Freitag, 3. Juli 2020
Ich träume nicht
anje, 00:39h
Ich bilde mir ja ein, dass ich unbedingt dieses Datensammelarmband tragen muss. Weshalb genau ich das will, kann ich eigentlich gar nicht wirklich sagen. Ich meine, wenn ich offiziell Gründe angeben müsste, dann könnte ich das natürlich schon erklären, ich weiß viele Gründe, die sich dann auch sehr seriös und sinnvoll und überhaupt insgesamt nachvollziehbar und positiv anhören, aber nur weil etwas gut klingt und sich richtig anhört, bedeutet das ja noch lange nicht, dass es auch stimmt. Es ist Teil meines Jobs Lebens ständig für allen möglichen Unsinn passende und glaubwürdige Erklärungen parat zu haben. Ich habe das sehr früh gelernt und wenn man das ein halbes Jahrhundert trainiert hat, dann ist man irgendwann auch richtig gut darin.
Mein Vater war ja studierter Pädagogiker und wusste deshalb, dass Kinder Regeln brauchen, weshalb er vorsichtshalber mal ganz viele aufstellte, viel hilft viel, so dass ich von klein auf mit einem äußerst seltsamen Strauß an Regeln, Vorschriften und Verboten konfrontiert war, mir blieb also gar nichts anderes übrig als schon zu früh zu lernen, wie man trotz dieser Blödsinnsumgebung noch ein einigermaßen nettes Leben führen kann. Die Regeln meiner Kindheit glichen in vielen Punkten den aktuellen Coronavorschirften - sie machten in ihrer Unverhandelbarkeit nur wenig Sinn, aber sie gaben meinem Vater das gute Gefühl, das maximal Mögliche getan zu haben. Und überhaupt - warum soll man was erlauben, wenn man es auch genauso gut verbieten kann?
Ich habe also früh gelernt, wie man mit Compliance umgeht: Man braucht vor allem immer eine sehr gute Begründung, warum für den einzelnen Fall grade die generelle Regel nicht gilt, denn wenn die Regel nicht gilt, dann kann man sie ja auch nicht brechen - es ist einfach nur eine Frage der Rhethorik.
Ich kann also ziemlich gut Begründungen liefern, die für den Rest der Welt total nachvollziehbar sind, nur ich selber weiß vielleicht, was ich davon frei erfunden habe und was vielleicht tatsächlich wirklich stimmt. Leider nur vielleicht, weil ich natürlich auch irgendwann beginne, meine eigenen Märchen zu glauben.
Ganz für mich selbst und ohne Begründungszwang weiß ich nicht, weshalb ich so ein Datenerhebungsgerät mit mir rumschleppe. Vielleicht aus Protest gegen all die wildgewordenen Datenschützer, die ich in den allermeisten Fällen albern finde, weil sie Leute dazu bringen wollen, ihre Haustür vorne mit siebenundzwanzig Sicherheitsschlössern zu verriegeln, während die dann hinten im Garten wüste Partys mit wildfremden Menschen feiern, die natürlich alle nicht ins Haus eingebrochen sind, sondern persönlich vom Hauseigentümer reingelassen wurden, weil es nur gute Freunde sind. Oder Freunde von Freunden, oder mit noch mehr umme Ecke - egal, auf alle Fälle ist die Haustür gut gesichert, weil, das sagen ja die Leute vom Datenschutz, das ist wichtig.
Und weil ich das meiste, was im Namen des Datenschutzes so an Umstand und Unbequemlichkeit in die Welt gesetzt wird, für nutzlos halte, mag es mein stiller Protest sein, dass ich deshalb extra viele Daten sammeln lasse, um sie dem RKI dann als Spende weiterzureichen.
Es kann aber auch eine versteckte masochistische Ader sein, dass ich es unbedingt schwarz auf weiß sehen will, dass meine Bewegungsdaten eine Katastrophe sind.
Meine aktuelle Begründung mir selber gegenüber lautet: Ich will die Schlafphasen messen, um mir selber zu beweisen, dass ich mehr schlafen sollte. Hört sich auch plausibel an.
Spannende Erkenntnis dieser gemessenen Schlafphasen ist ihre Einheitlichkeit, sie sehen nämlich sehr oft so aus:
Ich schlafe komplett ohne REM-Phase, übrigens ist das Ergebnis bei allen Datenmessgeräten, die ich bisher verwendet habe, das gleiche. Wenn eine REM-Phase vorkommt, dann ist sie so kurz, dass sie kaum nennenswert sein kann. Und ich glaube, dass ich damit immerhin eine gute Erklärung gefunden habe, weshalb ich schon seit immer sage, dass ich nicht träume. Oder zumindest nur sehr, sehr selten.
Was ich daraus sonst noch so ableiten kann, weiß ich nicht, ich fand es aber trotzdem irgendwie spannend
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Mein Vater war ja studierter Pädagogiker und wusste deshalb, dass Kinder Regeln brauchen, weshalb er vorsichtshalber mal ganz viele aufstellte, viel hilft viel, so dass ich von klein auf mit einem äußerst seltsamen Strauß an Regeln, Vorschriften und Verboten konfrontiert war, mir blieb also gar nichts anderes übrig als schon zu früh zu lernen, wie man trotz dieser Blödsinnsumgebung noch ein einigermaßen nettes Leben führen kann. Die Regeln meiner Kindheit glichen in vielen Punkten den aktuellen Coronavorschirften - sie machten in ihrer Unverhandelbarkeit nur wenig Sinn, aber sie gaben meinem Vater das gute Gefühl, das maximal Mögliche getan zu haben. Und überhaupt - warum soll man was erlauben, wenn man es auch genauso gut verbieten kann?
Ich habe also früh gelernt, wie man mit Compliance umgeht: Man braucht vor allem immer eine sehr gute Begründung, warum für den einzelnen Fall grade die generelle Regel nicht gilt, denn wenn die Regel nicht gilt, dann kann man sie ja auch nicht brechen - es ist einfach nur eine Frage der Rhethorik.
Ich kann also ziemlich gut Begründungen liefern, die für den Rest der Welt total nachvollziehbar sind, nur ich selber weiß vielleicht, was ich davon frei erfunden habe und was vielleicht tatsächlich wirklich stimmt. Leider nur vielleicht, weil ich natürlich auch irgendwann beginne, meine eigenen Märchen zu glauben.
Ganz für mich selbst und ohne Begründungszwang weiß ich nicht, weshalb ich so ein Datenerhebungsgerät mit mir rumschleppe. Vielleicht aus Protest gegen all die wildgewordenen Datenschützer, die ich in den allermeisten Fällen albern finde, weil sie Leute dazu bringen wollen, ihre Haustür vorne mit siebenundzwanzig Sicherheitsschlössern zu verriegeln, während die dann hinten im Garten wüste Partys mit wildfremden Menschen feiern, die natürlich alle nicht ins Haus eingebrochen sind, sondern persönlich vom Hauseigentümer reingelassen wurden, weil es nur gute Freunde sind. Oder Freunde von Freunden, oder mit noch mehr umme Ecke - egal, auf alle Fälle ist die Haustür gut gesichert, weil, das sagen ja die Leute vom Datenschutz, das ist wichtig.
Und weil ich das meiste, was im Namen des Datenschutzes so an Umstand und Unbequemlichkeit in die Welt gesetzt wird, für nutzlos halte, mag es mein stiller Protest sein, dass ich deshalb extra viele Daten sammeln lasse, um sie dem RKI dann als Spende weiterzureichen.
Es kann aber auch eine versteckte masochistische Ader sein, dass ich es unbedingt schwarz auf weiß sehen will, dass meine Bewegungsdaten eine Katastrophe sind.
Meine aktuelle Begründung mir selber gegenüber lautet: Ich will die Schlafphasen messen, um mir selber zu beweisen, dass ich mehr schlafen sollte. Hört sich auch plausibel an.
Spannende Erkenntnis dieser gemessenen Schlafphasen ist ihre Einheitlichkeit, sie sehen nämlich sehr oft so aus:
Ich schlafe komplett ohne REM-Phase, übrigens ist das Ergebnis bei allen Datenmessgeräten, die ich bisher verwendet habe, das gleiche. Wenn eine REM-Phase vorkommt, dann ist sie so kurz, dass sie kaum nennenswert sein kann. Und ich glaube, dass ich damit immerhin eine gute Erklärung gefunden habe, weshalb ich schon seit immer sage, dass ich nicht träume. Oder zumindest nur sehr, sehr selten.
Was ich daraus sonst noch so ableiten kann, weiß ich nicht, ich fand es aber trotzdem irgendwie spannend
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