anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Sonntag, 6. Januar 2019
Sirenenalarm und Journalistenvorstellungen
In Summe war heute ein recht produktiver Tag, auch wenn ich erst gegen 12h aufgestanden bin.

Dabei schrillten bereits um kurz nach 11h die Sirenen hier auf der Insel, das ist das inseleigene Mittel der Wahl für den Sammlungsruf: "Alle Mann an Strand". Die Feuerwehr hatte den Sirenenruf abgesetzt, weil sie Unterstützung bei den Strandaufräumarbeiten brauchte, es war heute Nacht dann doch noch reichlich Kram aus den havarierten Containern angespült worden, deutlich mehr als nur die paar Fernseher von gestern, unter anderem wohl auch ein paar dieser todesgefährlichen Chemiepäckchen und bei derartigem Höllenzeug geht dann gleich die volle Luzie ab. Ich habe noch nicht ganz verstanden, wo das Lebensgefährliche bei diesem Chemiezeug ist, dass man es nicht essen sollte, dürfte doch wohl jedem klar sein, aber besser, man macht viel Zirkus drum, sonst ist man nachher schuld, wenn irgendein ganz Schlauer tatsächlich probehalber dran leckt.

Ich habe ja Facebook von meinem Handy gelöscht - aber für Notfälle und vor allem für alle Inselinfos habe ich es natürlich noch auf dem iPad und das war sehr praktisch, denn drei Minuten nach dem Sirenenalarm wusste ich schon aus Facebook, was am Strand los war, weitere 10 Minuten später wusste ich, dass sich auch bereits Unmengen an Leuten auf den Weg gemacht hatten, deshalb bin ich entspannt im Bett geblieben und habe erst mal mein Buch zu Ende gelesen.

Dass da ein Frachter ein paar Container verloren hat kommt ja schon mal öfter vor, hier wurden schon die lustigsten Sachen angeschwemmt, dass aber die aktuelle Containerstory derartig viele Katastrophenjournalisten anzieht, wie sich mittlerweile hier auf der Insel tummeln, das hätte ich nicht vermutet. Und weil es so viele sind, muss natürlich auch eine Riesenstory draus gemacht werden. Jeder versucht den anderen zu übertrumpfen und alle wollen die allerheißesten Originalinsiderinfos direkt aus dem Herzen der Insel. Ein Fest für den Inseldeppen - der wurde heute mindestens von vier verschiedenen Sendern interviewt, und natürlich alles im echten O-Ton, keine Fakenews. Ich habe mich schlapp gelacht.

Überhaupt habe ich mich in der letzten Zeit häufiger darüber gewundert, mit welchem seltsamen Selbstverständnis sehr viele (die meisten?) Journalisten so unterwegs sind. Die Geschichte um und über Herrn Relotius zum Beispiel - so weit ich das beurteilen kann, haben sich hauptsächlich Journalisten darüber aufgeregt. Ich, als einfacher "Endkunde" habe zunächst gar nicht verstanden, wo das Problem überhaupt gewesen sein soll. Gut, er hat sich Geschichten ausgedacht - aber ist das nicht ganz normal und wurde das nicht schon immer so gemacht?
Ich meine, wenn jemand solche Texte schreibt wie Herr Relotius - wer kommt denn auf den Gedanken zu glauben, das wäre frei von Phantasie? Ich finde das so selbstverständlich, dass ich umgekehrt enorm erstaunt war, als ich mitbekam, wie viele Leute so taten, als hätten sie ihm jedes Wort geglaubt. Und wo genau ist der Unterschied, ob ich erdachte Wahrheiten über syrische Kinder oder über irgendwelche Promis schreibe? Dass die "Yellowpress" ohne Ende erfundene Phantasiegeschichten verbreitet, das weiß doch wirklich jeder, weshalb ist also das, was Herr Relotius da geschrieben hat, plötzlich so ein Problem?
Ich habe es nicht verstanden, ehrlich nicht, aber wahrscheinlich habe ich auch ein komplett anderes Bild von Journalisten als die Journalisten über sich selber haben.
Und um von hier zurück zu unserem aktuellen "Umweltskandal" in der südlichen Nordsee zu kommen - wenn so ein Journalist jetzt den örtlichen Inseldepp interviewt, der ihm einen sagenhaft Dünnschiss erzählt - aber natürlich alles aus erster Hand und als Einheimischer - meint der Journalist dann wirklich, er hat eine "wahre Geschichte" und die "echte Stimmung unter den Einheimischen" eingefangen? Überhaupt, was ist denn die "echte Stimmung"? Kann das überhaupt jemand sagen, festlegen, definieren oder bestimmen?
Siehste - und deshalb ist es doch völlig wumpe, ob Herr Relotius ein paar echte syrische Kinder getroffen hat oder sich einfach welche ausgedacht hat, im Zweifel sind die Unterschiede marginal, weil auch die echten Kinder eben nur Einzelpersonen wären und kein Mensch genau sagen kann, was es daneben noch für 27.358 andere Meinungen, Stimmungen und Schicksale gibt.

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Den Nachmittag habe ich dann mit einigen Aufräumarbeiten hier im Haus verbracht, Wäsche waschen, Treppe wischen, Bad putzen. Mit K zusammen habe ich den Kleiderschrank aus Cs Zimmer wieder zusammengeleimt, der mir beim Wäscheeinräumen stückchenweise entgegenkam. Sowas passiert schon mal, wenn die Schränke mehr als 100 Jahre alt sind. Außerdem habe ich einige Stunden am PC gesessen und tatsächlich konzentriert hintereinander weg gearbeitet. Meine eigene Steuererklärung 2018 ist bis auf die Zahlen, die mir noch von anderen zugeliefert werden müssen, schon komplett fertig, ich habe diverse Umsatzsteuererklärungen abgegeben, meine eigene Buchhaltung aktualisiert und jede Menge BackUps gemacht. Dann habe ich Rechnungen für den Vater bezahlt und die Übersicht über seine Krankheitskosten und die bereits erfolgten Erstattungen aktualisiert. Außerdem habe ich den Gas- und den Stromlieferanten für das hiesige Haus gewechselt (für Greven hatte ich das schon im Dezember angestoßen), das gleiche auch für den Onkel organisiert und den Onkel persönlich besucht, weil sein Kopierer nicht mehr funktionierte. Dort habe ich dann den Toner gewechselt, neuen Toner bestellt und K hat ihm noch geholfen, einen Fernseher in seinem Schlafzimmer ans Laufen zu kriegen.

Am Abend haben wir die Kühlschrankbestände kontrolliert und beschlossen, dass es Gambas mit Salat, Baguette und Kräuterbutter gibt, das war ausgesprochen lecker, jetzt bin ich vollgefressen und müde
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Hat der Onkel etwa einen Inkjet? Soviel druckt der doch nicht dass der schon wieder neue Patronen braucht

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ja, er hat einen Inkjet und er druckt nicht, er kopiert mit dem Drucker und da er das gut kann (kopieren, denn dazu braucht er keinen PC), kopiert er gern und viel und deshalb sind die Patronen schon wieder alle.

 
Na ja, das berufliche Selbstverständnis eines Journalisten, wenn er nicht gerade für die Yellow Press arbeitet, setzt der Phantasie schon Grenzen. Und soweit ich das beurteilen kann, ist es nicht völlig üblich und normal, sich allerlei Zeugs aus den Fingern zu saugen, wenn die Story sich nicht so entwickelt, wie man das zu Anfang der Recherche dachte.

In dem Punkt, dass auch journalistische Arbeit ohne solche "Hilfsmittel" im Prinzip nur Konstruktion von Pseudo-Wirklichkeit ist, haben Sie natürlich recht. Aber graduell gibt es normalerweise schon recht große Unterschiede zwischen einer Magazingeschichte und einem Yellow-Press-Artikel, das ist etwa wie der Unterschied zwischen evidenzbasierter Schulmedizin und irgendwelchem homöopathischem Heilergedöns oder Schamanentum.

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Grundsätzlich haben Sie natürlich recht, dass es Unterschiede geben sollte, zwischen Yellow Press und seriösem Magazinjournalismus, und sicherlich gibt es sehr viele (die meisten?) Journalisten, die diese Unterschiede auch ernst nehmen - nur für den Leser ist nicht zu erkennen, ob ein Journalist das wirklich ernst nimmt oder ob er seinen Beruf als Job zum Geldverdienen betrachtet und ganz andere Schwerpunkte setzt.

Oder - und genau hier finde ich Ihr Bild perfekt, ob ein Arzt eine solide Ausbildung in Schulmedizin erhalten hat und mit dem Titel und der Ausbildung auch sehr seriös nach außen wirkt, aber aus (mir persönlich niemals nachvollziehbaren) Gründen selber ungemein auf Homöopathie steht und seine Patienten mit einer willkürlichen Mischung aus beiden Gebieten behandelt.
Das wäre dann Herr Relotius.

Ich als Patient trage halt eine ausgeprägte Grundvorsicht mit mir herum. Wenn mir ein Arzt gegen eine schwere Krankheit Pillen verschreibt, die keine Nebenwirkungen haben und von denen ich jede Stunde sieben Stück davon unter der Zunge schmelzen lassen soll, dann schrillen bei mir alle Alarmglocken. Egal, ob der Arzt habilierter Oberfuzzi einer Uniklinik ist oder ohne Kassenzulasung nur auf Rechnung behandelt.

Deshalb sagte ich ja, dass ich gar nicht auf den Gedanken gekommen wäre, die Geschichten von Herrn Relotius für bare Münze zu nehmen, war mir halt viel zu viel atmosphärisches Schischi dabei, egal, bei welchem Blatt die Geschichten veröffentlich sind.