anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Samstag, 18. November 2023
Linguistik und Klinkerfund
Es ist soo schade, dass ich nicht eher die Kurve gekriegt habe, mich an den Rechner zu setzen, um den heutigen Blogeintrag zu schreiben, denn jetzt bin ich leider schon im Zustand nach 1x Bier und 2x Glühwein, was grundsätzlich keine gute Ausgangsbasis ist, für einen akzeptablen Blogtext, but I'll do my very best, um es mit James zu sagen.

Der Tag begann schon früh, weil ich den hektischen Rhythmus der vergangenen Arbeitswoche noch nicht abgelegt hatte, deshalb war ich um 6h wach, um 6.30h hatte ich K so erfolgreich wachgetriezt, dass er nachgab, aufstand und Kaffee machte.

Ich las derweil die Blogs der vergangenen Woche nach und fand bei der Kaltmamsell einen Link auf einen Artikel, den ich anschließend nur noch japsend vor Begeisterung sofort mit den Kindern im Familienchat und mit K im Bett neben mir, diesem passagenweise vorlesend, teilen musste.

Es ist eine Veröffentlichung des Linguistikprofessors Peter Auer, der in hochwissenschaftlicher Form Entstehung, Verwendung, Bedeutung und Nutzen des Diskursmarkers "genau" untersucht.
Meine sich mehrfach überschlagende Begeisterung über diesen Artikel ist nicht unbedingt dem Thema des Beitrags selber geschuldet, wenngleich ich zugebe, dass es mich spätestens mit der Aussage

Dieses Powerpoint-Genau, wie man es nennen könnte, führt bei älteren Sprechern und Sprecherinnen des Deutschen immer noch zu Irritationen, während es für jüngere völlig unproblematisch ist.

doch sehr interessierte, weil ich noch nie auf den Gedanken gekommen bin, dass diese ständige Genausagerei ein Altersding ist und jüngere Menschen es nicht ebenso albern finden wie ich.
Die eigentliche Begeisterung entstand jedoch durch die Unmenge an total geilen Imponiervokabeln, die man sich hier aneignen konnte und ich habe spontan beschlossen, dass ich den Artikel bei nächster Gelegenheit in Ruhe durcharbeite und mir dabei alle schicken Wörter einzeln rauspicke, aufschreibe und dann wie früher Latein-Vokabeln solange lerne, bis sie fließend sitzen.
Denn wie cool ist das, wenn man bei nächster Gelegenheit nicht nur über responsive Diskursmarker, sondern auch über Häsitationspartikel, deontische Infinitivkonstruktionen und epistemische Bedeutungskomponenten philosophieren kann?
Mein Westfalenmann, dem ich einen Abschnitt über den Begriff des Rezipientensignals vorlas, reagierte zunächst mit "hmmm", auf mein Kichern antwortete er aber spontan mit "Roger", was ich wiederum nur als eine sehr gute Umsetzung des Begriffs bewundern kann.

Dann schlug K vor, wir könnten nach Gescher fahren, weil er herausbekommen hatte, dass es dort einen Klinkerhersteller gibt, der unter Umständen genau den Klinker herstellt, nach dem wir seit vier Jahren (bisher erfolglos) fahnden.

Für unser neues Haus müssen wir nämlich immer noch den richtigen Klinker finden. Dass es Klinker sein soll und kein holländischer Backstein, war eine von Ks kompromisslosen Vorgaben, denn Klinker ist qualitativ einfach hochwertiger und K ist nicht bereit, bei der Qualität der verwendeten Baustoffe für dieses Haus irgendwelche Abstriche zu machen. Backsteine haben aber oft die hübschere Optik und so kam es, dass ich irgendwann aufgab und K sagte, er solle das einfach alleine aussuchen, den Klinker für meinen Geschmack gäbe es ganz offensichtlich nicht und dann wäre es mir einfach egal.

Nun kam vor kurzem eine neue Ausgabe eines münsterländischen Architekturmagazins raus, ich blätterte es durch und sah ein Haus, was ich mir sofort als sehr gutes schlechtes Beispiel für ungemein hässliche Fenster markierte und sehr grinste als K mit dem Magazin zu mir kam, um mich genau auf dieses Haus hinzuweisen. Ich habe nämlich eine sehr große Abneigung gegen bodentiefe Fenster. Ich finde, bodentiefe Fenster geben einem Haus ein sehr hässliches Gesicht. Es sieht schlechtgelaunt aus, verhärmt und bekommt eine lange Nase.
Ich verweigere auf das Entschiedenste, dass es in unserem Haus bodentiefe Fenster geben wird.
Das Haus in diesem Magazin (Seite 8-9) hat bodentiefe Fenster und ich fand es ein sehr gutes Beispiel dafür, wie hässlich das ist.

K ging es bei dem Haus aber nicht um die Fenster (da hat er schon nachgegeben und sich meiner Meinung angeschlossen, wir werden keine bodentiefen Fenster haben, sondern Panoramafenster mit tiefer Fensternische und eingebauter Sitzbank), sondern ihm war der Klinker aufgefallen und da musste ich ihm recht geben, die Klinker von dem Haus gefielen mir auch, ich hatte die nur wegen der hässlichen Fenster gar nicht wahrgenommen.

K rief deshalb die Architektin dieses Hauses an und fragte nach den Klinkern, die sagte ihm, das wären Klinker der Firma Schüring aus Gescher und deshalb wollte K heute nach Gescher fahren, weil er im Internet gesehen hatte, dass es dort eine Ziegelausstellung gibt, die man auch Samstags anschauen kann.

So kam es, dass wir heute nach Gescher fuhren und dort exakt den Klinker fanden, den wir uns beide immer schon vor unserem inneren Auge vorgestellt hatten, bisher nur nicht wussten, wo man ihn kaufen kann.

Es war so ein perfekter Volltreffer, wir konnten es beide kaum glauben. Durch Zufall lief uns dann auch noch der Eigentümer der Firma über den Weg, der sich spontan um uns und unsere Fragen kümmerte und mit uns gemeinsam herausfand, welche Art von Klinker in welcher Sortierung und welcher Größe und welcher Fugenfarbe wir brauchen und auch noch dem Baustoffhändler vor Ort sagen wird, dass der uns mal ein gutes Angebot machen soll. Besser geht es wirklich nicht.
Wir haben uns entschieden für Vischering rot-braun-bunt Fußsortierung im Reichsformat mit zementgrauen, bündigen Fugen im wilden Verband gemauert.

Als wir das alles gesehen, erfahren und entschieden hatten, waren wir total euphorisiert und K meinte, dann könnten wir jetzt noch zu Emsa fahren, da war heute nämlich der alljährliche Winter-Sonderverkauf.

Und auch das war ein voller Erfolg, es gab viereckige Dosen mit durchsichtigem Deckel und auf so etwas fahre ich ja seit neuestem total ab, ich kaufte fast alle auf, K konnte mich nur mühsam bremsen. Die Küche dazu muss noch gebaut werden, aber die Dosen für die Schubladeneinrichtung habe ich jetzt schon.

Jetzt habe ich doch noch brauchbar lange durchgehalten beim Schreiben, ich glaube, die Feuerzangenbowle war gepanscht, was insgesamt betrachtet aber nun gar nicht so schlecht sein muss
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