anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Freitag, 17. Dezember 2021
Vittumies, Eskimos und alte Blechbüchsen
Neulich* gab es im medialen Blätterwald eine große Aufregung, irgendein Politiker hatte das böse "N-Wort" gesagt.

Die Medien überschlugen sich, bei Lanz, Maischberger, Plasberg & Co. saß entweder dieser Politiker oder eines seiner "Opfer", auf allen Kanälen hoch und runter wurde darüber diskutiert, nur ich stand etwas irritiert daneben und verstand längere Zeit ganze Teile der Diskussion bzw. der Vorwürfe nicht, weil das böseste N-Wort, was ich kenne, Nazi heißt, und es dauert eine Weile, bis ich begriff, dass es gar nicht darum ging, dass der in der Kritik stehende Politiker einen anderen Menschen Nazi genannt hatte, sondern er hatte irgendein Zitat zitiert, in dem das Wort Neger vorkam.

*Der Auslöser für den Text ist schon etwas älter, ich bin aber heute erst dazu gekommen, ihn fertigzustellen

Es gibt also viele böse N-Worte und ich war mal wieder viel zu verpeilt, weil ich nicht spontan dafür sensibilisiert bin.

Dabei hätte ich es wissen können, also, dass es mehr als ein böses N-Wort gibt, denn ich erinnere mich an eine ältere Dame aus dem entfernten Bekanntenkreis meiner Eltern. Die konnten wir als Kinder in höchste Bedrängnis bringen, wenn wir in ihrer Gegenwart das Wort "nackt" verwendeten. Sie wurde jedesmal rot, wenn das Wort fiel, das war sehr lustig.
Bei Facebook werden bis heute alle Bilder mit nackten Nippeln (doppelt böses N-Wort) verpixelt, damit scheint dem Thema "nackt" ja immer noch eine gewisse Problematik anzuhängen.

In dem Fall, der hier durch die Medien geprügelt wurde, ging es aber weder um nackte Nazis noch um notgeile Nutten (darf man bestimmt auch nicht sagen), sondern um nervige Neger.
Erwähnt wurden sie zwar nur als Zitat eines Zitates, aber auch mit doppelten Gänsefüßchen eingerahmt scheint es höchst verwerflich zu sein, solche Wörter zu benutzen.

Was ich an der gesamten Sachlage schwierig finde, ist die Umkehrung des Aussagewillens.
Es kommt also nicht mehr darauf an, ob derjenige, der böse Wörter sagt, diese Wörter absichtlich benutzt, um jemanden damit vorsätzlich zu beleidigen oder anzugreifen oder herabzusetzen oder verächtlich zu entwürdigen oder in welcher Form auch immer verbal anzugreifen, sondern das reine Aussprechen so eines verbotenen Wortes genügt und schon melden sich in Mengen wildfremde Menschen, die persönlich gar nicht davon betroffen sind, spielen sich als Retter der Entrechteten auf und greifen andere Leute aktiv an, weil Wörter benutzt wurden, die sich nicht gehören.

Mich erinnert das immer an diesen alten Witz, wo sich die Eltern über eine Konzertveranstaltung unterhalten und der Mann den Auftritt der Sängerin als sehr bescheiden bezeichnet. Sagt das Kind: "Mama, Papa hat Scheide gesagt."

Welche Wörter sich nicht gehören und auf dem Index stehen, muss man als Politiker, der in der Öffentlichkeit pauschal irgendwelche Dinge sagt, unbedingt auf dem Schirm haben und man sollte jedem Politiker empfehlen, diese Indexabfrage auch täglich zu aktualisieren, damit ihm bloß kein neu aufgenommenes Wort durchflutscht, weil, sonst Shitstorm, siehe oben.

Jetzt ist es natürlich so, dass es schon immer einen Index mit verbotenen Wörtern gab. Oft sind es ganze Themenfelder, die indexiert sind, die zeichnen sich dann dadurch aus, dass es den Menschen unsäglich peinlich ist, überhaupt darüber zu reden und deswegen sagt man auch die entsprechenden Wörter nicht. So geriet das Wort "nackt" auf den persönlichen Index der erwähnten älteren Dame, weil es einfach zu unschicklich ist, sich irgendetwas oder irgendjemanden nackt vorzustellen, definitiv zu dicht dran am absolut unmöglich auszusprechenden Sex. Iiieeh, pfui Spinne, nein wirklich, das geht unter gaaar keinen Umständen, gar keinen.

Unschicklich ist überhaupt ein wichtiges Wort im Zusammenhang mit indexierten Wörtern, denn natürlich sind auch alle brauchbaren Schimpfwörter indexiert, Contenance zu bewahren ist die oberste Benimmregel für jeden auch nur halbwegs gebildeten Menschen.

Weshalb Wörter auf dem Index stehen ist dabei völlig irrelevant, denn es geht ja nicht darum, was die Wörter originär bedeuten und auch nicht darum, was ein Mensch, der eines der verbotenen Wörter benutzt, eigentlich sagen will, sondern um dass, was jemand anderes in die Wörter hineininterpretiert und welches Themenfeld die tonangebende intellektuelle Schickeria grade als "Ausdruck einer schlechten Erziehung" brandmarken will.

In meiner Jugend war Sex immer noch ein Indexthema. Zwar nicht mehr so verpönt wie in den Jugendzeiten der älteren Dame, aber durchaus noch spürbar.
Wenn sich ein Themenfeld beginnt, aus dem allumfassenden Klammergriff des Index zu lösen, wird es zunächst mal richtig schwierig, denn jetzt braucht man plötzlich erlaubte Wörter, die sich aber deutlich unterscheiden müssen von den nach wie vor unaussprechlich indexierten. Erlaubte Wörter zeichnen sich meist durch eine große Umständlichkeit aus. Ficken zB ist ein sehr starkes Indexwort, wenn man so eine Tätigkeit einigermaßen anstandswahrend benutzen möchte, muss man Begriffe wie "Geschlechtsverkehr ausüben" wählen, weil man damit immerhin recht zuverlässig signalisiert, dass man sich dieser Tätigkeit nicht tierisch und triebgestört hingibt, sondern immer noch mit der nötigen Contenance und Überlegenheit, die die menschliche Rasse ja überhaupt erst zu dem macht, was sie ist, überlegen eben.

Wenn ein Themenfeld beginnt, sich aus dem Index zu lösen, muss dafür dringend Ersatz gefunden werden, sonst würde nachher jeder einfach reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, das geht ja mal wirklich überhaupt nicht, Sodom und Gomorrha, und, noch viel schlimmer, die intellektuelle Schickeria hätte deutlich an Einfluss verloren. Das darf auf keinen Fall passieren, und weil Sex immer stubenreiner wurde, lancierte man geschickt ein neues Themenfeld randvoll mit brisanten Tabuwörtern. Unter dem Stichwort Rassismus und kulturelle Aneignung sagte man der wachsenden Unachtsamkeit in der Sprache aktiv den Kampf an.

Seitdem stehen Wörter wie Neger, Indianer und Eskimo auf dem Index und wehe dem Politiker, der das nicht sauber beachtet.

Themenfelder, die sich grade neu in den Index begeben, sind genauso kompliziert zu handhaben, wie Themenfelder, die sich beginnen, aus dem Index zu lösen. Man darf zwar über das Thema reden, muss aber genau wissen, welche Begriffe (noch) erlaubt sind und welche bereits verboten.
Das ist kompliziert und ich bin heilfroh, dass ich kein Politiker bin und das täglich beachten muss, denn sinnvolle logische oder für mich nachvollziehbare oder einprägsame Gründe sind selten dabei.

Neger zB kommt von dem lateinischen Wort für schwarz=niger.
Im Deutschen darf man weder Schwarzer noch Neger sagen, im Deutschen sind es Menschen mit dunkler Hautfarbe. Im Englischen darf man aber Schwarzer durchaus noch sagen, sogar mit viel Stolz, black lifes matter ist eine absolut anerkannte Bewegung, und in Südafrika unterscheiden sich die Blacks explizit von den Coloureds.

Warum nun ausgerechnet in Deutschland schwarz so unaussprechlich wurde, weiß ich nicht, ich habe aber begriffen, dass ein Politiker problemloser ficken sagen kann als Neger. Neger ist ein 100%iges Ausschlusswort geworden und unfraglich shitstorm bewehrt.
Jeder Index sagt natürlich auch etwas über die Zeit aus, in der er gültig ist.

Dass man Eskimo nicht mehr sagen darf, habe ich übrigens ganz neulich erst gelernt, s.o. ich bin halt kein Politiker und leiste mir deshalb eine relativ naive Verpeiltheit.
Aber Eskimo heißt in der Sprache der Inuit irgendetwas schlechtes (hab mir natürlich nicht gemerkt was, aber es war böse), und deshalb ist das Wort auch dann böse, wenn es ein Deutscher benutzt, der gar kein Inuitisch spricht, also gar nicht weiß, was er da für Schauerlichkeiten ausspricht. Eskimo bleibt auch ein böses Wort vom Index, wenn ein Deutscher mit einem anderen Deutschen über Menschen, die dort irgendwo im hohen Norden leben, redet, auch dann, wenn beide Deutschen kein Inuitisch können und sich deshalb gar nicht übersetzen können, was das Wort heißen mag, Index ist Index und deshalb einfach nur merken: Eskimo sagt man nicht (mehr).

Dieses lustige Verbot eines Wortes, von dem ich gar nicht weiß, was es heißt, erinnert mich immer an vittumies.
Vittumies ist finnisch und bedeutet etwas unsäglich unaussprechlich Widerliches. Auf Deutsch gibt es gar kein passendes Wort dafür, so schrecklich ist es, vittumies ist einfach nur ganz große Index-Verbots-Kategorie in Finnland.
Jetzt ist es so, dass ich einen Freund habe, der Finne ist, und wenn ich den ärgern will, dann sage ich mitten in einer vollen Kneipe in seiner Anwesenheit plötzlich ganz laut "Vittumies". Außer dem finnischen Freund reagiert darauf in einer deutschen Kneipe natürlich niemand, der Freund zuckt dafür aber jedesmal ganz erschrocken zusammen und versucht mir spontan den Mund zuzuhalten. "Pssst!!! Bist du wahnsinnig? Sowas sagt man nicht." Es ist ihm ganz offensichtlich sehr peinlich, Menschen zu kennen, die derart schlecht erzogen sind, dass sie solche Wörter sagen.

Und so wie ich als Kind das ältere Fräulein regelmäßig mit Nackterzählungen geschockt habe, so ärgere ich den finnischen Freund auch gerne mit meiner schlechten finnischen Erziehung.
Ich glaube, ich bin wirklich schlecht erzogen, aber es macht mir sehr viel Spaß, andere zu ärgern.

Mir fällt übrigens grade noch was ein zu dem Thema:
Als ich ein Kind war, waren natürlich alle Schimpfwörter auf das Strengste verboten.
Trotzdem brauchen auch Kinder Schimpfwörter, weil sich auch Kinder manchmal über andere Menschen ganz ungemein ärgern und ihrem Ärger dann durch Beschimpfung Luft machen möchten.
Weil ich aber Arschloch als unbestreitbar wirksames Beleidigungsschimpfwort damals nicht sagen durfte, habe ich mir Ersatz gesucht und für mich beschlossen, dass "du alte Blechbüchse" ein noch viel schlimmeres Schimpfwort ist als Arschloch und schon war allen geholfen
.

970 x anjeklickt (2 mal hat hier schon jemand geantwortet)   ... ¿selber was sagen?


Mittwoch, 24. November 2021
Verschwörungstheorie
Ich habe mir da mal was zu den Theorien der Verschwörungstheoretiker überlegt.

Es ist nämlich so, dass diese Menschen tatsächlich recht haben, es gibt eine Weltverschwörung angeführt von ein paar wenigen, super(einfluss)reichen Menschen, die die Weltherrschaft übernehmen wollen.

Es ist jetzt allerdings so, dass diese Leute nicht nur reich an Einfluss und Geld sind, sondern auch an Intelligenz. Wie klug sie genau sind, weiß ich nicht, aber ich weiß, dass sie nicht dumm sein können, denn sonst gelänge das mit der Übernahme der Weltherrschaft nicht.

Aber grade weil sie nicht dumm sind, haben sie sich einen sehr ausgeklügelten Plan zurechtgelegt, in dessen erstem Schritt sie zunächst mal alle Widersacher beseitigen. Ihre Widersacher sind natürlich die Leute, die selber klug genug sind, diesen Plan mit der Übernahme der Weltherrschaft zu durchschauen und deshalb Widerstand leisten.

Um diese Leute auf natürliche Art und Weise auszuschalten, haben sie eine Pandemie gestartet, gegen die zwar nach kurzer Zeit ein Impfstoff entwickelt wurde, über den die Weltherrschaftsübernehmer aber geschickt Informationen verbreiten, die erkennen lassen, dass der Impfstoff von den Weltherrschaftsübernehmern manipuliert wurde, was dann dazu führt, dass sich genau die klugen Leute nicht impfen lassen - und deshalb in Mengen von der Pandemie dahingerafft werden.

Die klugen Leute haben das mit der Verschwörung im Hintergrund also durchaus richtig erkannt, nicht erkannt haben sie aber, dass diese Pandemie nur den Zweck hat, genau die Leute kaltzustellen, die wissen, dass da eine Verschwörung lauert.

Das ist jetzt echt doof.

298 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Mittwoch, 17. November 2021
Verschiedene Meinungen
Ich muss da was klarstellen: Wenn ich sage, dass ich ein Fan von Richard David Precht bin, weil ich seine Argumentationslogik mag und mich oft in seinen Aussagen wiederfinde, dann heißt das nicht, dass ich alles, was er so sagt, richtig finde und noch weniger heißt das, dass ich immer seiner Meinung bin.

Seine krude Impfskepsis zB finde ich genauso wie ich sie grade genannt habe: krude. Und das Wort wähle ich nur, weil ich Herrn Precht ansonsten schätze und ihm deshalb zugestehe, auch mal Einstellungen zu vertreten, die ich bei anderen Leuten als "Fehler in der intellektuellen Programmierung" bezeichnen würde, bei ihm lasse ich es in diesem Fall aber als Schrulle durchgehen, die ich einfach ignorieren kann im Rahmen meiner sonstigen, positiven Akzeptanz.

Es gibt auch Leute, die nehmen ihm seine ablehnende Haltung zur Gendersprache übel, weil er sagt, dass es doch keinerlei gesetzliche Unterschiede mehr zwischen den Geschlechtern gibt und dass er es deshalb nicht für notwendig erachtet, hier sprachlich noch extra Wirbel zu machen. Auch das ist eine Meinung, die ich einfach so stehen lasse, ich habe zu dem gesamten Thema "moderner Feminismus" noch mal eine ganz andere Meinung, ich bin aber auch eine Frau und bringe insoweit natürlich auch eine andere Lebenserfahrung mit.

Ganz grob zusammengefasst ist meine Einstellung zu Gendersprache, Feminismus und was es sonst noch an Themen rund um schützenswerte Minderheiten gibt: Not my cup of tea.

Ich finde, ich bin aus dem Alter raus, wo ich mich mit Themen beschäftigen sollte, die aus meiner Sicht eindeutig reine Jugendthemen sind. Sollen sich die jungen Leute hier einbringen und ereifern und die Sprache samt Gesellschaft und Regulatorik verändern, wie es ihnen gefällt, das können die sehr gut alleine, da stören die alten Leute nur, denn um alte Leute geht es bei diesen Themen einfach mal gar nicht mehr.

Genau deshalb benutze ich auch keine entgenderten Begriffe oder so sprachliche Stolpersteine wie :innen nach einem glottal stop, ich möchte gerne in Würde altern und denke, ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass man sich nicht unnötig zum Affen macht, indem man eifrig jede Mode mitmacht.

Vielleicht schleifen sich manche Begriffe ja auch ganz von alleine in meinen Sprachgebrauch ein, das mag durchaus sein und stört mich dann aber auch nicht, ich möchte am allerliebsten einfach nur überhaupt nicht darauf achten.

So wie mit der neuen Rechtschreibung, die ja auch erst eingeführt wurde als ich schon lange allen offiziellen Bildungseinrichtungen entwachsen war. Ich habe mich weder dagegen gewehrt noch sie sofort jubelnd begrüßt, ich habe das Schreiben einfach laufenlassen, wie es mir grade passend vorkam und benutze bis heute ein leicht gemischtes Kauderwelsch aus alter und neuer Rechtschreibung. Z.B. fällt mir immer noch schwer, das große "Du" in der persönlichen Anrede kleinzuschreiben, bin aber gleichzeitig viel zu bequem, das auch konsequent durchzuhalten. Die neue Rechtschreibung bietet halt auch einige sehr bequeme orthographische Erleichterungen und ich habe lange mit großem Amüsement den Kampf der erbitterten Gegner gegen den drohenden Untergang der deutschen Sprache beobachtet, der aber mit zunehmender Alltagsetablierung der neuen Rechtschreibung immer mehr an Schwung verlor.

In meinen jungen Jahren war ich übrigens durchaus aktiv in Punkto sprachlicher Emanzipation, Die Töchter Egalias zB war ein Buch, was mir sehr gefiel und ich überlegte damals ernsthaft, ob ich nicht meine gesamte Sprache umstelle, vielleicht nicht so radikal wie in diesem Buch, aber das generische Feminin fand ich eindeutig eine interessante Idee. Einfach nur so, weil es so wunderbar provozierend gewesen wäre und das hätte mir sehr viel Spaß gemacht.

Gleichzeitig hatte ich aber immer schon ein Problem mit der Begründung "weil ich eine Frau bin", denn zu viele Frauen benutzen diesen Satz als Grund für ein Nichterreichen von gewünschten Zielen und das war mir immer schon zu billig.
Wenn mir Dinge nicht gelingen, dann gelingen sie mir nicht, weil ich nicht gut genug bin und "gut genug" definiert sich als die Summe aller bewerteten Leistungen und Eigenschaften, die es braucht, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Wenn ich Modell werden will und einen BMI von über 30 habe, dann muss ich für die Zielerreichung sicherlich mehr tun als ein anderer Mensch, der mit einem BMI von 20 schon 90% der notwendigen "Leistung" ohne große Anstrengung einfach durch seine pure Existenz mitbringt. Ähnlich unterschiedlich beurteilte Leistungsunterschiede gibt es nicht nur bei der Bewertung der Körpermaße, sondern sicherlich auch bei der Bewertung des Geschlechts und bei der Bewertung der Haarpracht, bei der Bewertung der Intelligenz und bei der Bewertung des individuellen Charismas, aber so ist das Leben eben, die Ungerechtigkeit beginnt schon bei den Erbanlagen.

Für diese unterschiedlichen Ausgangssituationen, die in vielen Fällen einfach durch angeborene Merkmale unveränderlich bestimmt sind, gibt es eine Menge Beispiele, kluge Menschen haben es leichter als dumme, reiche Kinder leichter als arme usw. usw. - und ich habe stets versucht, aus den mir mitgegebenen Merkmalen und Fähigkeiten das für mich Beste zu machen. "Nur weil ich eine Frau bin" zahlte sicherlich in einigen Situationen mit Minuspunkten auf das vorzulegende Leistungsniveau ein, dafür hatte ich in anderen Leistungsbereichen aber auch angeborene Vorteile, ich habe zB einen IQ, der über dem Durchschnitt liegt, und so gleicht das eine das andere wieder aus und letztlich zählt das Gesamtbild der vorgetragenen Leistung.

Ich habe mir das mit dem generischen Feminin damals gründlich überlegt und wenn ich ein heterosexueller Mann gewesen wäre, dann hätte ich diese Sprachvariante ganz bestimmt übernommen.
Aber bei einer Frau wirkt das komplett anders und genau diese Rolle wollte ich mir nie zuschreiben lassen. Ich kämpfe nicht aus der Opferrolle - ich gewähre gnädig aus der Herrschaftsrolle und deshalb verteidige ich das generische Maskulin, weil es bei der sprachlichen Bezeichnung beider Geschlechter einfach der kleinste gemeinsame Nenner ist, ich kann ja auch nichts dafür, dass Frauen diese natürliche Überlegenheit so gerne herunterspielen wollen
.

326 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Dienstag, 16. November 2021
Angst
Ich bin entsetzlich schlecht darin, mir zu merken, wo ich was gehört oder gelesen habe, weshalb ich grundsätzlich Schwierigkeiten habe, Quellen zu verlinken oder Credits weiterzugeben.
Ich finde das selber sehr schade, denn manchmal schnappe ich irgendwo Informationen auf, die finde ich so faszinierend, dass ich noch lange Zeit später darüber nachdenke und wenn ich dann selber etwas dazu sagen möchte, dann ist es blöd, wenn ich nicht weiß, wo die Ursprungsinformation herkam, aber so ist das leider bei mir, schlampig by nature.

Dies als Entschuldigung vorab, weil ich natürlich mal wieder nicht weiß, wer mir das erzählt hat, aber es ging darum, dass eine psychologische Studie herausgefunden hat, dass Leute, die die freie Wahl haben, in welches Flugzeug sie einsteigen, das mit den unendlich komplizierten Sicherheitskontrollen wählen und nicht das, in das sie ohne jede Kontrolle wie in einen Zug oder Bus einsteigen können.
Das Setting war so, dass die Leute zwischen zwei Flugzeugen wählen konnten, die ansonsten komplett baugleich und identisch waren und gleichzeitig abflugbereit nebeneinander mit demselben Ziel bestiegen werden konnten und die einzige Unterscheidung, die es gab, in der Art der Kontrolle vorm Abflug lag.

Die Mehrheit der Leute entschied sich also für die mehr als nervigen, umständlichen und ätzenden Sicherheitskontrollen, weil sie damit ein besseres Gefühl hatten.

Rational ist das nicht zu fassen, und selbst ich, die sich sonst so viel auf ihre Rationalität einbildet, würde wahrscheinlich lieber die umständlichen Kontrollen in Kauf nehmen statt ein Flugzeug zu wählen, das mangels Kontrollen doch sicherlich randvoll ist mit Terroristen und Kidnappern.

Ist es nicht irre, wie man sich selber wahnsinnig macht?

Und warum ist das so? Wo kommt diese völlig irrationale und sehr lästige Angst her?

Überhaupt finde ich es immer wieder faszinierend, welche Ängste so unter den Menschen kursieren und wie sich die Ängste der Menschen im Laufe der Zeit verändern. Heute haben wahrscheinlich nur noch sehr wenige Menschen Angst vor dem Teufel, dafür ist die Angst vor Bakterien deutlich gestiegen.

Ein Freund von mir sagt immer "Angst entsteht durch das Fehlen von Informationen" und ich denke, damit hat er einen zentralen Punkt sehr genau beschrieben.

Was die Flugzeugkontrollen angeht, so kann man hier aber noch etwas anderes, ganz Wichtiges erkennen: Weil mir Informationen fehlen, die ich eben nie mit 100%iger Zuverlässigkeit haben werde, nämlich die Info ob ein Terrorist oder ein Kidnapper unter den Fluggästen ist und Böses vorhat, weil ich diese Info nicht abschließend erhalten kann, simuliere ich mir eine gefakte Info, die mir Sicherheit nur scheinbar vorspiegelt, dass also durch die Kontrollen die Terroristen nicht ins Flugzeug gelangen - und kann damit meine Angst beruhigen.
Mich fasziniert daran so besonders, dass das auch funktioniert, selbst wenn ich rational genau weiß, dass ich mich damit selber betrüge.
Ich zumindest weiß rational ganz genau, dass durch diese Sicherheitskontrollen exakt kein Terrorist abgehalten wird, denn sie sind einfach viel zu leicht zu umgehen, also die Sicherheitskontrollen meine ich natürlich, aber obwohl ich das so genau weiß, fühlt sich auch für mich das kontrollierte Flugzeug besser an.

Ist es nicht skurril
?

554 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Dienstag, 19. Oktober 2021
Cake Factory II und Ausgrenzungen
Home-Office war heute entspannt, keinerlei akute Querschläger, so dass ich ausreichend Zeit hatte, alte Dinge aufzuarbeiten, das gibt dann ein sehr angenehmes Gefühl des "was geschafft habens".

Zwischendurch habe ich mich mit einem weiteren Rezept für die Cake Factory beschäftigt, denn es gibt ja zu dem Gerät auch eine App, in der noch viele weitere Rezepte vorgeschlagen werden und unter anderem fand ich die Idee, selber Müsliriegel zu backen, ganz spannend.
Es ist jetzt nicht so, dass ich gerne Müsliriegel esse, aber ich mag ja auch keine weiße Schokolade und keinen Käsekuchen, insofern fand ich meine persönlichen Geschmacksvorlieben nicht relevant für die Auswahl eines Rezeptes.

Das Rezept bestand aus getrockneten Mangostreifen, Haferflocken, gemahlenen Haselnüssen, Apfelsaft und Honig. Und Schokostreusel.
Weil es sich bei den Zutaten im Wesentlichen um Dinge handelte, die sich alle in meinen Vorräten befanden und sowieso mal langsam verbraucht werden mussten, fand ich das Rezept prima. Das einzige, was ich extra dafür einkaufte war Apfelsaft, aber das auch nur, weil tatsächlich überhaupt kein Apfelsaft mehr im Haus war. Zufall.

Ich begann damit, dass ich ein Paket Honig, das schon ziemlich alt und ziemlich hart geworden war, in die Mikrowelle stellte, um es zu verflüssigen. Dass es dort explodierte und eine gigantische Sauerei veranstaltete, laste ich der Cake Factory nur mittelbar an, es war aber kein guter Start für das Rezept.

Die weitere Verarbeitung der Zutaten verlief störungsfrei, zum Abschluss sollten die fertigen Müsliteigriegel mit Schokostreuseln bestreut werden, hier war ich etwas großzügig, weil ich annahm, dass die Schokolade dann schmilzt und eine schöne Umhüllung entsteht.

Nun, gelernt habe ich
a) dass Schokostreusel nicht schmelzen, sondern verbrennen und
b) dass eine Stunde Backzeit in der Stufe "Lavakuchen" wohl deutlich zu viel ist für Müsliriegel

Das Ergebnis sah so aus und taugt wirklich nur für die Tonne


In der Stufe "Lavakuchen" werden normalerweise Kuchen gebacken, die innen noch einen flüssigen Kern haben und das Rezept sah ausdrücklich diese Einstellung und diese Backzeit für die Müsliriegel vor.

Da ich mir überhaupt keine Gedanken darum gemacht habe, welche Gradzahl wohl die Stufe "Lavakuchen" bedeutet, hatte ich auch kein schlechtes Gefühl dabei, aber ich fürchte, Lavakuchen bedeutet grundsätzlich außen verbrannt und innen noch flüssig und, nun ja, ich werde das dann wohl eher nicht wiederholen.
Aber immerhin habe ich eine große Menge alte Vorräte verbraucht, das ist ja auch was wert.

Am Abend bin ich dann noch mal eine Runde mit dem Rad gefahren, weil ich Post wegbringen musste und weil es bei Lidl grade Bresso im Angebot gibt. Seit neuestem gibt es hier auf Borkum auch eine Packstation, passenderweise auf dem Lidl-Parkplatz, was ich ganz ungemein praktisch finde.
In meinem Einkaufsrausch neulich habe ich nicht nur Maschinen, sondern auch einen Ostfriesennerz bestellt, von dem ich mir einbildete, ich müsse ganz dringend so ein quietschegelbes Plastikteil haben. Zum Glück war er mir dann aber zu klein, so dass ich ihn mit einer guten Begründung wieder einpacken konnte und jetzt noch zurückschicken musste.
Inzwischen ist auch der Einkaufsrausch abgeklungen, ich werde also um eine gelbe Plastikjacke drumherum kommen.

Auf dem Lidl-Parkplatz gibt es nicht nur eine Packstation, sondern auch eine E-Bike-Ladestation, die so funktioniert, dass man die Batterie seines E-Bikes aus seinem Fahrrad ausbaut und in einem sehr großen Schließfach an Strom anschließt, dann das Schließfach abschließt und in Ruhe einkaufen gehen kann. Diese Ladestation steht passenderweise neben den Fahrradständern und an den Fahrradständern stellen Leute ihre Fahrräder ab.
Auch die Leute, die ihre Batterie nicht in der Ladestation laden lassen, stellen ihre Fahrräder dort ab, dafür sind Fahrradständer da.

Als ich mit Einkaufen fertig war und zu meinem Fahrrad ging, stand ein Mann vor der Ladestation und schimpfte lautstark auf die rücksichtslosen Fahrradfahrer, die alle nur an sich denken, denn überhaupt denkt ja heutzutage jeder nur noch an sich und eine Schande sei das, wie die Welt verkommen sei, keine Rücksichtnahme mehr, jeder nur noch ichichich - und so schimpfte er in einem fort immer weiter, weil er ein E-Mobil (und davon die große Version mit Nummernschild) an dieser Ladestation laden wollte und die Fahrradfahrer hatten doch tatsächlich die Fahrradständer neben der Ladestation benutzt und ihm damit den Weg zugeparkt. Für ein Fahrrad wäre problemlos Platz gewesen, nicht aber für das dicke E-Mobil. Das regte ihn ungemein auf, schließlich ist der Strom inzwischen so teuer, dass man sich den auch nicht mehr leisten könne und jetzt parkten sie ihm hier den Weg zu. Er war sehr aufgebracht und ich schaute mir das Spektakel eine ganze Zeitlang an, weil ich es immer spannend finde, wenn Leute so völlig unreflektiert vor sich hin eskalieren. Der Gute war allen Ernstes der Meinung, die rücksichtslosen Fahrradfahrer würden ihn in seinen Rechten behindern und mich faszinierte das sehr.

Ich glaube, dass auch die Ungeimpften, die sich jetzt darüber aufregen, dass sie von der 2G-Regel ausgegrenzt werden, so ein krudes Gerechtigkeitsgefühl haben und sich ständig Ansprüche einbilden, die tatsächlich gar nicht existieren.
Wie kommt jemand auf das schmale Brett, dass er das Recht hat, überall dabei zu sein?
Und wieso ist es nicht umgekehrt das Recht der Geimpften, dass sie keinen Bock mehr auf Mundschutz und Abstand haben und deshalb mit Ungeimpften nicht zusammen sein wollen?
Wieso ist "ich will mit dem nichts zu tun haben" nicht ein gleichwertiges Recht?
Wieso kann man sich überhaupt darüber beschweren, dass man von Privatpersonen ausgegrenzt wird?
Ich meine, Ausgrenzung ist ein ganz normaler Alltagsvorgang und kommt ständig und überall vor, weil es eben schlicht unmöglich ist, dass jeder immer alle miteinbezieht.

Aber auch außerhalb der praktischen Möglichkeiten hat Ausgrenzung umgekehrt doch auch immer etwas von "sich selber absondern".
Es will hat nicht immer jeder mit jedem umgehen und dafür muss es keinerlei rationale Gründe geben, oft ist es eben wirklich nur ein diffuses Unwohlsein, was einzelne Menschen verspüren, wenn sie mit bestimmten anderen Menschen in einer Gruppe interagieren sollen.

Mir persönlich ist es schon oft so gegangen, dass ich nicht zu Einladungen oder Veranstaltungen gegangen bin, weil ich wusste, dass da auch Leute sind, die ich nicht leiden kann. Wer grenzt dann eigentlich wen aus?
Mir wurde in meinem Leben schon mehrfach vorgeworfen, dass ich Leute ausgrenze, dabei habe ich nie etwas anderes getan als zu sagen, dass jeder tun kann, was er will, dass das aber auch für mich gelten muss.
Ich reagiere da tatsächlich durchaus deutlich, weil ich es unsinnig finde, dass ich mir meine Laune von Leuten verderben lasse, die ich blöd finde. Warum ich einzelne Menschen blöd finde, hat ganz viele unterschiedliche Gründe und manchmal ist es auch rational nicht zu fassen.

In der Schule zB gab es früher ein Mädchen, die roch. Ich fand ihren Körpergeruch derart unangenehm, dass ich ihr grundsätzlich weit aus dem Weg gegangen bin, weil ich grade bei Geruch extrem empfindlich bin. Ich wusste, dass sie nichts für ihren Geruch konnte, denn es lag nicht an schlecht gewaschen, sie roch auch beim Schwimmunterricht, wenn sie grade frisch aus der Dusche gekommen war. Und ich fand diesen Geruch ganz schrecklich.
Aus meiner Sicht gab es für diese Situation keine Lösung, außer dass ich ihr aus dem Weg ging, was aber gleichzeitig auch bedeutete, dass sich alle Menschen, die mit mir zusammen sein wollten, entscheiden mussten. Wenn jemand gerne auch dieses Mädchen mit in die Gruppe einbeziehen wollte, fand ich das völlig okay, bin aber dann aufgestanden und gegangen. Und ich finde, ich habe genauso viel Recht, zu gehen, wie dieses Mädchen sicherlich ein Recht hatte, nicht ausgegrenzt zu werden. Der Lehrer, der damals versuchte, in diesem Fall zu vermitteln, scheiterte kläglich an meiner kompromisslosen Sturheit.

Mir macht es gar nichts aus, alleine zu sein. Ich bin im Zweifel immer lieber alleine als mit Menschen zusammen, die ich nicht mag oder die mir unangenehm sind. Für die Menschen, die mich mögen und gerne mit mir zusammen sein wollen, ist das sicherlich ein echtes Problem, denn ich verweigere Kompromisse. Zumindest im Privatleben. Beruflich lasse ich mich dafür bezahlen, Dinge zu tun, die ich freiwillig privat nie täte, insofern ist mein Beruf auch nichts anderes als Prostitution, ich verkaufe halt nur nicht meinen Körper, sondern meinen Kopf, nur, ist das nicht noch um vieles intimer?

Und was diese Debatte um Impfen und das Auseinandersortieren von Geimpften und Nichtgeimpften angeht, stehe ich auch mal wieder ratlos daneben. In diesem Fall ist es mir übrigens tatsächlich sogar egal, d.h. mich persönlich interessiert der Impfstatus anderer Menschen im Grunde überhaupt nicht mehr, seitdem ich mich mit meiner geboosterten Multiimpfung soweit sicher fühle, dass ich die Seuche für mich in die gleiche Gefahrenklasse wie TBC, Grippe und Diphterie sortiert habe. Bin ich auch gegen geimpft, kann ich aber rein theoretisch auch alles kriegen, war aber auch schon immer so und gehört zum normalen Alltagsrisiko.

Dass es aber Leute gibt, die sagen, sie hätten keinen Bock mehr auf diese lästigen Hygieneregeln, die man in 2G-Gruppen relativ problemlos fallen lassen kann, das kann ich gut verstehen und reagiere insofern gerne solidarisch: Ich grenze Ungeimpfte überhaupt nicht aus, ich überlasse ihnen sogar das komplette Spielfeld und ziehe mich ohne zu klagen in die kleinen, privaten 2G-Gruppen zurück. Denn die Grundhaltung ist dieselbe: Warum soll ich mit Menschen zusammen sein, die in meinen Augen schlicht 'ne Meise haben?

.

297 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Mittwoch, 6. Oktober 2021
Navigationsgeräte
Der Chef erster Ordnung steht ganz ungemein auf E-Mobilität, deshalb haben wir diverse E-Autos in unserer (buchbaren) Firmenwagenflotte.
Die Installation des Hochhauseingangs, die wir gestern besichtigten, steht in Heiden, Heiden liegt ca. 65km westlich von Münster. Für die Fahrt quer durchs Münsterland hatte sich der Chef erster Ordnung extra den E-Golf reservieren lassen, ich war nur Beifahrer.*

Ich persönlich hasse es inzwischen, mit einem Auto fahren zu müssen, mit dem auch andere Menschen fahren, weil ich in den modernen Autos ja nicht nur meine Sitz- und Spiegelposition für mich passend einstellen muss (fand ich schon immer lästig, aber naja), sondern auch alle Voreinstellungen des Infotainmentcenters überprüfen muss, denn erfahrungsgemäß haben andere Fahrer andere Vorlieben, oder, wie es der Chef erster Ordnung ausdrückte: "Welcher Vollidiot hat das Navi denn auf kürzeste Strecke gestellt?" Das bemerkte er natürlich erst, als die Feldwege, über die wir fuhren, immer kleiner und abenteuerlicher wurden und er sich über die seltsame Streckenführung des Navis wunderte.

Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt gar nicht bemerkt, dass er nach Navi fuhr, weil die Sprachansagen des Navis auf lautlos gestellt waren und ich deshalb nicht mitbekommen hatte, dass das Navi überhaupt aktiviert war.**

*kleine Randbemerkung: Der E-Golf zeigte bei Abfahrt eine Reichweite von 330km, 130km später, bei Rückkehr in der Bürogarage, hatten wir noch 42km Restreichweite, ich warte gespannt auf den Moment, wo sich der Chef erster Ordnung auch privat ein E-Auto kauft und dann ständig von überall abgeholt werden muss, weil sein Auto leer ist, denn dass er an seiner Fahrweise noch etwas ändert, halte ich für fast vollklommen ausgeschlossen.

**weitere Randbemerkung: In 13 Jahren Zusammenarbeit mit dem Chef erster Ordnung habe ich gelernt, dass er selten die Wege geht, die man als Durchschnittsmensch erwarten würde, weshalb ich es auch nicht ungewöhnlich fand, dass er sich auf einer Fahrt durchs Münsterland für Feldwege entschied.


Als die Straßenführung aber so abstrus wurde, dass wir beide akuten Handlungsbedarf empfanden, begann ich an den Navieinstellungen rumzudoktorn, was, in einem Auto, mit dem ich nicht so vertraut bin wie mit meinem eigenem, ganz ausdrücklich nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört. Hätte ich mich früher immer als technikaffin bezeichnet, so nimmt diese Affinität mit jedem neuen Gerät, jeder neuen Software, jedem neuen Update kontinuierlich ab, nicht mehr lange, und ich bin im Minusbereich.
Mich regt das ganze Gefrickel mit all diesen unterschiedlichen Geräten und den sich ständig ändernden Bedieneroberflächen, von denen ganz selten etwas wirklich intuitiv bedient werden kann (also zumindest nicht mit meiner Intuition, und das ist die, die mich interessiert), mich regt das alles immer mehr auf und ich habe immer weniger Lust, mich jedesmal wieder aufs Neue mit einer neuen Anwendung rumärgern zu müssen.

Das Navi in dem E-Golf, mit dem wir gestern unterwegs waren, war Teil eines einzigen, großen Touchdisplays, auf dem man tausenderlei Dinge ein- und verstellen konnte, alles ausschließlich per Touch. Was fehlte, war ein Knopf, an dem ich ständig intuitiv hätte drehen wollen, um die Lautstärke zu verändern, aber so einen Knopf gab es nicht mehr.

Nach 27 Versuchen, die zu 80% aus hartnäckigen Wiederholungen der immerselben Menue-Tipp-Wisch-Bedienungsabfolgen bestanden, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass es in den allermeisten Fällen an meinen alten Frauenfingern liegt, weshalb Touchdisplaygeräte nicht so reagieren, wie ich das erwarte, nach einer langen Zeit der Rumprobiererei gelang es mir aber schließlich, die Ansagen des Navis ein, das Gedudel des Radios aber auszuschalten.
Irgendein Vorbenutzer des Wagens hatte in irgendeiner Menueinstellung festgelegt, dass die Lautstärke von Radio- und Naviansagen nur gekoppelt funktioniert. Bis ich diese Stelle gefunden und wieder entkoppelt hatte, waren fünf Minuten und viele, nicht zitierfähige Beschimpfungen auf die Vorbenutzer des Wagens vergangen.

Aber irgendwann sprach dann das Navi wieder mit uns und sagte Dinge wie: "Im Kreisverkehr an der zweiten Ausfahrt Richtung Rosholtwick ausfahren."
Das gefiel mir wiederum sehr gut und ich bekam spontan gute Laune.

Mir gefiel das deshalb so gut, weil ich daran erkannte, dass sich zwar so gut wie alle Bedienungselemente bei einem Navi von heute im Vergleich zu meinem ersten Navi von vor über 20 Jahren geändert haben mögen, dass aber die Sprachprogrammierung der Navis im Wesentlichen unverändert blieb, denn schon damals habe ich sehr darüber gekichert, dass der Navi-Jupp*** stumpf den Text der Verkehrsschilder vorlas, wie er draußen im realen Leben auch auf den Schildern gedruckt war.
***Bei mir sind grundsätzlich alle Computerstimmen männlich. In meinem Handy wohnt ein Sirius, die Alexa von Amazon verwende ich erst, seitdem es auch hier eine männliche Stimme gibt und in Navis konnte man das schon vor über 20 Jahren auswählen.
Damals hatte ich übrigens ein Navi, bei dem ich nicht nur zwischen Mann und Frau, sondern auch aus verschiedenen regionalen (und sozialen) Herkunftsfärbungen auswählen konnte. Eine lange Zeit wurde ich von einem stark rheinischen Jupp navigiert, bis es die Stimme von Winnitouch zur Auswahl gab, die schlug natürlich alles.


Ich erinnere mich an eine Fahrt im Jahr 2002 oder 2003, als ich mit dem Auto von Mönchengladbach nach Bielefeld fuhr und unterwegs meine Freundin Barbara in Oberhausen am Bahnhof einsammeln wollte. Kurz vor der Abfahrt Oberhausen-Lirich, die laut Navi wohl die richtige Abfahrt für den vereinbarten Treffpunkt war, sagte das Navi: "Verlassen Sie die Autobahn an der nächsten Abfahrt Richtung Oblirich."

Immer, wenn ich in den nächsten Jahren auf der A2 an der Abfahrt OB-Lirich vorbeikam, musste ich sehr grinsen, weil mir wieder das Navi einfiel, das genau das sagte, was auf dem Schild stand, Oblirich halt.

Das Navi gestern sagte "Rosholtwick". Gelesen wie es auf dem Schild stand: Ros.-Holtwick, denn Holtwick ist ein Stadtteil von Rosendahl. Und Rosendahl ist genau wie Oberhausen zu lang, um auf Verkehrsschildern, die in Stadtbezirke weisen, als langer Name komplett ausgeschrieben zu werden.

Im Rahmen meiner Navi-Sentalimentäten fiel mir übrigens auch noch ein, wie aufregend die erste Navi-Fahrt über die Grenze nach Holland war und wie erleichtert ich war, dass der Navi-Jupp ganz normal weiter rheinisch sprach. Auch wenn es unwahrscheinlich war, so hatte ich doch ein ganz klein wenig befürchtet, der rheinische Jupp wechsele fließend in das noch grässlichere Limburgisch, wenn ich in Venlo über die Grenze fahre
.

304 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Mittwoch, 29. September 2021
Zeitflut
Vor einiger Zeit schon ist mir aufgefallen, dass die Zeit begonnen hat, an mir vorbeizufliegen.
Erst wollte ich schreiben "Gestern ist mir aufgefallen", aber das stimmt ja gar nicht, ich habe dazu ja schon hier etwas geschrieben, ich habe da also nicht gestern drüber nachgedacht, sondern gestern ist schon fast einen Monat als - als ob es noch eines weiteren Beweises bedurft hätte, dass ich den Zugriff auf die Verortung der Zeit verloren habe.

Es sind viele Kleinigkeiten, die in der letzten Zeit durcheinandergeraten sind und einiges erstaunt mich immer wieder maßlos. So gibt es bestimmte Tätigkeit, die sind absolut regelmäßig zu erledigen, manche täglich, manche wöchentlich und manche monatlich.
Zu den täglichen Tätigkeiten gehört zB das Bloggen, aber auch das lokale Abspeichern des Blogeintrags. Das öffentlich sichtbare Bloggen habe ich ja so grade immer noch irgendwie geschafft, jedoch oft nur durch quick and dirty Einträge vom Handy aus. Auf dem Handy speichere ich natürlich nichts lokal ab, das mache ich nur auf dem PC - und vorhin stelle ich fest, dass ich mit dem Abspeichern auf dem PC schon fast einen Monat im Rückstand bin. Auch hier ist mein gefühltes Gestern schon einen Monat alt. Dass seit gestern ein ganzer Monat vergangen, erstaunt mich maßlos, denn ich habe es einfach nicht bemerkt. Genauso unbemerkt verging der Monat zur Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldung. Die muss monatlich erstellt werden, immer bis zum 10. des Folgemonats und ich habe mir eine Dauerfristverlängerung erbeten, habe damit also Zeit bis zum 10. des Überfolgemonats und ich habe diese Frist in den letzten 15 Jahren noch nie in voller Länge gebraucht. Als ich am 15. September die Voranmeldung für August abgeben wollte, stellte ich völlig überrumpelt fest, dass ich den Juli vergessen hatte. Ich habe dafür keine Erklärung außer: ich habe es nicht bemerkt.

Ich habe nicht bemerkt, dass ein ganzer Monat Tag für Tag vergangen ist.
Es waren aber auch überwiegend Tage, in denen ich mich immer wieder nur grade eben noch so in letzter Sekunde durchgemogelt habe. Tage vollgestopft mit Tätigkeit, die sich um sich selber drehen. Sisyphosarbeiten. Immer wieder die gleichen Besprechungen, nichts geht wirklich voran und man findet keinen Pack-An, um aus dem irren Kreislauf des Löcherstopfens durch Aufreißen neuer Löcher auszubrechen, man ist aber dauerhaft beschäftigt.

Platz für ein systematisches und entspanntes Abarbeiten all der kleinen, nicht überlebensnotwendigen Alltagspflichten war auf jeden Fall nicht und wenn ich abends ins Bett fiel, dann war wieder ein Tag an mir vorübergerauscht und ich war froh, einen weiteren Tag überhaupt irgendwie überstanden zu haben. Zeit, mir den Tag zu merken, gab es nicht, es gab aber auch keinen Anlass, sich überhaupt irgendetwas von diesem Tag zu merken, denn es war nichts Merkenswertes passiert. Sisyphos, schwer beschäftigt, und doch passiert nichts.

Zwischendurch hat man immer mal wieder solche Tage, an denen man sich abends fragt, was man eigentlich den ganzen Tag gemacht hat. Man ist am Ende des Tages zwar völlig erschöpft, aber irgendwie ist kein sichtbares Ergebnis als Arbeitsleistung entstanden. Solche Tage sind völlig normal.
Nicht normal ist es, wenn man solche Tage über Wochen hintereinanderweg und ohne Pause hat. Dann sind nämlich irgendwann ganze Monate rum und man hat noch nicht mal in der Summe von 30 Tagen ein sichtbares Ergebnis als Arbeitsleistung. Wenn man nichts hat, womit man einzelne Tage als bemerkenswert markieren kann, dann hat man auch keine Erinnerungsmarker - und ohne Erinnerung überrollt einen die Zeit wie das Meer den Strand ohne Buhnen.

Vielleicht muss ich mal ein paar Dinge eskalieren lassen, eine richtige Sturmflut hinterlässt einfach durch die simple Menge der Verwüstung Erinnerungen und rammt Markierungen ein.
Erinnert sich noch jemand an den 28. Oktober 2013? An dem Tag deckte das Sturmtief Christian das Haus auf Borkum ab


Morgen In einem Monat jährt sich das Ereignis, das wäre doch mal eine Gelegenheit, dem Vorbeistürmen der Zeit die Stirn zu bieten
.

336 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Donnerstag, 16. September 2021
Kochboxen
Das zweite Stichwort von meinem Zettel und nach dem ich eben mit meinem Westfalenmann gemeinsam das Abendessen gekocht habe, kann ich mir spontan tatsächlich vorstellen, was für Menschen Kochboxen kaufen.

Ich weiß gar nicht genau, wann dieser Kochboxhype so richtig Fahrt aufnahm, ich habe aber grade mal nachgesehen, Hello Fresh wurde 2011 gegründet und wird ab Montag ein Dax-Titel sein, das ist schon ein ziemlicher Senkrechtstart, aus finanztechnischer Sicht ernsthaft bewundernswert und zudem ein erstklassiges Beispiel dafür, wie wenig Ahnung ich vom Bedarf unserer aktuellen Gesellschaft habe.

Als ich nämlich das erste Mal von Hello Fresh hörte, das muss so Ende 2013, Anfang 2014 gewesen sein, habe ich mich totgelacht und CW gegenüber eine lange Lästerrede über den neuen Idiotentrend gehalten.
CW aber, der weise alte Mann, sagte damals, dass er sich sehr gut vorstellen kann, dass das eine geniale Marktidee ist, denn die Zeit der klassischen Hausfrau ist vorbei. Die jüngeren Menschen haben schon alle keine Mütter mehr, bei denen sie Kochen hätten gelernt haben können, weil ihre Mütter schon keinen Bock mehr hatten, es zu lernen und außerdem sorgt die wachsende Gleichstellung zwischen Mann und Frau dafür, dass Kochen eine Trendsportart geworden ist und man als Mann damit richtig punkten kann, wenn man am Herd eine gute Figur macht.

Dass die Menschen mehr und mehr verlernt haben, wie man kocht, darin gab ich ihm sofort recht - aber wieso brauchen sie deshalb eine Kochbox, in der doch nichts anderes ist als die genau abgewogenen, frischen Zutaten für ein Gericht samt passendem Rezept???
Ein Rezept, was ich problemlos kostenlos im Internet finde und die Zutaten dann einzeln und völlig problemlos in jedem Laden kaufen könnte, wo sie dann nur ein Fünftel von dem kosten, was ich dafür bezahle, wenn ich sie mir als Fertigpack in einer Kochbox kaufe.

Ich habe das Konzept nicht verstanden, ich gebe es zu.
Ich verstehe aber oft nicht, weshalb Menschen für Dinge, die ich als völlig überflüssig betrachte, ein Höllengeld bezahlen und das auch noch eine gute Idee finden.

Seitdem ich vorhin mit meinem Westfalenmann eine Suppe gekocht habe, habe ich aber doch eine Vorstellung, was den Charme von Kochboxen ausmacht: Man muss nichts suchen, nichts abwiegen und vor allem: Nicht selber denken und deshalb weder Entscheidungen treffen noch Verantwortung übernehmen. Das perfekte Konzept für den modernen Mann mit Managerambitionen: Wenn es klappt, ist man selber das Genie, wenn nicht, war die Kochbox scheiße, wie genial und wie simpel. Kein Wunder, dass Menschen bereit sind, für diese Garantie locker das Fünffache von dem zu bezahlen, was die gleichen Zutaten - dann aber ohne Garantie und mit jeder Menge zusätzlichem Aufwand wie selber suchen und abwiegen, im Supermarkt kosten würden.

Außerdem bleiben bei einzeln gekauften Zutaten ja auch immer Reste, weil man halt nicht 50g Broccoli kaufen kann und auch nicht 2g Bio-Cayenne-Pfeffer und wenn man dann Reste hat, ist das Leben erst recht unschön, denn was macht man damit? Für Reste gibt es kein Rezept, zumindest nie für exakt die Reste, die man selber da hat.

Jetzt könnte man einwenden, dass man die doch einfach wegwerfen kann, wenn einem wirklich gar nichts einfällt, wie man sie verarbeitet - aber Lebensmittel wegwerfen, Nein!, Never, ich kann förmlich die Empörung hören, die mir bei so einem Vorschlag entgegenwallt. Lebensmittel wegwerfen kommt gleich nach kleine Kinder schlagen, das macht man einfach nicht, pfui Spinne, da stirbt die Umwelt, das Klima und überhaupt das gesamte Karma.

Dass der gesamte Kochboxschnickschnack dafür in einer Verpackungsorgie ohnegleichen angeliefert wird, und ja: geliefert!, eine Dienstleistung, die der moderne Mensch ja auch immer öfter in Anspruch nimmt, weil er ja kein Auto mehr hat, um die Umwelt zu schonen. Sollen halt andere fahren - aber ich schweife ab, das ist ein anderes Aufregerthema.

Wo war ich? Ach ja - der irrsinnige Verpackungsmüll, den diese Kochboxen produzieren, der ist aber ja nicht so schlimm, denn der ist ja von vornherein als Müll so vorgesehen, das ist ja etwas ganz anderes als Lebensmittel wegzuwerfen.

Auf alle Fälle habe ich heute Abend mit meinem Westfalenmann eine Suppe gekocht. Eine Kartoffelsuppe mit Einlage, ohne Kochbox, einfach so frei Schnauze und nach einem Blick in den Kühlschrank, von dem ich meistens abhängig mache, was es zu essen gibt.
Im Zweifel immer das, was weg muss.

Ich koche fast nie nach Rezept, weil es ja selten Rezepte gibt für das, was weg muss, ich habe aber ein paar Standardgerichte, die mag ich (und die meisten in der Familie) sehr gerne und die eignen sich auch häufig perfekt als Restesammler, dann benutze ich die Grundversion eines Rezeptes und variiere alles andere so, wie es mir grade gefällt.

Diese Grundversionen der Rezepte habe ich irgendwann mal alle zusammengetragen, sortiert und mir daraus mein ganz eigenes, selbstgemachtes Kochbuch gebastelt.
Natürlich stehen auch n diesen "Grundversion-Rezepten" exakte Maßangaben, sie dienen aber nur als Richtwert. Wenn da also 80g Butter und 250g Sahne steht, dann weiß ich: dreimal so viel Sahne wie Butter. So in etwa. Ganz genau kommt es da sowieso nicht drauf an.
Mir zumindest nicht.
Meinem Westfalenmann schon.

Dass ich statt Butter Margarine verwendet habe, fand er schon bedenklich, dass ich dann aber nicht mal zuckte, als die Waage 82g anzeigte, war für ihn ein eindeutiges Zeichen, dass die Suppe wohl heute misslingen wird.

Dafür stand im Rezept nur "Brühwürfel" und nicht welche Sorte. In meiner Zutatenschublade gibt es Fleischbrühwürfel, Gemüsebrühwürfel und Hühnerbrühwürfel - wie soll da ein Koch wissen, was gemeint ist? Ne wirklich, so kann man nicht kochen.

Und dann habe ich noch jede Menge Dinge in die Suppe geworfen, die alle nicht im Rezept erwähnt waren: Möhren, Frühlingszwiebeln und viel zu wenig Lachs - davon hätte er gerne mehr gehabt, traute sich aber nicht, darauf zu bestehen, denn Lachs stand ja auch nicht im Rezept.

Im Ergebnis hat ihn diese Kocherei also ganz ungemein gestresst, so ein regelloses, nein falsch, regelverstoßendes Lotterkochen (es gab ja ein Rezept, ich habe es nur nicht genau befolgt, jetzt echt mal)

Insgesamt bleibt festzustellen: Mit Kochbox wär das nicht passiert.

Blöd nur, dass die Suppe echt lecker war - nur zu wenig Lachs
.

304 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Dienstag, 14. September 2021
Lastenräder und Krankenstand
Ich habe vorhin diesen Zettel entdeckt



Der Zettel ist schon etwas älter, ich schleppe ihn auch schon etwas länger in meiner Handtasche mit mir rum, die Stichworte sind aber nach wie vor aktuell, denn es handelt sich um Themen, die ich im Büro in Gesprächen mit Kollegen aufgeschnappt habe und mich darüber wundere, wie diese Dinge so beliebt und so erfolgreich werden konnten, weil ich sie allesamt nur für völlig blödsinnige, überteuerte Modeerscheinungen halte, die von Menschen gekauft werden, die ganz offensichtlich über viel zu viel Geld verfügen und nicht gelernt haben, sich beim Geldausgeben automatisch um die effizienteste Lösung für einen gefühlten Bedarf zu kümmern.

Fange ich oben an und erkläre zunächst mal ausführlich, was ich von Menschen halte, die ihren SUV gegen ein Lastenrad tauschen und sich damit als ökologisch korrekte Vorbilder fühlen, weil ja auch der Staat dieses Verhalten steuerlich fördert:

Ich halte es für extrem sinnvoll und ökologisch lobenswert, aktiv nach Alternativen zum Auto zu suchen.
Wenn man sich deshalb entscheidet, so viel wie möglich mit dem Fahrrad zu erledigen und wenn das Fahrrad damit die Alltagsmobilität gewährleisten soll, dann muss es halt mehr können, als nur ein Hobby-Freizeit-Ausflugsartikel sein.
Wenn ich kein Auto mehr hätte, sondern alles mit dem Fahrrad erledigen wollte, müsste mein Rad folgende Anforderungen erfüllen:
- Es muss einigermaßen komfortabel zu benutzen sein
- Ich muss auch größere Mengen an Einkäufen damit transportieren können, nur zwei Satteltaschen sind zu wenig
- Ich muss im Zweifel auch meine Kinder damit transportieren können.

Meine Lösung für all diese Anforderungen wäre ein E-Bike (Komfort!) mit Anhänger und zwar je nach Bedarf und verfügbaren Mitteln sogar mit zwei verschiedenen Anhängern, also einen, um Kram zu transportieren und einen, um Kinder zu transportieren und wenn wir als Familie unterwegs sind, kann jedes Elternteil einen ziehen.

Was mir ganz sicher nicht in den Sinn käme, wäre ein Lastenrad, bei dem der Anhänger quasi fest verbaut ist und nicht abgehangen werden kann, denn dann hätte ich ja kein normales Fahrrad mehr und ein einfaches, normales, leichtes, wendiges Fahrrad ist etwas, auf dass ich ganz sicher nicht verzichten möchte.
Denn ganz ehrlich: Ich definiere mich durchaus als Mensch mit einem eigenen Leben, einer eigenen Persönlichkeit sowie eigenen Vorstellungen und Wünschen und ich möchte deshalb mein Fahrrad hauptsächlich auch einfach nur als Fahrrad benutzen, um mich selber halbwegs komfortabel von a nach b zu bringen, ohne dabei jedesmal die halbe Familienentourage oder einen Großeinkauf mitzuschleppen. Genau deshalb hätte ich auch keine Lust, grundsätzlich nur mit so einem Monstertrum unterwegs zu sein, das hat nämlich nichts mehr mit Komfort zu tun.

Alternativ bräuchte ich nicht mehrere Anhänger, sondern mehrere Fahrräder.
Das wäre natürlich auch eine Lösung, die ich sofort akzeptieren würde, dann wäre so ein Lastenrad aber nicht mein Hauptfahrrad, sondern das, was so ein Lastenrad traditionell schon immer war: Ein Arbeitsrad, das man benutzt, wenn man arbeitet, sprich also Einkaufen fährt oder Kinder rumkutschiert.

Eine vergleichbare Lösung hatten wir früher ja auch immer mit Autos, da haben wir uns den großen Familien-Van auch als Drittwagen geleistet, ansonsten fuhr CW seinen Sportwagen und ich mein Cabrio.
Auf Fahrräder übersetzt hieße das, dass ich mir so ein Lastenrad einfach als komfortablen Luxus noch zusätzlich leiste, wenn ich mal mehr zu transportieren habe oder nicht alleine mit dem Rad unterwegs bin, dann habe ich ein Rad mit festverbautem Anhänger schon fertig da stehen und cooler aussehen tut es natürlich auch als die Billiglösung Rad mit austauschbarem Anhänger.

Ein Lastenrad als Familiendrittfahrrad ist in meinen Augen also völlig okay, weil ich privaten Luxus grundsätzlich immer völlig okay finde, wenn man sich sowas als aktive und bewusste Entscheidung pro Luxus leisten möchte.
Es ist aber nichts, was der Gesetzgeber steuerlich fördern sollte und es ist auch nichts, mit dem man sich besonders ökologisch korrekt verhält, weil der einzig ökologisch korrekte Luxus der Verzicht auf Luxus ist.
Fahrrad statt Auto ist ökologisch gut und für Transportbedarf gibt es Fahrradanhänger, alles andere ist Augenwischerei oder, wie es im modernen Fachjargon heißt: Greenwashing.

Und weil ich über Leute, die sich ob ihrer ach so grünen Grundeinstellung gerne als besondere Vorbilder gerieren, nur leicht genervt den Kopf schütteln kann, fällt mir hierzu auch nur der Begriff Fake-Attitude ein.

Außerdem habe ich heute noch über einen Artikel aus dem Handelsblatt gegrinst, da stand nämlich (und ich habe es extra per Screenshot rauskopiert, weil ich davon ausging, dass es schnell berichtigt wird, jetzt im Moment steht es da aber immer noch so)


Auf je 100 AOK Mitglieder kommen 144,2 Fälle von Arbeitsunfähigkeitsmeldungen, das erinnert mich doch sehr stark an "fünf von vier Wirtschaftsprüfern können nicht rechnen"
.

363 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Samstag, 28. August 2021
Andererseits
"Jetzt beginnen die Spiele der reichen Länder" schrieb neulich irgendeine Zeitung über die Paralympics und seitdem geht mir dieser Satz durch den Kopf. Es ist tatsächlich noch mal eine komplett andere Sichtweise, nicht den Reichtum im eigenen Land anzuprangern, sondern sich klarzumachen, dass bei uns auch der Ärmste der Armen tendenziell reich und privilegiert ist, wenn man den weltweiten Kontext bemüht.
So eine Flüchtlingsdebatte bekommt dann noch mal einen ganz anderen Touch.

"Wenn der Westen nicht so hartnäckig auf die Frauenrechte gepocht hätte, wäre der der Widerstand der Taliban nie so unversöhnlich gewesen." sagte irgendein Kenner der Szene über die eigentlichen Hintergründe der Abgründe in Afghanistan - und ich kann mir diese Begründung sehr gut vorstellen. "Manche Menschen muss man zu ihrem Glück zwingen", sagte mein Vater gerne - und manche Menschen wehren sich dann, stellen wir mit einem Blick auf Afghanistan fest.

Bei der Debatte um die vierte Welle und der Frage, wie viel Rücksicht man noch auf Ungeimpfte nehmen sollte, fehlt mir jede Sorte Verständnis. Ich begreife das Problem einfach nicht.

Ich glaube, ich bin heute etwas gegen den Strich gebürstet
.

363 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?