anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Donnerstag, 29. März 2018
Mathematik
Ich mag Zahlen.
Soweit ich mich erinnern kann, habe ich Zahlen auch schon immer gemocht.
Ich mag zwar auch Buchstaben, doch wenn ich diese beiden Welten zusammenführe, wird das System der Zahlenwelt immer das Grundprinzip der Organisationsstruktur vorgeben, am Ende muss nämlich alles in sich geschlossen, zusammenhängend und logisch sein. Das ist genau das, was ich an Zahlen so besonders gerne mag: Sie sind so eindeutig, sauber und sortiert und zusammengefügt ergeben sie immer ein nachvollziehbares Bild.
Denn für mich haben Zahlen Farben und deshalb sehe ich auch in großen Zahlentapeten sehr schnell, welche Zahlen zusammenpassen und an welcher Stelle man noch mal kontrollieren muss, ob sich da unterwegs nicht doch eine falsche Farbe Zahl eingemischt hat.

Für mich sind Zahlen allerdings auch gleichzeitig die einzige Ebene meiner Vorstellungskraft. Zahlen als Hilfsmittel zur Beschreibung von Raum, Zeit, Energie, Masse, Kraft oder was es sonst noch alles gibt zu benutzen, mag man vielleicht als höhere Mathematik bezeichnen, bei mir heißt das aber pauschal „Physik“ (oder auch Chemie, die ist noch abstruser) und das habe ich in der neunten Klasse schon abgewählt, weil ich mich davon immer nur heillos überfordert gefühlt habe. Ich sehe zwar Farben in meinen Zahlen, aber ich habe keinerlei Vorstellung, wie ich so abstrakte Begriffe wie „Kraft“ oder „Energie“ in meine eher simpel aufgebaute Zahlenwelt so einbauen kann, dass sie da tatsächlich reinflutschen, weil sie da angeblich natürlich hingehören. Ich fühle es einfach nicht.
Ich fühle ja noch nicht mal die zahlenmäßige Umsetzung in der Geometrie - einen Bereich aus der Mathematik wo ich in der Schule nur durch stumpfes Auswendiglernen notentechnische Katastrophen verhindern konnte. Verstanden im Sinne von Begreifen, also durch Anfassen spürbar und damit fühlbar gemacht, ist mir nie geglückt. J. würde jetzt sagen, ich müsste da nur mal mein Gehirn mehr drumwickeln, dann spüre ich es auch, aber ich habe weiß Gott schon viel Gehirn um die Strahlensätze gewickelt, aber alles, was ich gespürt habe, war, dass es piekt und dass da ein Widerstand ist.
Eine andere Strahlung oder gar eine Erleuchtung habe ich nie gespürt.
Deshalb habe ich das aufgegeben, mein Gehirn um die Geometrie und erst recht um die Physik (oder Chemie) zu wickeln, ich spüre da nämlich vor allem Widerstand. Ganz viel Widerstand übrigens, wenn ich versuche Physik (oder auch Chemie) durch Anfassen zu begreifen.
Aber vielleicht ist das ja auch genau das richtige Ergebnis, denn wenn ich Widerstand bei Wikipedia nachgucke, steht da:
Ein Widerstand ist ein zweipoliges passives elektrisches Bauelement zur Realisierung eines ohmschen Widerstandes in elektrischen und elektronischen Schaltungen. Widerstände werden beispielsweise verwendet, um
• den elektrischen Strom zu begrenzen
....
• elektrische Energie in Wärmeenergie umzuwandeln.

So gesehen, sagt mir also mein Gehirn, dass der Strom, der zwischen der Physik (oder Chemie) und meinem Gehirn fließt, einerseits begrenzt ist und außerdem wird er auch gleichzeitig in Wärmeenergie umgewandelt, einen Vorgang, den ich sofort bestätigen kann, denn mir wird immer ganz heiß, wenn ich mich mit Physik (oder Chemie) beschäftigen muss.

Deshalb habe ich diese Fächer in der Schule auch so schnell wie möglich abgewählt, eine Entscheidung, über die auch meine Physik- und Chemielehrer sehr beglückt waren, denn sie behaupteten stets, ich hätte ihren Unterricht gestört. Eine Behauptung, die ich übrigens immer ungerecht fand, denn ich habe nur versucht, mich nicht zu sehr zu langweilen.

Aber ich bin vom Thema abgekommen, denn eigentlich wollte ich ja nur sagen, dass ich Zahlen mag und dass ich alles mag, wo reine Zahlen Anwendung finden. Deshalb finde ich zB auch Statistiken toll.
Und natürlich fällt es mir leicht „in Zahlen zu denken“, was in meinem Beruf sehr nützlich ist :-)
Aber gerade weil für mich Zahlen so selbstverständlich sind wie Buchstaben, kann ich mir regelmäßig nur sehr schwer vorstellen, weshalb Mathematik so unbeliebt ist und weshalb so viele Leute meinen, damit Schwierigkeiten zu haben.

Meine Kinder hatten auch alle keine Probleme mit Mathematik, C. hat sich in ihrem Studium sogar auf Statistik spezialisiert, nur J., der verweigerte die Mathematik bis zur 9. Klasse und gab in Mathearbeiten regelmäßig leere Blätter ab. Man konnte ihm so zwar keine Fehler anstreichen, aber eine positive Gesamtbenotung war auch nicht möglich.
Ich stand viele Jahre fassungslos vor diesem Kind, weil ich einfach nicht verstehen konnte, was er nicht verstand.
Nun, seine Mathematikverwirrung ist auch verschwunden, aktuell steckt er im Abitur mit Mathe als Leistungskurs und ist bisher mit 15 Punkten vorbenotet.
Eine Erklärung, weshalb er früher so viele Probleme ausgerechnet wegen Mathe hatte, hat er allerdings auch nicht. Er erinnert sich nicht mehr.
So wird es für mich also weiter ein Geheimnis bleiben, was an Mathematik nicht zu verstehen ist
.
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... ¿hierzu was sagen?

 
Ich würde dieses Geheimnis gerne lüften, aber ich vermag mein mangelndes Verständnis auf die Schnelle nicht so recht in Worte zu fassen. Muss da mal noch in mich gehen.

... ¿noch mehr sagen?  

 
das würde mich in der Tat sehr interessieren, weil ich es mir wirklich nicht vorstellen kann. Da bin ich jetzt schon sehr gespannt.

 
Als neulich meine Tochter damit ankam, fiel mir wieder ein, dass sich mir die Kommutativ- und Distributivregeln nicht so recht erschlossen hatten, und ab da fing es an mit den Problemen, verschärft noch, sobald sich kryptiysche Kombinationen von Buchstaben und Zahlen zu irgenwelchen sogenannten Gleichungen formierten, die es umzuformen galt. Analysis uns Differential war kein totales Desaster, aber bei Vektorrechnung bekam ich nur noch Punkte für Anwesenheit. Dabei war ich in Physik und Chemie da und dort durchaus in der Lage, nach bestimmten Formeln aufgaben zu lösen. Aber je abstrakter, desto schwerer für mich.

 
Was ich an Prozentrechnung und Dreisatz im Alltag bisweilen brauche, kriege ich irgendwie hin, für Bruchrechnungen hätte ich die einschlägigen Regeln aber schon nicht nicht mehr parat. Wenn ich das dann heute nochmal höre, klingelt es nicht merklich im Oberstübchen, vieles von dem Mathe-Zeug, was ich die ganzen Jahre nicht gebraucht habe, ist schlicht durchs große Sieb gerutscht, das gilt auch für paar Statistik-Sachen, mit denen ich in empirischen Gesellschaftswissenschaft und Demoskopie konfrontiert war.

 
>>Analysis uns Differential war kein totales Desaster, aber bei Vektorrechnung bekam ich nur noch Punkte für Anwesenheit.<<
Das ist genau das, was ich verstehen kann, denn grundsätzlich geht es mir genauso. Vektorrechnung ist Geometrie, analytische Geometrie auch noch, da werden Zahlen missbraucht, um irgendetwas abstrus mysteriöses wie Folgen und Reihen im Raum-Zeit-Kontinuum zu beschreiben. Meiner Meinung nach hat das mit Zahlen nichts mehr zu tun.

 
>>Was ich an Prozentrechnung und Dreisatz im Alltag bisweilen brauche, kriege ich irgendwie hin, für Bruchrechnungen hätte ich die einschlägigen Regeln aber schon nicht nicht mehr parat.<<
Und auch hier geht es mir genau so. Bruchrechnen finde ich auch enorm umständlich, ich wandele alle Brüche immer in Dezimalzahlen um, dann klappt es wieder wunderbar.
Die theoretischen Regeln und Vorgaben und Gesetze sind mir ebenfalls alle miteinander überhaupt nicht mehr geläufig. Mein Alltag wird eindeutig von Zahlen dominiert, aber genausowenig wie ein Redakteur einer Lokalzeitung besser in seinem Job klarkommt, wenn er immer noch fließend Jambus, Trochäus und Daktylus unterscheiden kann, ist es für mich hilfreich zu wissen, was man unter dem Distributionsgesetz versteht.
Es tut mir ja sehr leid, Ihnen hier zu widersprechen, aber all diese Themen sind Probleme der theoretischen Mathematik, die aus meiner Sicht nur deswegen erfunden wurden, damit Eltern ihren Kindern später bei den Hausaufgaben helfen müssen damit auch Nerds ihre Existenzberechtigung haben, das ist aber doch alles kein Grund, dass Mathematik schon in der Grundschule für so viele Kinder ein echtes Problem ist.
Mir geht es wirklich eher um Zahlen, einfach und simpel strukturiert und mit den vier Grundrechenarten miteinander verknüpft. Und da verstehe ich nicht, was man daran nicht verstehen kann.

 
Wir sind da gar nicht weit auseinander. Das Problem in der Grundschule liegt vielleicht nur darin, dass das Einmaleins und so Dinge nicht mehr gründlich genug gepaukt werden, so dass die Vertrautheit mit dem Zahlenraum und den Grundrechenarten erst gar nicht aufkommt. Hinzu kommt vielleicht der Irrglaube manches Pädagogen, man müsse das alles auch verstehen, wo doch schon das sichere Anwenden können reichen würde.

Wenn es auf der von Ihnen genannten Ebene Probleme gibt, denke ich, dass die bei den meisten noch zu beheben wären, wenn man sich einfach mehr mit der Materie beschäftigt, da macht die Übung irgendwann den Meister.