anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Mittwoch, 6. September 2023
Arbeit
Ich habe heute immer wieder über das Thema "Arbeit" nachgedacht.
Eigentlich wollte ich gar nicht über irgendetwas nachdenken, aber so wie musikalische Ohrwürmer gibt es offensichtlich auch theoretische Themenwürmer, die sich ungefragt im Kopf breit machen und einen immerzu anstupsen, damit man sich mit ihnen beschäftigt.

Arbeit - was genau ist das eigentlich? Was macht ein Mensch, wenn er nicht arbeitet? Zeittotschlagen?
Gilt Arbeit = Pflicht und Zeittotschlagen = freiwillig ?
Aber was ist dann mit dem Erfüllen privater Bedürfnisse. Viele davon sind weder freiwillig noch Pflicht, sondern einfach nur notwendig.
Wer oder was entscheidet, was notwendig ist und was nicht?
Wann wird eine Beschäftigung zur Arbeit und wann ist es freiwilliges Zeittotschlagen?

Muss Arbeit mühselig sein? Oder darf Arbeit auch Spaß machen?
"Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht" - arbeitet man dann noch?
Was ist mit all den Schauspielern und Promis, die immer hochbegeistert von ihrem neuen Film oder Projekt oder was erzählen und dabei grundsätzlich ausdrücklich betonen, wie viel Spaß es gemacht hat. Irgendwie habe ich dann immer ein Störgefühl, wenn sie von ihrer "Arbeit" reden.

Ist alles, für das man bezahlt/entlohnt wird automatisch Arbeit?
Oder kann auch das Geld, was man für bestimmte Tätigkeiten bekommt, nur ein angenehmes add on sein, was man mitnimmt, was aber nicht der eigentliche Grund ist, weshalb man die entsprechende Tätigkeit getan hat?

Der Begriff der Arbeit kann außerdem schon deshalb nicht nur über die Entlohnung definiert werden, weil auch Menschen, die für ihre Arbeit nicht entlohnt werden, arbeiten, zumindest ist das bei Hausarbeit und Carearbeit so.

Was ist mit Gartenarbeit?
Was ist mit Künstlern im Unterschied zu Hobbykünstlern?
Was ist mit Profisportlern?

Mir schwirrt ein Satz aus der Kurzbeschreibung zu Uta Ruges Buch "Bauern, Land" durch den Kopf. Dort steht:
"Sie erzählt von harter Arbeit und Abhängigkeit, von der Besiedelung des Moors, von Entwässerung und den Zumutungen der Obrigkeit und der Bürokratie, von Armut und Auswanderung. Aber auch davon, wie man sich gegenseitig unterstützt und hilft und zusammen feiert, von dem Eifer der kleinen Kinder, die den Eltern zur Hand gehen und lernen, dass gegen Arbeit nichts hilft, außer sie zu tun."

Eine Arbeit, gegen die nichts hilft außer sie zu erledigen, ich glaube, das ist eine Sorte Arbeit, die den Begriff wirklich verdient.
Nur leider ist diese Art von Arbeit selten geworden.

Wir neigen dazu, einen Job anzunehmen, um Geld zu verdienen, mit dem wir unseren Alltag finanzieren.
Das nennen wir dann Arbeit. Ob dieser Job sinnvoll oder nützlich ist, wird in vielen Fällen nicht mehr hinterfragt.

Für viele Kinder ist "die Arbeit" ihrer Eltern irgendetwas, dass die Eltern jeder für sich erledigen und bei der die Kinder nicht helfen können, sondern höchstens stören.
Die Kinder nehmen Arbeit schon früh als etwas Unangenehmes wahr, und vor allem fehlt ihnen oft das Verständnis, warum die Eltern das tun. "Geld verdienen" ist als Begründung nicht nur sehr abstrakt, sondern im Erleben der Kinder gibt es dazu auch keinen 1:1 Bezug, denn magischerweise ist auch Geld da, wenn die Eltern nicht arbeiten.

Kinder lernen also, dass das mit der Arbeit alles nicht so wichtig ist (zumindest nicht so wichtig wie ein Bauernkind die Arbeit kennenlernt) und vor allem lernen sie, dass jeder seine Arbeit selber erledigt und wenn jemand mal nicht arbeiten kann, weil er krank oder schlapp oder lustlos ist, nun, dann arbeitet er eben nicht, ist ja zum Glück nicht so schlimm.
Wirklich wundern muss man sich dann weder über ein Abnehmen der Arbeitsmoral noch über ein Zunehmen der offenen Erwartung an mehr "work-life-balance".

Ich glaube, in vielen Fällen ist das, was die Menschen da "Arbeit" nennen nur gut bezahltes Zeittotschlagen, denn grade die Jobs, die in unserer Gesellschaft in den höheren Gehaltskategorien angesiedelt sind, sind oft typische Bullshit Job. Jobs, die streng genommen keine wirkliche Existenzberechtigung haben, schon gar nicht, wenn man die Existenzberechtigung in Abhängigkeit zur Bezahlung sieht.

"Bullshit Jobs" unterscheiden sich von "Shit Jobs" vor allem durch ihre Sinnlosigkeit und ihre gute Bezahlung.
Ich empfinde meinen Job absolut als Bullshit Job und zwar aus der Kategorie Flickschusterei. Ich löse ständig Probleme, die es eigentlich nicht geben sollte, wenn das System (und die Menschen darin) vernünftig funktionieren würden.

Als besonders überflüssig empfinde ich einen Großteil unserer allgemeinen Verwaltungsjobs.
Hier hoffe ich sehr, dass vor allem die komplett nutzlosen Verwaltungsjobs im Bereich der Kästchenankreuzer und Arbeitsverteiler künftig in Mengen durch irgendeine Art von Computer mit einer sinnvollen KI-Software erledigt werden.
Meiner Meinung nach kann man große Teile der öffentlichen Verwaltung, 80% der Juristen und die meisten Bänker einfach durch Computer ersetzen. Die machen den Job besser, zuverlässiger und vor allem deutlich preiswerter. (Steuerberater finde ich auch überflüssig, aber das sagte ich ja schon.)

Wenn man jetzt einen Job erledigt, den man selber als ziemlich sinnlos empfindet, ist das dann Arbeit - oder nicht eher nur eine bequeme Methode zum Geldverdienen? Doch wie nennt man das dann?

Ich habe lange darüber nachgedacht und bin auf immer mehr Fragen gestoßen, Antworten habe ich dazu allerdings nicht
.
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