anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Dienstag, 14. August 2018
Erster Montag seit vier Wochen
Heute war ja nicht nur Montag, heute war mein erster Bürotag seit vier Wochen. Interessanterweise war es längst nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte. Im Gegenteil, es war eigentlich sogar ganz nett. K sagt zwar immer „ganz nett“ ist die kleine Schwester von „Scheiße“, aber in Summe war es wirklich völlig o. k., oder anders ausgedrückt, eben längst nicht so schlimm wie erwartet.
Das lag vor allem natürlich auch daran, dass kaum Menschen da waren, allein in meiner Abteilung, in der normalerweise heute neun Leute hätten anwesend sein sollen, waren nur drei da (mich eingeschlossen) alle anderen waren entweder krank oder haben Urlaub.
Wenn man so ganz in Ruhe gelassen, langsam und friedlich wieder reinkommen kann und nicht im fünf Minutentakt jemand auf der Matte steht und irgendetwas von einem will, sich über irgendetwas beschwert, irgendetwas nicht verstanden hat, für irgendetwas eine Einweisung braucht, dann ist arbeiten gar nicht so schlimm.
Und gefühlt habe ich sogar eine Menge geschafft, zumindest alle dringenden Sachen, die unbedingt heute fristgebunden erledigt werden mussten, sind auch tatsächlich rausgegangen.
Ich habe ein sehr konstruktives Telefongespräch mit dem Finanzamt geführt (manchmal trifft man da echt auf nette Leute) und ein anderes, sehr nettes Telefongespräch mit einem neuen Kollegen in unserer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, es ist toll, wenn man neue Kollegen kennen lernt, mit denen man sofort einen Draht hat.
Heute Abend habe ich im Fernsehen dann einen Film in der ARD gesehen, Monsieur Claude und seine Töchter, und war ganz fasziniert von der Leichtigkeit, mit der dieser Film die Absurdität des verallgemeinernden Integrationsanspruchs aufgezeigt hat.
Mittlerweile macht mich diese immer wieder wiederholte Forderung nach Integration bzw. die umgekehrte Beschwerde, über existenten Rassismus=Ausgrenzung von anderen nur noch böse.
Wenn ich mir diese Mengen an #metwo Beiträgen ansehe, möchte ich nur noch auswandern. Dorthin, wo es keine Menschen gibt, wo deshalb niemand sich darüber beklagen kann, dass er ausgegrenzt wird.
Denn nur wer ganz alleine lebt ist wirklich frei und muss sich keine Sorgen machen, dass er von irgendjemandem angefeindet wird, weil er anders ist.

Mich macht das deshalb so böse, weil ich mein Leben lang schon immer anders war und weil ich oft genug ausgegrenzt wurde und regelmäßig das Gefühl hatte, nicht dazuzugehören, aber weil ich natürlich ein weißes Mädchen bin, nennt sich das nicht Rassismus der anderen, sondern ich habe Probleme, mich sozial anzupassen.
Merkste selber, nich?
Hätte ich irgendwie einen ausländischen Hintergrund, könnte ich vollständig problemlos permanent die große #metwo Integrationskeule schwingen, habe ich aber nicht und deswegen bin ich selber schuld. Beziehungsweise ich jammere vor allem deshalb nicht, weil ich ja auch denke, es ist mein Problem.
Und weil ich denke, dass man einfach damit leben muss, dass man nicht überall sofort mit offenen Armen aufgenommen wird, wenn man neu in eine Gruppe kommt. Das ist einfach ein ganz normales menschliches Verhalten.
Der Film, den ich heute Abend gesehen habe, der hat mir deshalb so gut gefallen, weil er so deutlich machte, dass jeder Mensch "rassistische" Grundveranlagungen hat, denn jeder hat ja ein Menschenbild, das von ihm und seiner eigenen Person als "positivem Normalzustand" ausgeht.
Außerdem ist niemand pauschal daran interessiert, Fremde in seine eigene Gruppe zu lassen. Vor allem keine Fremden, die sich aufdrängen, die anstrengend sind oder gar Besserwisser. Das war jetzt kein Thema des Films, aber das halte ich für eine ganz normale Erkenntnis über den menschlichen Charakter. Denn im Grunde sind doch die allermeisten Menschen zunächst mal an ihrem eigenen Wohlergehen interessiert, und in meinem minikleinen subjektiven Mikrokosmos habe ich bisher ja sehr gut gelebt, jetzt kommt ein Fremder von außen - na, ist doch klar, dass der eine potentielle Gefahr darstellt, weil er mir etwas wegnehmen könnte. Freunde, Bequemlichkeit, Ansehen, was man halt so braucht, um zufrieden durchs Leben zu kommen.

Als Kind konnte ich nicht in den katholischen Kindergarten gehen, da ich evangelisch war, die wollten keine Ketzer, heute hieße das Rassismus und würde mit bösen #Hashtags angeprangert.

Auf Borkum dagegen bin ich weitestgehend akzeptiert, weil meine Vorfahren von der Insel stammen. Dort mag man allerdings erst recht keine Fremden, und schon Leute, die aus Emden kommen, sind ja keine echten Insulaner, und werden deshalb ausgegrenzt. Das ist dort schon immer so gewesen, und ist auch heute noch so, ich habe schon immer ein bisschen darüber gegrinst, wenn man zB über Familie XY redete und dann hieß es: Ja, aber die Erna, die ist ja nicht von hier, die kommt irgendwo vom Festland. Zu dem Zeitpunkt war Erna dann 85 Jahre alt, mit 20 Jahren auf die Insel gekommen und hatte dort geheiratet. Würde Erna einen Twitteraccount haben, könnte sie sich schrecklich darüber beschweren, dass sie auch nach 65 Jahren noch nicht dazugehört. Oder gilt das nicht?
Darf man zwar Deutsche vom Festland problemlos ausgrenzen, aber ausländische Flüchtlinge müssen zwingend integriert werden, weil sich das so gehört?
Und ja kein falsches Wort sagen, sonst hat schon wieder eine arme, unschuldige Seele ein Trauma fürs Leben, weshalb ja dieser #metwo-Hashtag so wichtig ist, weil man endlich mal drüber reden kann?

Und was ist mit all den anderen Leuten, die nicht wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft oder ihres Geschlechtes oder ihrer sexuellen Vorlieben oder ihrer Behinderung (ich glaube, jetzt habe ich die meisten, die sich bisher mit Hashtag beschwert haben, oder?) ausgegrenzt werden? Was ist mit den Rothaarigen oder den Krussellockigen oder den zu Dicken oder zu Dünnen oder denen, die nicht hübsch genug sind oder seltsame Eltern hatten oder einfach nur zu wenig Geld haben? Es gibt ganz bestimmt 82,5 Millionen Gründe Menschen in Deutschland auszugrenzen - nämlich für jeden Bewohner mindestens einen und natürlich ist das nicht nett und für den jeweils Betroffenen mal gleich gar nicht, aber wenn die öffentliche Beschwerderitis in diesem Tempo weitergeht, dann muss man sich nicht wundern, wenn sich ganz normale 08/15 Durchschnittsmenschen intellektuelle Alternativen suchen. Denn grade diejenigen, die andere ausgrenzen, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit selber auch ausgegrenzt, von nix kommt nix.

Der Film im Ersten hat mir heute so gut gefallen, weil er so deutlich zeigte, dass natürlich auch all die Gruppen von Menschen, die man klischeemäßig besonders gut ausgrenzen kann, ihrerseits wiederum die Masse der "anderen" Bevölkerung ausgrenzt.

Und ich frage mich dann immer, warum darf man das nicht? Was ist so schrecklich verkehrt daran, manche Menschen einfach nicht zu mögen und zu sagen: nein, mit dir möchte ich einfach nichts zu tun haben.

Je mehr wir mangelnde Integration vor allem auf der sprachlichen Ebene anprangern, umso mehr wird sie wahrscheinlich schon aus Trotz ausgelebt, ich merke es ja bei mir selber.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als Kind mal ganz alleine in Wald gegangen bin, um dort ungehemmt und vor allem ungestört und unverboten stundenlang alle umstehenden Bäume auf das sprachlich gröbste zu beleidigen. "ScheißeScheißeScheiße" - dreimal ganz schnell und ganz laut gebrüllt - tolles Gefühl.
Und neulich habe ich mich dabei ertappt, wie ich dachte, ich könnte doch mal wieder "Neger" sagen, besser noch "NegerNegerNeger" - einfach nur so, weil es verboten ist
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