anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Montag, 20. September 2021
Haferbrei
Es gibt Menschen, die haben einen verlässlich funktionierenden Durchschnittsgeschmack.

In dem Moment, wo diese Menschen eine bestimmte Stilrichtung auswählen und für sich als so wichtig identifizieren, dass sie z.B. ihr eigenes Heim in diesem Stil gestalten, in dem Moment sollte man die Finger von Dingen lassen, die diese Stilrichtung unterstreichen.

Damit meine ich natürlich mich, ICH sollte die Finger von solchen Dingen lassen, denn es wird mir in sehr kurzer Zeit sehr peinlich sein, mich diesem plattgetretenen Mainstream hingegeben zu haben, weil ich Menschen, die diesen Mainstreamstil pflegen, üblicherweise als ganz enorm langweilig empfinde und langweilige Menschen finde ich tatsächlich noch unangenehmer als Menschen, die sich bewusst entschieden haben, eine Arschlochmeinung/-haltung/-lebensstil zu verfolgen.

Arschlochmenschen haben üblicherweise wenigstens genug Persönlichkeit, um sich aktiv und bewusst für ihre Einstellung entschieden zu haben, von denen kann ich mich deshalb auch öffentlich und genauso aktiv und bewusst distanzieren. Arschlochmenschen kann ich mit gutem Gewissen und öffentlicher Akzeptanz scheiße finden.

Langweilige Menschen dagegen sind in aller Regel sehr freundlich und stets bemüht.
Langweilige Menschen darf man nicht angreifen, die darf man höchstens langweilig finden, aber auch das nur hinter vorgehaltener Hand, denn schließlich sind sie ja so freundlich und bemüht.
Und außerdem können sie nichts dafür.
Langweilige Menschen können nie irgendetwas irgendwofür, weil sie ja niemals aktiv und bewusst etwas falsch machen würden, auch dafür sind sie zu langweilig.

Ich sage ja gerne, dass ich wenig Bedarf auf ein ausgebreitetes Sozialleben habe und dass ich die gesellschaftlichen Einschränkungen der Coronapandemie als sehr beglückend empfunden habe. Das liegt insbesondere daran, dass ich dadurch eine perfekte Ausrede hatte, meine Zeit nicht mit langweiligen Menschen vertändeln zu müssen.
Mein Leben hat das ganz eindeutig verbessert.

Seitdem ich mich aus Gründen verstärkt mit der Innen- und Außengestaltung von Häusern beschäftige, nehme ich natürlich plötzlich auch Trends und Stilrichtungen bewusst wahr und inzwischen bin ich soweit, dass ich Menschen in Neubaugebieten nur nach der Art und Farbe der von ihnen gewählten Klinker ganz selbstverständlich in Kategorien einsortiere und in entsprechende Schubladen stecke.

In gewachsenen, alten Wohngebieten funktioniert das nicht, denn natürlich würde auch ich im Zweifel ein gebrauchtes Haus mit hässlichem Klinker kaufen, wenn es ansonsten in allen anderen Kriterien, die beim Kauf gebrauchter Häuser von Bedeutung sind, perfekt passt. Ich würde mir dann vornehmen, den Klinker irgendwann auszuwechseln, anzustreichen, mit Grünzeug beranken zu lassen oder anderweitig zu verkleiden, aber ich würde den Kauf sicherlich nicht daran scheitern lassen.

In Neubaugebieten haben die Leute den Klinker aber selber gewählt. Da hatten sie es zu einem ganz großen Teil selber in der Hand, wie ihr Haus von außen aussieht - und Menschen, die weißen, ribbeligen Klinker wählen, wählen wahrscheinlich auch sonst Dinge, denen ich lieber großräumig aus dem Weg gehe. Ich kann gar nicht beschreiben, wie gruselig ich diese Sorte Geschmack finde.
Das gleiche gilt für Leute, die schwarzen oder dunkelgrauen Klinker wählen - was sind das für Menschen, die ihr Zuhause als düsteres Loch definieren?
Ich bin sehr sicher, dass ich mich mit den Menschen in diesen Häusern sehr gut streiten könnte.

Und dann gibt es noch die Langeweiler.
Das sind Leute, die wollen es unbedingt richtig machen, die wollen nicht polarisieren und die schwimmen sehr gerne mit dem Strom.
Ich glaube, der aktuelle Strom heißt Landhausstil. Hyggelig soll es sein und natürlich achtsam und überhaupt es immer allen recht machend.
Aber wie langweilig ist so ein Leben, wenn man so angepasst durchs Leben flubbert? Wie bleibt bei so viel Achtsamkeit noch Raum für eine eigene Persönlichkeit?
Die neue Modefarbe ist hyggeliger Haferbrei - aber immerhin haben die Langeweiler einen ganz großen Vorteil: Sie sind üblicherweise die breite Mehrheit und das heißt, sie müssen sich keine Gedanken machen, wo sie ihre Einrichtung kaufen, die gibt es in jedem Laden in breiter Auswahl, sie müssen also noch nicht mal hier selber denken
.
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