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Montag, 8. Mai 2023
Finanzen, Frauen und Feststellungen
anje, 18:08h
Kennen Sie die OeBiX-Studie?
Das ist eine sehr spannende Untersuchung zum Stand der ökonomischen Bildung in Deutschland und die Ergebnisse sind genauso vorhersehbar wie verheerend. In elf von 16 Bundesländern liegen die Unterrichtsbedingungen für das Nebenfach Wirtschaft unter 50% der Anforderungen für ein typisches Nebenfach.
Der ökonomische Bildungsindex (OeBiX) misst nicht den tatsächlichen Kenntnisstand der Menschen, sondern die Möglichkeit im Rahmen der schulischen Ausbildung überhaupt eine ökonomische Bildung zu erlangen.
Dazu wird zum einen untersucht, wie Ökonomie überhaupt als schulisches Nebenfach angeboten und belegt werden kann. Als "normal" gleich 100% gelten 6 Pflichtstunden und 2 Wahlpflichtstunden Wirtschaft in der Sekundarstufe I, eine Belegungspflicht in der gymnasialen Oberstufe und die Möglichkeit einer Abiturprüfung auf grundlegendem und erhöhtem Niveau.
Schaut man sich nur mal als Beispiel das Stundenkontingent der Sek1 in Baden-Württemberg an (ich habe bewusst nicht als NRW als Beispiel genommen, wo es noch schlimmer aussieht) , dann versteht man sofort, was damit gemeint ist.
Für Religion sind 11 Stunden vorgesehen, für Geschichte 10, für Geographie 7 und für Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung 3.
Für Hauptfächer wie Deutsch und Mathe sind 24 Stunden eingeplant. Nur mal so zum Vergleich, damit man ein Gefühl dafür bekommt, was die KMK's der Länder für wichtig und was für weniger wichtig erachten.
Zum anderen untersucht der OeBiX die Lehrerausbildung, also ob künftige Lehrer überhaupt selber brauchbare Kenntnisse in Oekonomie vermittelt bekommen - und hier sind die Werte noch viel dramatischer als bei der Stundentafel der Unterrichtsstunden der Schüler.
Oekonomie, also Kenntnisse darüber, wie unsere Wirtschaft funktioniert, wie Banken funktionieren, wie unser Steuersystem funktioniert, wie man zu wirtschaftlichen Entscheidungen gelangt, welche Faktoren da alle zusammenspielen, wo die Unterschiede zwischen freier und sozialer Marktwirtschaft sind, welche Aufgaben der Staat in diesem Zusammenhang hat, wie sich Preise bilden, was Inflation bedeutet und wie sie entsteht, welche Mechanismen da alle zusammenspielen, ach, tausenderlei Dinge, die für mich zum ganz normalen Alltagswissen gehören, sind für die große Mehrheit der Bevölkerung nur böhmische Dörfer. Und Lehrer haben üblicherweise auch keine Ahnung davon. Es ist gruselig.
Ich habe ja bekanntlich keine gute Meinung zu unserem Bildungssystem und war Zeit meines Lebens nicht in der Lage, Schule und Lehrer ernst zu nehmen, also weder zu meinen eigenen Schulzeiten noch als Mutter von drei schulpflichtigen Kindern und ja, ich weiß, dass das von meiner Seite keine gute Voraussetzung ist für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, aber ich bin in einer fast vollständig reinen Lehrersfamilie aufgewachsen (Eltern, Großeltern und reichlich Onkel und Tanten), da konnte ich mir sehr früh sehr viele Vorurteile bilden, die sich im Laufe meines Lebens und im Umgang mit Lehrern immer wieder bestätigt haben, es ließ sich also gar nicht vermeiden.
Dass aber die Bildungspolitik in Deutschland inzwischen noch weiter hinterm Mond ist als sie es schon zu meiner Schulzeit war, das hätte ich tatsächlich nicht erwartet, wenngleich ich zugebe, ich hätte es wissen können, wenn man sich mal anschaut, welche Koryphäen regelmäßig als Kultusministerinnen in Bund und Ländern so eingesetzt werden.
Ich dachte ja, Frau Gebauer in NRW wäre noch nicht mal von Frau Lambrecht zu toppen gewesen, da hatte ich aber übersehen, dass es ja noch Frau Feller gibt, die aus ihrer komfortablen Grüßaugustposition als Regierungspräsidentin in ein Amt mit Verantwortung wechselte und dort natürlich so reüssierte, wie es alle, die ihr vorheriges Wirken kannten, vorhersehen konnten. Shit happens.
Wie auch immer und auch egal, ob das Abitur in NRW dieses Jahr schon für diejenigen als bestanden gilt, denen es gelungen ist, die Fragen erfolgreich runterzuladen, wirklich gruselig finde ich es, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte immer mehr an den Lebensnotwendigkeiten der Menschen vorbei zielen und wir uns so systematisch und vorsätzlich immer lebensuntüchtigere Menschen heranbilden.
Es mag ja sein, dass Religion für viele ein wichtiger Lebensinhalt ist und für alle, die Priester, Nonne oder etwas in der Richtung werden, wird die Religion sie auch ernähren und ihren Lebensunterhalt bezahlen, ich bezweifle aber stark, dass das für die Mehrheit der Bevölkerung wichtig ist.
Geschichte und Geographie sind sicherlich auch ganz spannende Fächer - aber alle, die keine Ahnung davon haben, gucken kurz in Wikipedia nach, wenn sie doch mal etwas aus diesem Wissensgebiet wissen möchten und fertig. Das muss heutzutage doch niemandem mehr in der Schule beigebracht werden, verdorri.
Aber wie ich ein Konto eröffne, welche Risiken es beim Onlinebanking gibt und welche nicht und wie ich mein Geld so verwalte, dass ich auch im Alter noch überleben kann, das sind doch elementare Notwendigkeiten, die wirklich jeden betreffen - die sich aber entweder nur als krudes Stammtischhalbwissen unter Kumpels verbreiten oder - ja, ich weiß gar kein oder. Es gibt dafür ja noch nicht mal Volkshochschulkurse, wo man versäumtes Wissen nachholen kann.
Es gibt übrigens auch so gut wie keine Internetseiten, die für Laien so verständlich formuliert sind, dass man ausgehend von einem Grundwissen von Null sich dort selber selbstständig informieren könnte und sich nachher mit gutem Gefühl klüger fühlt.
Denn natürlich ist das Thema komplex und besteht nicht einfach nur aus einer Aneinanderreihung von Fakten, sondern es gibt Zusammenhänge, Abhängigkeiten, Imponderabilien, Risiken, Unsicherheiten - und ganz viele Fachwörter, die man erstmal einordnen und kennen muss. Genau deswegen finde ich ja auch, dass es eine Aufgabe der öffentlichen Schulbildung sein sollte, die Menschen hier wenigstens in den lebensnotwendigen Basics so weit vorzubilden, dass sie sich anschließend je nach Neigung selber weiter informieren können.
Und ja, ich weiß, wie kompliziert es ist, das anderen Menschen zu erklären, wenn man nicht grundsätzlich auch mal gelernt hat, wie man das anderen Menschen erklärt.
Ich erinnere mich sehr gut daran, dass ich jedem meiner Kinder versuchte, das Prinzip der Umsatzsteuer zu erläutern - und es sehr ärgerlich fand, dass Sexualkunde mittlerweile ein ganz normales Unterrichtsfach ist, die Umsatzsteuer im Unterricht aber nach wie vor totgeschwiegen wird. Hier müssen die Eltern die Kinder privat aufklären - oder eben nicht, weil sie selber nicht genau wissen, was da eigentlich passiert und es ihnen peinlich ist, ihr Unwissen offenzulegen und deshalb lieber nicht darüber reden wollen. Ich habe von beiden Themen Ahnung, ich hätte es aber definitiv einfacher gefunden, das mit den Bienchen und den Blümchen zu erklären …
Meine Kinder hatten den Vorteil, dass sie in einem Haushalt aufwuchsen, wo ihren Eltern all die Hintergründe und Zusammenhänge der Oekonomie vollumfänglich vertraut waren und ich habe mir stets Mühe gegeben, ihnen die Welt der Finanzen und Märkte nicht als gefährliches Haifischbecken mit unkontrollierbaren Risiken zu vermitteln, sondern eher wie einen Swimmingpool, in dem es flachere und tiefere Stellen gibt, in dem man aber keiner unkalkulierbaren Gefahr ausgesetzt ist, wenn man schwimmen kann.
Schwimmen muss man lernen und üben, das kann man nicht als reine Trockenübung lernen, das gleiche gilt für den Umgang mit Finanzen. Als die Kinder größer wurden und begannen, selber Geld zu verdienen, habe ich, um im Bild zu bleiben, immer mehr Wasser in den Pool laufen lassen und ich gab ihnen Übungen, die sie unter meiner Aufsicht durchführen sollten. Ich stand aber am Beckenrand parat und hätte verhindert, dass sie absaufen und unnötig viel Wasser schlucken.
Ich habe dabei aber selber auch einige Dinge gelernt, die ich einerseits witzig fand, gleichzeitig aber auch deprimierend realistisch.
Dass die Welt der Finanzen überwiegend männlich geprägt und dominiert ist, ist mir zwar bewusst, da ich persönlich damit aber noch nie ein Problem hatte, habe ich noch nie weiter darüber nachgedacht, ob das vielleicht grundsätzlich ein Problem sein könnte.
Im Gegenteil, ich hielt es immer für einen persönlichen Vorteil, in einer männerdominierten Welt zu arbeiten, weil es bedeutet, dass ich entweder unterschätzt wurde (GANZ großer Vorteil) oder gefördert (wegen Frauenquote), auf alle Fälle aber oft fürsorglicher oder zumindest weniger aggressiv behandelt wurde. Ich nenne das den Blondinenjoker, von dem ich schon immer sehr gerne Gebrauch gemacht habe.
Dass es auf dem Bau mehr Männer als Frauen gibt, finde ich leicht zu verstehen, Männer sind körperlich stärker als Frauen, weshalb sie vor allem in körperlich herausfordernden Berufen besser sind.
Nimmt man die Statistik der Schulabschlüsse, gibt es für reine Gehirnleistungen keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, wenn man gezielt hinguckt, dann sagt die Statistik sogar, dass Frauen im Durchschnitt die besseren Schulnoten haben. Ich will gar nicht auf die Gründe eingehen, ich will nur festhalten, dass Männer bei Berufen, die etwas mit dem Kopf zu tun haben, keinen genetischen Vorteil haben.
Es gibt also eigentlich überhaupt keinen Grund dafür, dass sich ausgerechnet in den Bereichen Finanzen und Oekonomie deutlich mehr Männer als Frauen tummeln.
Eigentlich nicht, aber wenn man bedenkt, dass Geld, Wirtschaft, Lenkungs- und Steuerungsmethodiken usw. etwas mit Macht zu tun haben, hat man wohl die Erklärung gefunden.
Ich persönlich habe mich auch aus Machtgründen für diesen Beruf entschieden: Ich wollte Macht über mein eigenes Leben haben, ich wollte also auf keinen Fall jemals in irgendeiner Form von einem Mann abhängig sein, ich hatte da sehr gute schlechte Beispiele in der Verwandtschaft und ich habe noch nie unter mangelndem Selbstbewusstsein gelitten.
Dass ich mich sehr sicher in der Welt der Finanzen, Märkte und Oekonomien bewege, liegt an meinem Beruf und meiner Spezialausbildung.
Ganz offensichtlich ist das aber kein typisch weibliches Verhalten, denn sonst gäbe es ja keine Männerdominanz in Finanzberufen.
Wodrauf ich eigentlich hinaus wollte: Für Menschen, die sich diesen Bereich nicht bewusst als Beruf mit einer systematischen Aus- und vielen weiteren Fortbildungen erschlossen haben, ist es schwer, sich hier ein privates, Sicherheit vermittelndes Basiswissen anzueignen - denn die Männerblase der Finanzwelt tut gerne so, als wäre das Ganze doch eine Raketenwissenschaft und verbreitet mit viel pfauenradschlagender Überheblichkeit hohle Gemeinplätze der Finanzwissenschaft, die vor Imponiervokabeln nur so strotzen und auf Menschen, die sich doch nur ein kleines bisschen eigenes Basiswissen zulegen wollen, enorm abschreckend wirken.
Da sich Frauen von solch einem Verhalten eher abschrecken lassen als Männer, gibt es inzwischen spezielle Frauenkurse und Frauenwebsites, auf denen Finanzen in einer runtergekochten, vereinfachten Form erklärt werden, ein bisschen wie die Sendung mit der Maus nur heißt es hier halt nicht für Kinder, sondern für Frauen.
Ich habe mir über dieses gesamte komplexe Thema, was im Grunde auch viel mit Manspreading zu tun hat, wenig Gedanken gemacht, weil ich nie selber direkt davon betroffen war. Wenn sich neben mir ein Mann unangemessen breit macht, dann frage ich ihn meistens sehr laut und sehr öffentlich, welche Art von Minderwertigkeitskomplex er mit seinem Macho-Gehabe verbergen will und dann ist schnell Ruhe im Karton, aber eine Lösung für alle ist das auch nicht, das sehe ich ein.
Zurück zum obigen Bild, also dass ich versuche, die Kinder zu so viel Übung wie möglich beim Schwimmenlernen zu bewegen, bedeutet, dass ich nicht mehr einfach Antworten auf Finanzfragen liefere, sondern sie immer erst mal selber googeln lasse, um sich eine mögliche Antwort auf ihre Frage selber zu erschließen.
Als also N mich fragte, wie das mit den vermögensbildenden Leistungen funktioniert und was er da am besten für einen Vertrag abschließen soll, habe ich ihm gesagt, er soll sich einen ETF-Aktienfonds suchen und einen Anbieter, der entsprechend für VL-Sparen zugelassen ist und was das konkret heißt, das möge er doch bitte mal selber rausfinden.
N googelte mehrere Tage in der Gegend rum, bis er mir sehr zufrieden eine gute Lösung präsentierte und sagte, die besten Erklärungen, die, die ihm das Meiste gebracht haben, die hat er auf diesen Frauen-Finanz-Seiten gefunden, also auf Seiten wie https://www.hermoney.de/ und anderen.
Und ich finde, das ist doch alles irgendwie nur ein Armutszeugnis.
Dass die Kinder in der Schule nicht die wesentlichsten Dinge der finanziellen Selbstverwaltung lernen, weil die Lehrer selber auch keine Ahnung davon haben und dass man selbst im Netz erst den Blondinenjoker nutzen muss, um an vernünftige und verständliche Erklärungen heranzukommen - ja sacht mal, das kann doch eigentlich wirklich nicht wahr sein, oder?
?
Das ist eine sehr spannende Untersuchung zum Stand der ökonomischen Bildung in Deutschland und die Ergebnisse sind genauso vorhersehbar wie verheerend. In elf von 16 Bundesländern liegen die Unterrichtsbedingungen für das Nebenfach Wirtschaft unter 50% der Anforderungen für ein typisches Nebenfach.
Der ökonomische Bildungsindex (OeBiX) misst nicht den tatsächlichen Kenntnisstand der Menschen, sondern die Möglichkeit im Rahmen der schulischen Ausbildung überhaupt eine ökonomische Bildung zu erlangen.
Dazu wird zum einen untersucht, wie Ökonomie überhaupt als schulisches Nebenfach angeboten und belegt werden kann. Als "normal" gleich 100% gelten 6 Pflichtstunden und 2 Wahlpflichtstunden Wirtschaft in der Sekundarstufe I, eine Belegungspflicht in der gymnasialen Oberstufe und die Möglichkeit einer Abiturprüfung auf grundlegendem und erhöhtem Niveau.
Schaut man sich nur mal als Beispiel das Stundenkontingent der Sek1 in Baden-Württemberg an (ich habe bewusst nicht als NRW als Beispiel genommen, wo es noch schlimmer aussieht) , dann versteht man sofort, was damit gemeint ist.
Für Religion sind 11 Stunden vorgesehen, für Geschichte 10, für Geographie 7 und für Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung 3.
Für Hauptfächer wie Deutsch und Mathe sind 24 Stunden eingeplant. Nur mal so zum Vergleich, damit man ein Gefühl dafür bekommt, was die KMK's der Länder für wichtig und was für weniger wichtig erachten.
Zum anderen untersucht der OeBiX die Lehrerausbildung, also ob künftige Lehrer überhaupt selber brauchbare Kenntnisse in Oekonomie vermittelt bekommen - und hier sind die Werte noch viel dramatischer als bei der Stundentafel der Unterrichtsstunden der Schüler.
Oekonomie, also Kenntnisse darüber, wie unsere Wirtschaft funktioniert, wie Banken funktionieren, wie unser Steuersystem funktioniert, wie man zu wirtschaftlichen Entscheidungen gelangt, welche Faktoren da alle zusammenspielen, wo die Unterschiede zwischen freier und sozialer Marktwirtschaft sind, welche Aufgaben der Staat in diesem Zusammenhang hat, wie sich Preise bilden, was Inflation bedeutet und wie sie entsteht, welche Mechanismen da alle zusammenspielen, ach, tausenderlei Dinge, die für mich zum ganz normalen Alltagswissen gehören, sind für die große Mehrheit der Bevölkerung nur böhmische Dörfer. Und Lehrer haben üblicherweise auch keine Ahnung davon. Es ist gruselig.
Ich habe ja bekanntlich keine gute Meinung zu unserem Bildungssystem und war Zeit meines Lebens nicht in der Lage, Schule und Lehrer ernst zu nehmen, also weder zu meinen eigenen Schulzeiten noch als Mutter von drei schulpflichtigen Kindern und ja, ich weiß, dass das von meiner Seite keine gute Voraussetzung ist für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, aber ich bin in einer fast vollständig reinen Lehrersfamilie aufgewachsen (Eltern, Großeltern und reichlich Onkel und Tanten), da konnte ich mir sehr früh sehr viele Vorurteile bilden, die sich im Laufe meines Lebens und im Umgang mit Lehrern immer wieder bestätigt haben, es ließ sich also gar nicht vermeiden.
Dass aber die Bildungspolitik in Deutschland inzwischen noch weiter hinterm Mond ist als sie es schon zu meiner Schulzeit war, das hätte ich tatsächlich nicht erwartet, wenngleich ich zugebe, ich hätte es wissen können, wenn man sich mal anschaut, welche Koryphäen regelmäßig als Kultusministerinnen in Bund und Ländern so eingesetzt werden.
Ich dachte ja, Frau Gebauer in NRW wäre noch nicht mal von Frau Lambrecht zu toppen gewesen, da hatte ich aber übersehen, dass es ja noch Frau Feller gibt, die aus ihrer komfortablen Grüßaugustposition als Regierungspräsidentin in ein Amt mit Verantwortung wechselte und dort natürlich so reüssierte, wie es alle, die ihr vorheriges Wirken kannten, vorhersehen konnten. Shit happens.
Wie auch immer und auch egal, ob das Abitur in NRW dieses Jahr schon für diejenigen als bestanden gilt, denen es gelungen ist, die Fragen erfolgreich runterzuladen, wirklich gruselig finde ich es, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte immer mehr an den Lebensnotwendigkeiten der Menschen vorbei zielen und wir uns so systematisch und vorsätzlich immer lebensuntüchtigere Menschen heranbilden.
Es mag ja sein, dass Religion für viele ein wichtiger Lebensinhalt ist und für alle, die Priester, Nonne oder etwas in der Richtung werden, wird die Religion sie auch ernähren und ihren Lebensunterhalt bezahlen, ich bezweifle aber stark, dass das für die Mehrheit der Bevölkerung wichtig ist.
Geschichte und Geographie sind sicherlich auch ganz spannende Fächer - aber alle, die keine Ahnung davon haben, gucken kurz in Wikipedia nach, wenn sie doch mal etwas aus diesem Wissensgebiet wissen möchten und fertig. Das muss heutzutage doch niemandem mehr in der Schule beigebracht werden, verdorri.
Aber wie ich ein Konto eröffne, welche Risiken es beim Onlinebanking gibt und welche nicht und wie ich mein Geld so verwalte, dass ich auch im Alter noch überleben kann, das sind doch elementare Notwendigkeiten, die wirklich jeden betreffen - die sich aber entweder nur als krudes Stammtischhalbwissen unter Kumpels verbreiten oder - ja, ich weiß gar kein oder. Es gibt dafür ja noch nicht mal Volkshochschulkurse, wo man versäumtes Wissen nachholen kann.
Es gibt übrigens auch so gut wie keine Internetseiten, die für Laien so verständlich formuliert sind, dass man ausgehend von einem Grundwissen von Null sich dort selber selbstständig informieren könnte und sich nachher mit gutem Gefühl klüger fühlt.
Denn natürlich ist das Thema komplex und besteht nicht einfach nur aus einer Aneinanderreihung von Fakten, sondern es gibt Zusammenhänge, Abhängigkeiten, Imponderabilien, Risiken, Unsicherheiten - und ganz viele Fachwörter, die man erstmal einordnen und kennen muss. Genau deswegen finde ich ja auch, dass es eine Aufgabe der öffentlichen Schulbildung sein sollte, die Menschen hier wenigstens in den lebensnotwendigen Basics so weit vorzubilden, dass sie sich anschließend je nach Neigung selber weiter informieren können.
Und ja, ich weiß, wie kompliziert es ist, das anderen Menschen zu erklären, wenn man nicht grundsätzlich auch mal gelernt hat, wie man das anderen Menschen erklärt.
Ich erinnere mich sehr gut daran, dass ich jedem meiner Kinder versuchte, das Prinzip der Umsatzsteuer zu erläutern - und es sehr ärgerlich fand, dass Sexualkunde mittlerweile ein ganz normales Unterrichtsfach ist, die Umsatzsteuer im Unterricht aber nach wie vor totgeschwiegen wird. Hier müssen die Eltern die Kinder privat aufklären - oder eben nicht, weil sie selber nicht genau wissen, was da eigentlich passiert und es ihnen peinlich ist, ihr Unwissen offenzulegen und deshalb lieber nicht darüber reden wollen. Ich habe von beiden Themen Ahnung, ich hätte es aber definitiv einfacher gefunden, das mit den Bienchen und den Blümchen zu erklären …
Meine Kinder hatten den Vorteil, dass sie in einem Haushalt aufwuchsen, wo ihren Eltern all die Hintergründe und Zusammenhänge der Oekonomie vollumfänglich vertraut waren und ich habe mir stets Mühe gegeben, ihnen die Welt der Finanzen und Märkte nicht als gefährliches Haifischbecken mit unkontrollierbaren Risiken zu vermitteln, sondern eher wie einen Swimmingpool, in dem es flachere und tiefere Stellen gibt, in dem man aber keiner unkalkulierbaren Gefahr ausgesetzt ist, wenn man schwimmen kann.
Schwimmen muss man lernen und üben, das kann man nicht als reine Trockenübung lernen, das gleiche gilt für den Umgang mit Finanzen. Als die Kinder größer wurden und begannen, selber Geld zu verdienen, habe ich, um im Bild zu bleiben, immer mehr Wasser in den Pool laufen lassen und ich gab ihnen Übungen, die sie unter meiner Aufsicht durchführen sollten. Ich stand aber am Beckenrand parat und hätte verhindert, dass sie absaufen und unnötig viel Wasser schlucken.
Ich habe dabei aber selber auch einige Dinge gelernt, die ich einerseits witzig fand, gleichzeitig aber auch deprimierend realistisch.
Dass die Welt der Finanzen überwiegend männlich geprägt und dominiert ist, ist mir zwar bewusst, da ich persönlich damit aber noch nie ein Problem hatte, habe ich noch nie weiter darüber nachgedacht, ob das vielleicht grundsätzlich ein Problem sein könnte.
Im Gegenteil, ich hielt es immer für einen persönlichen Vorteil, in einer männerdominierten Welt zu arbeiten, weil es bedeutet, dass ich entweder unterschätzt wurde (GANZ großer Vorteil) oder gefördert (wegen Frauenquote), auf alle Fälle aber oft fürsorglicher oder zumindest weniger aggressiv behandelt wurde. Ich nenne das den Blondinenjoker, von dem ich schon immer sehr gerne Gebrauch gemacht habe.
Dass es auf dem Bau mehr Männer als Frauen gibt, finde ich leicht zu verstehen, Männer sind körperlich stärker als Frauen, weshalb sie vor allem in körperlich herausfordernden Berufen besser sind.
Nimmt man die Statistik der Schulabschlüsse, gibt es für reine Gehirnleistungen keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, wenn man gezielt hinguckt, dann sagt die Statistik sogar, dass Frauen im Durchschnitt die besseren Schulnoten haben. Ich will gar nicht auf die Gründe eingehen, ich will nur festhalten, dass Männer bei Berufen, die etwas mit dem Kopf zu tun haben, keinen genetischen Vorteil haben.
Es gibt also eigentlich überhaupt keinen Grund dafür, dass sich ausgerechnet in den Bereichen Finanzen und Oekonomie deutlich mehr Männer als Frauen tummeln.
Eigentlich nicht, aber wenn man bedenkt, dass Geld, Wirtschaft, Lenkungs- und Steuerungsmethodiken usw. etwas mit Macht zu tun haben, hat man wohl die Erklärung gefunden.
Ich persönlich habe mich auch aus Machtgründen für diesen Beruf entschieden: Ich wollte Macht über mein eigenes Leben haben, ich wollte also auf keinen Fall jemals in irgendeiner Form von einem Mann abhängig sein, ich hatte da sehr gute schlechte Beispiele in der Verwandtschaft und ich habe noch nie unter mangelndem Selbstbewusstsein gelitten.
Dass ich mich sehr sicher in der Welt der Finanzen, Märkte und Oekonomien bewege, liegt an meinem Beruf und meiner Spezialausbildung.
Ganz offensichtlich ist das aber kein typisch weibliches Verhalten, denn sonst gäbe es ja keine Männerdominanz in Finanzberufen.
Wodrauf ich eigentlich hinaus wollte: Für Menschen, die sich diesen Bereich nicht bewusst als Beruf mit einer systematischen Aus- und vielen weiteren Fortbildungen erschlossen haben, ist es schwer, sich hier ein privates, Sicherheit vermittelndes Basiswissen anzueignen - denn die Männerblase der Finanzwelt tut gerne so, als wäre das Ganze doch eine Raketenwissenschaft und verbreitet mit viel pfauenradschlagender Überheblichkeit hohle Gemeinplätze der Finanzwissenschaft, die vor Imponiervokabeln nur so strotzen und auf Menschen, die sich doch nur ein kleines bisschen eigenes Basiswissen zulegen wollen, enorm abschreckend wirken.
Da sich Frauen von solch einem Verhalten eher abschrecken lassen als Männer, gibt es inzwischen spezielle Frauenkurse und Frauenwebsites, auf denen Finanzen in einer runtergekochten, vereinfachten Form erklärt werden, ein bisschen wie die Sendung mit der Maus nur heißt es hier halt nicht für Kinder, sondern für Frauen.
Ich habe mir über dieses gesamte komplexe Thema, was im Grunde auch viel mit Manspreading zu tun hat, wenig Gedanken gemacht, weil ich nie selber direkt davon betroffen war. Wenn sich neben mir ein Mann unangemessen breit macht, dann frage ich ihn meistens sehr laut und sehr öffentlich, welche Art von Minderwertigkeitskomplex er mit seinem Macho-Gehabe verbergen will und dann ist schnell Ruhe im Karton, aber eine Lösung für alle ist das auch nicht, das sehe ich ein.
Zurück zum obigen Bild, also dass ich versuche, die Kinder zu so viel Übung wie möglich beim Schwimmenlernen zu bewegen, bedeutet, dass ich nicht mehr einfach Antworten auf Finanzfragen liefere, sondern sie immer erst mal selber googeln lasse, um sich eine mögliche Antwort auf ihre Frage selber zu erschließen.
Als also N mich fragte, wie das mit den vermögensbildenden Leistungen funktioniert und was er da am besten für einen Vertrag abschließen soll, habe ich ihm gesagt, er soll sich einen ETF-Aktienfonds suchen und einen Anbieter, der entsprechend für VL-Sparen zugelassen ist und was das konkret heißt, das möge er doch bitte mal selber rausfinden.
N googelte mehrere Tage in der Gegend rum, bis er mir sehr zufrieden eine gute Lösung präsentierte und sagte, die besten Erklärungen, die, die ihm das Meiste gebracht haben, die hat er auf diesen Frauen-Finanz-Seiten gefunden, also auf Seiten wie https://www.hermoney.de/ und anderen.
Und ich finde, das ist doch alles irgendwie nur ein Armutszeugnis.
Dass die Kinder in der Schule nicht die wesentlichsten Dinge der finanziellen Selbstverwaltung lernen, weil die Lehrer selber auch keine Ahnung davon haben und dass man selbst im Netz erst den Blondinenjoker nutzen muss, um an vernünftige und verständliche Erklärungen heranzukommen - ja sacht mal, das kann doch eigentlich wirklich nicht wahr sein, oder?
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