anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Mittwoch, 22. Februar 2023
Keine Reaktion
Herr Buddenbohm und Frau Novemberregen schreiben über die Probleme des Online-Einkaufs, die ihrer Meinung nach vor allem darin bestehen, dass dann Menschen mit Paketen an der Tür klingeln, weil sie Türklingeln als anstrengend empfinden.

Ich lese erst den einen Text, dann den anderen und suche in mir nach einem Spiegelgefühl, weshalb Türklingel als schwierig empfunden wird - und finde nichts. Also ich finde keinerlei Emotion in mir drin, die auf das Stichwort "Türklingel" in irgendeiner Form reagiert. Ich reagiere auf die Vorstellung, dass es an der Tür klingelt weder genervt, noch erfreut, aber auch nicht gelangweilt oder erheitert, ich reagiere darauf einfach gar nicht, weil das Thema in meinem Leben sozusagen nicht vorkommt.

Ich stelle nämlich erstaunt fest, dass bei mir nur sehr selten jemand klingelt, so selten, dass es offensichtlich gar nicht oft genug passiert, um überhaupt als wahrnehmbares Thema einer beklagenswerten Störung in mein Bewusstsein gelangt sein zu können, wobei mein Erstaunen eher der Tatsache gilt, dass das offensichtlich ungewöhnlich ist.

Während ich darüber nachgrübele, was bei mir in diesem Punkt schon wieder anders ist als bei anderen Leuten, fällt mir natürlich als erstes ein, dass ich mir Pakete grundsätzlich an eine Packstation liefern lasse und wenn das nicht möglich ist, dann lasse ich sie mir ins Büro schicken, da klingelt dann zwar jemand, aber diese Klingel fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich, ich verbinde online Bestellungen also ganz klar nicht mit Klingeln.

In Greven klingelt sozusagen nie jemand, weil ich tagsüber ja eh nie zu Hause bin und auch sonst bin ich nur selten da.

Auf Borkum dagegen klingelt tatsächlich ab zu mal jemand, aber in den allermeisten Fällen ist das keine Überraschung, weil derjenige, der klingelt, ja erst mal aufs Grundstück bis zu Haustür kommen muss. Sehr häufig sehe ich den angehenden Klingler also schon während er aufs Haus zugeht, in vielen Fällen bin ich schon vor ihm an der Tür oder ich streunere sowieso auch grad selber im Garten rum.
Wenn es der Postbote ist, muss ich mich dagegen nicht beeilen, denn wenn ich die Tür nicht aufmache, dann wird er das, was nicht in den Briefkasten passt, einfach vor der Tür abstellen. Das ist Standard auf Borkum, da kommt nix weg, da ist es normal Pakete vor der Tür abzustellen.

In meiner aktuellen Situation gibt es deshalb keine Verbindung zwischen "Klingeln" und "Störung".
Allerdings sind hier auch in der Vergangenheit keine Verbindungsassoziationen gelegt worden, denn ich habe das letzte Mal vor über 30 Jahren in einer Etagenwohnung gewohnt.
In Etagenwohnungen ist eine Klingel alternativlos, das fällt mir grade auf, aber das ist bei mir so lange her, dass ich es entweder schon wieder vergessen habe oder sowieso überhaupt nie davon genervt war. Jüngere Menschen sind grundsätzlich nicht so schnell von irgendwas genervt.
Ich kenne nun seit vielen, vielen Jahren nur noch das Wohnen in Häusern mit relativ offenen Zugangssituationen, in denen seltenen geklingelt wurde und wird, weil die Eingangstür oft einfach offen steht und weil es eben überhaupt eine komplett andere Wohnsituation ist.

In der Fabrik in Mönchengladbach hatten wir sogar noch nicht mal eine Klingel, wir hatten ja auch keine richtige Haustür, sondern nur eine ehemalige Ladentür. Da klingelte ständig das Mobile, was ich über diese Tür gehangen hatte, damit ich überhaupt mitbekam, wenn jemand rein oder rausging, es war aber nur ein Informationsgeklingel, keine Aufforderungsklingel, ich verbinde deshalb mit Klingeln tatsächlich keine negativen Erlebnisse.

Lustigerweise kann ich auch zum Thema Klamottenkauf keine Wiedererkennungsgefühle empfinden, weder online noch offline, denn auch diese Situation kommt bei mir nicht vor.
Also zumindest nicht in der von Frau Novemberregen oder Herrn Buddenbohm beschriebenen Form, dass ich einkaufen gehe, weil ich ganz konkret irgendwelche Anziehsachen brauche.

Ich brauche schlicht keine Anziehsachen, weil ich so unendlich viele Klamotten habe, dass wirklich für jede denkbare Gelegenheit reichlich Auswahl da ist.
90% meiner Kleidung kaufe ich auf dem Flohmarkt und die kaufe ich dort nicht, weil ich etwas brauche, sondern ich kaufe immer das, was grade durch Zufall angeboten wird, wenn es mir gefällt und ich den Preis eher als eine Mitnehmgebühr betrachte.
Wenn man regelmäßig seit 40 Jahren auf Flohmärkte geht, kommt da ganz schön was an Kleiderschrankinhalt zusammen.

Die restlichen 10% meines Kleiderschrankinhaltes stammen aus ausgewählten Werksverkäufen mit Sonderrabatten, auch hier also dasselbe Grundprinzip: Ich kaufe Teile, weil ich sie grade zu einem sehr günstigen Preis kaufen kann.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich überhaupt schon mal irgendein Anziehteil zu einem ganz normalen Preis in einem ganz normalen Laden gekauft hätte. Wozu hätte ich das tun sollen?

Heute habe ich übrigens mal wieder Bekleidung erworben, allerdings etwas für den 10% Teil, nämlich sehr deutlich reduzierte Neuware, die ich eindeutig nicht brauche, mich aber jetzt sehr freue, sie zu besitzen.
Ich war im Werksverkauf von Sockenfalke und habe dort neben fünf Paar Socken noch einen weiteren Hausanzug gekauft, für den ich mich schon nicht mehr schäme, sondern den ich nur noch kuschelig toll finde, weil er aus reinem Kaschmir ist und das ist so ziemlich das angenehmste Material, was ich kenne.
Vor knapp einem Jahr habe ich mir das erste Mal in meinem Leben so einen "Jogginganzug" gekauft, damals war ich noch sehr unsicher, ob mir das nicht eigentlich ungemein peinlich sein sollte, aber inzwischen bin ich abgehärtet und stehe zu meinem Schlumpferleben
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