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Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Sonntag, 15. Januar 2023
Zur See von Dörte Hansen
Ich mochte das Buch "Altes Land" von Dörte Hansen schon sehr, "Mittagsstunde" gefiel mir fast noch besser, deshalb war ich natürlich neugierig auf das neue Buch, was letztes Jahr im September erschienen ist.
Die beiden anderen Bücher habe ich nicht gelesen, sondern als Hörbücher, gelesen von Hannelore Hoger, gehört und war sowohl von Sprache und Inhalt der Bücher als auch von der Art des Vortrags sehr angetan. Beide Bücher spielen im Norden, aber auf dem Festland.

Ich habe im Norden noch nie auf dem Festland gelebt, ich kenne das Rheinland, Teile von Westfalen und eine Insel. Vom Festland im Norden habe ich nur so eine ungefähre Vorstellung, man hat Bilder im Kopf und das, was Dörte Hansen in ihren beiden vorherigen Büchern beschrieb, das passte sehr gut zu den Bildern in meinem Kopf.


Das neue Buch "Zur See" handelt diesmal von Menschen auf einer Insel in der Nordsee. Es ist eine fiktive Insel, es ist aber definitiv eine nordfriesische Insel, denn es kommt Walfang vor und den gab es nur auf den nord- und westfriesischen Inseln und auf Borkum - und auf Borkum spielt das Buch ganz eindeutig nicht und die westfriesischen Inseln liegen in Holland.

Die Hörbuchfassung wird diesmal von Nina Hoss gelesen und ich war unsicher, ob mir das gefallen wird, deshalb habe ich es mir noch nicht gekauft, aber ich war natürlich ungemein neugierig auf dieses Buch.

Dann fand ich diesen (klick) Beitrag auf NDR-Kultur - und jetzt weiß ich, dass ich mir das Buch nicht kaufen werde. Weder als Buch noch als Hörbuch, denn es passt ganz eindeutig nicht zu den Bildern in meinem Kopf und ich möchte das gute Gefühl, das mir die beiden anderen Bücher gegeben haben, nicht dadurch anknacksen, dass ich mir jetzt ein Buch von Dörte Hansen anhöre, was sich für mich komplett falsch anfühlt bzw. zu dem ich keinen Zugang finde.

Von den Menschen und dem Leben auf einer Insel habe ich naturgemäß sehr gute Vorstellungen, nicht nur, weil meine Familie auf einer Insel lebt und ich schon dadurch meine ganz persönlichen Erfahrungen gemacht habe, sondern weil mein Vater auch noch selbst ernannter Nordseeforscher war.
Er hat mehrere (Fach)Bücher herausgegeben, ist mit eigenen Dia-Vorträgen viele Jahre durch die Gegend getingelt und hat den Leuten etwas über die Inseln, die Natur im Wattenmeer, Walfang, Sturmflut und Seenotrettung erzählt und ich war hundertfach dabei, weil er immer eine Hilfskraft brauchte, die die Diamagazine wechselte, die Technik war damals so.

Ich war nicht nur bei den Vorträgen dabei, sondern auch bei seinen "Expeditionen". Ich habe jede der ostfriesischen Inseln einmal zu Fuß angelaufen (bis auf Borkum, die kann man nicht zu Fuß erreichen und auf Lütje Hörn ist das Betreten verboten), ich war auf allen Halligen und habe einige Urlaube dort verbracht, ich kenne Sylt, Amrum, Föhr und Pellworm und alle westfriesischen Inseln und ich habe ihn mehrfach zum Sterntreffen der Friesen begleitet, das alle drei Jahre auf Helgoland stattfindet.

Ich kenne die Geschichte der Inseln und ihre Traditionen, ich kenne viele ihrer Bewohner, ich verstehe ihre Sprache* und ich bin ihnen nicht als Badegast begegnet, sondern als Insulaner.
*nur die der Ost- und Westfriesen, die sprechen nämlich Plattdeutsch, die Nordfriesen sprechen Friesisch, und das ist mir genauso fremd wie Dänisch oder Schwedisch

Aus all diesen Erlebnissen, Informationen und Zusammenhängen hat sich bei mir natürlich ein Bild von Inselbewohnern geformt, das wahrscheinlich komplett anders ist als das, was ein Festländer sich so vorstellt - und vor allem weiß ich, dass die Nordfriesen noch mal komplett anders sind als die Ostfriesen.
Und deshalb weiß ich, dass das Buch ganz sicher nicht auf Borkum spielt und überhaupt sind mir die Charaktere, so wie ich sie in den kurzen Ausschnitten, die Dörte Hansen selber vorgelesen hat, kennengelernt habe, komplett fremd.
Für mich sind das einfach willkürlich irgendwelche Menschen, vielleicht leben die auf den Färöer Inseln, das mag sein, die kenne ich nicht, aber ich habe keinen Bezug zu ihnen und ich kann mich nicht in sie reindenken.

Ich bin sehr sicher, dass ein Mensch, der die Inseln und ihre Bewohner nur aus der Perspektive des Badegastes kennt, sich völlig problemlos in die Figuren des Buches reinfühlen kann, denn die Badegäste sind ungemein passend beschrieben, darin erkennen sich wahrscheinlich alle sofort wieder, Badegäste unterscheiden sich offenbar untereinander deutlich weniger als die Inselbewohner von Ost- und Nordfriesland.
Wenn man sich wiedererkennt, dann kann man sich auch leicht vorstellen, dass der Rest der Figuren ebenfalls passt, denn dass die Insulaner anders sind als ein Badegast, das ist jedem klar.

Ich glaube also, dass das neue Buch von Dörte Hansen sicherlich so gut ist wie die vorherigen beiden, nur ich werde dieses jetzt mal auslassen und auf das nächste warten
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