erst das Los einlösen und dann noch den Gewinnrabatt aktivieren. Zusätzlich gibt es noch die umsatzabhängigen Bonusrabatte, die, je nach Umsatz innerhalb eines Monats, nach und nach freigeschaltet werden. Das Tückische dieser Zusatzrabatte ist, dass sie eine eigene Laufzeit haben, es ist also bei Weitem nicht so, dass Sonntags alle nicht eingelösten Rabatte verfallen und Montags geht das Spiel von vorne los. Das wäre ja einfach.

Um dem Ganzen aber noch einen Extrathrill zu verleihen, schaltet Lidl in unvorhersehbaren Intervallen zusätzliche Rabatte oder sogar Gratisaktionen frei, die dann oft nur für 1-2 Tage Gültigkeit haben. Marketingtechnisch geschickt, denn so bringt man die Nutzer der App dazu, täglich dort nachzuschauen, ob es heute wieder eine zusätzliche Gratisaktion gibt. Diese Gratisangebote sind fast immer an einen Mindestumsatz gekoppelt, das macht sie zu einer besonderen Herausforderung.

All diese Rabatte, die an verschiedene Bedingungen geknüpft sind, optimal zu nutzen, ist eine echte Herausforderung. Zu einer wirklichen Challenge wird es, wenn zwei Personen mit zwei Handys und zwei Apps die Einkäufe für einen Haushalt erledigen, denn dann gibt es ja noch mehr Nebenbedingungen, die beachtet werden müssen.
Denn natürlich kann man mit zwei Personen, die zwei Handys mit zwei Apps haben, jedes Gratisangebot auch zweimal bekommen, selbst wenn man nur einmal (zusammen) einkaufen geht. Man darf dann nur nicht alle Waren auf einmal auf das Band zum Bezahlen legen, sondern muss immer zwei Einkäufe daraus machen. Und wenn die Gratiswaren an einen Mindestumsatz gekoppelt sind, dann muss man vorher ausrechnen, ob man genug Waren für zweimal den Mindestumsatz hat und dann den Einkauf an der betragsmäßig sinnvollen Stelle teilen. Und natürlich muss jeder nach dem Einkauf seinen eigenen Zusatzrabatt freirubbeln und aktivieren.

Anfangs habe ich mich mehrfach ganz schrecklich über K geärgert, der einfach überhaupt keine Disziplin im Umgang mit dieser App an den Tag legte. Entweder hat er Rabatte nicht aktiviert oder gar komplett vergessen, seine App an der Kasse zu scannen - es war die reinste überhebliche Neureichenschludrigkeit, pure Verschwendungssucht aus reiner Faulheit und Desinteresse. Gräßlich - und mit so einem Menschen gehe ich Einkaufen.

Es gab natürlich viel Knatsch und schlechte Laune deswegen, zum Glück ist K aber grundsätzlich ein friedlicher und vor allem ein freundlicher Mensch und ich erkenne an, dass er sich sehr um einen guten Umgang mit der App bemüht hat, es wurde kontinuierlich besser in den letzten Monaten.
All dieses Bemühen hat er aber nur mir zuliebe gemacht, ein echtes, eigenes Interesse und Engagement für die Idee, sich durch geschicktes Ausnutzen der App doppelt reichzusparen, das war ihm dann sichtbar doch zu viel, in meinen lichten Momenten kann ich ihm das auch nicht übel nehmen, denn so nach und nach habe ich selber bemerkt, wie albern meine Rabattsucht wurde.

In einem ersten Schritt erlöste ich K deshalb von der Doppeloptimierung. Er muss künftig die App nicht mehr verwenden, ich kümmere mich ganz alleine darum, er darf das alles ignorieren.

Außerdem beschloss ich, meine Rabattsucht energisch runterzudrosseln, ich überlegte sogar, ob ich die App nicht einfach komplett lösche, wollte es aber vorher mal mit bewusster Selbstdisziplin versuchen. Deshalb aktiviere ich seit einiger Zeit nicht mehr wahllos alle Rabatte, die mir die App anzeigt, sondern ich überlege mir genau, was ich vielleicht wirklich haben möchte und gebrauchen kann - alle anderen Rabattangebote werden konsequent ignoriert und nicht aktiviert. Und das gilt auch für Gratisangebote.


Diese Woche gibt es Kondome umsonst, Mindestumsatz 20 Euro.
Habe ich natürlich nicht aktiviert, weil, was soll ich mit Kondomen?
Außerdem gibt es Cookies, die ich nicht mag, umsonst. Alternativ einen Joghurt ohne Geschmack, den ich auch nicht mag. Habe ich alles nicht aktiviert, weil ich fest beschlossen habe, auch keine Gratiszugaben mehr einzupacken, die ich nicht wirklich gebrauchen kann. Fällt schwer, aber ich trainiere eisern. Neulich habe ich schon sehr stolz eine Dose Katzenfutter nicht mitgenommen, die ich als Gratisangebot einfach nur hätte einpacken müssen.

Den Einkauf heute bei Lidl, den hatte ich nicht geplant. Er ergab sich rein zufällig, weil wir in der Nähe waren.
Nicht geplant hatte ich auch Ks gute Laune, der sich freute, dass sein Fuß doch nicht kaputt ist und der mir deshalb auch eine Freude machen wollte. Er guckte also in der App nach, was diese Woche (Montag, jede Menge frische Angebote) alles günstig oder gar umsonst ist und kaufte zielgerichtet ein. Er weiß doch, wie viel Spaß ich daran hatte.
Und weil wir dann ruckzuck über 20 Euro waren, landeten auch die Kondome noch im Wagen, kann man ja einem der Jungs zu Weihnachten schenken. Und die Cookies auch, warum nicht. Und überhaupt, alles passend für einen perfekt optimierten App-Einsatz.

Blöd nur, dass ich weder den Kondom- noch den Cookie-Gratisrabatt aktiviert hatte.
So kam es, dass ich heute für 2,29 Euro Kondome und für 1,19 Euro eklige Cookies käuflich erwarb.

Aber vielleicht braucht es genau dieses Erlebnis, um den Widersinn des eigenen Sparsamkeitszwangs zu erkennen. Als ich früher noch rauchte und aufhören wollte, gelang das auch nie, solange noch Zigaretten in der Schachtel waren. Es wäre doch eine Schande gewesen, die wegzuwerfen
.
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