Donnerstag, 16. März 2017
Nicht mehr schreckhaft
anje, 22:52h
Noch so ein Tag, der im Schwebezustand hängen geblieben ist. Bei Aktienkursen würde man sagen "stabile Seitwärtsbewegung". Nix bewegt sich, nichts geht voran, es passieren aber auch keine Katastrophen. Die Ruhe vor dem Sturm? Aber auch die Böenwalze ist noch nicht zu bemerken. Ausgesprochen unheimlich.
Von meiner Grundveranlagung her bin ich schreckhaft. Sehr schreckhaft. Um nicht zu sagen, außergewöhnlich schreckhaft.
Ich bekomme wegen aller möglichen unerwarteten, aber auch erwarteten Vorkommnisse regelmäßig einen Riesenschreck, der so groß ist, dass ich es in fünf von vier Fällen nicht vermeiden kann, dabei auch noch schrill loszuschreien. Mir ist das jedesmal sehr peinlich, ändern kann ich es aber nicht.
Menschen, die sich regelmäßig in meiner Umgebung aufhalten, sind längst daran gewöhnt und nähern sich mir nur mit rechtzeitiger und lauter Ankündigung. Die Putzfrau zB hat nach zwei Situationen, in denen sie, um mich nicht zu stören, unangemeldet und leise mein Büro betrat, weil sie den Mülleimer leeren wollte und dabei jedesmal ein irres Schreckgeheul bei mir auslöste, sich längst angewöhnt, sich schon 10m vor meinem Büro lautstark bemerkbar zu machen. Sie klappert und klimpert mit allem, was sie grade und finden kann und ruft dann vor der Tür noch: "Nicht erschrecken, ich komme jetzt rein." So haben wir uns gut arrangiert und keiner von uns ist mehr herzinfarktähnlichen Situationen ausgesetzt. Ich nicht, weil ich rechtzeitig vorgewarnt werde, dass da gleich jemand mein Büro betritt und sie nicht, weil ich nicht mehr schreien muss.
Mein Westfalenmann wiederum liebt mich vor allem und hauptsächlich wegen meiner Schreckhaftigkeit, bin ich fest überzeugt. Denn es kann für ihn keine größere Freude geben als wenn er es wieder mal geschafft hat, mich zu erschrecken. Und da das so außergewöhnlich einfach ist, leistet er sich diese Freude auch sehr häufig, in der Regel mindestens vier bis fünf Mal täglich. Es reicht ja schon, wenn er neben mir im Bett liegt und plötzlich "buh" macht - ich zucke dann maßlos zusammen, zappel hilflos mit Armen und Beinen und stoße unartikulierte Laute aus - und er freut sich wie Bolle, weil ich mich so hübsch erschrocken habe.
In den letzten Tagen, also genau in denen, die so auffällig unauffällig verlaufen, in denen sich alles anfühlt wie in Watte gepackt, wo die Farben einerseits viel klarer, die Konturen gleichzeitig aber auch viel unschärfer sind, in diesen letzten Tagen bin ich plötzlich nicht mehr schreckhaft. Jedes Erschrecken kommt wie in Zeitlupe bei mir an - erst wenn ich darüber nachdenke, dass sich da doch grade jemand unerwartet schnell bewegt hat, dass mein Westfalenmann absichtlich "buh" gemacht hat, dass ich doch eigentlich jetzt eben gerade einen schrecklichen Schreck hätte bekommen müssen, fällt mir auf, dass ich das schreckauslösende Moment viel zu langsam wahrgenommen habe, um überhaupt noch einen Schreck bekommen zu können.
Seitdem ich das bemerkt habe, finde ich diese seltsam gespannte und gleichzeitig unauffällige, harmlose und ruhige Atmosphäre der letzten Tage noch beängstigender. Es ist, als ob die Schmetterlinge rückwärts flögen. Nichts schlimmes, aber überhaupt nicht richtig
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Von meiner Grundveranlagung her bin ich schreckhaft. Sehr schreckhaft. Um nicht zu sagen, außergewöhnlich schreckhaft.
Ich bekomme wegen aller möglichen unerwarteten, aber auch erwarteten Vorkommnisse regelmäßig einen Riesenschreck, der so groß ist, dass ich es in fünf von vier Fällen nicht vermeiden kann, dabei auch noch schrill loszuschreien. Mir ist das jedesmal sehr peinlich, ändern kann ich es aber nicht.
Menschen, die sich regelmäßig in meiner Umgebung aufhalten, sind längst daran gewöhnt und nähern sich mir nur mit rechtzeitiger und lauter Ankündigung. Die Putzfrau zB hat nach zwei Situationen, in denen sie, um mich nicht zu stören, unangemeldet und leise mein Büro betrat, weil sie den Mülleimer leeren wollte und dabei jedesmal ein irres Schreckgeheul bei mir auslöste, sich längst angewöhnt, sich schon 10m vor meinem Büro lautstark bemerkbar zu machen. Sie klappert und klimpert mit allem, was sie grade und finden kann und ruft dann vor der Tür noch: "Nicht erschrecken, ich komme jetzt rein." So haben wir uns gut arrangiert und keiner von uns ist mehr herzinfarktähnlichen Situationen ausgesetzt. Ich nicht, weil ich rechtzeitig vorgewarnt werde, dass da gleich jemand mein Büro betritt und sie nicht, weil ich nicht mehr schreien muss.
Mein Westfalenmann wiederum liebt mich vor allem und hauptsächlich wegen meiner Schreckhaftigkeit, bin ich fest überzeugt. Denn es kann für ihn keine größere Freude geben als wenn er es wieder mal geschafft hat, mich zu erschrecken. Und da das so außergewöhnlich einfach ist, leistet er sich diese Freude auch sehr häufig, in der Regel mindestens vier bis fünf Mal täglich. Es reicht ja schon, wenn er neben mir im Bett liegt und plötzlich "buh" macht - ich zucke dann maßlos zusammen, zappel hilflos mit Armen und Beinen und stoße unartikulierte Laute aus - und er freut sich wie Bolle, weil ich mich so hübsch erschrocken habe.
In den letzten Tagen, also genau in denen, die so auffällig unauffällig verlaufen, in denen sich alles anfühlt wie in Watte gepackt, wo die Farben einerseits viel klarer, die Konturen gleichzeitig aber auch viel unschärfer sind, in diesen letzten Tagen bin ich plötzlich nicht mehr schreckhaft. Jedes Erschrecken kommt wie in Zeitlupe bei mir an - erst wenn ich darüber nachdenke, dass sich da doch grade jemand unerwartet schnell bewegt hat, dass mein Westfalenmann absichtlich "buh" gemacht hat, dass ich doch eigentlich jetzt eben gerade einen schrecklichen Schreck hätte bekommen müssen, fällt mir auf, dass ich das schreckauslösende Moment viel zu langsam wahrgenommen habe, um überhaupt noch einen Schreck bekommen zu können.
Seitdem ich das bemerkt habe, finde ich diese seltsam gespannte und gleichzeitig unauffällige, harmlose und ruhige Atmosphäre der letzten Tage noch beängstigender. Es ist, als ob die Schmetterlinge rückwärts flögen. Nichts schlimmes, aber überhaupt nicht richtig
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