anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Freitag, 21. Februar 2020
Die Neubaupläne für das Hotel Miramar
Heute war ja erst Freitag und somit eigentlich ein ganz normaler Arbeitstag für den Rest der Welt.
Ich aber hatte Urlaub eingereicht und damit ein gutes Gewissen, dass ich mich nur sehr begrenzt um Dienstliches kümmerte.
Wach war ich schon ab 7h. Wenn ich theoretisch so lange schlafen kann wie ich will, bin ich deutlich weniger müde und wache viel eher auf als während der Woche mit einem normalen Bürotag vor der Brust, das ist schon ziemlich schräg.
Aber egal, heute war ich früh wach und habe den Tag nicht zum Rumgammeln im Bett benutzt, sondern habe tatsächlich verschiedene Dinge erledigt.
Bis Mittags saß ich am PC und habe neben der privaten Buchführung halt auch ein paar Dienstmails beantwortet und ein wenig telefoniert, bis mir einfiel, dass ich ja noch dringend neue Karten für die Fähre kaufen muss und dass es klug ist, jetzt schon mal die Termine für die Osterferien zu reservieren.
Heute Vormittag war das Wetter noch einigermaßen akzeptabel, zwar windig aber trocken, also sind wir mit den Fahrrädern gefahren.

Auf dem Rückweg vom Dorf sind wir beim Onkel vorbeigefahren, der grade Besuch von einem alten Schulfreund hatte. Wir unterhielten uns über dies und das und was es Neues gibt und kamen so auch auf das Thema Neubau neben dem Hotel Miramar.
Das ist grade ein heiß diskutiertes Thema auf der Insel und die Lager sind tief gespalten.

Sachverhalt: Im Norden der Insel, in sehr guter Lage direkt am Strand befindet sich das Hotel Miramar, das sich ein Privatinvestor gekauft hat, der eine Menge Geld hat und große Teile davon gerne auf Borkum investieren möchte. Das Hotel Miramar ist schon ziemlich in die Jahre gekommen und muss dringend renoviert werden. Neben dem Hotel gibt es ein freies, unbebautes Grundstück, das der Stadt gehört. Nun kam der Investor auf die Idee, der Stadt das Grundstück abzukaufen, dann könnte er nämlich das alte Hotel Miramar abreißen, um dann auf den vereinigten Grundstücken einen Neubau des Hotels Miramar umsetzen, hochwertiger, deutlich luxuriöser und mit 120 Betten zusätzlichen Betten auch um einiges größer als das bisherige Hotel. Gesamtkosten der Investition: ca. 40 Mio. €, davon Kaufpreis für das Grundstück: 3 Mio. €. (Einnahmen für die Stadt.)
Dazu sollte man noch wissen, dass die Stadt mit dem freien Grundstück wenig anfangen kann, eine Bebauung ohne Anschluss an das Nachbargrundstück ist sehr kompliziert und in der Gesamtfläche viel weniger nutzbar, andere Investoren werden also wenn, dann nur deutlich weniger für das Grundstück bezahlen und die Stadt selber hat noch nicht mal das Geld, das leere Grundstück vernünftig in Schuss zu halten, seit Jahren verwildert dort alles vor sich hin, es ist voll mit Dreck, Schutt und Unrat, ein echter Schandfleck.

Das Angebot wurde im Stadtrat beraten und fand dort auf breiter Front Zustimmung, es ist im Grunde eine win-win-Situation für alle Beteiligten.

Aber irgendjemand muss sich über den Investor geärgert haben, der wohl wirklich über ausreichend Vermögen verfügt und sich in der letzten Zeit schon mehrere Objekte auf der Insel gekauft hat. Auf alle Fälle wurde von mehreren Leuten Stimmung gegen dieses Projekt gemacht, die sich irgendwann dann soweit aufschaukelte, dass genug Unterschriften für einen Bürgerentscheid zusammen kamen - und der findet jetzt nächste Woche statt.
Ich persönlich kann überhaupt nicht verstehen, was an dem Plan des Investors so schrecklich ist, denn er bezahlt für das Grundstück einen deutlich höheren Preis als das jeder andere täte und er trägt das Risiko der Investition auch komplett selber, die Stadt Borkum wird dadurch überhaupt nicht weiter belastet.
Aber es ist hier helle Aufregung.
So wie in Brandenburg, wo Tesla ein Autowerk bauen will, genau so bekloppt gebärden sich die Leute hier. Man fasst sich an die Stirn und mag es nicht glauben, denn die Gründe gegen dieses Hotel sind einfach nur abenteuerlich. Ausschließlich getrieben von einer aufgeheizten, emotional aufgeladenen Stimmung gegen den Fremden, was man in der Form natürlich nicht sagen darf, weshalb man formal andere Gründe finden muss - die dann eben völlig skurril an den Haaren herbeigezogen und zudem komplett unsinnig sind.
Ich habe ernsthaft versucht, mit dem Onkel und seinem Freund darüber sachlich zu diskutieren - aber es geht nicht.

Ihrer Meinung nach (und das sind die Gründe, die die Gegner dieses Projektes gestreut haben), wird das Grundwasser auf der Insel knapp und deshalb dürfen keine 120 weiteren Betten entstehen. Man sollte dazu wissen, dass Borkum rund 2,5 Mio. Übernachtungen pro Jahr hat, da ist es extrem logisch, dass diese 120 Betten jetzt eine akute Wasserknappheit befördern....

Weiterer Grund: Dann stehen die anderen Hotels leer. - Dass die Dehoga Ortsgruppe Borkum das Projekt ausdrücklich befürwortet, weil es natürlich einen Imagegewinn für die ganze Insel bedeutet und damit für alle Hotels zusätzliche Gästezahlen erwartet werden und ein Verdrängungswettkampf vor Ort von keinem der beteiligten Hoteliers gesehen wird - das wird von den Gegnern des Projektes komplett ignoriert bzw. negiert, was ich schon besonders abenteuerlich finde.

Weiterer Grund: Die finden gar kein Personal für das Hotel. -
Überhaupt wurde sehr viel damit argumentiert, dass die Insel für so ein Luxushotel nicht geeignet ist und dass so ein Luxushotel auf der Insel auch gar nicht rentabel sei. Man bedenke zB dass da ein Schwimmbad auf dem Dach geplant ist, was für ein sündhafter Luxus, nachher geht dann keiner mehr in das städtische Schwimmbad und überhaupt, kein Mensch braucht ein Schwimmbad auf dem Dach, wenn man eine Nordsee vor der Haustür hat. Das kann sich nicht rechnen, wir haben dann nachher nur einen großen Leerstand da rum stehen. - Dass dieses Risiko einzig von dem Investor getragen wird und es den Borkumern doch herzlich egal sein kann, wie der Investor die Wirtschaftlichkeit seines Projektes sicherstellt, das interessiert niemanden, es wird nur immer wieder wiederholt, dass sich so ein Luxushotel nicht lohnen kann.

Völlig skurril fand ich schließlich das mehrfach wiederholte Argument, dass die Stadt die 3 Mio. €, die sie für das Grundstück bekommen soll, anschließend sowieso nur verplempert, weil die Stadt noch nie mit Geld umgehen konnte. Bei diesem Argument, von dem Onkel und Freund ganz fest überzeugt waren, dass das ein ganz wichtiger Grund ist, um das Projekt durch den Bürgerentscheid unbedingt zum Kippen zu bringen - bei diesem Argument habe ich entnervt aufgegeben, gegen so viel Blödsinn im Kopf komme ich nicht an.

Sehr faszinierend, diese komplett verbohrten alten Männer, die sich von irgendjemandem haben aufschaukeln lassen und jetzt keinem, wirklich überhaupt keinem Vernunftsargument gegenüber mehr aufgeschlossen sind.
Faszinierend - und auch ziemlich gruselig
.

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