anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Mittwoch, 12. Februar 2020
Sturmtag
Wenn ein Tag schon mit 894 Schritten auf dem Schrittzähler- und Schlafmaßband startet, bevor ich leicht hektisch morgens um 8h das Haus verlasse, dann sind die ersten Marker für einen stürmischen Tag schon mal gesetzt.

Dass ich überhaupt schon um 8h aus dem Haus gehe, ist nur einem unseligen Termin geschuldet, der für 8.30h im Büro angesetzt war, weil eine der beteiligten Personen nur so früh oder sonst gar nicht konnte, hatte sie als Terminvorgabe verkündet.

Ich kann ja problemlos akzeptieren, dass Menschen unterschiedliche Biorhythmen haben und dass es Lerchen und Eulen gibt, wenn man aber eine Eule zwingt, sich morgens mit den Lerchen tirilierend in die Lüfte zu schwingen, dann wird daraus nur ein absturzgefährdeter Leichentanz mit düsterem Eulengekrächze.
So war denn auch der Termin, zu dem ich heute fast pünktlich um 8.31h im Büro erschien. Dumm für die Lerche, denn sie wollte was von mir, ihr Plan hat nicht ganz funktioniert. Shit happens, heißt das dann für die Lerche.

Dabei war ich durchaus hellwach, ich hatte ja auch schon viel Strecke hinter mir. Zehnmal durchs gesamte Haus, treppauf, treppab und quer durch alle Zimmer, das macht wach.
Ich hatte gestern Abend keine Lust mehr gehabt, die Unterlagen für den Termin heute früh rauszusuchen, dann fiel mir etwas spät erst ein, dass für heute Abend ja auch noch eine Bankveranstaltung im Kalender steht und dass ich deshalb unbedingt noch Haare waschen wollte. Und das neu gekaufte Hitzespray wollte ich dann ausprobieren, ich habe jetzt nämlich eines mit dem Titel "Curl hold Spray", das war so teuer, das muss gut sein und da, wo ich das gekauft habe, hat mir die Verkäuferin noch einen Trick mit dem Glätteisen gezeigt, den wollte ich dann auch testen.
Außerdem war mein iPad weg (zweimal Treppe hoch und runter, um es zu suchen) und ich brauchte eine Kleidung, die für den Sabinesturm vor der Tür genauso passend war, wie für den Termin mit der Lerche, die anschließenden acht Arbeitsstunden im Büro und die sich dann noch anschließende Bankveranstaltung - also so eine Art eierlegende Wollmilchsau im Bekleidungsbereich, bis alles zusammengefunden waren, hatte ich noch mehr Inhaustreppen absolviert.

Nach dem (aus meiner Sicht erfolgreichen) Termin allerlei Büroangelegenheiten, von denen einige durchaus Konfliktpotential bzw. ausreichend Stoff für gründliches Aufregen enthielten.
Der Chef erster Ordnung ist gleichzeitig noch einziger Chef für einen angeschlossenen Verlag, der seit Jahren nur Verluste macht, bei dem aber niemand die Traute hat, den Laden einfach zu schließen.
Ich rege mich regelmäßig sehr über diesen Verlag auf, weil die dort angestellten Redakteure und ganz besonders die Chefredakteurin der festen Überzeugung sind, sie machen eine super Arbeit, es fehlt nur an den Menschen, die das entgeltlich würdigen, aber deshalb ist ja ihre Arbeit nicht weniger wert und deshalb haben sie alle miteinander Anspruch auf durchaus gehobene Gehälter. (Weil, sie haben ja auch alle studiert.)
In meiner Welt ist die Qualität einer Arbeit durchaus in Euro messbar und ja, ich finde auch Kultur ist messbar, weil Kultur halt kostet und es muss doch irgendeinen Vergleichsmaßstab geben, mit dem ich unterschiedliche Kulturangebote bewerten kann, um letztlich zu entscheiden, für welches ich Fördergelder zur Verfügung stelle, weil, für alle Projekte sind nie genug Fördergelder da.
Ich will das gar nicht nur in platten Zahlen wie Umsatz oder Eintrittsgelder oder ähnlichem bewerten, ich stelle mir da vielmehr ein Kulturpunktesystem vor, in dem man für bestimmte Zielvorgaben bestimmte Punkte vergibt - und dann kann ich verschiedene Projekte dadurch miteinander vergleichen, dass ich schaue, welches hat mehr Punkte.

Ein Beispiel:
Projekt A ist eine Sonderausstellung in einem Museum, geschätzter Kostenrahmen: 500.000€, weil schon rund 300.000€ dafür draufgehen, dass irgendein Kunstwerk für vier Wochen von der Tate Gallery ausgeliehen wird und alleine für Transport und Versicherung wird schon so ein Betrag fällig.

Projekt B ist ein Konzert mit ungarischen Symphonikern, die mit 50 Mann samt Instrumenten für eine Woche nach Deutschland kommen, geschätzter Kostenrahmen hier ebenfalls 500.000 €, weil neben den Honoraren und Reisekosten für die Musiker auch noch die Location samt Eventspektakel drumherum gebucht und organisiert werden muss.

Im Fördertopf sind aber nur einmal 500.000€ - wie entscheidet man jetzt, welches Projekt man fördert?

Aktuell ist es so, dass das Projekt gewinnt, was die besten Lobbyarbeit macht bei den Leuten, die darüber entscheiden müssen.
Fair?

Über den Verlag rege ich mich auf, weil ich die Arbeit, die dort gemacht wird, nicht als "Qualitätsarbeit" erkenne. Mag sein, dass ich die falschen Erwartungen habe und dass "Schreiben können" bei Journalisten und Redakteuren einfach kein wichtiger Punkt ist. Blöderweise habe ich dann aber noch nicht begriffen, was sie denn ansonsten besser können als andere, denn das ist doch die Definition einer Berufsausbildung, nicht wahr? Dass man Dinge gelernt hat, die man anschließend besser kann als Leute, die das nicht gelernt haben.
Was die Truppe dort als Output fabriziert kann meiner Meinung nach auch jedes Erstsemester an Germanistikstudenten auf Lehramt - aber was weiß ich schon von den komplexen Tätigkeiten eines studierten Chefredakteurs.

Nun, wie auch immer, der Chef erster Ordnung ist in diesem Verlag alleiniger Chef und kann deshalb dort ganz alleine Dinge entscheiden und bestimmen, wie es ihm Spaß macht. Er muss sich niemandem gegenüber rechtfertigen, er wird von niemandem kontrolliert, er kann einfach frei und alleine schalten und walten, denn das Verlustbudget, das ist nicht nur schon seit Jahren pauschal genehmigt, das wird auch jedes Jahr noch weiter erhöht, weil, Kultur kostet, ist doch klar.
Und jetzt wurde grade wieder eine neue Fachkraft eingestellt. Ich stehe da nur kopfschüttelnd neben und finde es einfach ungerecht, dass Leute für so einen Larifarijob so viel Geld verdienen sollen, nur weil sie exzellente Lobbyarbeit machen und es ihnen gelingt, den richtigen Leuten die immense Wertvolligkeit ihres Daseins zu vermitteln.
Als Begründung und Antwort auf die Frage "Warum?????" wird übrigens immer alles "im Team entschieden."
Ja, ne, ist klar. Wie die Abgeordneten, die ja auch im Team entscheiden, dass sie sich mal wieder dringend die Diäten erhöhen müssen
.
(Abgelegt in anjesagt und bisher 586 x anjeklickt)

... ¿hierzu was sagen?

 
Fabelhaft
der, der das entscheidet - wird Projekt A nehmen.

Null Verantwortung, wenig Arbeit, die 500000 sind weg.
Alles Andere .. - Konzert im 50 Leuten und Allem Schnipp und Schnapp macht ihm viel zu viel Arbeit.

Wenn das dann noch ein Chef erster Ordnung ist, der SUWIESO nur Miese macht, dann geht das so weiter.

Wie in der Politik - die leider nur ein Team sind, wenn es um die Diäten geht. Ansonsten immer nur die nächste Wahl im Blick, aber das Volk hat langsam die Schnauze voll....

... ¿noch mehr sagen?  

 
Nun, bei Kulturförderung ist es nicht einer, der das entscheidet, sondern in der Regel ein Gremium, also eine ganze Gruppe und wie viel Arbeit so ein Projekt macht, das ist den Entscheidern definitiv zu 100% vollkommen schnuppe, denn erstens müssen sie die Arbeit ja nicht selber machen und zweitens sind die Kosten der Arbeit in den Gesamtkosten des Projektes enthalten.
Nein, sie werden danach entscheiden, welches Projekt mehr "Ruhm" bringt, dazu gehört die vorhersehbare, wahrscheinliche Berichterstattung in der Presse, die, wenn es gut läuft oft mit einem Foto einem der Fördermittelgeber aufmacht (wie er den Förderbescheid oder irgendeinen symbolischen Scheck überreicht, oder wie er die Rede zur Eröffnung hält usw.) und sie werden eben danach entscheiden, mit welchem Projekt sie in ihrem persönlichen Netzwerk die meisten Punkte sammeln können.
Das sind die Hauptgründe, die den Ausschlag geben.
Was in aller Regel gar nicht beachtet wird, dass ist die Qualität und der Nutzen so eines Kulturprojektes.

Ich habe beruflich halt sehr viel mit Kulturförderung und überhaupt mit gemeinnützigen Unternehmen zu tun - die Menschen, die sich dort engagieren, haben ganz eigene Vorstellungen von dem, was ihnen wichtig ist. Als Außenstehender staunt man da oft.