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Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Dienstag, 23. April 2024
Arbeitsschutz
Die Firma, für die ich arbeite, besitzt mehrere, große Bürogebäude. In eines ist jetzt eine Abteilung des Mutterhauses als Mieter eingezogen und weil das Erstellen von Regeln, Vorschriften und Anweisungen zu den Kernkompetenzen des Mutterhauses gehört, haben die natürlich auch einen eigenen Arbeitsschutz, der sich speziell um die Arbeitssicherheit der Mitarbeiter des Mutterhauses kümmert.
Generell gibt es ja sowieso gesetzliche Arbeitsschutzvorschriften, die sind aber nicht gut genug, weshalb für die Mitarbeiter des Mutterhauses noch mal extra besondere Arbeitsschutzvorschriften gelten und die müssen alle eingehalten werden.

Aktuell liege ich deswegen ein bisschen im Clinch mit dem Arbeitsschutz des Mutterhauses, weil ich finde, meine Firma ist nur Vermieter, wenn der Mieter nun tausenderlei Extras in seinen angemieteten Büroräumen haben will, dann soll er sich entweder selber drum kümmern oder zumindest soll er sie extra bezahlen. Das sieht die Finanzabteilung im Mutterhaus naturgemäß komplett anders, wir tauschen grade eifrig Argumente und Drohungen aus.

In ein Gebäude ist eine größere Abteilung des Mutterhauses nur vorübergehend eingezogen, solange, bis das neue Bürohaus, was grade im Bau ist, fertig ist, aus dem alten mussten sie ausziehen, weil es zum Zwecke des Neubaus abgerissen wurde, so etwas geht nur mit einer Zwischenlösung.
Aber auch eine Zwischenlösung muss arbeitsschutzkonform sein, das Mutterhaus findet, sie muss auch mutterhausarbeitsschutzkonform sein und stellt für die ca. 2-3 Jahre Übergangslösung lustig Forderungen auf.

In dem künftigen, neuen Gebäude wird es keine Einzelbüros mehr geben, sondern New Work. Das ist der moderne Fachausdruck für das, was früher Großraumbüro hieß. Und weil man das ja vorher schon mal üben kann, boten wir der Abteilung, die umziehen musste, als Zwischenlösung Büroflächen an, die bis dahin bereits als Großraumbüro open space konzipiert waren.
Die Mitarbeiter fanden das aber überhaupt nicht gut und verlangten Einzelbüros. Weil psychische Belastungen ein wichtiger Baustein des Arbeitsschutzes sind, war klar, dass hier umgebaut werden musste. Es wurden also jede Menge Trockenbauwände in die open space Fläche eingezogen und damit dann auch in die hinteren Büros noch Licht fällt, gab es überall Glastüren.

Glastüren sind aber nun aus Sicht des Arbeitsschutzes hochgefährlich, denn Glastüren sieht man nicht als normaler Mitarbeiter, weshalb man dagegen rennt und sich schwer verletzt. Also zumindest alle Mitarbeiter im Mutterhaus. Glastüren müssen deshalb dringend foliert werden, sonst droht Unheil. Gleichzeitig müssen die Glastüren aber lichtdurchlässig bleiben, sonst wird es in den hinteren Büros zu dunkel. Deshalb braucht es eine Spezialfolie die im laufenden qm ungefähr so viel kostet wie eine komplette Büroausstattung. An dieser Stelle weigerte ich mich, die Kosten für das Folieren mit dieser Spezialfolie zu übernehmen.
Ich fragte mehrfach nach und ja, die Gefahr besteht in der Unsichtbarkeit der Glastüren, das sei viel zu riskant, das müsse geändert werden.
Erst wollte ich dann diese Raubvogelsilhouetten auf alle Glastüren kleben lassen, dann schlug eine Kollegin aber vor, man könne doch einfach rot-weißes Flatterband um jede Tür wickeln, dann wären die Glastüren sichtbar, die Gefahr gebannt und keiner kann sich mehr beschweren.

Das fand ich eine prächtige Idee und so geschah es. Um jede Glastür wurde rot-weißes Flatterband gewickelt, das sah nachher total bescheuert aus, aber lieber hässlich als unsicher, einen Tod muss man am Ende doch sterben.

Natürlich haben sich die Mitarbeiter in dieser Abteilung jetzt sehr aufgeregt und geärgert, das wollten sie so nicht dulden, aber für Schönheit am Arbeitsplatz ist der Vermieter nun wirklich nicht zuständig.
Deshalb haben sie sich erneut mit dem Arbeitsschutz beraten und als Ergebnis schickte die zuständige Arbeitsschutzberaterin heute eine E-Mail, in der sie schrieb:
Allerdings muss ich Ihnen leider mitteilen, dass die gewählten Farben (rot-weiß) im Bereich „Arbeitsschutz“ eine festdefinierte Bedeutung mit dem entsprechenden Signal haben. Gemäß Arbeitsstättenregel-AX-Y – Abs. 5.2 sind rot-weiße Streifen vorzugsweise für zeitlich begrenzte Hindernisse und Gefahrstellen zu verwenden (z. B. Baugruben). Damit wird beispielsweise ein Hindernis bzw. eine Gefahrenstelle für eine bestimmte Zeit gesperrt. Aus diesem Grund sind diese Streifen auch im Handel als Absperrband bekannt.
Die von Ihnen vorgenommene Kennzeichnung der Glasflächen mit rot-weißen Streifen kann zu Missverständnissen führen, da der Anschein erweckt wird, dass der Zugang zu den gekennzeichneten Büroräumen aufgrund von Gefahrstellen in den Räumen abgesperrt ist.


Wir werden das rot-weiße Flatterband nun also durch gelb-schwarzes ersetzen und dann warte ich ab, was denen als nächstes einfällt.

Ein Gutes haben all diese skurrilen Arbeitsschutzforderungen aber auf alle Fälle: Wir lachen uns hier alle kaputt und werden ungemein originell im Erfinden von Möglichkeiten, die dem Arbeitsschutz genügen, gleichzeitig aber auf das Offensichtlichste auf seine Idiotie hinweisen. So hat das Gebäude bspw. eine sehr schöne und vor allem breite, große Freitreppe als Eingang und - natürlich - eine behindertengerechte Rampe am Nebeneingang. So eine breite Treppe ist natürlich auch viel zu gefährlich, kann man sich ja gar nicht an zwei Seiten am Geländer festhalten, hier hätte der Arbeitsschutz gerne, dass Zwischengeländer eingezogen werden.

Ich finde, dass die Leute, die sich gerne an zwei Geländern festhalten wollen, die Rampe an der Seite benutzen können, die ist nämlich komplett sicher und auch der schusseligste Dummbatz kann hier nicht über eine Stufe stolpern, weil es keine Stufen mehr gibt. Winwin. Der entscheidende Nachteil der Rampe aber ist, ist, dass sie zum Nebeneingang führt, was bedeutet, der Weg von dort zum Haupteingang muss zusätzlich gegangen werden und das will ja keiner. Die Rampe wird deshalb nur von Rollstuhlfahrern benutzt, für die sie alternativlos ist.
Um aber nun die Mitarbeiter des Mutterhauses vor den Gefahren der großen Freitreppe zu bewahren, schlug ich vor, dass wir vor der schönen, aber nunmal ach so gefährlichen Freitreppe, die zum Haupteingang des Gebäudes führt, ein Schild aufstellen: Benutzen für Mitarbeiter des Mutterhauses verboten.
Denn da in dem Gebäude auch noch andere Menschen arbeiten, die nicht im Mutterhaus angestellt sind, finde ich es unfair, dass man denen die schöne Treppe versaut, nur weil die Mutterhausmitarbeiter zu blöd sind, eine breite Treppe, bei der sie nur an einer Seite ein Geländer benutzen können, unfallfrei zu überwinden. Alle anderen Menschen können das nämlich, seit vielen, vielen Jahren
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