anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Mittwoch, 19. Oktober 2016
Eigentlich keine Lust
Heute war wieder so ein "eigentlich" Tag.
Eigentlich hatte ich heute morgen nämlich so sehr überhaupt keine Lust auch nur aufzustehen, dass ich zunächst über eine halbe Stunde damit vertrödelt habe, mir auszudenken, welchen plausiblen Grund ich anführen könnte, es einfach bleiben zu lassen.
Mir ist dann keiner eingefallen, stattdessen jede Menge vernünftige, gute, sinnvolle und nachvollziehbare Grünmde, weshalb es sehr viel klüger ist, trotz akuter Unlust doch aufzustehen, so dass ich nachher eben jammernd, stöhnend und klagend aufgestanden bin.
Als ich so gegen 9.15h endlich auf dem Weg ins Büro nochmal darüber nachdachte, fiel mir auf, auf welch hohem Luxusniveau ich da rumjammere. Im Ergebnis habe ich mich spontan sehr gründlich für mich selber geschämt.
Andere Leute freuen sich, dass sie überhaupt Arbeit haben. Die freuen sich über eine Arbeit, die ich wahrscheinlich noch nicht mal mit der Kneifzange anpacken würde, so schrecklich finde ich die Vorstellung, ich müsste so etwas arbeiten, aber unendlich viele Leute sind dankbar und deshalb auch rundum zufrieden, dass sie überhaupt eine Arbeit haben.
Irgendwo in Sachsen haben sie von Arbeitern berichtet, die voller Protest ihre Fabrik besetzt haben, weil sie Sorgen hatten, die Eigentümer könnten die Produktion ins Ausland verlagern.
Fabrikarbeiter. - Ich möchte kein Fabrikarbeiter sein. Ich stelle mir Fabrikarbeit ganz schrecklich gruselig vor. Langweilige, stupide, überwiegend körperlich anstrengende Arbeit. Komplett fremdbestimmt. Ausgeliefert und angewiesen. Gehorchen und funktionieren. Mensch und Maschine, oder Mensch als/statt/wie/gleich Maschine?
Ich weiß es nicht, ich habe noch nie in einer Fabrik gearbeitet, aber ich bin auch sehr froh, dass mir diese Erfahrung bisher erspart blieb.

Ich habe in meinem gesamten Leben bisher noch nie Sorge haben müssen, dass meine Arbeitskraft unter Umständen plötzlich nicht mehr gefragt sein könnte. Arbeitslosigkeit ist für mich einfach noch nie ein Thema gewesen. Das liegt zum einen daran, dass ich eine Ausbildung habe, in der es fast unmöglich ist, arbeitslos zu werden, zum anderen aber auch daran, dass ich ein höchst gesundes Selbstvertrauen habe, was neue Herausforderungen angeht. "Kann ich nicht" habe ich als Ausrede noch nie gelten lassen. "Will ich nicht" - ja, das kann ich akzeptieren, aber das wiederum muss man sich vorher verdient haben.
Wenn ich aber noch weiter nachdenke, dann muss ich zugeben, dass sowohl meine Ausbildung als auch meine "mentale Disposition" doch beides nur zufällige Glückspositionen sind. Weder muss ich mir darauf etwas einbilden, noch kann ich daraus Ansprüche ableiten.
Keine Ansprüche - außer den mittlerweile fest ausgehandelten und vertraglich vereinbarten Ansprüchen gegenüber meinem Arbeitgeber: Ich muss zwar nicht unbedingt jeden Tag pünktlich zu einer Mindestuhrzeit im Büro erscheinen - aber ohne vorherige Abmeldung sollte ich wenigstens irgendwann erscheinen und überhaupt ist ein Nichterscheinen nur dann zulässig, wenn ich gleichzeitig sicherstelle, dass kein Schaden entsteht, nur weil ich nicht da bin.

Deshalb bin ich heute aufgestanden. Denn ich hatte für 10h einen Termin zugesagt, wo Leute extra aus Frankfurt angereist sind, weil es ihnen wichtig war, mit mir zu sprechen und dann gehört es sich einfach nicht, solche Termine wegen akuter Unlust platzen zu lassen
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