Freitag, 2. Februar 2018
Umfragefälschung
anje, 20:03h
Als ich heute diese Meldung gelesen habe, musste ich doch schwer grinsen.
Jetzt hat tatsächlich mal jemand offen ausgesprochen, was ich schon immer für eine große Selbstverständlichkeit gehalten habe: Die Ergebnisse von Umfragen sind teilweise gefaked. Und jetzt ist plötzlich Empörung und Entsetzen in der Branche und bei Kunden.
Ach ne, und das fällt wirklich erst jetzt auf? Und bisher haben immer alle geglaubt, die Datensammler arbeiten komplett engagiert, loyal, ehrlich und sauber, weil sie sich der hehren Sache als solche verschrieben haben: Die Wahrheit der Daten ist wichtiger als das eigene Einkommen und Bequemlichkeit. Ja logisch, ist ja auch ein zutiefst menschlicher Zug, das Wohl der Allgemeinheit über das eigene zu stellen.
Aber selbst wenn die Datensammler ohne zu pfuschen arbeiten würden, so bleibt doch immer noch das Problem, wie gewissenhaft die Datenlieferanten ihre Antworten geben.
Ich zB nehme manchmal tatsächlich freiwillig an Umfragen teil, wenn es da etwas zu gewinnen gibt, je nach ausgesetztem Preis nehme ich dann auch bis zu zehn Mal an der gleichen Umfrage teil, ich habe schließlich viele E-Mail Adressen und auch ausreichend Postadressen, für eine multiple Teilnahme. Damit das nicht so auffällt, dass sich die Teilnahme wiederholt, gebe ich natürlich jedes Mal andere Antworten :-)
Wenn es nichts zu gewinnen gibt, nehme ich üblicherweise nicht freiwillig an irgendwelchen Umfragen teil.
Wenn ich aber dann doch mal persönlich von einem Interviewer erwischt werde, der meistens hartnäckig und lästig Antworten einfordert, beantworte ich die jeweiligen Fragen dann zwar, weil es leichter ist, schnell irgendwelche Kreuze an irgendwelchen willkürlichen Stellen zu machen oder irgendwelche Fragen genauso willkürlich mit ja oder nein, gefällt mir von 1-5 oder ähnlichem zu beantworten, als mit den Interviewern zu diskutieren, warum man das nicht will, aber meine echte Meinung gebe ich dabei fast nie weiter, alleine schon, weil ich mich geärgert habe, dass mich so ein Interviewer überhaupt belästigt und wenn ich ihm nicht entkommen kann, dann sage ich eben auf keinen Fall die Wahrheit.
Dieser ganze Umfrage- und Meinungsforschungszirkus ist aber auch wirklich die Pest.
Zusätzlich gibt es dann ja auch noch die 100 Millionen feedback Anfragen und Bewertungsdrängeleien, wenn man irgendwo etwas gekauft hat oder eine Leistung in Anspruch genommen hat.
Ich sehe zwar ein, dass das für Unternehmen wichtig ist, zu erfahren, wie der Kunde die Leistung beurteilt und dass gut bewertete Unternehmen einen echten Marktvorsprung haben, mir ganz persönlich als Kunde ist es aber mittlerweile längst zu viel geworden, was da permanent abgefragt und als feedback verlangt wird.
Im beruflichen Bereich ärgert mich das ganz besonders, denn es klaut ja wertvolle Arbeitszeit, wenn ich da eine Viertelstunde lang befragt werde, wie mir die Leistung von Firma xy gefallen hat, bei der ich neulich einen Kugelschreiber bestellt habe.
Ich habe deshalb schon mal vorgeschlagen, dass wir das gesamte feedback-Geben in der Firma als separate Leistung outsourcen sollten.
Ich halte das übrigens für eine Marktlücke.
Wenn sich da jemand selbständig machen würde als professioneller feedback-Geber und jedesmal, wenn mich jemand anruft, um zu fragen, wie ich mit dem letzten Glühbirnenwechsel zufrieden war, bräuchte ich einfach nur ganz entspannt die Telefonnummer des feedback-Gebers weiterzugeben und darum bitten, das doch bitte dort zu erfragen, das würde mir richtig Zeit sparen und für die professionellen feedback-Geber hätte man jede Menge neue Jobs geschaffen. Ich finde, das ist eine winwin Situation.
Was Datenlieferungen für Umfragen und Statistiken angeht, erinnere ich mich immer noch an die Volkszählung Anfang der 80er. Einerseits wurde ein Höllenwirbel um diese Volkszählung wegen Datenschutz und was weiß ich gemacht, andererseits musste aber jeder teilnehmen, sonst gab es Bußgeld. Ich habe damals in einem Steuerbüro gearbeitet, das sehr viele Kioske und Imbissbuden als Mandanten hatte, die traditionell alle griechisch oder türkisch waren. Für die Inhaber dieser Läden war ich der einzige Kontakt "zum deutschen Staat", dem sie vertrauten und mit dem sie regelmäßig Kontakt hatten. Also habe ich für alle Mandanten die Volkszählungsbögen ausgefüllt, da sie davon komplett überfordert waren. Für ein paar Nachbarn und Bekannte habe ich dann auch noch die Bögen ausgefüllt, ich war ja grad einmal dabei. Da es letztlich alles absolut anonym ablief und nur kontrollierte wurde, ob der jeweilige Haushalt überhaupt einen Bogen abgab, war es völlig wurscht, was man dann anschließend in diesen Fragebögen ankreuzte und eintrug. Und da ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte, dass ich der einzige Mensch war, der diese Bögen im willkürlichen Massenverfahren ausfüllte, habe ich die Ergebnisse dieser Volkszählung auch entsprechend grinsend kritisch gesehen.
Dann war ich auch irgendwann mal eine Zeitlang Datenlieferant für die GfK. Da habe ich mich bereit erklärt, an einem Programm teilzunehmen, bei dem ich täglich bzw. monatlich alle meine Einkäufe in ein umfangreich gegliedertes Formular eintrug und dabei angeben musste, was ich gekauft habe, wo und zu welchem Preis. Für alle Einkäufe von Lebensmittel über Klamotten bis zu Urlaub und Auto. Diese Einkaufslisten wurden monatlich an die GfK geschickt und als Dankeschön bekam ich irgendwelche Geschenke. (Handtücher, Geschirr, Gläser etc.) Bereits im ersten Monat habe ich bemerkt, wie viel Arbeit das ist, wenn man das wahrheitsgemäß einträgt, also habe ich mir sehr schnell meine eigene, sehr überschaubare Einkaufshistorie (einmal wöchentlich und fast immer das gleiche)ausgedacht und den Rest mit "zum Essen eingeladen" etc. aufgefüllt. Da ich mich für ein ganzes Jahr "verpflichtet" hatte, erschien mir das als die einfachste Methode, um Stress wegen einer vorzeitigen Kündigung zu vermeiden.
Was mich sehr interessieren würde, ist die Frage, ob es Menschen gibt, die diese umfangreichen Fragebögen wirklich korrekt ausfüllen? Ich bin eigentlich sehr sicher, dass das nicht viele sein können, denn warum sollte man es tun? Vielleicht noch die ersten 3-4 Fragen, aber dann verlässt einen doch die Lust und man will nur noch fertig werden damit.
Dass jetzt bekannt wird, dass die Interviewer sich ihre Antworten selber ausdenken, weil sie niemanden mehr finden, der ihnen freiwillig Antworten gibt, halte ich nur für eine konsequente Fortführung meiner Reaktion und das Ergebnis ist im Grunde ja auch nicht anders. Lustig finde ich halt nur, dass das erst jetzt auffällt und nicht schon vor 30 Jahren
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(Abgelegt in anjesagt und bisher 1242 x anjeklickt)
Jetzt hat tatsächlich mal jemand offen ausgesprochen, was ich schon immer für eine große Selbstverständlichkeit gehalten habe: Die Ergebnisse von Umfragen sind teilweise gefaked. Und jetzt ist plötzlich Empörung und Entsetzen in der Branche und bei Kunden.
Ach ne, und das fällt wirklich erst jetzt auf? Und bisher haben immer alle geglaubt, die Datensammler arbeiten komplett engagiert, loyal, ehrlich und sauber, weil sie sich der hehren Sache als solche verschrieben haben: Die Wahrheit der Daten ist wichtiger als das eigene Einkommen und Bequemlichkeit. Ja logisch, ist ja auch ein zutiefst menschlicher Zug, das Wohl der Allgemeinheit über das eigene zu stellen.
Aber selbst wenn die Datensammler ohne zu pfuschen arbeiten würden, so bleibt doch immer noch das Problem, wie gewissenhaft die Datenlieferanten ihre Antworten geben.
Ich zB nehme manchmal tatsächlich freiwillig an Umfragen teil, wenn es da etwas zu gewinnen gibt, je nach ausgesetztem Preis nehme ich dann auch bis zu zehn Mal an der gleichen Umfrage teil, ich habe schließlich viele E-Mail Adressen und auch ausreichend Postadressen, für eine multiple Teilnahme. Damit das nicht so auffällt, dass sich die Teilnahme wiederholt, gebe ich natürlich jedes Mal andere Antworten :-)
Wenn es nichts zu gewinnen gibt, nehme ich üblicherweise nicht freiwillig an irgendwelchen Umfragen teil.
Wenn ich aber dann doch mal persönlich von einem Interviewer erwischt werde, der meistens hartnäckig und lästig Antworten einfordert, beantworte ich die jeweiligen Fragen dann zwar, weil es leichter ist, schnell irgendwelche Kreuze an irgendwelchen willkürlichen Stellen zu machen oder irgendwelche Fragen genauso willkürlich mit ja oder nein, gefällt mir von 1-5 oder ähnlichem zu beantworten, als mit den Interviewern zu diskutieren, warum man das nicht will, aber meine echte Meinung gebe ich dabei fast nie weiter, alleine schon, weil ich mich geärgert habe, dass mich so ein Interviewer überhaupt belästigt und wenn ich ihm nicht entkommen kann, dann sage ich eben auf keinen Fall die Wahrheit.
Dieser ganze Umfrage- und Meinungsforschungszirkus ist aber auch wirklich die Pest.
Zusätzlich gibt es dann ja auch noch die 100 Millionen feedback Anfragen und Bewertungsdrängeleien, wenn man irgendwo etwas gekauft hat oder eine Leistung in Anspruch genommen hat.
Ich sehe zwar ein, dass das für Unternehmen wichtig ist, zu erfahren, wie der Kunde die Leistung beurteilt und dass gut bewertete Unternehmen einen echten Marktvorsprung haben, mir ganz persönlich als Kunde ist es aber mittlerweile längst zu viel geworden, was da permanent abgefragt und als feedback verlangt wird.
Im beruflichen Bereich ärgert mich das ganz besonders, denn es klaut ja wertvolle Arbeitszeit, wenn ich da eine Viertelstunde lang befragt werde, wie mir die Leistung von Firma xy gefallen hat, bei der ich neulich einen Kugelschreiber bestellt habe.
Ich habe deshalb schon mal vorgeschlagen, dass wir das gesamte feedback-Geben in der Firma als separate Leistung outsourcen sollten.
Ich halte das übrigens für eine Marktlücke.
Wenn sich da jemand selbständig machen würde als professioneller feedback-Geber und jedesmal, wenn mich jemand anruft, um zu fragen, wie ich mit dem letzten Glühbirnenwechsel zufrieden war, bräuchte ich einfach nur ganz entspannt die Telefonnummer des feedback-Gebers weiterzugeben und darum bitten, das doch bitte dort zu erfragen, das würde mir richtig Zeit sparen und für die professionellen feedback-Geber hätte man jede Menge neue Jobs geschaffen. Ich finde, das ist eine winwin Situation.
Was Datenlieferungen für Umfragen und Statistiken angeht, erinnere ich mich immer noch an die Volkszählung Anfang der 80er. Einerseits wurde ein Höllenwirbel um diese Volkszählung wegen Datenschutz und was weiß ich gemacht, andererseits musste aber jeder teilnehmen, sonst gab es Bußgeld. Ich habe damals in einem Steuerbüro gearbeitet, das sehr viele Kioske und Imbissbuden als Mandanten hatte, die traditionell alle griechisch oder türkisch waren. Für die Inhaber dieser Läden war ich der einzige Kontakt "zum deutschen Staat", dem sie vertrauten und mit dem sie regelmäßig Kontakt hatten. Also habe ich für alle Mandanten die Volkszählungsbögen ausgefüllt, da sie davon komplett überfordert waren. Für ein paar Nachbarn und Bekannte habe ich dann auch noch die Bögen ausgefüllt, ich war ja grad einmal dabei. Da es letztlich alles absolut anonym ablief und nur kontrollierte wurde, ob der jeweilige Haushalt überhaupt einen Bogen abgab, war es völlig wurscht, was man dann anschließend in diesen Fragebögen ankreuzte und eintrug. Und da ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte, dass ich der einzige Mensch war, der diese Bögen im willkürlichen Massenverfahren ausfüllte, habe ich die Ergebnisse dieser Volkszählung auch entsprechend grinsend kritisch gesehen.
Dann war ich auch irgendwann mal eine Zeitlang Datenlieferant für die GfK. Da habe ich mich bereit erklärt, an einem Programm teilzunehmen, bei dem ich täglich bzw. monatlich alle meine Einkäufe in ein umfangreich gegliedertes Formular eintrug und dabei angeben musste, was ich gekauft habe, wo und zu welchem Preis. Für alle Einkäufe von Lebensmittel über Klamotten bis zu Urlaub und Auto. Diese Einkaufslisten wurden monatlich an die GfK geschickt und als Dankeschön bekam ich irgendwelche Geschenke. (Handtücher, Geschirr, Gläser etc.) Bereits im ersten Monat habe ich bemerkt, wie viel Arbeit das ist, wenn man das wahrheitsgemäß einträgt, also habe ich mir sehr schnell meine eigene, sehr überschaubare Einkaufshistorie (einmal wöchentlich und fast immer das gleiche)ausgedacht und den Rest mit "zum Essen eingeladen" etc. aufgefüllt. Da ich mich für ein ganzes Jahr "verpflichtet" hatte, erschien mir das als die einfachste Methode, um Stress wegen einer vorzeitigen Kündigung zu vermeiden.
Was mich sehr interessieren würde, ist die Frage, ob es Menschen gibt, die diese umfangreichen Fragebögen wirklich korrekt ausfüllen? Ich bin eigentlich sehr sicher, dass das nicht viele sein können, denn warum sollte man es tun? Vielleicht noch die ersten 3-4 Fragen, aber dann verlässt einen doch die Lust und man will nur noch fertig werden damit.
Dass jetzt bekannt wird, dass die Interviewer sich ihre Antworten selber ausdenken, weil sie niemanden mehr finden, der ihnen freiwillig Antworten gibt, halte ich nur für eine konsequente Fortführung meiner Reaktion und das Ergebnis ist im Grunde ja auch nicht anders. Lustig finde ich halt nur, dass das erst jetzt auffällt und nicht schon vor 30 Jahren
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mark793,
Freitag, 2. Februar 2018, 20:41
Als jemand, der beruflich da und dort mit Marktforschern zu tun hatte, bin ich nicht vor Überraschung umgefallen beim Lesen der Spiegel-Meldung. Bei den wenigen Gelegenheiten, wo ich in Umfragen hineingeraten bin (wie zum Beispiel die Radio-Mediaanalyse) habe ich allerdings halbwegs wahrheitsgemäß geantwortet. Ich hatte zu Studizeiten selber für die Forschungsgruppe Wahlen telefoniert (Wahlumfragen, Politbarometer, ZDF-Zuschauerforschung), und da wäre es ein absoluter No-Go gewesen, irgendwas an den Antworten und Rohdaten rumzufrisieren. Freilich ist die Qualität der Wahlforschung auch etwas transparenter als die MaFo, deren Ergebnisse sich ja nicht am tatsächlichen Wahlverhalten messen lassen müssen.
fritz_,
Samstag, 3. Februar 2018, 21:16
Wie konnte das nur passieren (fefe-Tonfall)? Der Auftragnehmer, allem Anschein nach noch nicht weiter aufgefallen, gilt als seriös, kassiert pro Fall die Summe x. Er selbst tut nichts, außer Subunternehmer anzuheuern, die pro Fall x/4 einstreichen. Der Sub lässt Freie antanzen, die x/8 erhalten.
In dem Beispiel, das ich irgendwo las, ging es um knapp 50 Fragen. Wie lange dauert es, einen Fragebogen dieser Länge abzuarbeiten und wie viele Leute muss man anrufen, bis der erste bereit ist, sich das anzuhören? Für einen beantworteten Datensatz machte der Auftraggeber glaub ich 10 Euro locker.
Was kann da schon schiefgehen?
In dem Beispiel, das ich irgendwo las, ging es um knapp 50 Fragen. Wie lange dauert es, einen Fragebogen dieser Länge abzuarbeiten und wie viele Leute muss man anrufen, bis der erste bereit ist, sich das anzuhören? Für einen beantworteten Datensatz machte der Auftraggeber glaub ich 10 Euro locker.
Was kann da schon schiefgehen?
anje,
Samstag, 3. Februar 2018, 23:20
Es ist wirklich erstaunlich, dass das jetzt schon jemandem aufgefallen ist, dass die beteiligten Menschen ganz normal menschlich reagiert haben.
Bei der immer mehr gewachsenen Umfragegläubigkeit, die sich in den letzten Jahren etabliert hat, hätte das auch noch gut 10 Jahre länger gut gehen können, dass sich die Menschen am untersten Ende der Nahrungskette ihr Futter einfach selber ausdenken.
Bei der immer mehr gewachsenen Umfragegläubigkeit, die sich in den letzten Jahren etabliert hat, hätte das auch noch gut 10 Jahre länger gut gehen können, dass sich die Menschen am untersten Ende der Nahrungskette ihr Futter einfach selber ausdenken.