Freitag, 31. Juli 2020
Immerhin konnte ich schlafen
anje, 00:25h
Wirklich dankbar bin ich für eine sehr seltsame Marotte meines Körpers: Wenn Dinge (zu) schmerzhaft werden, fährt er die Körperfunktionen kurzerhand auf Winterschlaf herunter, was zwar einerseits bedeutet, dass meine Außenwelt mich dann als sehr seltsam wahrnimmt, was aber andererseits auch bedeutet, dass ich wenigstens kein Problem mit Schlafen habe.
Kurz gesagt funktioniert das bei mir so: Je Schmerz, desto Schlaf. Und ich bin sehr zufrieden damit.
Das erste Mal mit Bewusstsein bemerkt wurde diese ungewöhnliche Körperreaktion bei der Geburt des ersten Kindes. Ich wurde morgens gegen 4h mit einem seltsamen Ziehen im Bauch wach. Beim ersten Kind und wenn es auch noch mehr als zwei Wochen vor dem Termin laut Kalender ist, reagiert man als Frau noch nicht besonders alarmiert, mir war aber immerhin komisch genug als dass mir nach einem ausgiebigen heißen Bad in der Wanne war. Das ließ ich mir einlaufen, legte mich in das ziemlich heiße Wasser und stellte nach 15 Minuten fest, es wird nicht besser, sondern schlimmer. Es wurde so schlimm, dass ich fand, das ist nicht mehr zu ertragen, also kletterte ich aus der Wanne (in der im übrigen die Fruchtblase geplatzt war, was man aber in der Wanne nun mal so gar nicht bemerkt), trocknete mich grob ab und kroch wieder in mein Wasserbett, wo mich mein Körper umgehend in den Winterschlaf versetzte. Ich habe nur so eine zerfetzte Erinnerung an Wehen, aber nach allem, was ich weiß, muss das schon bannig weh tun.
Ich lag also wieder im Bett und hätte mich dort auch nicht mehr rausbewegt, wenn der Kindsvater nicht durch mein Gehampel aufgemacht wäre und plötzlich Panik schob. Er sah, dass unter mir alles nass war (die Fruchtblase lief fröhlich weiter aus) und meinte, wir müssten jetzt sofort und umgehend ins Krankenhaus.
Ich antwortete nicht, bei mir hatte sich der Körper für "Augen zu" entschieden und Reden war mir auch nicht mehr möglich, obwohl ich gleichzeitig wach genug war, um mitzubekommen, was um mich herum passierte, aber mein Hirn sagte mir, dass ich wahrscheinlich sowieso sterben werde, weil, solche Schmerzen kann man nicht überleben, also lohnt es sich jetzt auch nicht mehr, noch mit anderen zu kommunizieren oder nett zu sein.
Dem Kindsvater (also CW) gelang es dann aber doch, mich soweit in Gang zu setzen, dass ich mich immerhin irgendwie anzog und dann auf dem Po die Treppe runterrutschte, weil, aufrecht gehen war mir nicht mehr möglich.
Ein Taxi (der Klassiker: natürlich sprang CWs Auto grade jetzt nicht an) brachte uns Sonntags morgens um 5h ins nächste Krankenhaus, ich saß hinten und hatte mich in mir selber zusammengerollt. Vorm Krankenhaus angekommen zog mich CW irgendwie aus dem Auto, der Taxifahrer erkundigte sich noch mitfühlend: "Ist es sehr schlimm? Der Blinddarm?" weil ich wohl absolut nicht den Eindruck einer gebärenden Frau machte, vor allem auch, weil ich komplett stumm war.
Im Krankenhaus angekommen konnte CW all die notwendigen Fragen nicht beantworten wie "welche Krankenkasse" und "wo ist der Mutterpass" und "sind Allergien bekannt?" weil ich die Geburtsvorbereitungskurse alleine absolviert hatte, schließlich sollte ich ja das Kind bekommen und nicht der Vater. Witzigerweise war das schon vor 30 Jahren nicht mehr üblich, ich wurde deshalb bei diesen Kursen mehrfach mitfühlend gefragt, ob ich alleingebärend sei, was ich jedesmal mit: "Ja selbstverständlich. Kann man das delegieren?" beantwortete, was mir aber wohl eher keine Freunde einbrachte.
Wie auch immer, CW hatte von all dem Gedöns um die Kinderkriegerei herum keine Ahnung, wir lebten da das Modell der Arbeitsteilung, aber er war jetzt dafür zuständig, mich zu meinem letzten großen Einsatz abzuliefern - und ich ließ ihn kläglich im Stich. Statt mich wie eine ordentlich Gebärende mit Geschrei und Gestöhne und was weiß ich zu benehmen, wollte ich mich jedesmal, wenn er mich nicht aktiv aufrecht hielt, auf dem Fußboden zusammenrollen, um in meinem Winterschlaf weiterzudämmern.
Immerhin gelang es ihm, mich in einen Kreißsaal zu lotsen, dort wurde ich an eine Wehenmaschine angeschlossen, die wohl sehr hoch ausschlug, die werdende Mutter dagegen rührte sich nicht und zischte nur böse, wenn man sie anfassen wollte. Immerhin konnte CW die Frage, welche Drogen ich denn genommen habe, mit einem ausdrücklichen "Keine" beantworten, was ihm aber keiner glaubte, weil dazu benahm ich mich viel zu zugekifft.
Long story short: Um 4h war ich in die Badewanne gegangen, N ist ca. zwei Stunden später geboren, für eine Erstgebärende recht ordentlich und der zuständige Oberarzt der Station erklärte mir später, das hätte sicherlich auch daran gelegen, dass ich den Wehen vom ersten Moment an keinerlei Widerstand entgegengesetzt hätte - was ich logisch fand, denn wenn man der festen Überzeugung ist, dass man jetzt absolut sicher sowieso verstirbt, dann ist es besser, es geht schnell und man wehrt sich nicht.
In dem Moment als das Kind dann komplett aus mir rausgeflutscht war, gingen bei mir übrigens die Augen wieder auf und ich war voll da. Winterschlaf vorbei.
So ging das auch bei den folgenden Geburten und so geht es mir jedesmal, wenn der Körper meint, dass es überflüssig ist, zu große Schmerzen live zu erleben - dann schaltet er auf Notbetrieb.
Der Fuß tat heute Nacht also schon arg weh - weshalb ich einfach erst mal 10 Stunden schlief.
Um 10h rief der Arzt aus dem MVZ an und teilte mir mit, dass es sein könnte, dass da doch noch mehr kaputt ist, sie hätten leider den Mittelfuss nicht geröngt, weil die Schwellung ja zunächst nur über dem Sprunggelenk war, aber ob ich noch mal vorbeikommen möge, sie würden gerne den Rest des Fußes auch noch röntgen.
Ergebnis: Ja, hier ist ein sehr offensichtlicher Bruch im 5. Mfk, aktuell nicht disloziert, also erst mal Gipsen und gucken, wie es sich bis nächste Woche entwickelt, dann gibt es das große Kontrollröntgen. Wenn sich die Bruchspalte vergrößert, dann blöd, dann OP, sonst einfach nur Gips für länger und dann mal schauen.
Jetzt habe ich hier also einen wunderhübschen, blauweiß gestreiften, original maritimen Unterschenkelgibs, mit dem der gesamte Fuß aber auch sofort deutlich weniger weh tut, dementsprechend habe ich heute auch nicht mehr geschlafen.
Ich bin mal gespannt, wie die Nacht wird
.
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Kurz gesagt funktioniert das bei mir so: Je Schmerz, desto Schlaf. Und ich bin sehr zufrieden damit.
Das erste Mal mit Bewusstsein bemerkt wurde diese ungewöhnliche Körperreaktion bei der Geburt des ersten Kindes. Ich wurde morgens gegen 4h mit einem seltsamen Ziehen im Bauch wach. Beim ersten Kind und wenn es auch noch mehr als zwei Wochen vor dem Termin laut Kalender ist, reagiert man als Frau noch nicht besonders alarmiert, mir war aber immerhin komisch genug als dass mir nach einem ausgiebigen heißen Bad in der Wanne war. Das ließ ich mir einlaufen, legte mich in das ziemlich heiße Wasser und stellte nach 15 Minuten fest, es wird nicht besser, sondern schlimmer. Es wurde so schlimm, dass ich fand, das ist nicht mehr zu ertragen, also kletterte ich aus der Wanne (in der im übrigen die Fruchtblase geplatzt war, was man aber in der Wanne nun mal so gar nicht bemerkt), trocknete mich grob ab und kroch wieder in mein Wasserbett, wo mich mein Körper umgehend in den Winterschlaf versetzte. Ich habe nur so eine zerfetzte Erinnerung an Wehen, aber nach allem, was ich weiß, muss das schon bannig weh tun.
Ich lag also wieder im Bett und hätte mich dort auch nicht mehr rausbewegt, wenn der Kindsvater nicht durch mein Gehampel aufgemacht wäre und plötzlich Panik schob. Er sah, dass unter mir alles nass war (die Fruchtblase lief fröhlich weiter aus) und meinte, wir müssten jetzt sofort und umgehend ins Krankenhaus.
Ich antwortete nicht, bei mir hatte sich der Körper für "Augen zu" entschieden und Reden war mir auch nicht mehr möglich, obwohl ich gleichzeitig wach genug war, um mitzubekommen, was um mich herum passierte, aber mein Hirn sagte mir, dass ich wahrscheinlich sowieso sterben werde, weil, solche Schmerzen kann man nicht überleben, also lohnt es sich jetzt auch nicht mehr, noch mit anderen zu kommunizieren oder nett zu sein.
Dem Kindsvater (also CW) gelang es dann aber doch, mich soweit in Gang zu setzen, dass ich mich immerhin irgendwie anzog und dann auf dem Po die Treppe runterrutschte, weil, aufrecht gehen war mir nicht mehr möglich.
Ein Taxi (der Klassiker: natürlich sprang CWs Auto grade jetzt nicht an) brachte uns Sonntags morgens um 5h ins nächste Krankenhaus, ich saß hinten und hatte mich in mir selber zusammengerollt. Vorm Krankenhaus angekommen zog mich CW irgendwie aus dem Auto, der Taxifahrer erkundigte sich noch mitfühlend: "Ist es sehr schlimm? Der Blinddarm?" weil ich wohl absolut nicht den Eindruck einer gebärenden Frau machte, vor allem auch, weil ich komplett stumm war.
Im Krankenhaus angekommen konnte CW all die notwendigen Fragen nicht beantworten wie "welche Krankenkasse" und "wo ist der Mutterpass" und "sind Allergien bekannt?" weil ich die Geburtsvorbereitungskurse alleine absolviert hatte, schließlich sollte ich ja das Kind bekommen und nicht der Vater. Witzigerweise war das schon vor 30 Jahren nicht mehr üblich, ich wurde deshalb bei diesen Kursen mehrfach mitfühlend gefragt, ob ich alleingebärend sei, was ich jedesmal mit: "Ja selbstverständlich. Kann man das delegieren?" beantwortete, was mir aber wohl eher keine Freunde einbrachte.
Wie auch immer, CW hatte von all dem Gedöns um die Kinderkriegerei herum keine Ahnung, wir lebten da das Modell der Arbeitsteilung, aber er war jetzt dafür zuständig, mich zu meinem letzten großen Einsatz abzuliefern - und ich ließ ihn kläglich im Stich. Statt mich wie eine ordentlich Gebärende mit Geschrei und Gestöhne und was weiß ich zu benehmen, wollte ich mich jedesmal, wenn er mich nicht aktiv aufrecht hielt, auf dem Fußboden zusammenrollen, um in meinem Winterschlaf weiterzudämmern.
Immerhin gelang es ihm, mich in einen Kreißsaal zu lotsen, dort wurde ich an eine Wehenmaschine angeschlossen, die wohl sehr hoch ausschlug, die werdende Mutter dagegen rührte sich nicht und zischte nur böse, wenn man sie anfassen wollte. Immerhin konnte CW die Frage, welche Drogen ich denn genommen habe, mit einem ausdrücklichen "Keine" beantworten, was ihm aber keiner glaubte, weil dazu benahm ich mich viel zu zugekifft.
Long story short: Um 4h war ich in die Badewanne gegangen, N ist ca. zwei Stunden später geboren, für eine Erstgebärende recht ordentlich und der zuständige Oberarzt der Station erklärte mir später, das hätte sicherlich auch daran gelegen, dass ich den Wehen vom ersten Moment an keinerlei Widerstand entgegengesetzt hätte - was ich logisch fand, denn wenn man der festen Überzeugung ist, dass man jetzt absolut sicher sowieso verstirbt, dann ist es besser, es geht schnell und man wehrt sich nicht.
In dem Moment als das Kind dann komplett aus mir rausgeflutscht war, gingen bei mir übrigens die Augen wieder auf und ich war voll da. Winterschlaf vorbei.
So ging das auch bei den folgenden Geburten und so geht es mir jedesmal, wenn der Körper meint, dass es überflüssig ist, zu große Schmerzen live zu erleben - dann schaltet er auf Notbetrieb.
Der Fuß tat heute Nacht also schon arg weh - weshalb ich einfach erst mal 10 Stunden schlief.
Um 10h rief der Arzt aus dem MVZ an und teilte mir mit, dass es sein könnte, dass da doch noch mehr kaputt ist, sie hätten leider den Mittelfuss nicht geröngt, weil die Schwellung ja zunächst nur über dem Sprunggelenk war, aber ob ich noch mal vorbeikommen möge, sie würden gerne den Rest des Fußes auch noch röntgen.
Ergebnis: Ja, hier ist ein sehr offensichtlicher Bruch im 5. Mfk, aktuell nicht disloziert, also erst mal Gipsen und gucken, wie es sich bis nächste Woche entwickelt, dann gibt es das große Kontrollröntgen. Wenn sich die Bruchspalte vergrößert, dann blöd, dann OP, sonst einfach nur Gips für länger und dann mal schauen.
Jetzt habe ich hier also einen wunderhübschen, blauweiß gestreiften, original maritimen Unterschenkelgibs, mit dem der gesamte Fuß aber auch sofort deutlich weniger weh tut, dementsprechend habe ich heute auch nicht mehr geschlafen.
Ich bin mal gespannt, wie die Nacht wird
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