anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Montag, 20. November 2023
Alternierendes Gendern
Nach dem ich jetzt fünf Minuten den leeren Bildschirm angestarrt habe, weil mir einfach nichts einfällt, was ich außer dem üblichen Montagsgejammer schreiben könnte, verlinke ich kurz den letzten Postillon-Witz, den mir meine Tochter zugeschickt hat, weil ich darüber sehr gegrinst habe.

"Geld ohne Arbeit setzt völlig falsche Anreize" – Union will offenbar Aktiendividenden, Erbschaften und Mieteinnahmen verbieten"

So, nach dem ich mich jetzt ein bisschen warmgebloggt habe, wird mein Denken nicht mehr ausschließlich von der Montagsjammerei beherrscht und mir fällt ein, dass ich noch etwas zu dem vorgestern verlinkten Linguistik-Artikel sagen wollte, nämlich dass ich das erste Mal einen Text gelesen habe, in dem nicht offensiv gegendert wurde, sondern abwechselnd. Der Autor beschreibt in seinem Text an verschiedenen Stellen das Verhalten von irgendwelchen Teilnehmern oder sonstigen Personen und die sind bei ihm dann im ersten Satz weiblich, im zweiten männlich, dann wieder weiblich usw. Er verwendet sowohl das generische Maskulin als auch das generische Feminin und das immer hübsch abwechselnd.

Ich habe das erst auf der dritten oder vierten Seite begriffen, dass da ein System hinter liegt, bis dahin hatte ich nur das latente Gefühl, das ich halt ein bisschen dämlich bin, weil es mir nicht gelang, einen roten Faden in das Geschlecht seiner Testpersonen zu bringen, weil mein Hirn ständig darüber stolperte, dass das Geschlecht der beschriebenen Personen irgendwie nicht zu bestimmen war.

Ich meine, unter dem Prinzip der Stolpersteine ist diese Gendermethode sicherlich die effektivste, weil man ja nicht locker flockig drüber weglesen kann, so wie ich das bei allen Sternchen- oder Doppelpunkt-Gendereien mache und wenn jemand durchgängig das generische Feminin verwendet, dann bin ich auch ruckzuck dran gewöhnt und nehme es überhaupt nicht mehr wahr, aber dieses ständige rechts-links, das machte mich zugegebenermaßen wirklich etwas konfus.

Ich entwickelte während des Lesens das immer stärker werdende Bedürfnis, diesen Text erst einmal ordentlich zu formatieren, bevor ich mich weiter mit dem Inhalt beschäftige. Ich kenne dieses Bedürfnis sonst nur von Excel-Tabellen, da passiert mir das allerdings fast regelmäßig, dass ich erstmal alle Zahlen in der Tabelle in ein einheitliches Format bringen muss (also . an den Tausenderstellen und je nach Tabelle eine entsprechend einheitliche Menge an Stellen hinter dem Komma), bevor ich mental in der Lage bin, mich mit dem Inhalt der Tabelle zu beschäftigen.

Genau dieses Gefühl hatte ich nun das erste Mal bei einem Text aus Worten - und ich muss zugeben, es hat mich fasziniert.

Da ich meine Meinung zum Thema Gendern aber erstens schon ausführlich dargelegt und zweitens damit inzwischen auch soweit abgeschlossen habe, dass ich es normalerweise schon gar nicht mehr wahrnehme, wenn von Mitarbeitenden statt von Mitarbeitern die Rede ist (am Anfang habe ich mich ja immer noch aufgeregt und gesagt, dass Mitarbeitende eindeutig den Eindruck erweckt, die wären auch alle aktiv mit Mitarbeit beschäftigt, was ich in der Form ganz sicher nicht von allen Mitarbeitern sagen könne),wie gesagt, eigentlich rege ich mich schon lange nicht mehr auf, sondern nehme es hin wie Regen im November oder Weckerklingeln am Morgen - lästig, überflüssig, aber nicht zu vermeiden. Kannste nicht ändern, musste mit leben.
Aber diese alternierende Formwechselei, die hat dann schon noch mal eine andere Qualität, das ist kein Regen im November, das ist richtig fieser Hagel - und dem muss man sich doch wirklich nicht ohne Not aussetzen, oder?

So toll ich den Artikel ansonsten wegen der wunderbaren Wörter fand, die dort im Überfluss zu finden sind, so ätzend fand ich ihn gleichzeitig auch wegen dieser nichtpackbaren Unentschlossenheit.
Grundsätzlich ist es mir doch völlig wurscht, ob jemand lieber Männlein oder lieber Weiblein sein möchte und wahlweise mit er, sie oder es anzusprechen ist, darf jeder frei entscheiden, aber ich finde, er sollte sich dann auch entscheiden und nicht alle zwei Minuten mit einer neuen Entscheidung um die Ecke kommen, das ist selbst mir dann doch eine Ecke zu viel Freiheit in dieser Thematik
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