anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Dienstag, 4. Juni 2019
Wettkampf
Dieser Text liegt seit Anfang 2018 in meinem Entwurfsordner, ich habe immer mal wieder ein Stückchen weiter daran rumgeschrieben und grade gestern ist mir ein weiterer Aspekt aufgefallen, den ich bisher noch gar nicht bedacht hatte, weshalb ich den Text wieder hervorkrame und versuche, ihn jetzt endlich mal fertigzustellen. (vielleicht auch nur vorläufig fertig, wir werden sehen.)

Seit letztem Jahr habe ich viel über den Begriff "Wettkampf" nachgedacht, was er für mich für eine Bedeutung hat, wie ich mit Wettkampfsituationen umgehe und warum meine Selbstwahrnehmung so deutlich von der Fremdwahrnehmung abweicht.

Ich bin auf das Thema an sich gestoßen, weil ich versuchte, meiner Schwester zu erläutern, wie blöd ich Wettkämpfe finde, wie sehr ich schon das Wort „Kampf“ nicht mag und alles, was damit in Zusammenhang steht, rigoros ablehne und wie wichtig ich es finde, ein Leben ohne Krieg und Kampf und Streit und Prügelei zu führen. Sie hat mich dann groß angesehen und gesagt, dass in ihrem Kopf der Begriff „Wettkampf“ fest mit meiner Person verknüpft ist, wenn sie also Assoziationsbegriffe nennen sollte, die ihr einfallen, wenn sie an mich denkt, dann ist „Wettkampf“ eines der ersten Wörter, was ihr in den Sinn kommt.

Mich hat das völlig sprachlos gemacht, denn ich finde Wettkämpfe wirklich, wirklich, wirklich!!! blöd, aber seitdem denke ich auch darüber nach, wie es zu dieser unterschiedlichen Beurteilung kommen kann und ob es verschiedene Arten von Wettkampf gibt.

Um das Nachdenken etwas zu strukturieren, habe ich zunächst mal Fragen formuliert:
1. Wofür gibt es eigentlich Wettkämpfe?
2. Was ist der Sinn von Wettkämpfen?
3. Wer braucht Wettkämpfe?
4. Wo ist der Unterschied zwischen Wettkampf und Herausforderung?

Nach längerem Nachdenken komme ich zu folgenden Ergebnissen:
1. Wettkämpfe braucht man, um eine Rangfolge des Könnens festzulegen.
2. Menschen sind grundsätzlich Rudeltiere. In Rudeln gibt es immer eine Hackordnung, die durch die Rangfolge des Könnens festgelegt wird.
3. Menschen mit einem normalen Sozialverhalten fühlen sich in Gruppen wohl, mit Wettkämpfen definieren Rudeltiere ihre Position in der Gruppe.
4. In einem Wettkampf geht es um die eigene Position in einer Gruppe, bei einer Herausforderung beweist ein Einzelner vor allem sich selber


Im nächsten Schritt habe ich dann versucht, mich selber zu beschreiben:
Ganz grundsätzlich würde ich von mir behaupten, ich finde Wettkämpfe blöd und lehne es ab, mich unter Wettkampfbedingungen irgendwo zu beteiligen.

Gleichzeitig nehme ich aber Herausforderungen durchaus an und gebe mir große Mühe, dabei nicht zu versagen.

CW hat sich über meine Verweigerungshaltung was Wettkämpfe angeht, gerne lustig gemacht und mir ein T-Shirt geschenkt, auf dem steht: "If I can't win, I'm not gonna play."

Dieser Spruch beschreibt meine Grundeinstellung ziemlich genau, denn wenn ich bei irgendetwas mitmachen soll, wo auch andere Leute mitmachen, die sichtbar besser sind als ich - ja, warum sollte ich mich dann überhaupt für irgendetwas anstrengen, wenn es doch Leute gibt, die das besser können als ich und es offensichtlich auch machen wollen.
Insbesondere wenn es um körperliche Anstrengung oder Arbeit geht, drängel ich mich niemals vor, ich bin aus Überzeugung grundfaul.

Außerdem habe ich eine dauerlatente Abneigung gegen fremde Menschen und gegen Gruppen und, und das ist vielleicht das allerwichtigste, daraus resultiert ein fast vollständiges Fehlen der passiven Komponente meiner Selbstachtung - ich brauche von anderen (fremden) Leuten keine Bewunderung, ich habe einfach keinen Wunsch nach Ansehen, Prestige, Wertschätzung, Achtung oder Wichtigkeit. Diese Beschreibung habe ich dem Wikipedia Artikel zur Maslowschen Bedürfnishierarchie entnommen, denn die erklärt meiner Meinung nach die verschiedenen Antriebsmomente der Menschen sehr gut.

Bei mir liegt der Schwerpunkt meiner Individualbedürfnisse eindeutig auf dem Wunsch nach (mentaler/körperlicher) Stärke, Erfolg, Unabhängigkeit und Freiheit, aber eben ohne Wettbewerbscharakter, sondern tatsächlich zum schlichten Durchsetzen meiner eigenen Individualbedürfnisse.

Zusammengefasst bedeutet das, dass ich deshalb kein Interesse an Wettkampf habe, weil ich meine Position innerhalb einer Gruppe gar nicht bestimmen muss, denn "ich kann alles alleine".
Ich habe einfach kein Bedürfnis auf Gruppe, ich brauche eine Gruppe weder als Unterstützung noch als Sicherheit oder als Selbstbestätigung. Wahrscheinlich ist das irgendeine üble psychische Störung, weil von der Natur nicht so vorgesehen, aber hey, es gibt auch Albinos oder Menschen mit sechs Fingern, ich bin eben auf meine Art anders und finde es nicht dringend behandlungsbedürftig.

Aber selbstverständlich bemühe ich mich grundsätzlich um Erfolg, denn Erfolg ist essentiell für Unabhängigkeit und Freiheit, und ich denke, genau hier setzt die unterschiedliche Wahrnehmung ein, d.h. dass mein grundsätzliches Erfolgsstreben von anderen Menschen automatisch als Wettkampfverhalten wahrgenommen wird, weil sie ihr eigenes Leben selber als Dauerwettkampf erleben und ständig um ihren Platz in der Gruppe kämpfen.

Ein anderer meiner Lieblingssätze lautet: "Wenn man etwas macht, kann man es auch gleich richtig machen, das braucht auch nicht mehr Energie."
Wenn ich mich also um Erfolg bemühe, dann sollte der Erfolg auch von Erfolg gekrönt sein, ansonsten empfinde ich es als vergeudete Energie.
Ich habe eine tiefe Abneigung dagegen, sinnlos Energie zu verschwenden (no sports für mich). Meine innere Kosten-Nutzen-Analyse fragt also immer danach, wie viel Energie ich in irgendetwas hinein stecken muss und was ich dafür bekomme. Wenn der Output einer Aktion kleiner ist als der Input, suche ich entweder nach Alternativmöglichkeiten oder ich lasse gleich komplett die Finger davon. If I can't win, I'm not gonna play - ich finde das entsetzlich logisch.
Dabei liegt der Schwerpunkt dieser Aussage nicht auf dem Gewinnen=Siegen, sondern darauf, dass ich "Gewinn machen" muss, wenn ich in irgendetwas Energie stecke.

Es mag sein, dass hierdurch für andere Menschen der Eindruck entsteht, ich betrachte "Dinge machen" als Wettbewerb, denn natürlich ist es mir wichtig, dass das Ergebnis aller Aktionen maximal produktiv ist und ich drängel auch immer weiter rum, wenn ich meine, dass sich Prozesse noch verbessern lassen.
Was mich aber gar nicht interessiert, ist der Gewinn als Sieg, sondern eben wirklich nur als Gewinn im Sinne von "da ist was bei rumgekommen, es hat sich gelohnt, sich dafür anzustrengen".
Also Gewinn im betriebswirtschaftlichen Sinn, ein Überschuss im Ergebnis, mehr Ertrag als Aufwand, das finde ich erstrebenswert, aber nicht um Erster zu sein, sondern nur, um ganz persönlich einen Profit aus der Anstrengung zu haben.
Ich sehe dagegen überhaupt keinen Nutzen darin, an einem Wettkampf teilzunehmen, der keinen anderen Sinn hat, als eine Rangfolge des Könnens zu dokumentieren. Weder möchte ich andere Leute deklassieren - noch möchte ich selber irgendjemandem untergeordnet sein, ich tauge einfach nicht als klassisches Herdentier, weil ich Rangfolgen grundsätzlich mit Hierarchien gleichsetze und die finde ich schwierig.
Was ich viel toller finde, ist, wenn in einer Gruppe alle nebeneinander, auf Augenhöhe und gleichwertig ihre Fähigkeiten in ein gemeinsames Projekt einbringen. Das verlangt aber, dass in so einer Gruppe alle Mitglieder mental gleich stark sind, und leider sind solche Gruppen selten.

Im Grunde bin ich also der geborene Teamplayer, wenn man mal davon absieht, dass ich klassische Gruppen blöd finde.

Der olympische Gedanke "dabei sein ist alles" ist mir verständlicherweise auch zutiefst fremd, denn einen Vorteil oder Nutzen am "dabei sein" haben nur Menschen, die gerne in Gruppen leben.
Wenn ich Dinge tue, dann, weil ich selber daran Spaß habe, und mit meiner latenten Soziophobie habe ich mit zunehmender Teilnehmerzahl zunehmend weniger Spaß. "Dabei sein" ist für mich also eher negativ besetzt. Ich will gar nicht dabei sein, ich fühle mich außerhalb einer großen Gruppe viel wohler.

Trotz meiner Abneigung gegen Gruppen bin ich aber nicht gerne alleine bzw. mache Dinge viel lieber gemeinsam statt alleine. Einen gewissen Widerspruch gebe ich zu, aber erstens ist man zu zweit noch keine Gruppe und meine Lieblingsdaseinsform ist eindeutig "zu zweit" und außerdem mag ich Gruppen nur dann nicht, wenn da Leute bei sind, die ich nicht mag* - und das ist bei "fremd gemischten" Gruppen eben sehr schnell der Fall.
Sind in einer Gruppe aber nur Leute, mit denen ich auch jeweils einzeln gut klarkomme, dann finde ich auch eine Gruppe toll - aber Wettkampf innerhalb der Gruppe brauche ich deshalb noch lange nicht.

*Das sind fast immer Menschen mit einem erhöhten Anspruch an Empathie. Also Menschen, die es zB selbstverständlich finden, dass es schlimm ist, wenn jemand stirbt oder überhaupt Mitgefühl für alles mögliche als normale Grundreaktion eines Menschen erwarten und es deshalb als Unverschämtheit bewerten, wenn sie mit der Realität konfrontiert werden.
Und Menschen, die "ach, wo ist denn das kleine Näschen?" zu Babys sagen.



Im allgemeinen Sprachgebrauch ist "Wettkampf" eher positiv konnotiert (weil Verbindung zu Spiel und Sport), wohingegen "Kampf" ja eher negative, martialische und kriegerische Assoziationen mitbringt.

Ich persönliche brauche grundsätzlich keine Sorte von Kampf, stelle aber fest, dass ich zwar jeden Wettkampf durch Nichtteilnahme absage, aber einen "echten Kampf" fast immer hartnäckig austrage, wenn ich das Gefühl habe, der Angreifer beschneidet meine Individualbedürfnisse, die vor allem in meiner selbst definierten Freiheit liegen.

Genau hier beginnt jetzt ein anderes Thema, nämlich wie viel Freiheit brauche ich und bis wohin bin ich bereit nachzugeben, wenn mir jemand auf die Füße tritt, bzw. "in meinen Bereich" eindringt. Darüber muss ich noch mal gesondert nachdenken, aber das Wettkampfthema kann ich zumindest in der Form zu Ende bringen, dass mein "Lebenskampf" daraus besteht, alle Dinge für mich alleine zu regeln und ich deshalb niemals auf den Gedanken komme, das Unterordnen in einer Gruppe zu akzeptieren, um damit auch von den (nicht von mir selbst erarbeiteten) Vorteilen der Gruppe zu profitieren.
Für mich fühlt sich mein Leben absolut nicht wie Kampf an, es mag aber sein, dass es für andere, die von außen drauf gucken, so wirkt
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Sonntag, 26. Mai 2019
Brief an mein 19jähriges Ich
Meine liebe AnJe,

es wird wohl kaum jemanden geben, der Dich besser kennt als ich, weshalb ich gerne die Idee aufgreife, Dir aus meinem Heute einen Brief in Dein damaliges Heute zu schreiben, denn den kleinen, sehnsüchtigen Restglauben an die Möglichkeit von Zeitreisen, den Du hast, habe auch ich mir bis heute bewahrt und vielleicht, wer weiß..... -
und sonst ist auch nicht schlimm.

Da ich ja weiß, dass Du Spannung hasst und bei Büchern grundsätzlich zuerst das Ende liest, um anschließend in Ruhe den Text genießen zu können, fasse ich die wichtigsten Details Deiner Zukunft mal eben kurz zusammen.
Also:
Du wirst mindestens dreimal so alt wie Du heute bist
Du wirst genau das erreichen, was Du Dir heute vorstellst
Du wirst Deine jetzigen Überzeugungen, Meinungen, Grundeinstellungen immer wieder auf den Prüfstand stellen, weil sie immer wieder von allen möglichen Seiten, insbesondere dem jeweils aktuellen Zeitgeist, angegriffen werden - und Du wirst sehr viele Deiner jetzigen Überzeugungen, Meinungen, Grundeinstellungen auch noch besitzen, wenn Du dreimal so alt bist wie heute.
Allerdings: Kinder sind nicht so schrecklich wie Du Dir das im Moment vorstellst, es ist einfach nur eine Frage der Organisation.

Ansonsten: Du wirst halt Dein Leben so leben, wie Du es in den letzten Jahren schon gründlich geübt hast, im Wesentlichen selbstständig und unabhängig. Du wirst Dein Mantra "Ich kann alles alleine" immer weiter ausbauen und auch fast vierzig Jahre später kann ich noch nichts Negatives an dieser Grundhaltung sehen. Es erspart Dir eine Menge Enttäuschungen, denn wer von anderen nichts erwartet, kann eben auch nicht enttäuscht werden.
Überhaupt fällt es mir schwer, Dir irgendwelche guten Ratschläge zu geben, denn ich denke, dass die wenigen wichtigen Entscheidungen, die Du in Deinem Leben treffen wirst, alle richtig waren.
Klar wird es immer wieder Situationen geben, wo man sich im Nachhinein sagt „oh hätte ich mal“, aber in all diesen Situationen hast Du die Umstände vorher ganz genau gekannt und abgewogen und deshalb manche Dinge bewusst getan oder eben nicht getan - das weißt Du genauso gut, wie ich es heute immer noch weiß.
Klar ist es dumm, mit dem Rauchen anzufangen und noch dümmer, es nicht umgehend wieder bleiben zu lassen, dass hast Du aber die gesamten 27 Jahre, die Du noch rauchen wirst, jeden Tag selber gewusst, das muss ich Dir also nicht als Lebensweisheit mit auf den Weg geben, und deshalb beschwere ich mich auch nicht, dass ich heute mit dieser kaputten Lunge leben muss. Du wirst gerne und mit Genuss rauchen - und das ist es wert.
Manche Fehler müssen eben gemacht werden, das gehört dazu.

Und manche Fehler sind keine Fehler, sondern die besten Windungen des Schicksal, die einem passieren können.
Du wirst ungewollt schwanger werden und Du wirst das Kind bekommen, obwohl Du schon alle Papiere für einen legalen Abbruch zusammen hast. Die erste Zeit mit dem Baby wird eine Herausforderung, aber es ist halt ein Baby und kein Hundewelpe, es zum Züchter zurückzubringen ist keine Option.
Alle Entscheidungen, die Du hier treffen wirst, werden die richtigen sein.
Die Entscheidung, noch mehr Kinder zu bekommen, weil dann das eine nicht so alleine ist, ist genauso richtig, wie die Entscheidung noch viel später den Vater der drei Kinder zu verlassen und wieder alles alleine (zusammen mit den Kindern) zu machen, auch wenn das jüngste dann noch keine 10 Jahre alt sein wird, ich denke, das ist alles komplett okay. - Zumindest weiß ich auch aus meiner allwissenden Zukunftsperspektive keine besseren Möglichkeiten. Und es wird funktionieren, so viel zumindest kann ich Dir von hier aus bestätigen.

Ich habe länger darüber nachgedacht, ob ich Dir nicht zu einem anderen Beruf raten solle, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass ich keinen Beruf weiß, in dem Du auf Dauer zufriedener geworden wärst. Jeder Beruf besteht irgendwann hauptsächlich aus Alltag, insofern finde ich die Entscheidung, einen Beruf zu wählen, der eine extrem hohe Sicherheit auf Vollbeschäftigung mit gleichzeitig enorm vielen, unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten bietet und gleichzeitig überdurchschnittlich gut bezahlt ist, auch nach 35 Jahren Berufsleben immer noch völlig okay. Die Art und Weise wie Du Deine Ausbildung organisieren wirst, finde ich ebenfalls okay, auch hier wüsste ich keine bessere Methode als sich einen älteren Partner mit demselben Beruf zu wählen, von dem man so unendlich viel mehr lernen kann als in jeder externen Ausbildung.

Ein Grund, weshalb es schwierig ist, Dir aus der Zukunft kluge Ratschläge zu geben, liegt auch daran, dass Du fast alle Varianten, die das Leben so zu bieten hat, sowieso selber ausprobieren wirst. Was soll ich Dir also raten, was Du besser machen könntest?

Dass, was Du nicht gemacht hast, habe ich ja auch nicht kennengelernt, ich kann Dir aber bestätigen: Ich vermisse nichts. Und insbesondere keine verpassten Chancen.

Also mach einfach, das wird schon und ändere nichts, weil Du kalte Füße bekommst. Alles wird funktionieren - und ich möchte keinen Tag meiner Vergangenheit missen und noch viel weniger möchte ich irgendeine Weiche anders stellen.

Viele Grüße aus dem Off der Zukunft
Deine AnJe

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Dienstag, 7. Mai 2019
Artenvielfalt
Manchmal ist es ja erstaunlich, wie wenig Arbeit Dinge machen, wenn man sie dann tatsächlich einfach nur mal macht, nachdem man sich vorher ein Jahr lang sehr viel Mühe mit dem Aufschieben und dem Nichtmachen gegeben hat.
Wobei, "manchmal" ist der falsche Begriff, "immer" ist wahrscheinlich deutlich richtiger.
Denn tatsächlich schiebt man ja überwiegend nur Dinge, weil man keinen Bock hat sie zu machen, nicht weil sie so zeitintensiv zu erledigen sind. Im Gegenteil, Sachen, die wirklich viel Zeit brauchen, nimmt man viel schneller in Angriff, eben weil sie ja so viel Zeit brauchen.
Es ist schon ziemlich verrückt, wie man sich regelmäßig selber austrickst.

Meine aktuelle Meisterleistung ist der Verkauf unserer alten Terrassenstühle über ebay Kleinanzeigen. Seit über einem Jahr gehen mir diese Stühle auf den Senkel, sie sind groß und sperrig und schrecklich schwer und wir haben schon drei Sperrmülltermine verpasst, aber irgendwas kam immer dazwischen und so stehen die Dinger immer noch auf der Terrasse rum.
Jetzt habe ich letzten Freitag auch noch neue Terrassenstühle gekauft, jetzt wird es also endgültig dringend Zeit, dass die Teile hier verschwinden, aber der nächste Sperrmüll dauert noch, deshalb habe ich gestern in einem zweiminütigen Anflug von Aktionismus K gebeten, mir einen der Stühle einfach mitten auf den Rasen zu stellen, habe ein Foto gemacht, das Foto bei ebay-Kleinanzeigen hochgeladen und dazu geschrieben, dass ich von diesen Stühlen sechs Stück habe und sie für 5€ das Stück verkaufe. K meint nämlich, dass verschenken nicht gut ist, dann haben die Dinge keinen Wert mehr und die Leute benehmen sich seltsam beim Abholen, das habe ich ja grade live auf Borkum erlebt. Deshalb jetzt mit Kaufpreis und die Resonanz ist beachtlich.

Lustig auch, wie unterschiedlich die Leute schreiben, es gibt ja diese Stilblütensammlung "best of ebay Kleinanzeigen", das ist tatsächlich wohl der Normalfall und erscheint mir nicht mehr übertrieben.
Aber warum nur so wenige Menschen ganze Sätze schreiben, begreife ich nicht, es kann doch nicht sein, dass nur Analphabeten bei ebay Kleinanzeigen unterwegs sind, wer schreiben kann, kauft dort nicht mehr? Ich finde es echt seltsam.

Überhaupt wundere ich mich oft über die Art der digitalen Kommunikation vieler Menschen und ich frage mich, wie diese Menschen wohl früher, also vor Internet und Smartphone, ihr Sozialleben gestaltet haben.
Aber vielleicht möchte ich das auch gar nicht wissen.
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, bin ich sogar sehr sicher, dass ich das bestimmt nicht wissen möchte.

Das ist wie mit der Artenvielfalt in einem Wassertropfen aus dem Gartenteich, direkt um einen herum existieren unendliche viele Welten, die man normalerweise gar nicht wahrnimmt, über die man nicht nachdenkt und zu denen man auch keinen Zugang hat, die aber in sich selber unglaublich komplex und schillernd sind, man lernt sie normalerweise nur nie kennen.

Und ich alter Menschengrantler bin ganz bestimmt gut beraten, sie auch nicht kennenlernen zu wollen. Mir reicht schon der tiefbegabte Assistent unserer Geschäftsleitung. Das ist für mich schon ausreichend Artenvielfalt, um mich regelmäßig wie in einer fremden Welt zu fühlen, wenn ich mit diesem Menschen kommunizieren muss.
Heute suchte ich eine Datei, die er auf dem Server abgelegt hat. Es handelte sich um eine Performanceanalyse einiger Fonds, die eine unserer Gesellschaft vor Jahren mal gekauft hat.
Ich suche solche Dateien in dem Ordner "Finanzen" unter "Kapitalanlagen". Da war sie aber nicht.
Auf Nachfrage bekam ich den Link, die Datei war unter "Bilanzen 2018" abgespeichert. Und auf weitere Nachfrage bekam ich dann auch die Erläuterung dazu: "Sie haben in letzter Zeit fast alle Dateien unter Bilanzen 2018 abgespeichert, da dachte ich, Sie wollen alle Dateien hier haben."
Dass ich am Jahresanfang, wenn die Bilanzen 2018 erstellt werden, dort naturgemäß sehr viel abspeichere, eben weil es mit der Bilanz 2018 zu tun hat, auf die Idee ist er nicht gekommen.
Stirn-Tisch-Verzweiflung.
Artenvielfalt.
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Sonntag, 28. April 2019
Zack, vorbei, und schon wieder nicht erholt
Tja, das war's, Freiheit zu Ende, ab Montag greift wieder das alltägliche Büroleben und wenn ich am Montag von wahrscheinlich jedem Kollegen gefragt werde, ob ich mich denn auch gut erholt hätte und ich hätte ja nun wirklich Glück mit dem Wetter gehabt, weiß ich wieder keine vernünftige Antwort, denn natürlich habe ich mich nicht erholt. Weil, wovon? Vom Arbeiten? Das ist doch lächerlich, als ob man sich vom Rumsitzen im Büro erholen müsse. Und wenn doch, dann frage ich mich, wie? Also ich meine, wie erholt man sich eigentlich?
Und woran merkt man, dass man sich erholt hat?
Ich habe echt keine Ahnung, wie ich mich produktiv erholen könnte, denn schließlich wird ja auch erwartet, dass man sich GUT erholt. Also Erholung mit Leistungsdruck. Bloß nicht versagen und sich etwas schlecht erholen. Wobei mir auch hier die Definition fehlt und ich nicht weiß, was besser ist: eine schlechte Erholung oder gar keine Erholung?

Weil ich weder eine Idee habe, wie man sich gut erholt noch wie man sich schlecht erholt, kann ich also gar nicht sagen, wie viel Prozent des Erholungssolls ich in den letzten zwei Wochen geschafft habe, irgendwie habe ich das mit der Erholung einfach ignoriert und mich hauptsächlich nur damit beschäftigt, nur das zu tun, wozu ich grade Lust hatte. Auf Erholung hatte ich keine Lust, denn das klingt schon wieder nach Stress und ungesundem Aktionismus. Die Badegäste, die hier in Mengen mit ihren Nordic Wackling Stöcken den Strand langhecheln, die erholen sich bestimmt dabei ganz prächtig - aber genau deshalb verzichte ich sehr gern auf Erholung.

Wenn ich es mir richtig gut gehen lassen kann, dann bedeutet es für mich, ich muss nichts machen, was mit körperlicher Bewegung zu tun hat, zumindest nicht mit unsinniger körperlicher Bewegung. Und sinnlos in der Gegend rumzurennen ohne ein konkretes Ziel zu haben, wo man hin will und ohne einen konkreten Grund, weshalb man das zu Fuß und in diesem Tempo machen muss, ist für mich der Inbegriff von unsinniger körperlicher Bewegung.

Während ich da jetzt so drüber nachdenke, warum grade die Leute auf der Arbeit so begierig darauf sind, dass man sich gut erholt hat, und dass die klassische Form der Erholung meist mit viel Bewegung an der frischen Luft verbunden ist, fällt mir auf, wo der Zusammenhang ist: Wenn man tatsächlich 14 Tage wie ein hirnkrankes Karnickel mit diesen Wackling Stöcken durch die Gegend gerannt ist, dann ist man so froh, dass dieser Irrsinn endlich wieder aufhört und man wieder an die heimelige, gemütliche Arbeitsstelle zurückkehren kann, dass man also nach 14-Tagen Erholungsauszeit unglaublich motiviert zur Arbeit zurückkehrt und alles daran setzen wird, dass man dort so lange wie möglich weiterarbeiten darf - alles ist besser als diese gruselige Erholung. Damit verkörpert man also nach ausgiebiger Erholung den Prototyp von leistungsorientiertem Arbeitnehmer.

Das werde ich wohl nicht mehr, denn ich habe mich schon wieder nicht erholt, ich brauche also dringend noch mehr Urlaub für einen weiteren Versuch
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Montag, 25. März 2019
Tagebuchbloggen
Auf Twitter fand ich diese Frage nach dem Sinn, Zweck und Nutzen des Tagebuchbloggens
"Mich interessiert, ob es Sinn macht und wie Du es machst, im Blog ein Tagebuch zu führen. Bzw. mein Tagebuch als Blog zu veröffentlichen - aber das will man ja nicht, oder?"

Und weil ich darauf nicht in 140 bzw. 280 Zeichen antworten kann, nehme ich es als Anlass, einfach an dieser Stelle darauf zu antworten, vor allem, weil ich beim Nachdenken über die Antwort merke, dass sich bei mir "Zweck und Nutzen" im Laufe der Zeit tatsächlich geändert haben.
Ich antworte deshalb zweigeteilt, zunächst das "Wie" und dann das "Warum"

Wie ich es mache
Ich schreibe hier jeden Tag etwas auf diesem Blog, weil ich mir das so vorgenommen habe und weil ich es mittlerweile schon seit dreieinhalb Jahren durchhalte.
Wenn man es erst mal eine Zeitlang durchgehalten hat, wird es immer leichter, weil es zu einer festen Institution im täglichen Leben wird, man selber irgendwann so sehr daran gewöhnt ist, dass es zur Routine wird. Außerdem ist mein eigenes Umfeld mittlerweile daran gewöhnt und begreift es ebenfalls als Selbstverständlichkeit und unterstützt mich auch aktiv mit Themenvorschlägen, Fotos und/oder Gastbeiträgen, die ich immer dann in Anspruch nehme, wenn ich tatsächlich mal einen Tag überhaupt gar keine Chance sehe, hier irgendetwas zu veröffentlichen.
Und schließlich gibt es irgendwann auch feste Leser, die man weder beunruhigen noch enttäuschen will.

Der Vorsatz "ich schreibe jeden Tag etwas" war am Anfang hauptsächlich ein Versuch, überhaupt wieder mit dem Bloggen anzufangen. Ich habe schon 2006 mal eine Zeitlang gebloggt, das aber aus Gründen wieder drangegeben und alles gelöscht, danach habe ich mehrfach Versuche gestartet, das Bloggen noch mal neu zu beginnen, sonderlich erfolgreich war ich damit aber nie, weil ich mehr Ausreden hatte, weshalb ein Text noch nicht gut genug ist, um ihn zu veröffentlichen als dass ich Texte tatsächlich online setzte. Irgendwann hatte ich eine Sammlung von über hundert angefangenen Blogtexten, online war kaum etwas. (Übrigens: weshalb ich gerne bloggen möchte, steht in der "Warum-Antwort" weiter unten)
Im Sommer 2015 versuchte Frau Novemberregen aktiv Leute zum täglichen Bloggen zu bewegen, ich habe das damals gespannt verfolgt (weil ich ihren Blog sowieso schon seit Anfang lese), aber um öffentlich Wetten mit anderen abzuschließen, bin ich viel zu wenig kompetitiv. Überhaupt bin ich sofort raus, wenn es um Gewinnen oder Verlieren geht, if I can't win, I'm not gonna play - und das Risiko, dass ich da versagt hätte, war mir schlicht zu groß. Aber die Idee, die dahinter stand und die Tipps, die sie anderen gab, wie man so ein tägliches Bloggen beibehalten kann, das gefiel mir alles sehr, und so habe ich dann ab Oktober 2015 nur mit mir selber als Wettgegner die Challenge angenommen - und kann für mich sagen, dass diese Idee für mich genau richtig war, um überhaupt wieder zu bloggen.

Der Begriff "Tagebuchbloggen" steht für mich dabei nicht für Tagebuch im klassischen Sinn, also dass ich jeden Tag penibel aufschreibe, was ich so mache, sondern er steht nur dafür, dass ich wirklich jeden Tag irgendwas in meinem Blog veröffentliche.
Das ist damit die elegante Überleitung zu der "Warum-Frage", denn da hat sich im Laufe der Zeit tatsächlich auch etwas geändert.

Warum ich täglich blogge
Ganz am Anfang, also ganz frühes damals™, so ca. 2005-2006, hat es mir einfach Spaß gemacht, Texte zu schreiben und darüber mit anderen ins Gespräch zu kommen. Meine Texte waren schon immer einigermaßen "autobiographisch" geprägt, freie Phantasiegeschichten liegen mir gar nicht, auf dieser Ebene geht meine Kreativität gegen Null.*
Ich kann aber sehr gut Texte schreiben zu Themen, die mich grade interessieren, über die ich nachdenke, zu denen ich eine Meinung habe, wo ich mich aufrege oder wo ich auch einfach nur Dinge beschreibe, die ich erlebt habe. Beim Schreiben werden mir oft erst Dinge klar, die ich vorher so explizit noch gar nicht wahrgenommen habe, ich diskutiere sozusagen beim Schreiben mit mir selber und nutze Schreiben deshalb sehr gerne, um Dinge in meinem Kopf zu sortieren.
Deshalb habe ich das Bloggen auch schon sehr früh für mich entdeckt und hatte viel Spaß daran, denn durch das feedback (Kommentare), was damals noch viel üblicher war als heute, wurden Themen manchmal noch zusätzlich von Seiten beleuchtet, die ich in der Form noch gar nicht beguckt hatte. Damals habe ich nicht täglich etwas geschrieben, aber schon sehr oft, damals hatte ich aber auch noch deutlich mehr Zeit, mich im Internet rumzutreiben als das heute der Fall ist.
*Meine Mutter behauptet zwar bis heute, dass ich mir ständig Geschichten ausdenke, die gar nicht stimmen, das liegt aber nur daran, dass ich ab und zu, natürlich nur sehr selten und auch nur in ganz unbedeutendem Maße, aber vielleicht doch schon mal ab und zu, Dinge aus der Realität etwas verändere. Aber dass ich damals in der Schule die 100m unter 13 Sekunden gelaufen bin, das stimmt bestimmt und ich kann nichts dazu, wenn der Lehrer uns die 100m Strecke auf der 75m-Bahn laufen ließ.

Dann habe ich aber meine berufliche Position verändert und plötzlich wurde es sehr wichtig, dass ich privat und beruflich sauber trenne, bzw. dass die Menschen in den beiden Welten sauber getrennt sind, denn beruflich bin ich in einem Umfeld unterwegs, wo von mir ein sehr seriöses, verantwortungsbewusstes und verschwiegenes Verhalten erwartet wird, weshalb ich ganz enorm wenig Interesse daran habe, meine privaten Meinungen mit Menschen aus meinem beruflichen Umfeld zu diskutieren. Außerdem gibt es Menschen in meinem beruflichen Umfeld, von denen habe ich keine besonders gute Meinung und auch das möchte ich nicht in meinem beruflichen Umfeld thematisieren.
Deshalb ist mir eine ausreichende Anonymität sehr wichtig und deshalb habe ich auch nur ein sehr eingeschränktes Verlangen nach einer größeren Bekanntheit meines Blogs.
Leider bestand damals eine viel zu große Gefahr, dass mein damaliger Blog bei Menschen in meinem beruflichen Umfeld bekannt werden würde, deshalb habe ich 2008 kurzerhand alles gelöscht und litt dann viele Jahre unter Verfolgungswahn.
Gleichzeitig fehlte es mir aber, dass ich schriftlich meine Gedanken sortierte und ich stellte fest, dass das Veröffentlichen im Internet für mich eine wunderbare Möglichkeit war, mich selber zu disziplinieren, Gedanken zu Ende zu denken. Zumindest zu einem vorläufigen Ende oder immerhin so weit, dass es zunächst mal in sich rund war, was ich da als Meinung von mir gab. Ohne Veröffentlichung blieben die allermeisten Texte halbfertig im Entwurfsordner stecken, ein Zustand, der mich immer mehr ärgerte und ich musste akzeptieren, dass ich von der Grundveranlagung her ein enorm schludriger Mensch bin (wusste ich zwar schon immer, aber man versucht ja meist, so unangenehme Wahrheiten irgendwie zu verdrängen).
Um mich also selber zum Schreiben zu zwingen, was ich mag, weil es mir hilft, meine Gedanken zu sortieren, brauche ich externen Druck. Diesen externen Druck kann ich mir aber nur selber machen, weil ich das ja nie und niemals je von einem fremden Dritten akzeptieren würde. Und so entstand das Projekt "ich schreibe jeden Tag etwas auf dem Blog". Zunächst nur heimlich und still mit mir selber besprochen (weil die Angst zu scheitern am Anfang schon sehr groß war), mittlerweile habe ich aber genug "Vergangenheit", um mir selber bewiesen zu haben, dass ich es durchgehalten habe, Scheitern ist also kein Problem mehr, deshalb kann ich jetzt auch offen darüber sprechen.
Ganz eigentlich wollte ich also nur Texte bloggen, in denen ich mir wirklich ausführlich Gedanken zu irgendeinem Thema gemacht habe, aus Gründen der Selbstdisziplin wählte ich aber die Form des "jeden Tag etwas Schreiben" und so blieb und bleibt für viele Tage "zwischendurch" natürlich nur eine Kurzbeschreibung des eigenen Tages, weil ich nicht genug Zeit und genug Themen habe, mir jeden Tag ausführlich Gedanken zu irgendwas zu machen. Würde ich aber diesen selbstgemachten Zwang des "ich muss einfach jeden Tag irgendwas schreiben, egal ob gut oder schlecht, ich muss nur einfach etwas abliefern" - würde ich diesen Zwang aufgeben, verwaiste mein Blog wahrscheinlich innerhalb kürzester Zeit wieder, weil ich eben diese lästige Tendenz habe, zum sofortigen Verlottern zu neigen, wenn ich da nicht aktiv gegensteuere.

Mittlerweile hat sich das tägliche Bloggen also einigermaßen fest etabliert und so ergab sich im Laufe der Zeit noch ein sehr angenehmer Nebeneffekt: Ich muss nämlich niemanden aus meiner Familie mehr anrufen, um zu erzählen, was ich in der letzten Zeit so gemacht habe, das können sie alles hier lesen, wenn es sie interessiert. Und wenn es sie nicht interessiert, haben sie Glück, dass ich sie nicht anrufe, um ihnen mit Dingen einen Knopf an die Backe zu quatschen, die sie offensichtlich nicht interessieren. Sic!
Als mir vor gar nicht so langer Zeit der zweite Sohn, der früher immer sagte "ne, so viel Zeit, das alles zu lesen habe ich nicht" mitteilte, dass er hier doch regelmäßig mitliest, freute ich mich schon sehr über sein "Geständnis", denn nach meiner eigenen Interpretation gibt es ja sonst nur einen Grund, wenn Menschen aus meinem persönlichen Umfeld hier nicht lesen.

Ein "Tagebuch" wurde das Blog also allein deshalb, weil ich nicht für jeden Tag Themen (und Texte) habe, die außerhalb meines Tagesgeschehens liegen und über die ich einfach nur mal so grundsätzlich etwas schreiben möchte. Einen Entwurfsordner (Onenote), in dem immer noch fast hundert angefangene Texte liegen, habe ich immer noch, ich habe aber heute eine deutlich höhere Motivation, diese Texte zu Ende zu bringen, denn jeder fertige Text aus dem Entwurfsordner erspart mir einen Tag Rumgeeiere à la "heute ist gar nichts passiert" oder "ich komme leider vor lauter Müdigkeit zu nix mehr", was zwar grundsätzlich erlaubte Jokerphrasen sind, um das Tagessoll zu erfüllen, aber weder bin ich darauf stolz noch strebe ich es an, solche Beiträge in größerer Menge zu posten, weil ich dann ja den offensichtlichen Beweis liefern würde, dass ich etwas in meinem Leben ändern müsste.

Zusammenfassung: Ich benutze mein Blog als Tagebuchblog, weil es mir den äußeren Rahmen für die nötige Selbstdisziplin gibt, überhaupt etwas zu schreiben und weil ich es praktisch finde, dass Menschen, die ich persönlich kenne, sich jederzeit informieren können, was ich so mache und über das Blog auch jederzeit eine Möglichkeit haben, mit mir ins Gespräch zu kommen.
Und schließlich finde ich es inzwischen auch schon sehr praktisch, dass ich einfach hier nachschauen kann, in welchem Jahr wir das Zimmer im Dachgeschoss renoviert haben oder wann genau ich mir den Arm gebrochen habe
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Freitag, 22. März 2019
Bildergucker
Heute war Aufsichtsrat und weil es eine „Strategiesitzung“ sein sollte, fand das nicht im normalen Sitzungsraum statt, sondern wir hatten eine externe „Location“ gemietet, wo es dann auch Mittagessen und Kuchen am Nachmittag gab.
Außer dass damit der gesamte Tag verplant war, war auch die sonst übliche Sitzordnung hinfällig und man sortierte sich neu.
So kam es, dass ich neben einem Mitglied des Aufsichtsrates saß, mit dem ich sonst noch nie zu tun hatte und zur Freude des Aufsichtsratsvorsitzenden war der längst nicht so quatschaffin wie die Aufsichtsrätin, neben der ich sonst sitze, so dass ich diesmal keine einzige Ermahnung wegen unzulässiger Tuschelei kassiert habe.
Ich war dafür aber fasziniert damit beschäftigt zu beobachten, was dieser Mensch ständig auf seinem Handy anguckte.
Mag ja sein, dass die Tuschelei mit meiner Sitznachbarin sonst den Vorsitzenden irritiert, aber wir hören dafür durchgehend zu und nehmen aktiv an der Sitzung teil.
Der Mensch, neben dem ich heute saß, muss
sich dagegen überwiegend sehr gelangweilt haben, sonst hätte er sich ja nicht so ausgiebig und dauerhaft mit seinem Handy beschäftigt, schlussfolgere ich, denn er wurde sichtlich nicht durch irgendeine Kommunikation abgelenkt. Das hätte ich ja noch verstanden, wenn es eine wichtige berufliche oder spannende private Ablenkung gewesen wäre, aber nein, alles nicht, sondern er guckte Bilder.
Er guckte ausgiebig und ausführlich Bilder (Fotos), die er auf seinem Handy gespeichert hatte.
Ich habe mich wirklich mehrfach immer wieder versichert und unter Ignorierung jeglicher Diskretion sehr genau hingeguckt, aber er guckte wirklich nur die Fotos auf seinem Handy.
Da waren Landschaftsaufnahmen bei und Gebäude, aber im wesentlichen guckte er Leute an.
Fand ich enorm faszinierend, denn es ist so weit weg von allem, was mir selber je einfiele.
Ich habe natürlich auch eine große Menge an Fotos auf meinem Handy, kein Wunder, ich knips ja auch ständig alles mögliche, und natürlich gucke ich die Fotos auch an, wenn ich sie gemacht habe, aber eigentlich auch nur dann. Anschließend habe ich die Fotos nur noch, um sie zu haben. Ich merke grad selber wie seltsam das ist, aber ich käme wirklich nie auf die Idee, mir stundenlang Fotos auf meinem Handy anzuschauen.

Ich erinnere mich allerdings an eine
Bahnfahrt, bei der ein junger, fremdländisch aussehender, junger Mann neben mir saß und der guckte auch die gesamte Fährt lang (von Münster bis Berlin) Fotos auf seinem Handy an (Kinder und Erwachsene, ich denke, es war seine Familie) und ich erinnere mich daran, wie seltsam ich das damals schon fand, obwohl meine selbstgesuchte Erklärung davon ausging, dass die Leute auf den Fotos wahrscheinlich seine Familie ist, von der er jetzt getrennt wurde, Flüchtlingsschicksal oder so, und eigentlich wäre das sehr plausibel, aber trotzdem fand ich es seltsam, weil es so weit weg von meiner eigenen Welt ist.

Der Mensch im Aufsichtsrat heute ist aber kein Flüchtling, sondern deutscher Rechtsanwalt - und guckt trotzdem stundenlang Fotos auf seinem Handy, statt der Sitzung zu folgen. Für den habe ich echt keine plausible Erklärung
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Dienstag, 12. März 2019
Wie definiert sich eine Frau?
Dieser Weltfrauentag hat für mich ein paar durchaus interessante Aussagen hervorgespült, weil sich plötzlich so viele Leute mit diesem Thema beschäftigt haben und ich es gar nicht vermeiden konnte, dass mir das Thema alle naselang vor die Nase gehalten wurde.

Normalerweise gehe ich dem gesamten Themenkreis "Feminismus" nämlich rein vorsichtshalber weiträumig aus dem Weg, ich trete dabei stets nur von einem Fettnapf in den nächsten.

Ich glaube, ich tauge nicht zur Frau.

CW sagte immer, ich sei ein Mann mit Gebärmutter und wenn ich mir so typische Verhaltensmuster und Denkschablonen anschaue, die gemeinhin mit Mann bzw. Frau verknüpft sind, dann stelle ich selber fest, dass ich viel mehr denke, fühle und rede wie ein Mann und vor den typischen Reaktionen, Ansichten, Verhaltensweisen von Frauen meist nur ratlos rumstehe und hauptsächlich Fragezeichen vor meinem inneren Auge aufploppen.
Meine Hauptfrage dabei ist meist, warum????
Warum machen sich Frauen Dinge oder Sachverhalte zu einem Problem, die ein Mann in aller Regel mit einem Schulterzucken abtut?
"Mental load" ist so ein Thema, wo ich immer Augenzucken bekomme. Weil die Frau meint, sie müsse sich um alles kümmern und trage deshalb die gesamte Last der Verantwortung, der Organisation und letztlich des Reservebackups, weil Mann sich keinen Kopf macht und das belastet die Frau so sehr, dass sie mental total ausgepowert ist und deshalb eben auch mehr gestresst ist als ein Mann.

Ich frage dann immer nur: Warum? Wenn ich will, dass Dinge getan werden, dann ist das meine Sache, dann kann ich doch jemand anderem nicht ankreiden, dass er sich nicht dafür interessiert?

Ich weiß gar nicht, ob das nun typisch männlich ist, aber mit meiner absolut überzeugten Grundeinstellung "ich kann alles alleine" käme ich nie auf den Gedanken, von einem anderen etwas ohne konkrete Absprache zu erwarten. Und selbst wenn er mit einer konkreten Absprache nicht das tut, was er versprochen hat zu tun, sondern, "sorry, ich stand im Stau", oder "ach Mist, tut mir leid, total vergessen" als Begründung liefert für Dinge, die er verbaselt hat, nun, dann müsste ich doch spätestens nach der dritten Entschuldigung gelernt haben, dass dieser Mensch unzuverlässig ist und ich ihn bei Dingen, die mir wichtig sind, austausche und solche Dinge lieber an Leute delegiere, die mehr Zuverlässigkeit garantieren. Weil, zu "ich kann alles alleine" gehört nicht, dass ich alles alleine mache, aber dass ich immer alles alleine so organisiere, dass es auch wirklich fluppt.

Und ja, ich glaube das kann ich. Ich glaube sogar, ich kann das ziemlich sehr gut. Dinge so zu organisieren, dass sie funktionieren.

Eventuell bin ich also keine Frau, sondern nur ein ergebnisorientierter Manager, mag sein, erspart mir aber große Mengen an mental load Gejammer, weil ich meine Probleme lieber löse statt sie zu beklagen.

Ich jammere gerne, keine Frage, aber grundsätzlich finde ich es praktischer, Dinge erst zu lösen und dann zu jammern, ist einfach vom zeitlichen Ablauf her effizienter.

Einen bemerkenswerten Satz habe ich auch in dem Freitags-Podcast von Garbor Steingart gehört, dort hat er mit zwei Frauen von der Edition F gesprochen (muss jeder selber googeln, bin grade zu faul, den Link herauszusuchen) und die wurden zum Abschluss gefragt, was sie von Angela Merkel halten und haben im Ergebnis gesagt: Angela Merkel ist keine Feministin und keine Kämpferin für die Sache der Frauen, dafür macht sie zu viele Dinge zu sehr wie ein Mann.

Der Satz hat mich spontan getriggert. Wenn man Dinge ganz ruhig und unaufgeregt einfach erledigt, macht man Dinge wie ein Mann, Dinge wie eine Frau machen, bedeutet dann???? - Emotionale Heransgehensweise? Nicht so rational, dafür mit mehr - ja was eigentlich? Und warum ist das besser? Weil wir mehr Diversität brauchen? Weil es zu viele Männer gibt, die Frauen nicht gerne ans Steuer lassen? Ja, warum kaufen sich die Frauen dann nicht einfach ihr eigenes Auto?
Ich käme einfach nie auf den Gedanken, so etwas zu diskutieren. Sollen die Jungs doch gucken, wie sie klarkommen, ich habe als Frau den Vorteil, dass ich alles kann, was eine Frau eben kann - und das, was ein Mann kann, kann ich auch, weil Frauen in Hosen etwas normales sind, Männer in Röcken fühlen sich dagegen immer noch seltsam.

Ich finde, Frausein hat absolut jede Menge Vorteile gegenüber Mannsein, eben weil ich jederzeit einen auf Prinzessin machen kann, wenn es mir grade nutzt, wenn aber kein Prinz da ist, der die Drecksarbeit für mich erledigt, ja herrje, dann mache ich es eben doch selber, einfach, weil ich es kann. Und nein, ich habe da kein schlechtes Gewissen bei, weil, warum sollte ich? Wenn ein ritterlicher Mann auf der Landstraße anhält, um mir bei einer Reifenpanne zu helfen und mir dann den Reifen wechselt, dann finde ich das völlig in Ordnung. Der Typ fühlt sich nachher wie ein stolzer Pfadfinder nach einer guten Tat - und ich habe mir das Finger dreckig machen gespart, ist doch eine winwin-Situation.
Wenn allerdings nach einer halben Stunde immer noch keiner angehalten hat, na, dann muss ich den Reifen halt doch selber wechseln und klar kann ich das dann, weil, Reifen wechseln ist wirklich nicht so kompliziert, aber man macht sich halt dreckig dabei und es ist anstrengend und überhaupt finde ich es viel bequemer, wenn solche Dinge von einem Mann gemacht werden, aber ich glaube, als Feministin gelte ich mit der Einstellung nicht. Obwohl ich grundsätzlich den Reifen wechseln könnte.
Ich kann übrigens auch eine Bohrmaschine bedienen, Tapeten ankleben und Bretter sägen, überlasse diese Tätigkeit aber auch ohne Bedauern einem Mann, wenn einer da ist, der es ebenfalls kann, denn dann kann ich in der Zeit ja was anderes machen. Was ich dagegen nicht kann (und sehr bedauere und unbedingt noch mal lernen will), ist die Bedienung einer Nähmaschine, die geht mir immer durch, wenn ich nur ein ganz bisschen Gas gebe, ich fürchte, ich fahre schon zu lange GTI.
Ich kann aber stricken und häkeln, möchte ich hier noch unbedingt erwähnen, damit nicht der Eindruck entsteht, ich beherrschte nur typisch männliche Fertigkeiten.

Im übrigen fand ich dieses gesamte Gehampel um den Frauentag einfach nur albern. Was soll das jetzt sein, ein zweiter Muttertag, damit Frauen ohne Kinder auch mal Frühstück ans Bett bekommen und einen Blumenstrauß? Sind die Leute eigentlich alle noch ganz dicht?
Und überhaupt, ist das jetzt nicht auch eine Diskriminierung der Diversen, wenn die Frauen nun ihren eigenen Tag bekommen haben, die D-Leute aber immer noch abstreiten, dass der d-day extra für sie gemacht wurde?

So, ich glaube, das waren für heute genug Fettnäpfchen
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Dienstag, 5. März 2019
Weshalb Politiker nur noch Phrasen dreschen
In seinem heutigen Morgenbriefing-Podcast hat sich Gabor Steingart mit Alexander Kissler unterhalten, der so ziemlich das Klügste zu "political correctness" gesagt hat, was ich je dazu gehört habe.
Er sagte sinngemäß, dass es kein Wunder ist, dass jeder, der heutzutage Karriere machen will (bzw. einen Absturz durch einen shitstorm vermeiden will) sich schon fast zwanghaft in Phrasen flüchtet, weil Phrasen den Vorteil haben, dass sie einen maximalen moralischen Anspruch mit minimaler inhaltlicher Füllung verbinden.
Wer Phrasen benutzt, muss nicht mehr selber denken, Phrasen sind also bequem und sie sind sicher. Da sie deshalb mittlerweile jeder benutzt, hat die politische Kommunikation zwar nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun, aber sie verprellt auch niemanden.

Das wird an einem Beispiel besonders deutlich: Durch das eherne Mantra der Politik "Jeder verdient Respekt", hat jeder, der einen Anspruch anmeldet, quasi systemimmanent gleichzeitig den Anspruch, damit auch ernstgenommen zu werden. Und die Politiker versuchen eifrig, jeden formulierten Anspruch ernstzunehmen, weil sie sich davon Gruppenloyalitäten erhoffen.

Im Ergebnis ist das allerdings so unendlich absurd, dass man eigentlich vor Entsetzen nur noch verstummen kann, denn durch diese immer schräger werdenden Einzelansprüche, verfällt unsere Gesellschaft in ein löchriges Gebilde mit tausenderlei Sonderschutzzonen, die komplett unverbunden nebeneinander herbestehen.
Wer heutzutage den Mund öffnet, tut das nicht mehr als Individuum, sondern als Vertreter irgendeiner schrägen Art von Gruppenidentitäten.

Die Folge davon ist aber leider das Aussterben der Individualität, und nur die Individualität garantiert auch Freiheit.
Durch diesen Trick mit der Zwangseingruppierung, verkommt das individuelle Ich zu einem gezwungenen Gruppen-Wir und die Freiheit versteckt sich hinterm Ofen und schaut traurig zu, wie immer mehr Menschen nur noch Ringelpiez mit Anfassen in einer erzwungenen Gruppenfröhlichkeit spielen.

Ich kann das nicht so schön wiedergeben, wie er das in diesem Podcast formuliert hat, ich saß aber 10 Minuten beifallnickend im Auto und konnte immerzu nur wiederholen: "Genau so ist das - und genau deshalb habe ich auch so wenig Lust, mit Menschen zu kommunizieren."

Denn jeder, der sich mit einer eigenen Meinung außerhalb dieser vorformulierten Phrasen bewegt, riskiert einen Shitstorm vom feinsten und muss sich für Dinge rechtfertigen, für die er sich gar nicht rechtfertigen wollte, weil die im Zweifel gar nicht Teil seiner Meinung waren. Aber phrasenfrei formulierte Sätze sind halt nicht so stromlinienförmig wie vorformulierte Standardfloskeln und tragen deshalb immer die Gefahr in sich, dass irgendjemand an einer kleinen Unebenheit hängen bleibt - und deshalb zu einem Riesengezeter anhebt
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Mittwoch, 23. Januar 2019
Schneeschippen und die Rolle der Frau
Hier im Münsterland hat es heute Nacht geschneit. Nicht viel, aber genug, als dass man es morgens wegschippen musste. Das sind dann halt die Nachteile des Wohnens in einem Haus - da ist man grundsätzlich selber für Schneeschippen verantwortlich.
Auf Borkum habe ich damit eine Firma beauftragt, weil ich das ja gar nicht leisten könnte, wenn ich an einem Schneefalltag grade nicht da bin, auf Borkum gibt es aber auch lange Bürgersteigwege vorm Haus, da müsste sehr viel öffentlicher Gehweg freigeschippt werden. Hier in Greven wohnen wir in einer Anlieger-Spielstraße, wir haben also gar keinen Bürgersteig, dafür wird bei uns aber auch die Straße nicht geräumt. Ich habe mal geforscht, was wir als Anwohner so einer Straße überhaupt räumen müssen, habe ein paar widersprüchliche Angaben gefunden und räume seitdem exakt so viel wie unser Vorzeigenachbar - der ist Stadtrat und macht deshalb vorsichtshalber nie etwas falsch, zumindest nichts, was man ihm vorwerfen könnte, der wird das also bestimmt richtig wissen. Der schüppt einen kleinen Streifen direkt vor seinem Vorgarten frei und den Zuweg bis zur Haustür, also gehe ich davon aus, dass ich das auch so machen muss.
Heute morgen habe ich dann mit Amüsement festgestellt, dass wohl alle anderen Nachbarn sich inzwischen auch nach unserem Vorzeigenachbarn richten, beim letzten Schnee hat nämlich noch kaum jemand den Streifen vor dem Vorgarten freigeschüppt, heute morgen war der aber bei allen Nachbarn sauber geräumt. Als ich um 8.30h die Schneeschippe schwang, war ich sowieso der letzte in der Reihenhausreihe, der dieser Bürgerpflicht nachkam.

Schneeschippen am Morgen ist für meine Laune ja enorm förderlich - nicht. Aber immerhin war ich gründlich wach, so dass ich die besten Voraussetzungen mitbrachte, um als ersten Termin heute Vormittag in die Schlussbesprechung der Betriebsprüfung einzusteigen. Wach und grimmig hat sich gelohnt, ich glaube, mein Jahresgehalt habe ich heute schon durch das Verhandlungsergebnis verdient.

Im Büro habe ich mich anschließend mit meinen normalen Tätigkeiten beschäftigt, das heißt, ich habe mit verschiedenen Mitarbeitern ihre Arbeitsergebnisse besprochen, was teils erfreuliche teils weniger erfreuliche Erkenntnisse brachte, aber die Erwartungshaltung, dass mir überwiegend fehlerfreie Ergebnisse nur kurz zum Abzeichnen vorgelegt werden, die habe ich schon vor langer Zeit beerdigt.

Über einen Kollegen aus dem Mutterhaus habe ich mich geärgert, weil ich mich über E-Mails, in denen steht "würden Sie dann bitte dies und jenes erledigen" immer ärgere, wenn der E-Mail Schreiber nicht nur absolut keine Kompetenz hat, solche Dinge überhaupt zu verlangen, geschweige denn anzuweisen und schon gar nicht mich anzuweisen.

Es ist wahrscheinlich wirklich nicht so gemeint, aber ich reagiere ausgesprochen empfindliche darauf, wenn innerhalb einer Arbeitsgruppe, in der ich die einzige Frau bin, jemand wie selbstverständlich erwartet, dass ich dann die Sekretärinnenarbeit übernehme, Arbeitszuweisung nach dem Motto "einer muss es ja machen und du kannst das doch so gut".

Überhaupt reagiere ich jedesmal sehr zickig, wenn mir jemand irgendwelche typischen Frauenarbeiten als Selbstverständlichkeit zusortiert, weil ich mich darüber ärgere, dass es immer noch (so viele) Menschen gibt, die gar nicht merken, welche Bilder sie in ihrem eigenen Kopf nicht nur haben, sondern immer weiter fröhlich bedienen.

Neulich zB war ich erst relativ spät abends aus dem Büro nach Hause gekommen und hatte viel Hunger, weshalb ich mich sofort in die Küche begab und begann, das Chaos dort aufzuräumen, weil ich nur in einer einigermaßen aufgeräumten Küche überhaupt etwas zu essen herstellen kann. Während ich also grade eine Pfanne abwusch, rief meine Mutter an, die irgendeine Sache nur kurz besprechen wollte. Ich sagte ihr, dass ich für nur kurz grade noch Zeit hätte, ansonsten aber unbedingt in die Küche zurückgehen wolle, weil ich halt eben erst aus dem Büro gekommen sei und nun dringend noch etwas zu essen machen wollte, da ich Hunger bis unter die Arme habe.
Wir klärten ihr Anliegen kurz und dann verabschiedete sie sich mit: "Dann mach mal was zu essen, dann muss auch Krischan nicht mehr so lange warten."
Über diesen letzten Halbsatz habe ich mich tagelang geärgert. Tatsächlich habe ich nämlich gar nichts für K gekocht, der war satt und lag zufrieden auf dem Sofa, weil er während des Tages genug zu essen bekommen hatte, das passiert übrigens häufiger.
Ich habe mich darüber geärgert, weil es als absolut selbstverständlich angenommen wurde, dass ich, wenn ich etwas koche, dann den Mann auch gleich mitversorge. Dass ich einen Mann habe, der durchaus schon selber groß ist und sich deshalb auch durchaus selber versorgen kann, wird gar nicht überlegt - und erst recht kommt in der Vorstellung nicht vor, dass er, wenn er vor mir zu Hause ist und selber auch noch etwas essen möchte, sich doch wohl selbstverständlich auch alleine schon längst in die Küche begeben hätte, diese Variante wird gar nicht erst als Möglichkeit erwogen. Stattdessen wird die Information, dass ich erst spät nach Hause komme und sofort eilig in die Küche stürze, spontan um das Bild ergänzt, dass der arme Mann dann sicherlich ja auch schon seit langem hungrig auf dem Sofa wartet.

Okay, meine Mutter ist über achtzig und hat ihr Leben im Wesentlichen als Hausfrau verbracht - aber eigentlich kommt sie aus einem sehr intellektuellen Elternhaus, hat selber auch studiert und ist vor allem schon seit über fünfzig Jahren meine Mutter. Warum ist in all den Jahren nicht bei ihr angekommen, dass Frauen nicht dafür da sind, den Mann zu versorgen, und dass vor allem ICH so etwas ganz bestimmt nicht als meine Aufgabe betrachte, sondern den armen Mann auch ungerührt verhungern lassen würde, wenn ich grade keine Lust habe, etwas zu kochen?
Und vor allem, warum traut sie mir zu, dass ich einen Mann, der ernsthaft einen Unterschied zwischen mannkann und fraukann im Kleinhirn verankert hat, auch nur ansatzweise ernst nehmen würde? Dass es solche Männer in Mengen gibt, ist mir bekannt, meine eigene Familie ist reich damit gesegnet, aber ich bilde mir fest ein, dass ich diesen Männern überwiegend mit Spott, wenn nicht mit offensichtlicher Verachtung begegne - und meine eigene Mutter meint, dass ich mir dann selber so ein Exemplar auf meine (sic!) eigene Couch holen würde? Und nein, CW war auch kein Exemplar der alten Männerklasse, der hat nur so getan - und sich dann über sich selber totgelacht. Das mag für fremde Leute vielleicht missverständlich gewirkt haben, aber CW ist auch seit über 10 Jahren Geschichte.

Ich ärgere mich darüber, wenn achtlos oder sogar freundlich hingeworfene Halbsätze so offensichtlich deutlich machen, welches Bild der andere von mir in seinem Kopf hat und ich noch nie, in meinem gesamten Leben noch nie jemals freiwillig so sein wollte - es aber bis heute nicht ändern kann, dass mich andere Menschen so sehen.

Mein Vater, der sich regelmäßig so sehr darüber freut, dass ich mich um seine Angelegenheiten kümmere und so stolz darauf ist, dass er eine Tochter hat, die so tolle Sachen kann, mein Vater drückt seinen belobigenden Stolz dann aus mit dem Satz: "Du bist so toll, dich müsste man auf der Stelle heiraten." - Natürlich ist ihm gar nicht bewusst, was er eigentlich damit ausdrückt, nämlich dass sich der Mann eine Frau aussucht und nicht umgekehrt. Und ich stehe dann vor diesem Satz und denke mir: "Ja klar, geheiratet werden, das Schicksal der Frau wird im Passiv besiegelt." -
Nennt man Passiv nicht auch die Leideform? Mein eigener Vater überantwortet mich bedenkenlos dem Passiv.
Tolle Wurst
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Dienstag, 22. Januar 2019
Ich werde Kino wohl aus meiner Aktivitätenliste grundsätzlich streichen
Der Tag heute bestand bisher nur aus Büro, in dem die Inbox gewaltig angewachsen ist, weil ich über die Hälfte des Tages in einer Besprechung saß, die zwar wichtig war, die aber auch neue Arbeit nach sich zieht.
Immerhin wurde in einem anderen Termin, auf den ich schon lange gewartet habe, auch endlich ein Flaschenhals erledigt, der mich bisher an einigen Stellen immer wieder ausgebremst hatte, das war ein sehr gutes Gefühl.

Mehr gibt mein Tag nicht her, heute, ich habe aber noch mal über Kino im allgemeinen nachgedacht und dabei mal wieder festgestellt, dass ich ganz offensichtlich nicht mehrheitstauglich kompatibel bin - denn mir bleibt es auch nach längerem Nachdenken ein Rätsel, was Leute an so einem "Rudelgucken" schön finden.

K meinte, dass die Riesenleinwand und die Akustik im Kino doch etwas ganz anderes ist als so ein kleiner Fernsehbildschirm zuhause, im Kino könne man sich viel besser in einen Film reinfallen lassen. - Das mag so sein, aber, ähem, ich spüre das nicht.
Oder ich verweigere das Spüren aus reinem Selbstschutz, denn ich käme niemals nie auf den Gedanken, mich in einen Film reinfallen lassen zu wollen. Und schon gar nicht in einen mit depressiven Müttern, die sich umbringen, aber das ist ein anderes Thema.

Ich glaube, es liegt daran, dass ich einfach kein Augenmensch bin. Ich nehme über die Augen Informationen auf - aber keine Emotionen.
Wenn ich einen beeindruckenden Sonnenuntergang sehe, dann beeindruckt mich nicht die Stimmung oder der Anblick, sondern die Technik der Gesamtinszenierung. Die Technik, die die Natur zu bieten hat, die beeindruckt mich durchaus - aber eben nicht auf emotionaler Ebene, sondern eher wissenschaftlich/intellektuell.

Wo Bilder mich allerdings durchaus berühren, das sind negative Emotionen, also Angst, Schrecken, Grusel, Trauer. Diese Emotionen werden auch bei mir durch Bilder transportiert - da ich auf solche Emotionen aber sehr gut verzichten kann, mache ich sowieso die Augen zu, wenn solche Bilder auf mich zu kommen.

Wenn zB K irgendwelche riskanten Manöver fährt oder fliegt, mache ich grundsätzlich die Augen zu, dann rege ich mich nicht auf und alles ist gut. Das habe ich schon bei CW so gemacht, sonst wäre ich schon vor vielen Jahren bestimmt mehrfach an Herzinfarkt verstorben, und ich finde es insgesamt einen sehr pragmatischen Umgang mit solchen Situationen.

Ich finde fröhlich sein, Glück, Lachen, Zufriedenheit viel besser als Angst und Schrecken und werde deshalb auch nie verstehen, weshalb Leute freiwillig Horrorfilme oder Psychothriller gucken.

Weil ich aber auf schöne Bilder nicht passend positiv reagiere, auf unschöne Bilder aber doppelt negativ, kann ich nur verlieren, wenn ich mich in einen Film reinfallen lassen würde.
Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum ich an Filmegucken insgesamt nicht sonderlich interessiert bin.

Bücherlesen finde ich viel besser - da kann ich die spannenden Stellen einfach überschlagen, hinten nachlesen und mich vergewissern, dass alles gut ausgeht und dann zügig und ohne besonderes Interesse die spannenden Stellen soweit lesen, dass ich die Handlung verfolgen kann, weitere Details finde ich uninteressant und lese sehr gezielt darüber hinweg.

Für mich hat Kino deshalb keinerlei Pluspunkte, aber reichlich Minuspunkte im Vergleich zu einer DVD, die ich ohne all dieses Kinobrimborium wesentlich entspannter zu Hause gucken kann.
Ich spare mir nicht nur die unbequeme Anreise, ich spare mir auch das Bad in der Menschenmenge, die Kommentare der Umsitzenden, das Gedränge und Geschubse beim Rein- und Rausgehen, die Zwangsbeschallung mit Werbung, den engen, unbequemen Sitz und überhaupt eben all die Lästigkeiten, die mit einem Aufenthalt außer Haus und unter Menschen verbunden sind.

Aber zum Glück scheint es ja immer noch Massen von Menschen zu geben, die das anders sehen, und das ist auch gut so, die dürfen gerne alle weiter ins Kino gehen, ich stelle einfach nur für mich selber fest, dass ich andere Freizeitaktivitäten spannender finde als Kino
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