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Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Mittwoch, 11. Januar 2023
Ab wann bin ich reich?
Ich habe mir ja neulich ausführlich Gedanken darüber gemacht, dass jeder Mensch eine eigene, individuelle Beziehung zu Geld hat, die oft auf Prägungen in der Kindheit zurückgeht.

Ein Thema, was damit zusammenhängt und mich ebenfalls schon seit sehr langer Zeit regelmäßig beschäftigt, ist die Frage, ab wann man reich ist.
Oder vielleicht sollte ich besser sagen, dass es mich fasziniert, wie viele verschiedene Definitionen es für Reichtum gibt und wie unterschiedlich das auch jeder einzelne Mensch für sich selber definiert und seinen eigenen Reichtum einschätzt. Spontan könnte man ja meinen, dass man das ganz simpel messen und einsortieren kann, schließlich gibt es ausreichend Statistiken, die das abbilden, so dass jeder ablesen kann, in welche Reichtumsgruppe er selber gehört.

So einfach ist es aber leider nicht, denn erstens ist es natürlich davon abhängig, welchen Reichtum man überhaupt messen und vergleichen will - Vermögen oder Einkommen?
Und zweitens gibt es nicht nur sehr viele Statistiken zu diesem Thema, es gibt auch sehr viele verschiedene Methodiken, die bei der Erstellung dieser Statistiken zum Einsatz kommen, wovon zB auch abhängt, welche Datensätze verarbeitet werden, aus welchem Jahr die Daten stammen und ob sie aus einer repräsentativen Umfrage, einer Stichproben-Analyse oder aus einer anekdotischen Evidenz stammen.

Grundsätzlich gibt es natürlich einen Zusammenhang zwischen Einkommen und Vermögen, denn wer viel verdient, der kann auch viel sparen. Vermögen entsteht aber nicht nur durch Sparen, sondern sehr häufig auch durch simple Wertsteigerungen (und durch Erben, aber das ist ein anderes Thema, das lasse ich hier zunächst mal weg) .

So gibt es jede Menge Menschen, die sind schon allein deshalb Vermögensmillionäre, weil sie zB vor 40 Jahren ein kleines Einfamilienhaus in der Umgebung einer Großstadt gekauft haben, was mittlerweile abbezahlt ist und sich im Wert verzehnfacht hat.
Sehr häufig sind es grade Rentner oder ältere Menschen, die Millionäre sind, einfach deshalb, weil sie genug Zeit hatten, Geld zu sparen und die Schulden für ihr Häuschen abzuzahlen, während gleichzeitig der Wert der Immobilie immer weiter gestiegen ist.
Das sind aber alles Millionäre mit einem verhältnismäßig geringen Einkommen.
Und trotzdem haben sie im Vergleich zu ihrem früheren Leben auch mit einer Rente, die niedriger ist als ihr ehemaliges Nettogehalt, mehr Geld als früher zur freien Verfügung, weil sie ja auch nur noch verhältnismäßig geringe Ausgaben haben.
Das Haus ist bezahlt, sie wohnen also mietfrei, die Kinder sind aus dem Haus und verdienen ihr Geld selber. Besondere Investitionen, die vorab angespart werden müssten, stehen auch nicht mehr an, überhaupt können sie ihre Sparquote auf Null setzen, denn die Zukunft ist überschaubar geworden und es gibt keine konkreten Sparziele mehr.

Diese Menschen sind also statistisch korrekterweise in der Spitzengruppe der obersten 10% der Bevölkerung einzusortieren, dass sich aber alle diese reichen Rentner auch wirklich als Millionäre fühlen bzw. das Gefühl haben, dass sie überdurchschnittlich reich sind, das wage ich mal zu bezweifeln, denn sie haben ihr gesamtes Leben sparsam gewirtschaftet und stellen sich deshalb ein Millionärsleben komplett anders vor als ihres.

Umgekehrt gibt es Menschen mit einem überdurchschnittlich hohen Einkommen, die kaum Vermögen haben, weil sie ihr Einkommen einfach sofort wieder ausgeben. Vielleicht, weil sie eine große Familie haben, die finanziert werden muss oder weil sie eben ein persönliches Ausgabebedürfnis haben, was dazu führt, dass kaum etwas übrig bleibt, was sie für einen "Vermögensaufbau" sparen könnten.
Wie heißt es im Rheinland so schön: Jede Jeck ist anders.
Ich bin regelmäßig aufs Neue erstaunt, wie viele gutverdienende Menschen so gut wie keine finanziellen Rücklagen haben und sich in meinen Augen faszinierend uninteressiert mit dem Thema "Vermögensbildung" beschäftigen.

Das reine Einkommen ist also nur eine eingeschränkt passende Maßgröße, um zu beurteilen, ob Menschen reich sind oder nicht.
Das Schlüsselwort für das Bindeglied zwischen Einkommen und Vermögen heißt "Geld zur freien Verfügung" und gleichzeitig ist das auch das Schlüsselwort für das individuelle Reichtumsgefühl.

Grundsätzlich müssen ja erst mal alle fixen Kosten bezahlt und alle notwendigen Dinge gekauft werden, bevor ich Geld für den Vermögensaufbau anlegen kann und erst, wenn dann noch etwas übrig bleibt, habe ich wirklich Geld zur völlig freien Verfügung (Taschengeld :-) ), was ich einfach nur so zu meinem Vergnügen ausgeben kann.
Weil jeder Mensch einen ganz individuellen Vorsorgedrang an, bleibt auch bei Menschen mit gleichem Einkommen unterschiedlich viel Geld als freies Taschengeld übrig, und natürlich sind auch die sonstigen Lebensumstände entscheidend für die Höhe der fixen und der notwendigen Kosten.

Nehmen wir zwei Personen, A und B, beide alleinlebend im mittleren Alter, beide verdienen 5.000 € netto im Monat, gehören in der Einkommensstatistik also zu den oberen 10%. Person A hat ein Haus im Speckgürtel gebaut und zahlt monatlich 2.000 € an die Bank (dass da ein großer Teil Tilgung und damit Vermögensbildung drinsteckt ist klar, ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Kohle erst mal weg ist), außerdem hat Person A zwei Kinder, die studieren und jeweils 1.000 € Unterhalt bekommen (BaFöG gibt es nur für Kinder, deren Eltern wenig Geld verdienen), von den verbleibenden 1.000 € müssen die Nebenkosten des Hauses (Strom, Gas, Wasser, Versicherung und Internet/Telefon/Medien), alle Lebensmitteleinkäufe/Essen und das Auto bezahlt werden, sehr viel Spielraum für "frei verfügbares Taschengeld" bleibt nach Abzug aller Fixkosten dann nicht mehr.
Person B dagegen wohnt seit 25 Jahren in der gleichen Wohnung, Altbau-Innenstadt mit einer Warmmiete (Mietendeckel, alter Mietvertrag) von 1.000 €, keine Kinder und kein Auto. Hier bleibt definitiv mehr im Monat zur freien Verfügung übrig.

Wenn jemand ein hohes Einkommen hat und große Teile davon in die Vermögensbildung steckt, dann ist er nach kurzer Zeit von ganz alleine reich. Wenn er aber jeden Monat alles wieder ausgibt, weil er Fan von Yolo* ist, dann hat er, solange das mit dem Einkommen gut läuft, eben ein schönes Leben und gehört in der Einkommensstatistik zu den Top 1%, aber in der Vermögensstatistik krebst er bei den unteren Prozenten rum, weil nichts bleibt, was als Vermögen bezeichnet werden könnte.
*You only live once

Das individuelle Sicherheitsbedürfnis bestimmt also die persönliche Sparquote genauso wie das individuelle Ausgabebedürfnis und zusätzlich ist der gefühlte Reichtum noch von vielen anderen Komponenten als nur statistischen Durchschnittswerten abhängig, einen ganz großen Einfluss hat auch das Umfeld, in dem man lebt.

Mir zB ist statistisch schon immer bewusst, dass ich mit meinem Einkommen zum besserverdienenden Teil der deutschen Bevölkerung gehöre.
Das ist aber nun auch wirklich kein Wunder, denn weil ich aufgrund meiner schulischen Ausbildung vor 40 Jahren relativ frei unter allen Berufen, die es so gibt, wählen konnte, habe ich mir sehr bewusst einen Beruf ausgesucht, der mir rein statistisch nicht nur ein sicheres, sondern auch ein gutes Einkommen versprach, weil ich mir ja aktiv vorgenommen hatte, immer genug Geld zur freien Verfügung zu haben, um mir stets spontan all das kaufen zu können, wonach mir der Sinn steht.

Trotzdem gehörte ich in der Vermögensstatistik in den ersten Jahren meines Lebens in die untere Hälfte der Bevölkerung, weil es natürlich Zeit braucht, bis ein passendes Vermögen aufgebaut ist.

Mit zunehmendem Alter wächst das eigene Vermögen, insbesondere wenn man so wie ich kein hohes Ausgabebedürfnis hat. Ich hatte dafür aber immer ein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis, weshalb ich mich sehr früh und sehr überlegt mit dem Thema Altersabsicherung und Vermögensaufbau beschäftigt habe.
Ich bin sozusagen ein Frühfrugalist (eine gute Beschreibung für Frugalismus findet sich hier), denn mein Bestreben war von jeher, lieber mehr Geld in den Vermögensaufbau zu stecken, statt für Konsum im Alltag auszugeben.

Da ich zudem schon von Berufs wegen auch noch über das passende Fachwissen verfügte, dauerte es insgesamt nicht sehr lange, bis ich rein rechnerisch auch in der Vermögensstatistik bei der oberen Hälfte der Vermögenden angelangt war.
Trotzdem fühlte ich mich sehr lange nicht reich, denn mein Sicherheitsbedürfnis war noch nicht auf Entspannung umgesprungen. Dafür musste ich erst sicher sein, dass mein Anspruch, dauerhaft ausreichend Geld zur freien Verfügung zu haben, auch dauerhaft gesichert ist.

Erst seit einigen Jahren bin ich ganz entspannt davon überzeugt, dass ich nun (ausreichend) reich bin. Die Ausbildung der Kinder ist sozusagen abgeschlossen und bezahlt, außerdem sind alle Kredite abbezahlt, das verringert die Höhe der fixen Kosten enorm. Und es ist mir gelungen die Fabrik in MG zu verkaufen, wodurch sich das vorher illiquide Immobilienvermögen plötzlich in echtes Geld verwandelt hat. Durch den Verkauf habe ich nicht nur den bis zu dem Zeitpunkt entstandenen Wertzuwachs der Immobilie realisiert, sondern auch alle Risiken entfernt, die grundsätzlich in jeder Immobilie, aber in der Fabrik in MG in ganz besonderem Maße steckten. In dem Moment, wo der Kaufpreis der Immobilie auf meinem Konto eingegangen war, in dem Moment hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass ich wirklich richtig reich bin.

Für eine Vermögensstatistik unterscheidet sich Immobilienvermögen nicht von Barvermögen, für das eigene Gefühl dagegen macht es einen großen Unterschied aus.
Dass sich der zweite Punkt letztlich so offensichtlich und so intensiv auf mein eigenes, konkret erlebtes Reichtumsgefühl auswirkte, das hätte ich nicht erwartet, denn selbstverständlich ist mir schon immer bewusst gewesen, was die Fabrik wert war und mein objektiver Reichtum hat sich durch den Verkauf der Immobilie überhaupt nicht verändert, denn ich habe ja nur einen Sachwert gegen einen Finanzwert getauscht, aber trotzdem ist mein Gefühl "ich bin reich" ganz intensiv davon abhängig, wie viel Geld sich auf meinen Bankkonto befindet. Skurril, nicht wahr?
Insgesamt ist mein Vermögen allerdings auch heute noch um ein Vielfaches kleiner als das von Herrn Merz, der aber sicherlich auch viel mehr Vermögen braucht, um zufrieden zu sein, weil er ein ganz anderes Leben führt als ich und dafür eben auch viel mehr Geld braucht.

Bevor man die Frage beantworten kann, wo Reichtum beginnt, muss man also ein paar Grundlagen definieren.
Am wichtigsten ist dabei aus meiner Sicht die Unterscheidung zwischen Vermögen und Einkommen.

Wenn man sich mit den Statistiken zu diesem Thema beschäftigt, stellt man fest, dass es deutlich mehr Statistiken gibt, die das Einkommen der Menschen abbilden, weil hierfür schlicht die Datenlage besser ist als für die Messung und Bewertung des Vermögens.
Das Einkommen ist problemlos in Euro darzustellen, die Daten werden vom Finanzamt und anderen Behörden regelmäßig erhoben, sind belastbar und aktuell. Einkommensstatistiken sind also relativ einfach zu erstellen.

Es gibt aber zwei wichtige Punkte, die man beim Lesen von Einkommensstatistiken unbedingten beachten muss.
Zum einen ist das die Frage nach der "Haushaltsgröße". Es macht schließlich einen deutlichen Unterschied, ob mir eine Statistik das Einkommen einer Person oder eines Haushaltes ausweist und außerdem sollte man unbedingt darauf schauen, wie in der jeweiligen Statistik der Begriff "Einkommen" überhaupt definiert ist.

Der Begriff "Einkommen" hat zwar in § 2 EStG eine offizielle Legaldefinition, die scheint aber für die meisten Einkommensstatistiken überhaupt keine Bedeutung zu haben.
Nach meiner Erfahrung definieren sich die meisten Statistikersteller (häufig Journalisten, die sich aus einem Datenpool selber was rausfischen) den Begriff "Einkommen" kurzerhand so, wie er ihnen am besten passt, so dass man als Leser solcher Artikel immer sehr genau aufpassen muss, was sich der Verfasser für diesen Artikel unter Einkommen vorstellt.

Ein Beispiel für eine ausgewertete Einkommensstatistik mit Erläuterungen gab es neulich beim Handelsblatt. Hier wird zunächst nur das Einkommen der Arbeitnehmer berücksichtigt und das auch noch als Durchschnittswert. Der Artikel selber weist zwar darauf hin, dass der Median in den meisten Fällen die deutlich aussagekräftigere Kennzahl wäre, interessanterweise sind Statistiken, die den Median ausweisen, aber viel seltener.

Dass andere Statistiken von anderen Zahlen ausgehen, stellt man unschwer fest, wenn man im direkten Vergleich dazu diese Studie liest, die ihre Durchschnittswerte auf einer völlig anderen Basis ermittelt.

Ein weiterer, wichtiger Datenlieferant für alle Einkommens- und Vermögensthemen ist das Sozio-oekonomische Panel, kurz SOEP.
Nach meinem Wissensstand ist das SOEP zwar vor allem der wichtigste Datenlieferant, wenn es um eine Auswertung des Vermögens geht, aber auch das Einkommen wird vom SOEP abgefragt und auf dieser Datenbasis hat das Institut der deutschen Wirtschaft dann einen interaktiven Einkommensverteilungsrechner erarbeitet, den ich sehr spannend finde, vor allem, wenn ich die Daten, die in den anderen beiden Artikeln, die ich oben verlinkt habe, dort mal eingebe.

Laut Handelsblatt liegt das durchschnittliche Bruttoeinkommen eines deutschen Arbeitnehmers bei 4.100 € pro Monat, ohne Weihnachtsgeld oder andere Zusatzzahlungen. Das entspricht einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von rd. 2.600 €.
Wenn ich aber 2.600 € in den Einkommensverteilungsrechner eingebe, dann stelle ich fest, dass ich mit diesem Nettoeinkommen schon zu den TOP25% der Gesamtbevölkerung gehöre und in der Gruppe der Singlehaushalte gehöre ich bereits zu den TOP 17%. Da staunt man, nicht wahr?

Der Einkommensverteilungsrechner berücksichtigt aber nun auch ein ganz anders definiertes Nettoeinkommen als das, was ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber überwiesen bekommt. Deshalb berücksichtigt der Einkommensverteilungsrechner auch alle Personen in Deutschland, nicht nur die Arbeitnehmer.
Und deshalb werden auch noch alle sonstigen Einkommensbestandteile mitberücksichtigt, also etwa Transferleistungen wie Kindergeld oder Wohngeld und alle anderen Einkunftsarten neben Arbeitslohn gehören natürlich auch zum Gesamteinkommen, deshalb ist die Einkommensstatistik, die das Handelsblatt benutzt im Grunde überhaupt nicht vergleichbar mit den Gesamtzahlen der Einkommensverteilung und wir sind genau bei dem Punkt, den ich oben schon erwähnte: Man muss genau hinschauen, was und wie gemessen wird.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat übrigens noch andere interaktive Vergleichsrechner entwickelt, die finden sich alle auf der Seite Arm und Reich, außerdem finden sich hier auch interessante Erläuterungen zur Wahrnehmung des eigenen Reichtums, was ja die Frage ist, die mich immer am meisten fasziniert.

Insgesamt kann man aber feststellen, dass es selbst beim Einkommen schon kompliziert ist, eine einheitliche Messgröße zu finden und für das Einkommen liegen immerhin einigermaßen belastbare Datengrundlagen vor.

Valide Vermögensstatistiken dagegen sind deutlich komplizierter zu erstellen, schon allein deswegen, weil es keine Daten mehr vom Finanzamt gibt, seitdem die Vermögensteuer* nicht mehr erhoben wird und deshalb keine Massendaten auf einer einheitlichen, vergleichbar objektiven Basis zur Verfügung stehen.
D.h. die Datenerhebung ist ein großes Problem, weshalb die Methodik von Vermögensstatistiken immer wieder kritisiert wird und es diverse Ansätze gibt, den größten, offiziellen Datenpool, der vom SOEP zur Verfügung gestellt wird und auf den die meisten einzelnen Vermögensstatistiken zurückgreifen, um weitere Datensätze und Betrachtungen zu ergänzen.
*Klugscheißermodus an: Ich muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Vermögensteuer, so wie alle anderen Steuerarten auch, ohne Fugen-S geschrieben wird, im Unterschied zu Vermögensstatistik

Es ist also schwierig, das Vermögen der Deutschen statistisch richtig abzubilden, weil zum einen weder der Datenpool aus den Erhebungen des SOEP noch die Studien der Deutschen Bundesbank das Vermögen der wirklich Superreichen ausreichend abbilden oder gar erfassen und weil es zum anderen auch gar nicht so einfach ist, alle Vermögensbestandteile seines eigenen Haushaltes vollständig zu erfassen und auch noch richtig selber zu bewerten.
Denn grade die Bewertung von Vermögen, das nicht in Euro aus Bankbelegen ablesbar ist, ist ein Problem.
Wegen genau dieser Problematik hat das Bundesverfassungsgericht einst die Vermögensteuer gekippt und es gibt bis heute unendlich viele Modelle, Meinungen und Methoden, um festzulegen, was zB eine Immobilie wirklich genau wert ist, noch viel komplexer wird es, wenn es sich um Betriebsvermögen handelt und ich kenne nur sehr wenige Menschen, die ihr eigenes Vermögen hier einigermaßen treffsicher einschätzen können.

Ein Artikel, der einem ein gutes Gefühl dafür vermittelt, wie kompliziert das ist mit der Erfassung, Bewertung und vergleichenden Einsortierung des Vermögens findet sich in der Wirtschaftswoche, es gibt ganz viele verschiedene Zahlen, jeder ermittelt etwas anderes und dann muss man auch noch zwischen Durchschnitt und Median unterscheiden, zwischen Einzelpersonen und Haushalten und ach, es ist kompliziert.

Es gibt also viele verschiedene Statistiken, die sich mit dem Vermögen der Menschen beschäftigen, wobei das Wichtigste, auf das man immer achten muss, wenn man einen Artikel darüber lesen und verstehen will, die Bezugsbasis der Statistik ist, also ob sich die Daten auf das Vermögen einer durchschnittlichen Einzelpersonen beziehen oder auf das Vermögen eines Haushaltes. Da ein durchschnittlicher Haushalt in Deutschland aus 2 Personen besteht, ist logischerweise das Haushaltsvermögen doppelt so hoch wie das Vermögen einer Einzelperson.
Wenn man also absolute Zahlen in einen Text einarbeitet, sollte man immer beachten, ob die für eine oder für zwei Personen gelten. Die Differenz im Durchschnittsvermögen beträgt sonst halt 100%.

Eine weitere wichtige Unterscheidung macht die korrekte Verwendung der Begriffe "Durchschnitt" und "Median". Sehr gut erklärt wird das in der Wikipedia unter dem Begriff "mittleres Vermögen"

Hier lernt man auch gleich etwas über den Gini-Koeffizienten, der die Ungleichheit der Vermögensverteilung innerhalb eines Landes beschreibt und in Deutschland peinlich hoch ist.

In dieser Tabelle steht, dass das durchschnittliche Nettovermögen in Deutschland 268.681 $ beträgt. Der Median liegt bei 65T $, dass sich dieser Wert allerdings auf das Haushaltsvermögen bezieht, das steht hier nirgends, dafür muss man nach anderen Statistiken suchen, um das herauszufinden. (Statistik und Lesbarkeit, seufz)
In dem oben verlinkten Artikel der Wirtschaftswoche wird ein Durchschnittsvermögen der Haushalte in etwa in dieser Größenordnung angegeben und auch die Bundeszentrale für politische Bildung hat dazu natürlich Zahlen veröffentlicht, hier ist die Statistik freundlicherweise mit "Nettohaushaltsvermögen" überschrieben und deshalb ist davon auszugehen, dass sich das Durchschnittsvermögens eines Haushalts in Deutschland irgendwo zwischen 200-260 T€ bewegt, was bedeutet, dass das Durchschnittsvermögen einer Einzelperson irgendwo zwischen 100-130T€ liegt.

Das passt auch zu einem Artikel im Handelsblatt, der neulich unter der Überschrift "Die Neuvermessung des Vermögens: Deutsche sind reicher als gedacht" mit der vermeintlich neuen Erkenntnis daher kam, dass das Durchschnittsvermögen einer Einzelperson 130.000 € beträgt.

An dieser Stelle muss ich übrigens eine kleine Nebenbetrachtung einfügen, denn was ich persönlich dann statistisch nicht mehr erklären kann, ist der Bezug dieser Durchschnittswerte zu den Werten des Gesamtvermögens.
Wenn das Durchschnittsvermögen einer Einzelperson 130.000 € beträgt und wir ca. 83 Millionen Bundesbürger haben, dann muss ich ja nur 130.000 mal 83 Millionen rechnen, um auf ein Ergebnis von 10,79 Billionen Euro zu kommen, was theoretisch dann dem Gesamtvermögen der Deutschen entsprechen müsste, so funktionieren Durchschnittswerte.
In dem Handelsblattartikel steht jetzt aber gleichzeitig auch, dass nur das Immobilienvermögen der Deutschen schon 10 Billionen Euro beträgt und dass auch das Betriebsvermögen viel höher ist als bisher angenommen und dann gibt es ja noch das ganz normale Finanzvermögen der Deutschen, was man zum Gesamtvermögen ja auch addieren muss - und an dieser Stelle steige ich mit meiner simplen Mathematik aus. Irgendwas stimmt da nicht, ich kann das nicht mehr erklären und es verwirrt mich sehr.

Fakt ist aber, dass vor allem das Alter einer Person ganz maßgeblichen Einfluss darauf hat, wie viel Vermögen sie besitzt, weshalb ich alle diese Durchschnittstabellen schwierig finde, wenn sich jemand selber einschätzen will.
Menschen unter 25 brauchen nur 10.000 €, um schon über dem Vermögensdurchschnitt ihrer Altersklasse zu liegen, bei Menschen in meinem Alter liegt das Durchschnittsvermögen dagegen bei ca. 200.000 €. Wenn meine Kinder und ich also die gleiche Durchschnittstabelle zur Selbsteinschätzung benutzen, dann führt das zu völlig verschobenen Selbsteinschätzungswerten.

Wichtig ist übrigens auch das Jahr, in dem die einer Statistik zugrunde liegenden Vermögenswerte erhoben wurden, weil wir seit längerem schon eine sehr hohe Vermögenpreisinflation haben, was bedeutet, dass die Preise von Vermögenswerten wie Immobilien und Aktien viel mehr gestiegen sind als die laufenden Lebenshaltungskosten, die für die Ermittlung der Gesamtinflation von Bedeutung sind.
Durch diese Vermögenspreisinflation hat sich das Gesamtvermögen der Deutschen durch Wertsteigerungen des vorhandenen Vermögens viel mehr erhöht als durch fortschreitendes Sparen.
Das wiederum bedeutet natürlich, dass dadurch die Schere zwischen arm und reich noch weiter auseinandergezogen wurde, denn wer kein Vermögen hat, wenn die Preise fallen, der hat auch keines, wenn sie steigen* - und in Deutschland gingen die Vermögenspreise in den letzten Jahren eben immer nur relativ steil nach oben.
*das ist ein alter Spruch über Aktien, um das Risiko, dass viele Menschen in Aktien sehen, ins Verhältnis zu den Chancen zu setzen.

Insgesamt heißt dass, dass es Statistiken gibt, die sagen, dass das Durchschnittsvermögen einer Einzelperson bei 60.000 € liegt, andere Statistiken sagen, es liegt bei 100.000 € oder bei 130.000 €, auf ihre Art sind alle Statistiken korrekt, es hängt halt davon ab, auf welches Jahr sich die Daten beziehen und was sonst noch so alles miteinbezogen oder abgezogen wurde.

Als ich nach Statistiken und Artikeln zu dem Thema gesucht habe, bin ich auch auf den "Wealthometer" gestoßen, der meiner Meinung nach ein sehr gut gemachter, interaktiver Rechner zum Thema Selbsteinschätzung und Vermögen ist, der aber offensichtlich schon etwas älter ist, denn es ist noch nicht mal eine https-website und ob er gezielt die Daten für Deutschland ausgibt oder gleich ganz Europa im Vergleich sieht, weiß ich auch nicht. Ich fand die Seite trotzdem interessant.
Und die Seite "Einkommensverteilung" ist auch einen Klick wert, auch wenn ich nicht beurteilen kann, wie aktuell und wie richtig die Daten sind, die hier verarbeitet wurden.

Im Ergebnis stelle ich für mich fest, dass meine gefühlte Überzeugung, dass ich reich bin, selbstverständlich auch den statistischen Daten entspricht und ich weiß sehr wohl, welche Privilegien damit verbunden sind, dass ich mir in finanzieller Hinsicht bis an mein Lebensende keinerlei Sorgen mehr machen muss.
Und obwohl ich weiß, dass ich vieles an meiner jetzigen Situation meinem Wissen in Finanzangelegenheiten, meinen eigenen Entscheidungen und zum Teil sicherlich auch meinem Mut zu verdanken habe, so halte ich all das nicht für eine besondere persönliche Leistung, sondern insgesamt habe ich einfach nur irre viel Glück gehabt in meinem Leben.

Es ging schon damit los, dass der Zugang zu Bildung für mich nie ein Problem war, meine Eltern hielten Bildung für das zentrale Thema und ich bin relativ mühelos durch alle Ausbildungsebenen gesegelt und habe mir dann durch Zufall auch noch die richtigen ausgesucht, wenn es um Geld verdienen geht.
Dann habe ich mit weiterem Glück auch stets die richtigen Menschen kennengelernt und ich war mit noch mehr Glück sehr oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Aus meiner Perspektive war es also keine persönliche Leistung, dass sich meine finanzielle Situation heute darstellt, wie sie sich darstellt, sie ist aber genau deshalb auch nicht beliebig wiederholbar.

Mit einer Bekannten habe ich mich vor einiger Zeit über unsere jeweilige Einstellung zu Geld und zu Reichtum unterhalten, sie hat eine sehr linke Einstellung und schämt sich dafür, mehr Geld zu besitzen als andere.
Ich habe darüber gründlich nachgedacht und stelle für mich fest, dass ich mich nicht dafür schäme.

Ich glaube, ich schäme mich deshalb nicht dafür, weil ich es einfach als reines Glück im Sinne von Zufall empfinde, dass ich finanziell so gut abgesichert bin. Wenn ich im Lotto eine Millionen gewinne, dann schäme ich mich doch auch nicht.
Und ich schäme mich auch nicht dafür, dass ich etwas habe, was andere nicht haben. Ich finde es nämlich völlig normal, dass Menschen unterschiedlich sind, wenn alle gleich wären, wäre es ja auch eine sehr öde Welt. Wenn aber Unterschiedlichkeit gewollt und richtig ist, dann wird es immer welche geben, die mehr haben als andere. Manche haben mehr Geld, oder mehr Gesundheit, mehr Haare, mehr Kraft, mehr Intelligenz oder eben auch einfach nur mehr Glück.
Das Leben als solches ist schon ab Geburt ungerecht, wenn ich daran verzweifeln würde, dann hätte ich auf alle Fälle mehr Kummer als andere, denn ändern lässt sich diese Ungerechtigkeit niemals.
Das, was man aber auf jeden Fall und immer verhindern sollte, ist ein Treten nach unten, die schwächere , weniger glückliche Position eines anderen auszunutzen, um ihm noch mehr wegzunehmen. Sich auf Kosten anderer, ärmerer Menschen zu bereichern, das ist etwas, für das sich meiner Meinung nach jeder schämen sollte
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