Dienstag, 22. Dezember 2020
Ich habe mich mit meinem Alter arrangiert
anje, 23:04h
Zweiter Urlaubstag, heute ohne Steuererklärungen, dafür mit Nebenkostenabrechnungen. War eine Ganztagsbeschäftigung, inklusive Korrektur der Dauermietrechnungen für das zweite Halbjahr wegen des gesenkten Umsatzsteuersatzes.
Das Ausrechnen der Zahlen ist dabei nur ein kleiner Teil, dann müssen ohne Ende Dokumente hergestellt werden, hübsch formatierte Tabellen und ansprechend formulierte Briefe ausgedruckt, wieder eingescannt, eingetütet, frankiert werden. Das dauert halt alles.
Jetzt ist die Post aber schon eingeworfen und es fühlt sich gut an.
Irgendwann am Nachmittag machte mein Handy "pling" und eine Push-Nachricht meldete, dass in der Packstation ein Paket auf mich wartet. Das fand ich aufregend, denn ich habe nichts mehr bestellt, alle offenen Bestellungen sind längst da.
Weil ich ja grundsätzlich ein enorm neugieriger Mensch bin, musste ich also dringend zur Packstation fahren und nachschauen und fand ein Überraschungspaket von dem Schreiner, der auf Borkum die Haustür eingebaut hat.
Darin als Besonderheit endlich mal keine Flasche, sondern ein superedles, japanisches Messer als absolut wunderbares Weihnachtsgeschenk, ich war richtig begeistert.
K hat in den letzten Wochen sein Büro aufgeräumt und dabei so nach und nach die Weihnachtsgaben der letzten Jahre aus den Schränken geholt und bei uns im Weinkeller eingelagert, wenn wir von einem für die nächste Zeit also wirklich genug im Haus haben, dann sind es Weinflaschen.
Ansonsten höre ich ja mit großer Begeisterung seit 22 Tagen jeden Morgen den großen Adventskalenderpodcast "Herzregen" von Frau Novemberregen und Frau Herzbruch, heute Morgen hatten sie das Thema "Älterwerden" und ich musste ganz gewaltig grinsen, denn im Wesentlichen beklagen sie genau die Dinge, die ich vor 14 Jahren, als ich in ihrem Alter war, 1:1 auch beklagt habe. Ich höre mich noch reden.
Ich bin aber heute 14 Jahre älter und finde mein eigenes, 14 Jahre jüngeres Ich im Rückblick inzwischen irgendwie niedlich. Ich habe mir damals ernsthaft Gedanken ums Älterwerden gemacht, habe damit gehadert und fühlte mich nicht mehr richtig platziert im Leben. Nicht Fisch nicht Fleisch, nicht mehr jung, aber natürlich auch nicht richtig alt. Viele Perspektiven meines 30jährigen Ichs waren weggefallen oder ließen sich zumindest nicht mehr mit echter Seriösität anstreben. Die endgültige Zahl der Kinder stand fest, die berufliche Ausrichtung ließ sich auch nicht mehr sinnvoll verändern, (obwohl ich hier in gewisser Weise ja dann doch einen kompletten Neustart gewagt habe, aber der grundsätzliche Beruf blieb der gleiche), für eine Umschulung zur Aktuarin war die Zeit genauso abgelaufen, wie für einen Neustart als Stewardess und zum Auswandern fehlte mir inzwischen auch der Schwung.
Die Kinder waren zwar schon alle so groß, dass sie selbstständig zur Schule gehen konnten, aber eben noch nicht groß genug, um komplett alleine zu leben (so wie heute), ich war gefangen in einer Melange aus Verantwortung, Kümmern und Loslassen und fühlte mich scheiße. Mein Aussehen veränderte sich, meine Haare saßen nicht mehr so easypeasy wie sie das 40 Jahre lang zuvor stets getan hatten, ich bekam Stoppeln am Kinn, die mich wahnsinnig machten, Falten am Hals, die mich Rollkragenpullis en masse kaufen ließen und ich konnte ohne Brille nichts mehr lesen.
Ich weiß das alles noch genau, aber ich habe mich inzwischen damit versöhnt. So, wie ich eines Morgens aufwachte und plötzlich nichts mehr ohne Brille lesen konnte, wachte ich einige Jahre später auch mal plötzlich morgens auf und freute mich, dass ich eine Gleitsichtbrille habe, die so vieles im Leben einfacher macht.
Ich glaube, mit Anfang/Mitte 40 hatte ich immerzu das Gefühl, das Glas ist nicht mehr ganz voll, da fehlt was, da fehlt sogar ein großer Schluck, wenn nicht gar die Hälfte und mit einem halbleeren Glas war ich ganz und gar nicht einverstanden.
Heute schaue ich mir mein Leben an und denke, was ich für ein Glück habe, dass noch so viel drin ist in meinem Glas. Vielleicht nicht mehr halbvoll, aber fast. Und das Beste kommt erst noch, das Süße sitzt am Boden, da kann ich mich jeden Tag drauf freuen.
Und ja, ich bin absolut superheilfroh, dass ich aus dem Alter von "bis Mitte 40" raus bin. Von allen Altern, die ich in meinem Leben schon erlebt habe, war die Zeit zwischen Anfang bis Mitte 40 ganz unbestritten die anstrengendste und mental zermürbendste. Formal gab es damals für mich keinen Grund irgendwas zu beklagen, ich hatte alles. Ein tolles Haus, ein aufregendes Leben und ziemlich pflegeleichte und selbstständige Kinder, aber vielleicht war genau das das Problem: Es gab keine Perspektive für die absehbare Zukunft, die es besser werden ließ, weil es ja schon sehr gut war. Aber die ersten 40 Jahre in meinem Leben war es quasi ständig bergauf gegangen, ich hatte tolle Dinge gemacht und erreicht - und dann war plötzlich Stillstand. Wo soll man noch hin, wenn man oben angelangt ist?
Ich habe deshalb damals alles hingeschmissen und einfach noch mal neu angefangen, das ist (zum Glück!) auch wirklich rundum gut gegangen, aber so war ich die letzten 14 Jahre gut beschäftigt und hatte gar keine Zeit, mich übers Älterwerden zu grämen. Und heute habe ich eine durchaus absehbare Perspektive: Nur noch vier Jahre und dann kann ich mich zu 100% mit den Dingen beschäftigen, die mir heute schon am meisten Spaß machen und da bin ich sehr sicher, das wird toll.
Frau Herzbruch träumt von einer Wohnung am Meer, wo sie im Alter vor der Scheibe sitzt und aufs Meer guckt. Im Unterschied zu Frau Herzbruch bin ich dieser Wohnung (und nein, ich will natürlich ein Haus und ich muss das Meer nicht sehen, mir reicht es, wenn ich es hören und riechen kann, mir ist ja Gucken nicht so wichtig), aber im Unterschied zu Frau Herzbruch bin ich meiner sehr ähnlichen Altersvorstellung schon deutlich näher und das macht ganz enorm mehr zufrieden, eben weil ich keine Zwischenperspektive mehr brauche. Vor 14 Jahren hätte ich noch geglaubt, dass es mindestens noch 23 Jahre dauert, bis ich in diesem Haus non stop dem Meer lauschen kann. (Bis 67 halt)
Aber 23 Jahre ist einfach zu viel, wenn man Mitte 40 ist, ist das das halbe Leben, das kann man nicht einfach nur mit Warten verbringen. Ausgeschlossen, da braucht es noch etwas anderes in der Zeit. Wenn man das aber nicht sieht, ist das blöd. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern.
Und genau deshalb bin ich so unendlich froh, dass ich diese Zeit hinter mir habe. Ich habe mich in den letzten 14 Jahren gut beschäftigt und unter anderem ist es mir gelungen, mein persönliches Arbeitsende 5 Jahre nach vorne zu ziehen, deshalb sind es für mich nur noch vier Jahre. Und die sitze ich doch locker auf einer halben A*backe ab
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(Abgelegt in anjemerkt und bisher 803 x anjeklickt)
Das Ausrechnen der Zahlen ist dabei nur ein kleiner Teil, dann müssen ohne Ende Dokumente hergestellt werden, hübsch formatierte Tabellen und ansprechend formulierte Briefe ausgedruckt, wieder eingescannt, eingetütet, frankiert werden. Das dauert halt alles.
Jetzt ist die Post aber schon eingeworfen und es fühlt sich gut an.
Irgendwann am Nachmittag machte mein Handy "pling" und eine Push-Nachricht meldete, dass in der Packstation ein Paket auf mich wartet. Das fand ich aufregend, denn ich habe nichts mehr bestellt, alle offenen Bestellungen sind längst da.
Weil ich ja grundsätzlich ein enorm neugieriger Mensch bin, musste ich also dringend zur Packstation fahren und nachschauen und fand ein Überraschungspaket von dem Schreiner, der auf Borkum die Haustür eingebaut hat.
Darin als Besonderheit endlich mal keine Flasche, sondern ein superedles, japanisches Messer als absolut wunderbares Weihnachtsgeschenk, ich war richtig begeistert.
K hat in den letzten Wochen sein Büro aufgeräumt und dabei so nach und nach die Weihnachtsgaben der letzten Jahre aus den Schränken geholt und bei uns im Weinkeller eingelagert, wenn wir von einem für die nächste Zeit also wirklich genug im Haus haben, dann sind es Weinflaschen.
Ansonsten höre ich ja mit großer Begeisterung seit 22 Tagen jeden Morgen den großen Adventskalenderpodcast "Herzregen" von Frau Novemberregen und Frau Herzbruch, heute Morgen hatten sie das Thema "Älterwerden" und ich musste ganz gewaltig grinsen, denn im Wesentlichen beklagen sie genau die Dinge, die ich vor 14 Jahren, als ich in ihrem Alter war, 1:1 auch beklagt habe. Ich höre mich noch reden.
Ich bin aber heute 14 Jahre älter und finde mein eigenes, 14 Jahre jüngeres Ich im Rückblick inzwischen irgendwie niedlich. Ich habe mir damals ernsthaft Gedanken ums Älterwerden gemacht, habe damit gehadert und fühlte mich nicht mehr richtig platziert im Leben. Nicht Fisch nicht Fleisch, nicht mehr jung, aber natürlich auch nicht richtig alt. Viele Perspektiven meines 30jährigen Ichs waren weggefallen oder ließen sich zumindest nicht mehr mit echter Seriösität anstreben. Die endgültige Zahl der Kinder stand fest, die berufliche Ausrichtung ließ sich auch nicht mehr sinnvoll verändern, (obwohl ich hier in gewisser Weise ja dann doch einen kompletten Neustart gewagt habe, aber der grundsätzliche Beruf blieb der gleiche), für eine Umschulung zur Aktuarin war die Zeit genauso abgelaufen, wie für einen Neustart als Stewardess und zum Auswandern fehlte mir inzwischen auch der Schwung.
Die Kinder waren zwar schon alle so groß, dass sie selbstständig zur Schule gehen konnten, aber eben noch nicht groß genug, um komplett alleine zu leben (so wie heute), ich war gefangen in einer Melange aus Verantwortung, Kümmern und Loslassen und fühlte mich scheiße. Mein Aussehen veränderte sich, meine Haare saßen nicht mehr so easypeasy wie sie das 40 Jahre lang zuvor stets getan hatten, ich bekam Stoppeln am Kinn, die mich wahnsinnig machten, Falten am Hals, die mich Rollkragenpullis en masse kaufen ließen und ich konnte ohne Brille nichts mehr lesen.
Ich weiß das alles noch genau, aber ich habe mich inzwischen damit versöhnt. So, wie ich eines Morgens aufwachte und plötzlich nichts mehr ohne Brille lesen konnte, wachte ich einige Jahre später auch mal plötzlich morgens auf und freute mich, dass ich eine Gleitsichtbrille habe, die so vieles im Leben einfacher macht.
Ich glaube, mit Anfang/Mitte 40 hatte ich immerzu das Gefühl, das Glas ist nicht mehr ganz voll, da fehlt was, da fehlt sogar ein großer Schluck, wenn nicht gar die Hälfte und mit einem halbleeren Glas war ich ganz und gar nicht einverstanden.
Heute schaue ich mir mein Leben an und denke, was ich für ein Glück habe, dass noch so viel drin ist in meinem Glas. Vielleicht nicht mehr halbvoll, aber fast. Und das Beste kommt erst noch, das Süße sitzt am Boden, da kann ich mich jeden Tag drauf freuen.
Und ja, ich bin absolut superheilfroh, dass ich aus dem Alter von "bis Mitte 40" raus bin. Von allen Altern, die ich in meinem Leben schon erlebt habe, war die Zeit zwischen Anfang bis Mitte 40 ganz unbestritten die anstrengendste und mental zermürbendste. Formal gab es damals für mich keinen Grund irgendwas zu beklagen, ich hatte alles. Ein tolles Haus, ein aufregendes Leben und ziemlich pflegeleichte und selbstständige Kinder, aber vielleicht war genau das das Problem: Es gab keine Perspektive für die absehbare Zukunft, die es besser werden ließ, weil es ja schon sehr gut war. Aber die ersten 40 Jahre in meinem Leben war es quasi ständig bergauf gegangen, ich hatte tolle Dinge gemacht und erreicht - und dann war plötzlich Stillstand. Wo soll man noch hin, wenn man oben angelangt ist?
Ich habe deshalb damals alles hingeschmissen und einfach noch mal neu angefangen, das ist (zum Glück!) auch wirklich rundum gut gegangen, aber so war ich die letzten 14 Jahre gut beschäftigt und hatte gar keine Zeit, mich übers Älterwerden zu grämen. Und heute habe ich eine durchaus absehbare Perspektive: Nur noch vier Jahre und dann kann ich mich zu 100% mit den Dingen beschäftigen, die mir heute schon am meisten Spaß machen und da bin ich sehr sicher, das wird toll.
Frau Herzbruch träumt von einer Wohnung am Meer, wo sie im Alter vor der Scheibe sitzt und aufs Meer guckt. Im Unterschied zu Frau Herzbruch bin ich dieser Wohnung (und nein, ich will natürlich ein Haus und ich muss das Meer nicht sehen, mir reicht es, wenn ich es hören und riechen kann, mir ist ja Gucken nicht so wichtig), aber im Unterschied zu Frau Herzbruch bin ich meiner sehr ähnlichen Altersvorstellung schon deutlich näher und das macht ganz enorm mehr zufrieden, eben weil ich keine Zwischenperspektive mehr brauche. Vor 14 Jahren hätte ich noch geglaubt, dass es mindestens noch 23 Jahre dauert, bis ich in diesem Haus non stop dem Meer lauschen kann. (Bis 67 halt)
Aber 23 Jahre ist einfach zu viel, wenn man Mitte 40 ist, ist das das halbe Leben, das kann man nicht einfach nur mit Warten verbringen. Ausgeschlossen, da braucht es noch etwas anderes in der Zeit. Wenn man das aber nicht sieht, ist das blöd. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern.
Und genau deshalb bin ich so unendlich froh, dass ich diese Zeit hinter mir habe. Ich habe mich in den letzten 14 Jahren gut beschäftigt und unter anderem ist es mir gelungen, mein persönliches Arbeitsende 5 Jahre nach vorne zu ziehen, deshalb sind es für mich nur noch vier Jahre. Und die sitze ich doch locker auf einer halben A*backe ab
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