anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Samstag, 1. Januar 2022
Erwartungen
Neues Spiel, neues Glück.
Alle Figuren wieder auf Los und dann schauen wir mal, wie sich dieses Jahr entwickelt.

Ich habe heute viele Jahresrückblicke gelesen, überwiegend war man sich einig, dass 2021 ein schreckliches Jahr gewesen sei. Es gab viele Beschreibungen davon, wie sehr am Ende sich die Leute fühlen, wie kaputt, zerstört und aufgerieben sie sind und dass sie wirklich, wirklich nur sehr wenig Positives in diesem Jahr erlebt haben - und ich ziehe beim Lesen ein wenig meinen Kopf ein, ducke mich weg und denke mir "Puh, besser im nächsten Jahr einen noch weiteren Bogen um andere Menschen machen, das klingt nach einer sehr anstrengenden Erwartungshaltung dem Jahr 2022 gegenüber, wenn man als fremder Mensch da einen Fehler macht, wird man sofort angeklagt."

In einem Podcast unterhielten sich Menschen über Empathie und was das für schreckliche Menschen sind, die so völlig kalt und gefühllos durch ihr Leben wandern und keinerlei Empathie für andere zeigen.
Auch das ist eine Erwartungshaltung, der ich sehr gerne aus dem Weg gehen möchte. Ich finde, jeder kann gerne so empathisch sein wie er will oder meint, sein zu müssen, ich finde es aber durchaus übergriffig von den Empathiegenies, andere dafür niederzumachen, dass sie nicht empathisch sind. Würde man versuchen, so eine Situation in Excel zu programmieren, bekäme man den Hinweis auf eine inkonsistente Formel.

Insgesamt fiel mir auf, dass sehr viel Gejammer und Geschimpfe darüber existiert, dass sich manche Leute nicht so verhalten, wie sich andere Leute das vorstellen. Auch hier eine Erwartungshaltung, die ob ihrer dauernden Enttäuschung sehr viel Frust und schlechte Laune mit sich bringt und ich frage mich dann stets, warum so viele Leute auch nach zwei Jahren Pandemie noch nicht gelernt haben, ihre eigene Erwartungshaltung zu hinterfragen.

Als ich letzte Woche meine Kinder von der Fähre abholte und im Auto sofort und als erstes erleichtert die Maske absetzte, fragte mich N, was ich eigentlich getan hätte, wenn eines meiner Kinder sich nicht hätte impfen lassen. Meine Antwort darauf war: "Gar nix. Das ist mir doch egal, ob ihr geimpft seid. Ich bin aktuell ausreichend geimpft, das ist das einzige, was mich interessiert.
Ihr seid alle drei erwachsen und laut Abitur- und Studiumsnachweis gehört ihr zu den oberen 10% unserer Intelligenzia, ihr habt also alle Voraussetzungen dafür, euch bei diesem Thema selber zu informieren und zu entscheiden. Ich fühle mich in keinster Weise dafür verantwortlich, mich ungefragt in euer Leben zu mischen.
Euer Leben, eure Verantwortung, eure Entscheidung.

Wenn sich einer von euch bei dieser Faktenlage gegen eine Impfung entscheidet, dann soll das so sein und ich kann es dann nur bedauernd zur Kenntnis nehmen. Mit demselben Bedauern, mit dem ich akzeptiere, wenn ihr euch tätowieren lasst, die Haare nazikurzrasiert, auf Homöopathie schwört oder an die Ostsee in Urlaub fahrt."

Chacun à son goût - an diesem Lebensmotto werde ich wohl nichts mehr ändern, denn warum sollte ich plötzlich anfangen, von anderen Menschen etwas zu erwarten, was sie im Zweifel nicht erfüllen können? Hilft niemandem, macht aber verlässlich allen schlechte Laune.

Deshalb fand ich es heute auch völlig okay, dass sich mein Westfalenmann nasse Füße hätte holen können, als er gedankenverloren sehr dicht am Wasser stand, seine Füße, seine Verantwortung, ich freute mich aber über das schöne Fotomotiv



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