anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Sonntag, 27. Dezember 2020
Schlager
Durch Zufall bin ich gestern auf WDR3 in einen ausführlichen Schlagerrückblick von 1970 bis heute geraten und habe mich dann festgeguckt, weil es mich einerseits faszinierte, wie viele Schlager und vor allem auch Schlagersänger und -innen ich kannte, aber auch dass in dieser Zusammenfassung Sänger waren, die ich selber gar nicht in dieses Genre einsortiert hätte.
Gleichzeitig ist mir aber auch aufgefallen, dass meine Kenntnis von bekannten Schlagersänger- und -innen samt ihren Liedern ungefähr Mitte der 80er aufhört, alle, die danach erst berühmt wurden, hat meine Wahrnehmung nicht mehr registriert bzw. einige wenige sind mir (inzwischen) zwar vom Namen her bekannt, weil eben so viel über sie berichtet wurde, dass das selbst in meiner stark gefilterten Informationsblase ankam, ich bringe sie aber tatsächlich nicht mit irgendeinem Song in Verbindung bzw. ich kenne ihre berühmtesten Songs einfach nicht.

Nun ist mein Musikgeschmack noch nie geeignet gewesen, irgendwelchen Mainstream Anforderungen zu genügen, auch nicht, wenn ich als benchmark für den jeweils "wichtigen" Mainstream nur den Geschmack meiner jeweiligen Peergroup ansetze.

Versaut habe ich mir das dadurch, dass ich einerseits schon sehr früh Liedermacher ganz prima fand (und Musicals übrigens auch), mich aber gleichzeitig nicht in der zu Liedermachern gehörenden Fangemeinde wiederfand. Falsche Peergroup für mich, sozusagen, weil eindeutig zu viel Ideologie (also, ich meine, der typische Liedermacherfan ist überwiegend gleichzeitig auch in der grün-linken oder der Gemeindepfarramts-Ideologie zu verorten) und auf Ideologie reagiere ich ja identisch wie auf Religion, ich halte sehr gerne sehr viel Abstand.
Ich finde, jeder kann das mit dem Glauben und den Überzeugungen für sich halten wie er will, aber meine wichtigste Überzeugung ist, dass ich meine Meinung bitte jederzeit ändern können möchte, wenn ich neue Informationen habe, die meine bisherige Meinung plötzlich komplett anders beleuchten und das wird in ideologisch geprägten Gruppen nun mal gar nicht gern gesehen.

Weil ich mich also den Liedermacherfans nicht anschließen mochte, Musicals sowieso nur was für ganz andere Leute waren und ich gerne von den ideologisch ungeprägten Typen aus dem Reitstall und von der Clique am Borkumer Südstrand akzeptiert werden wollte, habe ich mich einfach an den Charts der damaligen Zeit orientiert, wenn es um meinen "offiziellen" Musikgeschmack ging und dabei sehr früh gelernt, dass Schlager eher was für ältere Leute sind, die meinen, sie müssten auch noch Party machen. Also so für Leute ab 30 oder so und dass es für jüngere Leute wie mich total uncool war, Schlager zu mögen. (Musicals war übrigens "Intellektuellen-Musik", da ist die Peergroup für 15-16jährige noch dünner besetzt und Streber wollte ich ja nun auch auf gar keinen Fall sein.)
So bis Mitte der 70er war es dabei relativ einfach, Schlager als Schlager zu identifizieren, das waren nämlich alle deutschen Lieder, die keine Liedermacherlieder waren. Es wurde dann etwas komplizierter als Marius Müller-Westernhagen gemocht werden durfte. Dessen Lieder waren cool und wurden auf jeder Fete gespielt, das gefiel mir, denn endlich hatte ich auch mal ganz in echt einen Mainstream-Geschmack. Aber Peter Maffay war deshalb noch lange nicht akzeptiert und Udo Jürgens war schwierig, aber immerhin nicht so schlimm wie Tony Marschall, Roberto Blanco oder Roy Black. Es gab außerdem einzelne Ausnahmen, für die wurde man nicht sofort in die ewige Musikgruftihölle verbannt, wenn man die mochte, z.B. Juliane Werding mit "Am Tag als Conny Kramer starb", das wurde grade noch mit zugekniffenen Augen akzeptiert, obwohl es natürlich cooler war, gleich das Original von Joan Baez zu hören.
Dass in dem Schlagerrückblick, den ich da gestern sah, Udo Jürgens auf einer Stufe neben Rex Gildo einsortiert wurde, das fand ich dann schon schräg, weil er zumindest in meiner Welt früher nicht als zu verachtender Schlagerfuzzi galt. Es war nicht cool ihn zu mögen und er war auch kein echter Liedermacher, aber irgendwie eher doch sowas als ein Schlagerstar. Nun ja.

Die Sendung Hitparade war für die Erwachsenen (also die ab 30), das guckte man höchstens, weil man es gucken durfte, aber nicht weil man selber interessiert war. Ich guckte es vor allem deshalb ganz gerne, um zu lernen, bei welcher Musik ich ordnungsgemäß die Augen verdrehen musste, wenn Freunde dabei waren.
Angesagte, also akzeptierte Musik gab es bei Ilja Richter in der "Disco", was ich versuchte, regelmäßig zu gucken, einfach deshalb, damit ich informiert war, welche Songs grade "heiß" waren. Das war die preiswerteste und bequemste Variante. Echte Freaks hörten natürlich ständig Radio und kauften sich im Zweifel auch noch passende Zeitschriften, das war mir viel zu lästig, weil ich die Musik selber ja gar nicht hören wollte, sondern nur die wichtigsten Informationen zum darüber Mitreden brauchte.

In den 80ern bekam ich "neue" Musik dann entweder übers Radio mit, was beim Autofahren lief und natürlich wenn man abends ausging, da wurden die Charts ja auch hoch und runter gespielt. Mein Kontakt zu Erwachsenen (also denen über 30) wurde immer weniger, keine Teilnahme an gemeinsamen Feten mehr, ich war alt genug, um auf eigene Feten gehen zu können. Dementsprechend spärlich wurden auch so nach und nach die Informationen über neue Schlager - und irgendwann war ich dann von Informationen über dieses Musikgenre sozusagen abgeschnitten, weil, wo hätte ich etwas darüber erfahren können? Niemand in meinem Umfeld hörte diese Musik, ich glaube, ich hielt Schlager lange Zeit für so etwas wie Kölnisch Wasser - das wird mit meiner Elterngeneration irgendwann aussterben.

Ich erinnere mich gut, dass ich 2006 das erste Mal etwas von Andrea Berg hörte, weil der Maler, der auf Borkum den Innenanstrich erledigt hatte, so von ihr schwärmte und ich aus Neugier dann diesen Namen googelte und vor Erstaunen fast vom Stuhl fiel, als ich las, wie viele Millionen Schallplatten diese Frau schon verkauft hatte.
Das hat mich damals schon erstaunt und gestern gab es ja noch viele weitere Informationen über Schlagersänger und -innen, die heute angesagt sind und ich stellte fest, dass ich tatsächlich kaum einen der Namen kannte, obwohl die teilweise das x-fache an Platten verkaufen verglichen mit den Leuten, die meiner Meinung nach grade in den Charts sind.
Immerhin wusste ich schon, wer Helene Fischer ist und von "dem Wendler" hatte ich auch schon gehört, allerdings vor allem deshalb, weil sich so viele Satiriker so häufig über den lustig machen. Roland Kaiser (kenne ich, noch von früher und außerdem kauft er häufig mit mir gleichzeitig im selben Großmarkt in Münster ein, man kennt sich sozusagen vom Einkaufen), also dieser Roland Kaiser hat jetzt eine Platte mit Florian Silbereisen gemacht und den hätte ich stumpf unter "Volksmusik" abgelegt und plötzlich wurde mir klar, dass es neben Schlager und der Hitparade (für die Leute ab 30) ja früher auch noch Volksmusik und den blauen Bock gab (für die Leute ab 60) und dass es etwas ähnliches also sicher heute auch noch gibt - nur, wer verdammte Axt, guckt das noch?

Und dann habe ich mir überlegt, dass meine frühere Einteilung, also Schlager sind vor allem was für "Leute ab 30" und Volksmusik ist was für Rentner, vielleicht tendenziell früher gepasst hat, so ganz grob, aber dass ich damit heute keine einfache Abgrenzung mehr zu mir definieren kann, weil, sonst hätte ich die letzten 28 Jahre ja schon Schlager hören müssen bzw. wenigstens hätte ich Freunde haben müssen, die Schlager hören und demnächst wechseln dann alle zur Volksmusik und das halte ich alles für extrem unwahrscheinlich.

Es muss also ganz andere Unterschiede geben und dann wurde mir klar, dass es neben meiner kleinen, eingeschränkten Miniwelt ein gigantisch großes Paralleluniversum geben muss, in dem Millionen von Menschen leben, die auf Schlager und auf Volksmusik stehen und dafür auch richtig viel Geld ausgeben - die aber alle für mich nicht sichtbar sind.
Und das hat mich dann sehr nachdenklich gemacht
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Dienstag, 22. Dezember 2020
Ich habe mich mit meinem Alter arrangiert
Zweiter Urlaubstag, heute ohne Steuererklärungen, dafür mit Nebenkostenabrechnungen. War eine Ganztagsbeschäftigung, inklusive Korrektur der Dauermietrechnungen für das zweite Halbjahr wegen des gesenkten Umsatzsteuersatzes.
Das Ausrechnen der Zahlen ist dabei nur ein kleiner Teil, dann müssen ohne Ende Dokumente hergestellt werden, hübsch formatierte Tabellen und ansprechend formulierte Briefe ausgedruckt, wieder eingescannt, eingetütet, frankiert werden. Das dauert halt alles.
Jetzt ist die Post aber schon eingeworfen und es fühlt sich gut an.

Irgendwann am Nachmittag machte mein Handy "pling" und eine Push-Nachricht meldete, dass in der Packstation ein Paket auf mich wartet. Das fand ich aufregend, denn ich habe nichts mehr bestellt, alle offenen Bestellungen sind längst da.
Weil ich ja grundsätzlich ein enorm neugieriger Mensch bin, musste ich also dringend zur Packstation fahren und nachschauen und fand ein Überraschungspaket von dem Schreiner, der auf Borkum die Haustür eingebaut hat.
Darin als Besonderheit endlich mal keine Flasche, sondern ein superedles, japanisches Messer als absolut wunderbares Weihnachtsgeschenk, ich war richtig begeistert.
K hat in den letzten Wochen sein Büro aufgeräumt und dabei so nach und nach die Weihnachtsgaben der letzten Jahre aus den Schränken geholt und bei uns im Weinkeller eingelagert, wenn wir von einem für die nächste Zeit also wirklich genug im Haus haben, dann sind es Weinflaschen.

Ansonsten höre ich ja mit großer Begeisterung seit 22 Tagen jeden Morgen den großen Adventskalenderpodcast "Herzregen" von Frau Novemberregen und Frau Herzbruch, heute Morgen hatten sie das Thema "Älterwerden" und ich musste ganz gewaltig grinsen, denn im Wesentlichen beklagen sie genau die Dinge, die ich vor 14 Jahren, als ich in ihrem Alter war, 1:1 auch beklagt habe. Ich höre mich noch reden.

Ich bin aber heute 14 Jahre älter und finde mein eigenes, 14 Jahre jüngeres Ich im Rückblick inzwischen irgendwie niedlich. Ich habe mir damals ernsthaft Gedanken ums Älterwerden gemacht, habe damit gehadert und fühlte mich nicht mehr richtig platziert im Leben. Nicht Fisch nicht Fleisch, nicht mehr jung, aber natürlich auch nicht richtig alt. Viele Perspektiven meines 30jährigen Ichs waren weggefallen oder ließen sich zumindest nicht mehr mit echter Seriösität anstreben. Die endgültige Zahl der Kinder stand fest, die berufliche Ausrichtung ließ sich auch nicht mehr sinnvoll verändern, (obwohl ich hier in gewisser Weise ja dann doch einen kompletten Neustart gewagt habe, aber der grundsätzliche Beruf blieb der gleiche), für eine Umschulung zur Aktuarin war die Zeit genauso abgelaufen, wie für einen Neustart als Stewardess und zum Auswandern fehlte mir inzwischen auch der Schwung.
Die Kinder waren zwar schon alle so groß, dass sie selbstständig zur Schule gehen konnten, aber eben noch nicht groß genug, um komplett alleine zu leben (so wie heute), ich war gefangen in einer Melange aus Verantwortung, Kümmern und Loslassen und fühlte mich scheiße. Mein Aussehen veränderte sich, meine Haare saßen nicht mehr so easypeasy wie sie das 40 Jahre lang zuvor stets getan hatten, ich bekam Stoppeln am Kinn, die mich wahnsinnig machten, Falten am Hals, die mich Rollkragenpullis en masse kaufen ließen und ich konnte ohne Brille nichts mehr lesen.

Ich weiß das alles noch genau, aber ich habe mich inzwischen damit versöhnt. So, wie ich eines Morgens aufwachte und plötzlich nichts mehr ohne Brille lesen konnte, wachte ich einige Jahre später auch mal plötzlich morgens auf und freute mich, dass ich eine Gleitsichtbrille habe, die so vieles im Leben einfacher macht.
Ich glaube, mit Anfang/Mitte 40 hatte ich immerzu das Gefühl, das Glas ist nicht mehr ganz voll, da fehlt was, da fehlt sogar ein großer Schluck, wenn nicht gar die Hälfte und mit einem halbleeren Glas war ich ganz und gar nicht einverstanden.

Heute schaue ich mir mein Leben an und denke, was ich für ein Glück habe, dass noch so viel drin ist in meinem Glas. Vielleicht nicht mehr halbvoll, aber fast. Und das Beste kommt erst noch, das Süße sitzt am Boden, da kann ich mich jeden Tag drauf freuen.

Und ja, ich bin absolut superheilfroh, dass ich aus dem Alter von "bis Mitte 40" raus bin. Von allen Altern, die ich in meinem Leben schon erlebt habe, war die Zeit zwischen Anfang bis Mitte 40 ganz unbestritten die anstrengendste und mental zermürbendste. Formal gab es damals für mich keinen Grund irgendwas zu beklagen, ich hatte alles. Ein tolles Haus, ein aufregendes Leben und ziemlich pflegeleichte und selbstständige Kinder, aber vielleicht war genau das das Problem: Es gab keine Perspektive für die absehbare Zukunft, die es besser werden ließ, weil es ja schon sehr gut war. Aber die ersten 40 Jahre in meinem Leben war es quasi ständig bergauf gegangen, ich hatte tolle Dinge gemacht und erreicht - und dann war plötzlich Stillstand. Wo soll man noch hin, wenn man oben angelangt ist?

Ich habe deshalb damals alles hingeschmissen und einfach noch mal neu angefangen, das ist (zum Glück!) auch wirklich rundum gut gegangen, aber so war ich die letzten 14 Jahre gut beschäftigt und hatte gar keine Zeit, mich übers Älterwerden zu grämen. Und heute habe ich eine durchaus absehbare Perspektive: Nur noch vier Jahre und dann kann ich mich zu 100% mit den Dingen beschäftigen, die mir heute schon am meisten Spaß machen und da bin ich sehr sicher, das wird toll.

Frau Herzbruch träumt von einer Wohnung am Meer, wo sie im Alter vor der Scheibe sitzt und aufs Meer guckt. Im Unterschied zu Frau Herzbruch bin ich dieser Wohnung (und nein, ich will natürlich ein Haus und ich muss das Meer nicht sehen, mir reicht es, wenn ich es hören und riechen kann, mir ist ja Gucken nicht so wichtig), aber im Unterschied zu Frau Herzbruch bin ich meiner sehr ähnlichen Altersvorstellung schon deutlich näher und das macht ganz enorm mehr zufrieden, eben weil ich keine Zwischenperspektive mehr brauche. Vor 14 Jahren hätte ich noch geglaubt, dass es mindestens noch 23 Jahre dauert, bis ich in diesem Haus non stop dem Meer lauschen kann. (Bis 67 halt)
Aber 23 Jahre ist einfach zu viel, wenn man Mitte 40 ist, ist das das halbe Leben, das kann man nicht einfach nur mit Warten verbringen. Ausgeschlossen, da braucht es noch etwas anderes in der Zeit. Wenn man das aber nicht sieht, ist das blöd. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern.

Und genau deshalb bin ich so unendlich froh, dass ich diese Zeit hinter mir habe. Ich habe mich in den letzten 14 Jahren gut beschäftigt und unter anderem ist es mir gelungen, mein persönliches Arbeitsende 5 Jahre nach vorne zu ziehen, deshalb sind es für mich nur noch vier Jahre. Und die sitze ich doch locker auf einer halben A*backe ab
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Samstag, 19. Dezember 2020
Dimensionsfalten und Perfektion
Eigentlich habe ich seit gestern Urlaub, aber weil es immer noch so viel zu tun gibt, denn der gesamte Privatkram ist noch nicht erledigt und weil ich weiß, dass ich Montag bis Mittwoch ganz bestimmt noch sehr viel zu tun haben werde, ist heute Wochenende und ich habe den Tag ausführlich genossen.

Den Vormittag habe ich überwiegend damit verbracht, einen Text wiederzufinden, den ich heute Vormittag im Bett auf dem Handy oder dem iPad gelesen habe, aber er blieb unauffindbar. Das ist schon verrückt, nicht wahr, dass manchmal Dinge verschwinden, die eben grade noch da waren und man hat überhaupt keine Erklärung, weshalb und vor allem wohin sie verschwunden sind, aber sie sind weg, innerhalb von Sekunden unsichtbar, in einer Dimensionsfalte versteckt, einfach nicht mehr greifbar. Völlig skurril und oft auch völlig absurd.

Frau Novemberregen und Frau Herzbruch (in der Blogroll verlinkt) haben sich heute in ihrem Adventskalenderpodcast über Wohnen unterhalten und Frau Novemberregen träumt von einer Wohnung nur für sie, zu der sonst niemand anderes Zutritt hat, weil sie meint, dann wären dort immer alle Dinge an dem Platz, an dem sie selber sie hinterlassen hat.
Dazu kann ich nur sagen, dass ich davon auch lange geträumt habe, bis alle Kinder ausgezogen waren und ich inzwischen durchaus Räume besitze, die nur ich alleine benutze. Aber knapp waren die Kinder weg, haben sich die Dimensionsfalten im Haus verdreifacht und es ist (fast) genauso viel immer noch zwischendurch verschwunden, wie das früher auch regelmäßig der Fall war. Das ist sehr gruselig, vor allem auch, weil ich jetzt niemanden mehr habe, dem ich die Schuld dafür zuschieben kann, dass Dinge weg sind.

Heute Vormittag suchte ich also einen Text, den ich nur Minuten vorher noch gelesen hatte. Eigentlich interessierte mich der Text selber gar nicht, sondern nur das Zitat, was darin vorkam, denn es war einem Urheber zugeordnet und genau den wollte ich wiederfinden, aber wie verhext, es blieb verschwunden.
Das Zitat selber weiß ich natürlich auch nur noch dem Sinn nach, es lautete ungefähr: Glück ist, wenn man irgendwann den Menschen gefunden hat, den man bis an sein Lebensende ärgern kann. - und ich finde es ganz ungemein treffend auf den Punkt gebracht.
Leider weiß ich halt nicht mehr, wer das mal so klug erkannt und formuliert hat, aber ich würde es zu 100% unterschreiben.
Und vielleicht habe ich deshalb auch so oft das Gefühl, wirklich glücklich zu sein, denn wenn ich das Band, was meinen Westfalenmann und mich verbindet, beschreiben müsste, dann ist es eben die Tatsache, dass wir uns wirklich ganz vorzüglich gegenseitig ärgern können und das auch unentwegt tun.

Am Nachmittag habe ich Dinge getan, die ich schon wieder vergessen habe, es hatte aber nichts mit Schreibtischarbeit zu tun und allein das ist immer schon ein Grund, um mit dem Tag zufrieden zu sein.

K hat sich heute damit beschäftigt, Dinge bei ebay einzustellen, was ich ganz ungemein hervorragend prima finde und jetzt hat er nicht nur die drei alten Sonos-Boxen bei ebay reingesetzt, sondern auch gleich noch ein paar Dinge, die ich ihm zusätzlich angeschleppt habe und auf fast alle Teile liegen schon Gebote vor, es ist also sehr wahrscheinlich, dass auch alles verkauft wird. Große Freude.

Ansonsten habe ich über Dinge nachgedacht.
Inspiriert von dem Herzregen-Podcast finde ich die Idee prächtig, einen Begriff in den Raum zu werfen und sich dann zu überlegen, was man dazu zu sagen hat.

Ein Begriff, der mir gestern vor die Füße geworfen wurde, war "Perfektion" und nach dem ich kurz nachgedacht habe, möchte ich zu Perfektion Folgendes sagen: Ich halte nichts davon.

Meine Großmutter sagte gerne, dass 80% der Erledigung vieler Dinge auch 80% der Zeit braucht, die fehlenden 20% der Erledigung brauchen dann aber noch mal 80% der Zeit. Ich finde, da ist sehr viel Wahres dran, deshalb lasse ich üblicherweise die letzten 20% gleich von vornherein weg, sie haben ein zu schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis und zu 80% perfekt ist doch nun wirklich auch völlig ausreichend.
Das Prinzip hat übrigens einen wissenschaftlichen Namen, man nennt es das Pareto-Prinzip und die Verteilung von 80% und 20% wird da etwas anders beschrieben, aber ich glaube, meine Großmutter meinte genau dieses Prinzip und weil eine gewisse Schludrigkeit sowieso meinem Naturell entspricht, kommt mir das alles ganz ungemein entgegen und ich lebe quasi das Paretoprinzip mit allen Fasern.
Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass bei mir nie etwas perfekt ist. Meine Schulbücher hatten immer Eselsohren, in meinen Schulheften war oft gleich auf der ersten Seite ein dicker Klecks und so schaute ich stets nur mit großem Staunen auf die Klassenkameradin, bei der immer alles ordentlich war.
Nie ein Eselsohr, nie ein Klecks, ihre Handschrift sah aus wie Kalligraphie, ihre Kniestrümpfe rutschten nie und ihre Zöpfe sahen noch am Abend aus wie grade eben erst geflochten.
Es gibt so Menschen, die Perfektion scheinbar mühelos beherrschen. Ich habe schon früh erkannt, dass ich nicht dazu gehöre und mich von Anfang an auf die 80% Regel spezialisiert.
Mit dieser von Anfang an einkalkulierten, fehlenden Perfektion komme ich sehr gut klar, wenn die anderen noch strampeln, bin ich schon da, ich mache halt keinen 100m Lauf, sondern einfach nur 80m. Reicht auch, finde ich
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Donnerstag, 3. Dezember 2020
Die Sache mit der Rosinenpickerei
Ich muss da noch was ergänzen zu dem, was mir da gestern spontan rausgerutscht ist.

Ich weiß, dass ich von Menschen, die sich für Feminismus einsetzen, entweder als Nestbeschmutzer" (die aggressive Variante) oder als Profiteur (die abwertende Variante) bezeichnet werde, weshalb ich eigentlich nur sehr ungern meine Meinung zum modernen Feminismus äußere. Im Grunde kann ich vorher schon sicher sein, dass die Menschen, die mir persönlich wichtig sind, meine Meinung ablehnen und mich innerlich mit vielen Minuspunkten belegen, eben weil es so ungemein political incorrect ist, sich negativ zu Frauenthemen und Gendervielfalt in allen Variationen zu äußern. Das gehört sich nicht, schon gar nicht für eine Frau. Einen Mann kann man ja wenigstens noch in die Ecke "alter, weißer Mann" stecken und dort einsam und verachtet sterben lassen, aber was macht man mit einer Frau?
Unsolidarisch ist da ja wohl noch die harmloseste Beschimpfung.

Ich bevorzuge wenn, dann aber lieber den Begriff "Profiteur", denn der stimmt wenigstens.
Ich habe mein ganzes Leben massiv davon profitiert, dass ich eine Frau bin und dass die Gesellschaft meint, Frauen müssen besonders unterstützt werden.
Ich habe die Gesetze nicht gemacht, ich habe aber gelernt, sie für mich positiv zu nutzen.

Weil ich als Frau fest davon überzeugt war, dass ich mich nur verschlechtern könnte, wenn ich heirate, war ich formal immer eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern und wenn irgendwelche Randgruppen hier in Deutschland vom Gesetzgeber bevorzugt behandelt werden, dann sind es alleinerziehende Mütter (oder waren? ich habe keine Ahnung, wie das heute ist, aber in den 90ern war es auf alle Fälle ein großer Vorteil). Meine Kinder bekamen problemlos einen Kitaplatz bevor sie ein Jahr alt waren, als Bemessungsgrundlage für die Kitagebühren galt nur mein Einkommen.
Als sie in die Schule kamen, bekamen sie sofort einen Platz in der Hortgruppe bzw. in der Ganztagsbetreuung. Bei der Bewerbung um einen der begehrten Plätze in der Montessorischule wurden Kinder von alleinerziehenden Müttern ebenfalls bevorzugt und wenn es was zu unterschreiben gab, empfand ich es grundsätzlich als großen Vorteil, dass ich das alleine konnte und nicht umständlich die Unterschrift des Vaters auch erst noch einsammeln musste.

Umgekehrt war es für mich an keiner Stelle hinderlich, dass es keinen Trauschein gab, denn es gab ja den Vater der Kinder, wir lebten ein ganz normales Familienleben und ich glaube, dass die allerwenigstens Leute überhaupt wussten, dass wir nicht verheiratet waren. Im Alltag war das auch an keiner Stelle ein Problem und im Behördenumgang war es eindeutig ein Vorteil.

Steuerlich hatten wir den Sachverhalt auch optimiert - ich war beim Vater der Kinder angestellt und verdiente dort grade genau so viel, um das System optimal auszupendeln.
Dass sich eine Ehe schon aus steuerlichen Gründen lohnt, ist auch so ein modernes Stadtmärchen. Wenn man seine Abgaben wirklich optimieren will, geht es ohne Trauschein definitiv besser. (Und ich kann das so sagen, denn genau das ist mein Beruf)

Beruflich habe ich ebenfalls sehr davon profitiert, eine Frau zu sein, denn erstens gibt es in meinem Beruf viel zu wenig Frauen, so dass ich es sehr angenehm fand, ohne große Anstrengung überall sofort und spontan als willkommene Quotenfrau angenommen zu werden und mit meinem Gewissen bzw. meinem moralischem Anspruch konnte ich das auch stets vereinbaren, weil ich zum Glück über ein gesundes Selbstbewusstsein verfüge und nie Sorge hatte, ich hätte mir da eine Position erschlichen, die zu groß für mich ist. Ich empfand es einfach nur als bequemen Vorteil, dass ich dafür nicht boxen musste.
Den größten Vorteil hatte ich aber stets, wenn ich beruflich mit echten, typischen Machos zu tun hatte, die sich selber als die Krone der Schöpfung betrachteten und eine Frau eben nur als eine Frau. Ich meine, das ist doch genial, wenn man derart unterschätzt wird, mehr Vorteil kann man sich kaum denken.
Und selbstverständlich fand ich es ganz prima, eine heikle Betriebsprüfung dadurch erfolgreich für den Mandanten zu retten, dass ich in einem superkurzen Rock erschien und dem Betriebsprüfer erfolgreich einredete, dass ein gemeinsames Mittagessen wichtiger ist, als noch die letzten drei Akten penibel durchzusehen.

Ich habe auch mal eine Wette mit einem Freund gewonnen, wer von uns beiden schneller einen Autoreifen wechseln kann. Ich hielt kurzerhand den nächsten Brummifahrer an, der sich sehr kooperativ zeigte und mir gerne half, meine Wette zu gewinnen...

Insgesamt kann ich von mir und meinem Leben nur sagen, dass ich mich an keine Situation erinnere, wo ich mich benachteiligt gefühlt hätte, nur weil ich eine Frau war. Oder doch, einmal Silvester, als die Jungs alle gemeinsam grölend versuchten, die Marseillaise in Schnee zu pinkeln und ich nicht mitmachen konnte. Aber ich glaube, hier wäre ich auch mit modernen Gendertechniken nicht weitergekommen.
Umgekehrt hatte ich aber sehr oft das Gefühl, dass es schon eine arge Rosinenpickerei ist, wie ich mir mein Leben gestaltet habe - aber dann sagte ich mir stets, dass ich weder die Regeln der Gesellschaft noch die Gesetze und Bürokratievorgaben so gemacht hatte wie sie sich entwickelt haben, ich habe einfach nur davon profitiert, dass es vor mir schon einige Generationen von Frauen gegeben hatte, die sich sehr hartnäckig ihre Gleichberechtigung erkämpft hatten - und diesen Frauenrechtlern bin ich auch wirklich dankbar dafür.

Ich denke aber auch, dass dieser Kampf längst erfolgreich erledigt ist. Was geblieben ist, sind ein paar seltsame alte, weiße Männer, die im Wesentlich aber auf einer schmelzenden Eisscholle in den nahen Tod treiben und jede Menge Pflichten und Vorgaben, was die formale Gleichberechtigung in einer Beziehung angeht. Das ist schon heute alles nicht mehr so bequem wie noch vor 30 Jahren, als das Rosinenpicken für eine Frau wirklich extrem einfach war, alles in allem bin ich sehr froh, dass ich meine Schäfchen heute im Wesentlichen im Trockenen habe.

Das einzige, was es meiner Meinung nach dafür brauchte, war eine realistische Selbsteinschätzung kombiniert mit einem gelassenen Selbstbewusstsein und eine große Portion "common sense".

Natürlich ist mir in meinem Leben nicht immer alles gelungen, natürlich bin ich an einigen Stellen gescheitert, ausgebremst worden oder auf die Schnauze gefallen, aber der einzige Grund, der mir nie als Ausrede für mein eigenes Versagen eingefallen wäre, wäre ein Hinweis auf mein Geschlecht. "Die haben mich nicht genommen, weil ich eine Frau bin."
ist so ziemlich der letzte Satz, der mir je als Begründung eingefallen wäre. Ich fand es dagegen ganz normal festzustellen "Die haben mich nicht genommen, weil ich nicht in ihr System passe."
Denn das kann ja nun wirklich sein, dass es außer der rein fachlichen Qualifikation, die man meint, aus Zeugnisnoten ablesen zu können, darüber hinaus auch noch eine menschliche Qualifikation gibt und wenn ich da nicht genüge, dann liegt es daran, dass ich bin wie ich bin und wenn mein Typ nicht zu dem gewünschten Profil passt, ja nun, dann ist das eben so.
Ich finde es völlig legitim, dass sich nicht immer und überall alle Menschen gleichmäßig sympathisch sind.

Zusammenfassung:
Ich finde, der Feminismus hat in den letzten 100 Jahren ganz wichtige Dinge erreicht und verändert, ich bin aber auch der Meinung, nu ist gut. Es gibt nichts mehr zu verbessern, jede Frau, die gerne möchte, kann tun und lassen, was sie will, das ist für mich das, was wirklich zählt.
Mir ist gleichzeitig bewusst, dass längst nicht jede Frau "will", d.h. der heutige Feminismus kämpft nicht mehr für die Rechte der Frau, sondern für die Unbequemlichkeiten der Frau, denn Dinge zu wollen bedeutet leider gleichzeitig auch, aktiv zu sein, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen.
Es mag sein, dass es viele Menschen gibt, die das wichtig finden und spaßigerweise gibt es auch zunehmend Männer, die das unterstützen, was ich wiederum sehr gut verstehen kann. Wenn ich Mann wär, wäre ich auch Feminist, ist doch sonst blöd, wenn es kaum Frauen gibt, die mit anpacken.

Ich bin aber kein Mann und ich kann es nicht leiden, anderen vorzuschreiben, was sie zu denken, zu meinen oder zu tun haben. Ich finde den modernen Feminismus deshalb ungemein übergriffig - aber ich bin zum Glück auch alt genug, dass es mir eigentlich auch wieder komplett egal sein kann.
Macht doch, was ihr wollt und von mir aus vergendert eure Sprache, wenn's schee macht, ich bin dabei einfach nur raus
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Mittwoch, 18. November 2020
Podcasts
Auf der Autofahrt ins und vom Büro und überhaupt auf allen Autofahrten, bei denen ich alleine In meinem Auto unterwegs bin, habe ich mich daran gewöhnt, Podcasts zu hören. Weil der wöchentliche DrostenPodcast nicht alle Autofahrzeiten abdeckt und ich inzwischen schon so viele Alles gesagt Podcasts gehört habe, dass ich mal Lust auf was anderes hatte, habe ich mich in den letzten Tagen/Wochen relativ willkürlich durch viele verschiedene Podcast durchgeklickt bzw. testgehört und fand es interessant, aus welchen Gründen ich einen Podcast mag und wann ich sehr schnell weiter bzw. rigoros für immer weggeklickt habe.
Das für mich mit großem Abstand entscheidendste Kriterium ist die Stimme der Sprecher. Es ist jetzt nicht superwichtig, dass sie eine tolle Stimme haben, das ist eher ein zusätzlicher Pluspunkt, der für die Unterscheidung zwischen "kann man hören" und "macht Spaß zu hören" von Bedeutung ist, aber eine schreckliche Stimme ist dagegen ein absolutes Knockout-Kriterium.
Welche Stimmen ich so gruselig finde, dass es mir ein Weiterzuhören unmöglich macht, ist natürlich mein ganz persönlicher, subjektiver Geschmack, aber jede Stimme, die so nasal klingt, als hätte der Sprecher einen Stockschnupfen, so eine Stimme ist mir so unangenehm wie anderen Leuten das Geräusch von Fingernagel Kratzen auf Schultafel. Ich erinnere mich, dass es in meiner Jugend eine Pastorin gab, die den alten, pensionierten Pfarrer ersetzen sollte und die hatte auch so eine Schnupfen-Näsel-Stimme. Wenn die predigte, war es mir körperlich unmöglich in der Kirche sitzen zu bleiben, weshalb ich das trotz der Androhung von körperlichen Auseinandersetzungen mit meinem Vater auf das entschiedenste verweigerte.

Und was ich als Podcast-Stimme überhaupt nicht leiden kann, sind diese Mädchen-Stimmen. Es gibt ja Frauen die klingen mit Mitte 40 noch wie Teenager, das finde ich ganz entsetzlich und auch wenn der Inhalt dessen, was sie sagen, vielleicht echt interessant ist, aber einer 15jährigen möchte ich nicht zuhören, auch nicht bei philosophischen Betrachtungen über das Leben. Egal wie alt die 15jährige ist, wenn sie klingt wie 15 ist das für mich erledigt.
Es gibt einen ziemlich bekannten Podcast "Hotel Matze" und die Ehefrau von Matze hat selber einen Podcast gestartet, der sich inhaltlich echt interessant liest. Leider ist Frau Matze stimmlich blutjung, was eben bedeutet, dass ich ihr leider nicht zuhören kann, auch wenn ich ihre aufgeschriebenen Gedanken ganz toll finde/fände.

Was ich auch nicht ertragen kann, ist Akzent. Überhaupt keinen Akzent. Einfach gar keinen, auch keinen, den ich tendenziell mag, wie norddeutsch, ich ertrage Sprechstücke nur auf Hochdeutsch, alles andere ist mir nach fünf Minuten too much.
Was dagegen funktioniert ist ein Podcast auf plattdütsch, das ist ja kein Akzent, das ist eine andere Sprache, dann geht das.

Dann gibt es sehr viele privat produzierte Podcast, wo die Podcaster ursprünglich aus der Bloggerszene kommen und wirklich tolle und interessante Dinge schreiben oder geschrieben haben. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie angenehm frei sprechen können. Wenn man sich erst mal durch eine ganze Reihe verschiedener, privat produzierter Podcasts probegehört hat, stellt man schnell fest, wie viele Leute seltsame Sprachticks haben. Heutzutage sagt man nicht mehr "äh", heutzutage sagt man "genau", das aber mindestens so oft und unsinnig wie die typischen "ähs", finde ich sehr gruselig.
Sehr anstrengend finde ich auch diese holprigen Sprecher, denen beim Reden über A schon mittendrin B einfällt und die dann brückenlos mitten Satz neu ansetzen, was über B sagen, nur um vor Beendigung dieses Gedankens dann noch zu C zu wechseln. Usw.

Und ich finde es unangenehm, wenn Leute hässlich lachen. Es ist ganz erstaunlich, wie viele Leute hässlich lachen. Es mag ihr persönliches Schicksal sein, ich weiß nicht, wie weit man an seiner eigenen Lache etwas drehen kann, aber bei manchen Leuten habe ich wirklich das Gefühl, die hören sich ihren eigenen Podcast gar nicht an, sonst würden sie ihre schrille Lache doch ganz bestimmt rausschneiden - oder gibt es Leute, die so etwas mögen?

Erst wenn das Soundthema Stimme so gelöst ist, dass ich beim Zuhören nicht schon aus rein akustischen Gründen sofort wieder abschalten möchte, kann ich mich mit den inhaltlichen Aspekten eines Podcasts auseinandersetzen. Hier variieren meine Vorlieben dann, habe ich festgestellt, aber tendenziell mag ich Podcasts am liebsten, wo Personen miteinander sprechen und mir nicht einfach nur so etwas erzählen. Und ich habe aktuell keinen Bedarf an Aktualität.
Das Morningbriefing von Herr Steingart, den ich eine lange Zeit echt gut fand, habe ich deabonniert und gelöscht, irgendwann ging mir der gute Mann mit seinem Narzissmus dann doch zunehmend auf den Senkel, überhaupt habe ich ein grundsätzliches Problem mit Menschen, die sich selber so ungebremst großartig finden.

Mag ja sein, dass es aus reinen Achtsamkeits- und überhaut Erfolgskriteriumsgründen sehr schlau ist, sich selber toll zu finden, aber ich finde, das sollte man einfach eine Runde leiser tun, was für mich bedeutet, ich schalte solche Podcast gar nicht erst ein. Dann ist das maximal leise.

Und wenn ich nicht bald einen Podcast finde, den ich einschalten kann, wenn ich das wöchentliche DrostenUpdate durchgehört habe (hier finde ich Frau Cisek übrigens auch deutlich weniger angenehm zum Zuhören als Herrn Drosten), dann starte ich einfach die acht Stunden Alles gesagt mit Juli Zeh noch mal. Die finde ich so toll, die kann ich ohne Bedenken auch zwei- oder dreimal hören
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Sonntag, 8. November 2020
Rückflug mit Zweifeln
Der Rückflug war für 16.15h und damit so spät wie grade noch möglich angesetzt. Da Sonnenuntergang mittlerweile schon vor 17h ist (in Greven exakt um 16:48h heute, es fühlt sich total irreal an, aber die Sonne ist wirklich schon vor fünf Uhr am Nachmittag weg), weil es also so früh dunkel wird und K seine Nachtflugfreigabe erst wieder aktualisieren muss, mussten wir spätestens kurz nach Sunset landen, Abflug um Viertel nach Vier war also so ziemlich das späteste, was K noch legal pilotieren durfte.
Unterwegs konnten wir der Sonne beim Verschwinden zusehen, eigentlich sieht das ja immer wieder gleich aus, aber eben auch wieder schön



Wir sind also wieder auf dem Festland, morgen ist Büro und ich hadere mit mir, meinen Lebensumständen und vor allem, dass ich zulasse, dass diese Lebensumstände mir das aktuelle Leben immer wieder vermiesen.

Ich habe in meinem Leben sicherlich sehr viel falsch gemacht und mich häufiger mal falsch entschieden, aber ich habe meine Fehler nie bereut, weil sie Teil meines Lebens sind und insgesamt mein Leben so geformt haben, dass es heute ist, wie es ist und grundsätzlich finde ich es gut, wie sich mein Leben heute darstellt, was aber nicht bedeutet, dass man da nicht noch was optimieren könnte.

Mein Beruf war immer Teil meines "Gesamtlebens", ich habe nie eine scharfe Trennung zwischen Beruf und Privat gemacht, ich habe am Sonntag mit Mandanten telefoniert, am Wochenende E-Mails beantwortet und nachts an Verträgen, Präsentationen oder Bilanzen rumgeschraubt, das war alles niemals ein Thema und es hat mich auch nie gestört.

Jetzt aber stört es mich.
Es stört mich, weil ich keine Lust mehr auf den Beruf habe, denn ich brauche ihn nicht mehr so nötig wie früher.
Es stört mich, weil ich das Gefühl habe, der Beruf klaut mir wichtige Zeit meines Lebens und ich habe Angst, in einem überschaubaren demnächst Zeitraum einfach umzufallen wie Thomas Oppermann und dann war's das, mit dem Leben.
Wenn man meint, dass man gar nicht mehr so viel Leben noch vor sich hat, dann wird man geizig mit dem Verschwenden von Lebenszeit und nach so einem herrlichen Wochenende auf der Insel wird mir erst recht klar, dass ich da wirklich wichtig neue Linien einziehen muss und dass ich mich dann im Zweifel auch hart entscheiden muss, was mir heute wichtig ist und worauf ich noch bereit bin, vier Jahre zu warten.
Und ich fürchte, meine Wartebereitschaft wird immer weniger und ich fürchte, da wird demnächst etwas eskalieren, denn es ist nicht nur meine Entscheidung und sie betrifft halt auch nicht nur mich, es ist, wie immer im Leben, kompliziert, aber das allein ist kein Grund, sich nicht damit auseinanderzusetzen.

Ansonsten habe ich das Wochenende für ein ausgiebiges Fusstraining genutzt.



Laufen in weichem Sand ist auch mit Schuhen eine perfekte Übung, es ist ganz ungemein schade, dass ich im September nicht einfach auf der Insel geblieben bin und dort jeden Tag das Laufen im Sand weiter übte, ich bin sicher, dann wäre mein Fuß schon lange wieder heil.
Aber so ist das eben mit den falschen Entscheidungen, drüber jammern bringt nichts, man sollte sie bewusst wahrnehmen und sich fragen, was man aus ihnen lernen kann
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Sonntag, 27. September 2020
Rückflug und Gedanken zu Sprachformen
Zurück auf dem Festland.
Ich bin mit K zurückgeflogen, obwohl ich noch sehr gut zwei Wochen hätte auf der Insel bleiben können, aber erstens habe ich morgen einen Gyn-Vorsorgetermin und da man auf die immer über sechs Monate warten muss, möchte ich den ungern ausfallen lassen, zweitens habe ich die Physiotermine bei Physiopraxen auf dem Festland gemacht und auch da beginnen die Termine für das zweite Rezept (nach der Wartezeit jetzt in meiner Wunschpraxis) nächste Woche und drittens würde sich K wahrscheinlich ein wenig einsam fühlen, wenn er schon wieder zwei Wochen alleine wurschteln müsste, also insgesamt deutlich mehr Argumente für Festland als für Insel.



Das Wetter hat uns heute nur ein relativ kleines Zeitfenster gelassen, in dem wir unter einigermaßen akzeptablen Bedingungen zurückkamen, deshalb musste der geplante Stopover mit Besuch beim Vater in Leer ausfallen, nach so einem Zwischenstopp wäre das Wetter wieder so schlecht gewesen, dass ein Weiterflug von Leer aus sehr riskant gewesen wäre. Also safety first, den Vater muss ich dann die Tage mal mit dem Auto besuchen fahren.



Sonst so:
In der letzten Zeit habe ich sehr oft über die Veränderungen in der Sprache nachgedacht.
Mir ist dabei aufgefallen, dass jede Generation eine eigene Version von Sprache spricht und ich finde das völlig okay. Interessant finde ich dabei, dass man als Kind in gewisser Weise zweisprachig aufwächst - man lernt die Sprache seiner Eltern, gleichzeitig aber auch die Sprache seiner Peergroup und wenn man ein Grundgefühl für Sprache mitbringt, dann ist man relativ problemlos in der Lage, fließend von der einen Sprache in die andere zu wechseln, je nach dem mit wem man grade spricht. Das hat den Vorteil, dass man bei seinem Gegenüber keine Irritationen auslöst, weil sich jeder richtig adressiert fühlt.
Wenn ein jüngerer Mensch mit Gleichaltrigen so spricht wie mit seinen Eltern, dann halten die Gleichaltrigen ihn für nerdig, klugscheißerisch, steif, wichtigtuerisch oder was es noch für ausgrenzende Beurteilungen gibt für Leute, die nicht die eigene Sprache sprechen, obwohl sie es können könnten, wenn sie nur wollten, schließlich ist man gemeinsam aufgewachsen.
Interessanterweise fällt das sogar den Älteren auf, also wenn ein Jugendlicher so eine "gedrechselte" Ausdrucksweise hat, weil man intuitiv merkt, dass da was nicht zusammen passt. Mein Lieblingsbeispiel hierfür ist immer Philipp Amthor, dieser sichtbar junge Mensch redet wie sein eigener Großvater. Bei dem Großvater wäre es okay, bei dem jungen Philipp hört es sich dagegen einfach nur seltsam an.
Wenn ein jüngerer Mensch dagegen mit einem älteren spricht, dann erwartet der Ältere von dem Jüngeren automatisch eine Anpassung an seine (ältere) Sprache, wahrscheinlich weil der Ältere meint, dass seine Sprache die richtigere ist, schließlich war die eher da. So war das zumindest in meiner Jugend.

Ich weiß noch, dass meine Tante sich stets darüber aufregte, dass die junge Generation (also damals ich) ständig "unheimlich" sagte, wenn sie eine positive Verstärkung ausdrücken wollte. "Das ist unheimlich toll" sei falsche Grammatik, fand meine Tante, weil unheimlich eben etwas Negatives beschreibt, das könne man nicht mit toll oder glücklich oder super oder ähnlichem kombinieren. Wenn ich mit meiner Tante geredet habe, habe ich mir damals also unheimlich viel Mühe gegeben, unheimlich so wenig wie möglich zu benutzen.
Außerdem waren in meiner Jugend alle Wörter, die auch nur im entferntesten etwas mit Sexualität zu tun hatten, auf das strengste tabu. Wenn es sich nicht vermeiden ließ, durfte man medizinische Fachausdrücke benutzen, aber das Beste war, man redete einfach gar nicht über so Schweinskram. "Geil" ist dabei so ein Wort, was erst richtig modern wurde, als ich meinen Spracherwerb schon weitestgehend abgeschlossen hatte, in meiner Jugend stand geil noch für was Schweinisches und "geile Musik" gab es als Kombination erst etwas später, ich glaube, wir sagten damals "scharf", wenn wir Dinge besonders geil fanden, scharf war nicht ganz so zwingend mit Sexualität verknüpft wie geil, aber schon auch ein bisschen.

Meine Kinder sprechen, wenn sie mit Gleichaltrigen zusammen sind, auch komplett anders als wenn sie mit mir reden und ich nehme es interessiert zur Kenntnis und finde es okay. Aber weder finde ich, dass ich auch so reden sollte wie meine Kinder, das wäre dann ja die dritte Sprachversion, die ich lernen müsste und warum sollte ich das tun?
Noch finde ich, dass meine Kinder so reden sollten wie ich.
Ich finde, beide Sprachversionen haben ihren berechtigten Platz in der Gesellschaft.
Die jüngeren Menschen haben noch deutlich mehr Perspektive vor sich als ich, sie entwickeln sich und ihre Sprache und ihre Gesellschaft fort, das ist gut und richtig, aber ich finde, ich bin dafür nicht mehr zuständig. Ich habe meinen Platz im Leben inzwischen einigermaßen stabil gefunden, meine eigene Peergroup redet immer noch so wie wir es früher auch getan haben, ich sehe deshalb überhaupt keinen Grund, mich an einer anderen Gruppe zu orientieren oder ihr nachzueifern, schon gar nicht der Generation nach mir. Dieses zwanghafte Jugendlichseinwollen fand ich selber schon als 25jährige bei den damals 50jährigen schwer peinlich, ich finde, jeder sollte das Alter leben, was er nun mal hat.
Gleichzeitig möchte ich für die Jüngeren aber auch kein Bremser oder Hindernis sein, weshalb ich es komplett akzeptiere, dass für die neue, junge Sprachversion andere Vorgaben, andere Werte und andere Selbstverständlichkeiten gelten. Aber trotzdem würde ich mich komisch fühlen, wenn ich all diese Veränderungen heute auch selber übernehmen würde, weil es eben nicht meine Sprache ist.
Was ich allerdings grundsätzlich anders mache als meine Tante: Ich kritisiere die Jüngeren nicht für ihre andere Sprache. Und sie dürfen auch gerne ihre Sprache verwenden, wenn sie mit mir reden, weil ich begriffen habe, dass den jüngeren Leuten heute vor allem die veränderten Werte wichtig sind. Das ist gut und richtig und komplett akzeptabel, deshalb werde ich niemals blöde Bemerkungen machen, wenn Menschen meinen, sie müssen gegenderte, inklusive Sprachformen verwenden (naja, zumindest nicht zu den Leuten persönlich, dass ich im Zweifel vielleicht doch ein bisschen insgeheim darüber grinse, kann ich nicht vermeiden, es gibt halt Menschen, die es mit der Genderei schon recht arg übertreiben, finde ich, aber wie gesagt, ich würde es niemals öffentlich anprangern). Und wenn die Mehrheit der jüngeren Generation das Gendern genauso richtig findet, dann wird es noch eine Generation weiter die ganz normale Alltagssprache sein.
So soll es sein, alles gut - aber ich finde, ich muss mir das nicht mehr antrainieren
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Donnerstag, 20. August 2020
Über individuelle und gemeinsame Vorlieben
Ein weiterer Tag mit bemerkenswert wenigen Vorkommnissen, im Grunde also genau so, wie ich mir perfekte Tage vorstelle.
Gestern sagte die Mutter, dass es im Grunde sehr angenehm ist, wenn man einfach im Bett liegt ohne krank zu sein, ich finde es erstaunlich, dass sie 84 Jahre gebraucht hat, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, ich lebe schon seit gefühlten Ewigkeiten danach.
Ich finde deshalb ja auch ein Wohnzimmer nicht sonderlich wichtig. Einen gemütlicheren Platz als mein Bett zum Lesen oder Fernsehgucken kann ich mir gar nicht vorstellen. Wenn man alleine lebt, ist das sowieso egal, wo man Fernsehen guckt, wenn man in einer "Kuschel"-Beziehung lebt, kann man auch wunderbar zu zweit im Bett liegen und lesen oder Fernsehen gucken - nur wenn man in einer Gemeinschaft mit anderen Menschen lebt, mit denen man nicht grundsätzlich sein Bett teilt, ist ein "Wohnzimmer" ein sinnvoller Ort, weil er dann halt der "Gemeinschaftsraum" ist.

Da ich aber nun schon seit sehr vielen Jahren in einer Beziehung lebe, in der wir beide unser gemeinsames Bett sehr gemütlich finden, wird das Wohnzimmer bei uns tatsächlich wenig genutzt. Im Grunde nur, wenn andere Menschen auch noch da sind und ich es unhöflich fände, mich ständig in mein Bett zu verkrümeln, obwohl ich ja nicht ins Bett gehe, um meine Ruhe zu haben, sondern einfach nur, weil es dort am gemütlichsten ist, aber da ich das wiederum viel zu lästig fände, das zu diskutieren, ist es halt wie es ist.

Interessant finde ich dabei, dass bei der Raumplanung eines Hauses meist viel Wert auf ein großes Wohnzimmer gelegt wird. Das wird als besonders wichtig und Ausdruck von gehobener Lebensqualität angesehen, für viele ist außerdem ein riesiger Bildschirm bzw. ein Riesenfernseher der zentrale Punkt des Wohnzimmers.
Es gibt natürlich sehr viele verschiedene Lebensentwürfe und es gibt vor allem sehr viele verschiedene "Hauptbedürfnisse", aber weder ein klassisches Wohnzimmer noch ein RiesenTV gehören für mich zu einem erstrebenswerten Wohnambiente.
Ich kann mir allerdings sehr gut ein "Musikzimmer" oder auch eine "Bibliothek", vorzugsweise mit Kaminofen, vorstellen, gerne auch beides kombiniert.
Was ich allerdings niemals in solchen "Gemeinschaftsräumen" haben möchte, ist ein PC-Arbeitsplatz. Dafür möchte ich immer ein eigenes Arbeitszimmer haben, denn wenn ich mich an den Computer setze, dann möchte ich dabei auch meine Ruhe haben.

Dieses Arbeitszimmer ist ja auch so ein Ding, wo Menschen unterschiedliche Prioritäten haben, aber ein vollständig ausgestatteter Arbeitsplatz mit vernünftigem Bildschirm, guter Tastatur und komfortabler Maus ist für mich ein absolutes Muss. So gerne ich grundsätzlich im Bett rumschlunze und dort lese, fernsehgucke und esse - Computerarbeit am Laptop im Bett (oder Sofa, egal) finde ich schrecklich. Dazu gehört auch Bloggen und eben überhaupt alles, wozu ich Daten in den Computer eingeben muss. Ich hasse die Tastatur am Laptop und auch das Tablet nutze ich im Wesentlichen nur zum Lesen im Internet, zum Tippen brauche ich eine richtige Tastatur, alles andere ist maximal ein Notfallbehelf.
Früher hatte ich einen normalen Stand-PC und damit war auch der Arbeitsplatz festgelegt.
Dann kauften wir das Haus hier auf Borkum und ich begann, mir ein zweites "Zuhause" einzurichten. Natürlich brauchte ich auch hier meinen PC, so entschied ich mich also für die "Schlepptop"-Variante, so konnte ich meinen PC mit den darauf gespeicherten Daten hin und her transportieren, aber ich merkte schnell, dass ich mindestens eine externe Tastatur und vor allem eine echte Maus brauchte. Weder Touchpad noch "Mausknubbel" sind Dinger, die ich gerne benutze und wenn ich auf der Laptop-Tastatur schreibe, komme ich ständig ungewollt an das Touchpad oder den Mausknubbel und dann schreibe ich plötzlich an ganz anderen Stellen im Text weiter, weil ich unbemerkt den Cursor verschoben habe, das ist alles nix, was meiner Laune zuträglich ist, ich rege mich regelmäßig auf, wenn ich an einem "nackichten" Notebook arbeiten soll.

Mittlerweile besitze ich den fünften Laptop, die Dinger werden immer leichter und immer leistungsfähiger, aber das Tastaturproblem habe ich immer noch, außerdem sind meine Augen inzwischen deutlich schlechter geworden, so dass ich heute auch einen großen Bildschirm wirklich zu schätzen weiß und aus all den Gründen brauche ich immer noch einen richtigen Arbeitsplatz, wenn ich irgendetwas am PC arbeiten möchte.
Jetzt zu Corona-Homeoffice-Zeiten kam mir das sehr entgegen, denn weil ich auch zuhause ein "bequemes" Arbeiten schon immer wichtig fand (und ich denselben Laptop für Büro und privat besitze/benutze), hatte ich schon immer top ausgerüstete Home-Office-Arbeitsplätze, und das sogar an beiden "Home-Standorten". Ich habe also nicht nur im Büro, sondern auch in beiden Zuhauses eine Dockingstation, an der das sonstige Equipment bereits angeschlossen ist, ich brauche nur noch meinen Laptop in die Dockingstation zu klinken, den Strom anzuschalten und schwups - geht der große Bildschirm an, sind die Tastatur und die Maus verbunden und alles andere, was man sonst noch so ab und zu an den PC anschließt (DVD-Laufwerk, sonstige Ladekabel, Drucker, Scanner usw.) ebenfalls.

Was mir besonders gut gefällt, ist, dass mein Westfalenmann in all diesen Punkten fast die gleichen Ansichten/Einstellungen hat wie ich, wir haben ohne Absprache oft dieselben Vorlieben und Abneigungen und damit auch eine sehr ähnliche Erwartungshaltung.
Eigentlich habe ich es ja nicht so mit Menschen, ich kann also sehr gut ohne. Ohne "gesellige Zusammenkünfte", ohne Veranstaltungen, überhaupt kann ich sehr gut leben, ohne andere Menschen treffen zu müssen, ich habe sozusagen keinerlei sozialen Bedürfnisse - solange ich nicht alleine bin :-).
Der einzige Mensch, den ich wirklich brauche zum Wohlfühlen, ist mein Westfalenmann, den hätte ich dafür am liebsten 24/7 um mich herum. Ich muss dabei gar nichts mit ihm zusammen machen, oder ständig mit ihm reden oder so, das Leben fühlt sich einfach nur besser an, wenn er irgendwie in der Nähe ist. Und das Beste ist, ihm geht es genauso.

Dabei halten wir uns beide für sehr selbstständige und unabhängige Menschen. Ich mich ja sowieso, ich kann schließlich immer alles alleine, mein Westfalenmann braucht wenigstens noch jemanden, der die Waschmaschine bedient.
Aber ich denke wirklich, wir sind jeder einzeln ziemlich selbstständig und ich glaube auch nicht, dass wir auf andere wie eines dieser "Zwitterpärchen" wirken, trotzdem finden wir es beide schöner, wenn der jeweils andere irgendwo in der Nähe ist und Dinge, die man problemlos nebeneinander oder gemeinsam tun kann, die machen wir dann auch zu zweit.
- Wir teilen uns ein Arbeitszimmer, sozusagen Großraumbüro inhouse. Es hat natürlich jeder seinen eigenen Arbeitsplatz, aber eben beide in einem Raum, obwohl wir genug Zimmer hätten, dass jeder seinen eigenen Raum nutzen könnte,
- Wir schlafen immer in einem Bett, und wenn es in einem Hotelzimmer nur zwei getrennte Betten gibt, die sich nicht zusammenschieben lassen, dann wird die Nacht eng und etwas unbequem, aber getrennt schlafen erscheint uns noch ungemütlicher
- Wir haben auch nur eine gemeinsame Bettdecke, dafür aber jeder ein eigenes Kopfkissen (immerhin)
- Wir benutzen beide dasselbe Waschbecken, obwohl im Bad zwei Waschbecken direkt nebeneinander sind, aber das eine staubt zu, während wir uns vor dem anderen immer drängeln,
- Es hat zwar jeder seine eigene Zahnbürste, aber nur als Aufsteckding so einer elektrischen Basis und bei der Zahnpasta teilen wir uns schon wieder eine Tube
- Wir gucken fast immer dasselbe Fernsehprogramm. Ich glaube, in den 12 Jahren, die wir jetzt schon in einem Haushalt leben, kam es vielleicht zweimal vor, dass wir unterschiedliche Programme gucken wollten, was ja grundsätzlich überhaupt kein Problem ist, da wir ja in jedem Haus auch (mindestens) zwei Fernseher haben, aber wir nutzen diese "Freiheit" nicht.
- Wir haben unsere aktive Arbeitszeit so "getimed", dass wir beide nahezu zeitgleich in Rente gehen werden, er macht länger und ich höre eher auf, weil keiner von uns Lust hat, alleine zuhause rumzusitzen
- Wir haben dieselbe HandyPin und ja
- Wir haben auch beide die Funktion "wo ist" aktiviert, einfach weil wir es praktisch finden

Insgesamt ergibt sich daraus ganz unbestritten eine sehr große Nähe, aber trotzdem habe ich das noch nicht einmal als Enge empfunden oder mich gar bedrängt gefühlt. Und genau deshalb habe ich noch nicht einmal das Gefühl gehabt, ich bräuchte jetzt mal "Zeit für mich", ein Gefühl, was sich bei mir sehr schnell einstellt, wenn ich länger mit anderen Menschen zusammen bin.

Das liegt aber auch sicher daran, dass ich ja trotz der großen Nähe immer noch ganz viele Dinge "für mich" habe. Dinge, die ich niemals teilen oder abgeben würde, auch nicht mit meinem Westfalenmann, sondern mit überhaupt gar niemanden, weil sie für mich essentieller Bestandteil einer eigenen Identität sind, sind zB
- Meine E-Mail-Adresse
- Mein Name
- Mein PC
- Mein Konto
- Mein Handy
- Mein Auto
- Mein Fahrrad
- Meine Kleidung
- Mein Schmusetuch

Ich glaube, diese Liste ließe sich noch endlos fortsetzen, denn um diesen Drang "ich kann alles alleine" leben zu können, brauche ich natürlich auf viele Dinge grundsätzlich einen unmittelbaren Zugriff, um jederzeit sicher zu sein, dass ich ab sofort und stand by eben wirklich alles ganz alleine entscheiden und bewegen könnte und dass ich zu keinem Zeitpunkt von der Zustimmung eines anderen abhängig bin. Solange das sichergestellt ist (und das ist bei mir seit langem sichergestellt), fühle ich mich eben auch insgesamt komplett unabhängig und frei, und wenn ich dann "Zeit für mich" brauche, ist es mir am allerliebsten, mein Westfalenmann ist dabei. Und wenn er mich je verlässt, dann nimmt er mich mit, hat er mir versprochen
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Montag, 10. August 2020
Haushalt und mental load
Ich bin immer noch nicht fertig mit dem Thema "Haushalt", ich muss da noch etwas anlegen:

Mein Haushalt war seit jeher ein "nebenbei"- Haushalt, ich habe immer gleichzeitig noch einen "richtigen" Beruf gehabt und hatte deshalb nie viel Zeit zur Verfügung, dafür aber einen hohen Anspruch an den "Output", was im Ergebnis eben zu jenem hocheffizienten System geführt hat, was bei mir ziemlich erfolgreich funktioniert.

Ich habe dabei gleichzeitig überhaupt kein mental load Problem, denn diesen Anspruch an den Haushalt habe ich nicht, weil ich meine, dass ich für den Haushalt zuständig bin, sondern weil ICH so picky mit dem Essen bin. Mich interessiert eigentlich gar nicht, ob und was der Rest der Familie isst, von mir aus können sie sich mit fast food vollstopfen bis sie platzen, nur Zucker essen oder nur Salzstangen. Mir ist es auch egal, ob sonst jemand Hunger hat oder nicht, ein Verpflichtungsgefühl habe ich nur mir selber gegenüber.
Wenn ich keinen Hunger habe, bleibt bei mir die Küche kalt, dann muss sich einfach jeder selber kümmern, da ich keine Kleinkinder mehr im Haushalt habe, sehe ich da auch absolut kein Problem.
Als ich noch Kleinkinder hatte, war alles etwas anders organisiert, dazu weiter unten mehr.
Wenn ich allerdings für mich etwas koche, dann kann ich auch gleich so viel kochen, dass es auch für den Rest der Anwesenden reicht, ist im Wesentlichen derselbe Aufwand, dafür fordere ich dann aber rigoros Mithilfe. Diese Hilfe ist keine Erwartung, sondern eine Forderung, wenn sich dieser Forderung jemand (regelmäßig) verweigert, dann kriegt er auch von meinem Essen nichts mehr ab, ich finde das sehr einfach. Aber genau deshalb "freue" ich mich nicht, wenn mir jemand hilft, sondern empfinde es als Selbstverständlichkeit. Wenn jemand etwas zu essen haben möchte, kann er sich das entweder selber machen (mit allen Konsequenzen) oder er hilft mir in der Küche. Wenn mir aber jemand in der Küche hilft => dann nur zu meinen Bedingungen, weil, s.o. ich koche nicht, damit andere etwas zu essen bekommen, sondern weil ich genau das essen möchte, was ich koche. Und damit dieses Kochen so wenig Arbeit wie möglich macht, habe ich mir eben ein Küchenumfeld (und Kochmethoden) erschaffen, die für genau meine Ansprüche maximal effizient sind.

Als ich meinen Westfalenmann kennenlernte, kam er aus einem typisch westfälischen Hausfrauenhaushalt. Sauberkeit war dort das allerwichtigste und dann die Tatsache, dass es jeden Tag drei Mahlzeiten geben musste, davon die Mittagsmahlzeit als "etwas Warmes". Was das war, war egal, die Hauptsache warm und wenn möglich der Grundregel Fleisch, Gemüse und Sättigungsbeilage folgend.
Die Idee, dass man Haushalt macht, weil man selber davon profitiert, war völlig außerhalb jeder Vorstellung.
Seine Ehefrau verzettelte sich dann im Laufe der Zeit in einer Dauerklageschleife über die unendliche Mühsal ob all der ungeliebten Haushaltsarbeit, zufrieden war in diesem Haushalt eigentlich kaum jemand, aber so läuft es ja oft.

Natürlich macht so ein Haushalt, wenn man ihn nur wegen der formalen Grundsätze und dem fiesen Gefühl der Verpflichtung und der alleinigen Zuständigkeit korrekt führen will, einfach nur grässlich viel Arbeit. Wenn man den Haushalt nur aufgrund eines inneren Verpflichtungsgefühl erledigt, dann ist das außerdem ganz enorm unbefriedigend, weil es keine Belohnung für die Arbeit gibt. Man wird ja noch nicht mal dafür bezahlt und man bemerkt außerdem, dass die anderen Haushaltsmitglieder, die dieses Verpflichtungsgefühl nicht haben, ganz entspannt davon profitieren, dass man sich selber aufreibt. Kein Wunder, dass man Haushalt dann hasst. Das Gemeine an Haushaltsarbeit ist ja auch, dass man nie fertig wird, weil sich alles ständig wiederholt. Nach dem Küchesaubermachen ist vor dem Kochen und damit vor dem Küchesaubermachen. Sisyphos lässt grüßen.

Es ist kein Wunder, dass vielen Hausfrauen grade das Kochen am wenigsten Spaß macht, weil nach dem Kochen ja alles wieder saubergemacht werden muss, was man selber vorher beim Kochen eindreckte, da bekommt man schon bei jeder zusätzlich benutzten Schüssel schlechte Laune. Bloß nichts Aufwendiges kochen, macht alles nur extra Arbeit und keiner dankt es einem.

In dieser Atmosphäre war mein Westfalenmann also sozialisiert worden und am Anfang unserer Beziehung sagte er ständig, wenn ich wieder irgendwelche "Leckereien" auf den Tisch stellt: "Mach dir doch bloß nicht so viel Arbeit, das ist doch gar nicht nötig." Ich habe mich regelmäßig sehr darüber amüsiert, eben weil ich Kochen weder als Verpflichtung noch als Mühe empfinde.

Für mich ist "Haushalt" keine Hassarbeit. Ich habe nichts gegen Haushaltsarbeiten, sie gehören für mich einfach zum Leben dazu, so wie Körperhygiene. Gleichzeitig würde ich Kochen aber auch nicht als mein Hobby bezeichnen, dafür habe ich an der Tätigkeit selber längst nicht genug Spaß. Es ist eben eine Notwendigkeit, wenn man "lecker essen" als Erwartung hat, und genau deshalb koche ich.
Ich fühle mich nicht dadurch belastet, dass es einen Haushalt gibt, der "erledigt" werden muss, weil ich es ja für mich tue.

Meine Belohnung für Haushaltsarbeit ist das Essen, was mir selbstgemacht meist besser schmeckt als fremdgekocht.
Ich kann mich aber auch darüber freuen, wie viel Geld ich dadurch spare, dass ich das Essen selber herstelle und weil ich die Effizienz so perfektioniert habe, stecken in meinen Gerichten meist nur sehr geringe Fertigungszeiten (Produktivstunden), so dass ich durchaus auf einen akzeptablen Stundenlohn komme.
Ich finde es oft aber auch schon positiv, dass Selbermachen meist schneller geht als Essengehen. Beim Essengehen rechne ich die gesamte Zeit, die es braucht. Meist muss ich mich dafür umziehen, dann Anfahrt, Warten, Essen und Rückfahrt, insgesamt finde ich es oft sehr zeitaufwendig und wenn ich einfach nur Hunger habe, finde ich es bequemer, fix etwas selber zu machen.
Und ja, ich freue mich auch regelmäßig darüber, wenn es nicht nur mir, sondern auch den anderen Menschen schmeckt, so ein Lob von meinem Westfalenmann, wenn er wirklich überschwänglich begeistert ist und Dinge sagt wie: "Das kannst du ruhig noch mal machen." , das ist mir schon eine Menge wert.

Durch die Tatsache, dass ich mich nicht verpflichtet fühle, den Haushalt zu machen, entkomme ich nicht nur der mental load Falle, sondern ich bekomme auch grundsätzlich eine Belohnung für meine Tätigkeit, was ich als Gesamtpaket einer positiven Grundeinstellung nur empfehlen kann.

Dieses fehlende Verpflichtungsgefühl hatte ich übrigens schon immer, auch als die Kinder noch klein waren. Ich fühlte mich verpflichtet, zu organisieren, dass sie eine vernünftige Ernährung bekommen - aber das bedeutet ja nicht, dass ich dafür selber kochen muss. Ich fand es grundsätzlich ausreichend Gewissen beruhigend, dass die Kinder ja fünfmal die Woche entweder im Kindergarten oder Hort oder Schule etwas Vernünftiges zu essen bekamen. Selbst wenn ich also über einen längeren Zeitraum mal überhaupt keine Lust zum Kochen gehabt hätte, wären sie nicht an Mangel- oder Fehlernährung eingegangen.
Ich habe ihnen aber auch nie irgendeine Sorte Essen verboten. Es gab bei uns stets und immer eine sehr große Truhe mit Süßigkeiten, die offen rumstand und an der sich jeder bedienen konnte wann und so viel er wollte. Interessanterweise entwickelte keines der Kinder je eine besondere Affinität für Süßkram, so dass es hier auch wirklich niemals einen Regulierungsbedarf gab.
Ich weiß übrigens nicht, woran das liegt, meine tiefsitzende Abneigung gegen Schokolade hat keines der Kinder geerbt, d,h, also sie essen alle Schokolade, aber so gemäßigt, dass das Zeug bei uns trotzdem immer noch teilweise schlecht wurde.
Die Kinder entwickelten ganz von alleine, ohne jede erzieherische Einwirkung meinerseits extrem gesunde Essensvorlieben. Rohkost in jeder Form stand stets ganz weit oben auf der Lieblingsessensliste, Müsli, Obst und Yoghurt gingen kiloweise weg - dafür muss man nicht kochen, damit konnten sich die Kinder jederzeit selber versorgen. (Okay, ich habe stets für einen vollen Kühlschrank gesorgt, das fand ich aber wirklich nicht anstrengend verpflichtend.)

Mein "mental load" bestand also immer nur in der Tatsache, dass ich mich selber dafür verantwortlich fühlte, alle Notwendigkeiten* zu organisieren. Gleichzeitig ist das aber auch eine Tätigkeit, bei der ich ganz sicher keine Arbeitsteilung möchte. Für die Organisationsplanung gilt meiner Meinung nach der Grundsatz "Viele Köche verderben den Brei." Als Teamplayer in einem Team, in dem sich fünf Leute mit derselben Tätigkeit beschäftigen, bin ich komplett ungeeignet. Schon bei der Vorstellung solcher Teamarbeit merke ich, wie bei mir alles auf Widerstand geht. Wenn es jemand anderes macht - auch gut, dann bin ich raus und muss mich nicht mehr kümmern, denn in meiner Vorstellung muss es immer einen geben, der den Hut aufhat und letztlich nicht nur die Entscheidungen trifft, sondern auch die Verantwortung trägt.
Ich kann mich sehr gut unterordnen und nach Anweisung arbeiten, aber wenn ich die Verantwortung trage, dann will ich auch selber entscheiden dürfen.
*Notwendigkeiten insoweit als dass ich es selber als Notwendigkeit identifiziert oder akzeptiert habe
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Montag, 3. August 2020
Fotos und Erinnerungen
CW erzählte gerne die Geschichte von seinem Onkel Ewald, der mit seiner Frau Marie eine Rundreise durch Italien gebucht hatte und am letzten Tag wurde ihnen der Fotoapparat geklaut, mitsamt Kameratasche, in der auch die vollgeknipsten Filme der Reise steckten.
"Und jetzt haben wir kein einziges Foto, von der ganzen Reise nichts gehabt."
 
Als ich neulich auf der Bank saß und aufs Meer guckte, konnte ich einem Menschen zuhören, der ausführlich über den irren Fotowahn der Leute schimpfte. Die Leute würden alles nur noch fotografieren, immerzu und ständig und dabei gar nicht mehr das genießen, was sie grade sehen, weil nur noch die Fotos wichtig sind, nicht mehr das reale Erleben.
Herr Buddenbohm verlinkte dazu neulich einen Rant in der TAZ, es scheint also grade mal wieder schick zu sein, über den neumodischen Kram zu schimpfen, der die Menschen oberflächlich und genussresistent werden lässt.
 
Ich musste dabei an den neumodischen Onkel Ewald denken, dem das schon vor fünfzig Jahren so ging. Die gesamte Reise war nutzlos geworden, weil er sie anschließend nicht in einem Diaabend präsentieren konnte.
 
Mir geht das häufiger so, dass ich das Schimpfen der Menschen über die digitalen Entwicklungen, insbesondere Smartphones, die für einige Menschen ja nach wie vor echtes Teufelszeug und Verderbnis bringendes Unheil symbolisieren, richtig niedlich finde, weil ihr Geschimpfe fast wortgleich dem Gerantere der Menschen in meiner Jugend entspricht, die mir eine düstere Zukunft prognostizierten, weil ich immer und ständig ein Buch vor der Nase hatte und deshalb viel zu wenig Lust zeigte, draußen mit anderen Kindern zu spielen, mich einfach nur mal nett zu unterhalten, in der Schule vernünftig aufzupassen oder abends im Bett pünktlich einzuschlafen.

Ich glaube, es gibt viele Menschen, die der festen Überzeugung sind, dass nur Menschen, die permanent aktiv und offen zugewandt mit anderen Menschen kommunizieren und sich körperlich betätigen und sich niemals eigenbrötlerisch zurückziehen, um sich mit ihren einsamen Solointeressen zu beschäftigen, dass nur solche Menschen das Glück im Leben finden und das auch nur hier das echte Glück überhaupt zu finden ist.

Wer sich nur mit der virtuellen Welt beschäftigt (früher waren das Bücher, heute sind das Smartphones) der lebt halt nicht richtig und ist mit hoher Sicherheit dem Untergang geweiht.

Ich sehe das naturgemäß etwas anders, erstens, weil ich immer noch nicht an meiner Eigenbrötlerei eingegangen bin und zweitens weil ich exakt der gegenteiligen Meinung bin.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die wahren Abenteuer im Kopf stattfinden,



und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo.

Ich finde es deshalb auch ganz herrlich, dass es heute so ungemein einfach ist, jederzeit und in jeder Situation mal eben ein Foto machen zu können, um sich eine Gedankenstütze mitnehmen zu können. Für mich ist der digitale Fotoapparat im Handy das wichtigste Teil an dem ganzen Gerät und ich nutze ihn viel und gerne.
Nicht um andere zu beeindrucken, sondern in allererster Linie für mich selber. Und ein bisschen für die Menschen um mich herum, mit denen ich dann einzelne Erinnerungen teile.
Die Fotos meiner Vergangenheit sind wie Energiexplosionen beim Erinnerungssurfen.

Ich habe heute meine Fotos sortiert, wunderbare Arbeit, wenn man eh ans Haus gefesselt ist - und es hat einen Höllenspaß gemacht. Wie viele schon leicht ins Halbdunkle abgetauchte Erinnerungen ich wieder hervorgeholt habe, einfach toll. Hätte ich all diese Momente nicht als Foto festgehalten, wären die Bilder in meinem Kopf nach und nach verstaubt und ich wäre ständig unterwegs auf der Suche nach neuem Input. Wie entsetzlich anstrengend. Und wie ermüdend.
So reicht mir ein Foto und der gesamte Tag ist wieder auferstanden.
Oder auch eine ganze Geschichte.

Unter anderem habe ich die Fotos von unserem Ausflug nach Marokko noch mal durchgesehen und sofort stand die gesamte Reise wieder wie grade frisch erlebt ganz aktuell und neu in meinem Kopf parat.

Wir sind 2009 mal für eine Woche nach Marokko geflogen, vier Maschinen aus dem Fliegerclub waren gemeinsam unterwegs. Wir waren zu viert in einer Maschine, C und J waren dabei, und K musste die gesamte Tour alleine fliegen und funken, ich hatte damals noch keine Funkerlizenz.
Wie abenteuerlich das wirklich war und vor allem welche Fliegerleistung K damals abgeliefert hat, kann ich eigentlich erst heute richtig beurteilen, heute habe ich 11 Jahre mehr Flieger- und Funkererfahrung und bin sehr froh, dass ich das Abenteuer jetzt wirklich nur noch im Kopf erleben muss. Aber es war toll.



Oben links sieht man eine marokkanische Fliegerkarte. Wenn man weiß, wie normalerweise Fliegerkarten aussehen, zuckt man schon leicht zusammen, wenn man jetzt noch weiß, dass man diese Karte weder vor noch während der Reise kaufen konnte, sondern wir haben sie im Tower in Al Houceima an der Wand hängen sehen und dann abfotografiert, was verboten war, aber die einzige Chance, um überhaupt an eine Fliegerkarte mit den dort abgedruckten wichtigen Infos für Meldepunkte und Funkfrequenzen zu kommen, wenn man das also mal gleich als Ausgangsinfo für den gesamten Charakter der Reise nimmt, dann kann man sich in etwas vorstellen, wie fröhlich und unbekümmert frei improvisierend wir da alle durch die Gegend geflogen sind.
Aber es war lustig.



Für den Hinflug haben wir zwei Tage gebraucht, am ersten Tag über die Alpen bis Empuriabrava im Norden von Spanien. Dort haben wir übernachtet und stellten am nächsten Tag fest, dass K leider, leider den Hauptschalter unserer Maschine angelassen hatte, was bedeutete: Batterie leer. Empuriabrava ist jetzt kein Großflughafen mit Werft, also konnten wir die Batterie dort nicht laden. Flugzeuge kann man zwar nicht anschieben wie Autos, aber man kann den Propeller anreißen (ist allerdings ungleich gefährlicher, weil, wenn der Propeller anspringt, sollte man unbedingt den Arm vorher weggezogen haben).
Das Anreißen gelang aber ohne Verletzung, wir flogen anschließend weiter bis Almería, konnten dort noch mal tanken, die Batterie aufladen und den Kindern eine Gelegenheit geben, beim Warten auf das Aufladen ausführlich auf dem Flugfeld rumzutollen. Am Abend kamen wir dann recht spät in Al Houceima in Marokko an. Geplant war das anders, aber es stellte sich heraus, dass wir zwingend über Al Houceima einreisen müssen, weil das damals seit neuestem der vorgeschriebene port of entry für EU-Ausländer war (ist?).

Zwar ist Englisch offiziell die internationale Fliegersprache - aber nur in der Luft. Am Boden sprach das in Marokko natürlich niemand. Zum Glück sprechen in Marokko aber alle recht brauchbar Französisch, ich habe uns da also fröhlich radebrechend durchgedolmetscht* und durch Zufall für den Leiter unserer Truppe den perfekten Job angegeben. Da ich nicht wusste, was "Beamter" auf Französisch heißt, habe ich einfach gesagt, er wäre "ministre d'État" - was sofort die gesamte Truppe der marokkanischen Grenzpolizei strammstehen und salutieren ließ.
*Ich spreche recht fließendes "Gassenfranzösisch", was ich eben wirklich nur vor Ort auf der Straße bzw. durch einen Schüleraustausch von einer gleichaltrigen Französin gelernt habe, mit so Feinheiten wie Grammatik oder gewählten Schulfranzösisch-Ausdrücken habe ich mich dafür nie aufgehalten.

Nach dem sich in Al Houceima also blitzartig flüsternd die Kunde von dem hohen Besuch aus Deutschland, der "très privé" jetzt dringend für sich und seine Entourage ein Hotelzimmer brauchte, verbreitet hatte, klappte das alles vorzüglich.
Wir landeten in einem Hotel, das offiziell noch gar nicht eröffnete hatte, waren also die einzigen Gäste, was uns natürlich vor allem wegen der "securité" sehr gut gefiel und wurden fürstlich bewirtet. Das war witzig.

Der Weiterflug nach Fès am nächsten Tag wurde nicht gestattet, weil der König grade in Fès war und dann ist der gesamte Luftraum komplett für alle Maschinen gesperrt.
Also flogen wir nach Meknes, mittlerweile kam es ja auch nicht mehr drauf an.



Dort wohnten wir in einem wunderschönen Hotel mitten in der Altstadt, liefen durch den Souk und wenn ich die Bilder sehe, sind auch sofort alle Gerüche wieder da.

Was mir aber am eindruckvollsten in Erinnerung geblieben ist, war das Essen.



Als wir am dritten Tag Marokko ein McDov-Geschäft entdeckten, waren die Kinder und K sofort total begeistert und stellten fest, dass es trotz der seltsam arabisch angehauchten Burgerauswahl dort das beste Essen ganz Marokkos gegeben hätte. So ganz konnten sie sich nämlich mit der typischen Landesküche nicht anfreunden.
Bis auf den Obstsalat, der war wirklich überall ganz hervorragend und so lebten die Kinder im Wesentlichen von Obstsalat und McDov in Marokko, es ist ihnen bekommen.

Der Leiter unserer Truppe (Dietmar) hatte irgendwann mitbekommen, dass die Kinder überall immer einen ganz wunderbaren Obstsalat bekamen und als am letzten Tag in Marokko nur die Erwachsenen abends in ein empfohlenes Restaurant zum Essen ausgingen, bestellte sich Dietmar auch Obstsalat - und hoffte natürlich auf so ein toll zusammengeschnipseltes Obstcomposé, wie er es bei den Kindern immer gesehen hatte.
Nun, was er bekam sieht man auf dem oberen Bild, ich bin vor Lachen fast unter den Tisch gefallen, aber sehr offensichtlich war dieses Restaurant nicht auf Obstsalat für Kinder eingestellt.

Als wir live und aktiv vor Ort auf dieser Reise unterwegs waren, fühlte es sich eigentlich immer nur wie ein sehr improvisierter Ausflug mit witzigen Einzelherausforderungen an, das echte Abenteuergefühl entsteht erst im Nachhinein, im Kopf, wenn man die Bilder sieht und die Reise noch mal nacherlebt. Es gab wahrlich viele schräge Momente. Eine Pilotin bekam unterwegs einen hysterischen Nervenzusammenbruch und weigerte sich, in der kleinen Maschine weiterzufliegen, sie bestand auf Lufthansa, was bedeutete, dass wir sie erst mal zu einem Flughafen transportieren mussten, wo Lufthansa überhaupt abflog.
Überhaupt die gesamte Luftnavigation quer durch/über Marokko war komplett abenteuerlich. Wir sind noch bis Essaouira am Atlantik geflogen und von dort quer übers Land und über den Atlas wieder nach Al Houceima und von dort zurück nach Europa.
Und das alles nur mit einer abfotografierten Karte. Das darf man eigentlich gar nicht erzählen, deshalb liebe Kinder: Auf keinen Fall nachmachen
.

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