anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Montag, 3. August 2020
Ein bisschen Müssen ist nicht schlecht
Heute ist Montag und wie sagt ein Freund gerne zu Montagen: Achtung, diese Tage können Spuren von Müssen enthalten.

Ist schon lustig, wie sich sowas auswirkt.
Ich habe grade nicht nur Urlaub, sondern bin wegen kaputtem Bein auch noch krankgeschrieben, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, nach dem verbummelten Wochenende sei heute mal wieder Schreibtisch sehr löblich und so führten die Spuren von Müssen heute dazu, dass ich doch wirklich fast meine eigene Steuererklärung fertiggestellt habe.
Ich bin zutiefst erstaunt, von dem Energieschub, der mich da heute erfasst hat, und das obwohl ich grade erst frisch eine wunderbare Fristverlängerung für meine Steuererklärung ausgehandelt hatte. Denn selbstverständlich kann man mit gebrochenem Fuß seine Steuern nicht pünktlich erklären, so legte ich dem Finanzamt schlüssig dar, aber dann ging es heute plötzlich doch und jetzt weiß ich auch nicht.

Nun, dann schauen wir mal, wie sich das alles entwickelt, insgesamt bin ich mit dem heutigen Montag aber schon mal recht zufrieden

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Montag, 3. August 2020
Fotos und Erinnerungen
CW erzählte gerne die Geschichte von seinem Onkel Ewald, der mit seiner Frau Marie eine Rundreise durch Italien gebucht hatte und am letzten Tag wurde ihnen der Fotoapparat geklaut, mitsamt Kameratasche, in der auch die vollgeknipsten Filme der Reise steckten.
"Und jetzt haben wir kein einziges Foto, von der ganzen Reise nichts gehabt."
 
Als ich neulich auf der Bank saß und aufs Meer guckte, konnte ich einem Menschen zuhören, der ausführlich über den irren Fotowahn der Leute schimpfte. Die Leute würden alles nur noch fotografieren, immerzu und ständig und dabei gar nicht mehr das genießen, was sie grade sehen, weil nur noch die Fotos wichtig sind, nicht mehr das reale Erleben.
Herr Buddenbohm verlinkte dazu neulich einen Rant in der TAZ, es scheint also grade mal wieder schick zu sein, über den neumodischen Kram zu schimpfen, der die Menschen oberflächlich und genussresistent werden lässt.
 
Ich musste dabei an den neumodischen Onkel Ewald denken, dem das schon vor fünfzig Jahren so ging. Die gesamte Reise war nutzlos geworden, weil er sie anschließend nicht in einem Diaabend präsentieren konnte.
 
Mir geht das häufiger so, dass ich das Schimpfen der Menschen über die digitalen Entwicklungen, insbesondere Smartphones, die für einige Menschen ja nach wie vor echtes Teufelszeug und Verderbnis bringendes Unheil symbolisieren, richtig niedlich finde, weil ihr Geschimpfe fast wortgleich dem Gerantere der Menschen in meiner Jugend entspricht, die mir eine düstere Zukunft prognostizierten, weil ich immer und ständig ein Buch vor der Nase hatte und deshalb viel zu wenig Lust zeigte, draußen mit anderen Kindern zu spielen, mich einfach nur mal nett zu unterhalten, in der Schule vernünftig aufzupassen oder abends im Bett pünktlich einzuschlafen.

Ich glaube, es gibt viele Menschen, die der festen Überzeugung sind, dass nur Menschen, die permanent aktiv und offen zugewandt mit anderen Menschen kommunizieren und sich körperlich betätigen und sich niemals eigenbrötlerisch zurückziehen, um sich mit ihren einsamen Solointeressen zu beschäftigen, dass nur solche Menschen das Glück im Leben finden und das auch nur hier das echte Glück überhaupt zu finden ist.

Wer sich nur mit der virtuellen Welt beschäftigt (früher waren das Bücher, heute sind das Smartphones) der lebt halt nicht richtig und ist mit hoher Sicherheit dem Untergang geweiht.

Ich sehe das naturgemäß etwas anders, erstens, weil ich immer noch nicht an meiner Eigenbrötlerei eingegangen bin und zweitens weil ich exakt der gegenteiligen Meinung bin.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die wahren Abenteuer im Kopf stattfinden,



und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo.

Ich finde es deshalb auch ganz herrlich, dass es heute so ungemein einfach ist, jederzeit und in jeder Situation mal eben ein Foto machen zu können, um sich eine Gedankenstütze mitnehmen zu können. Für mich ist der digitale Fotoapparat im Handy das wichtigste Teil an dem ganzen Gerät und ich nutze ihn viel und gerne.
Nicht um andere zu beeindrucken, sondern in allererster Linie für mich selber. Und ein bisschen für die Menschen um mich herum, mit denen ich dann einzelne Erinnerungen teile.
Die Fotos meiner Vergangenheit sind wie Energiexplosionen beim Erinnerungssurfen.

Ich habe heute meine Fotos sortiert, wunderbare Arbeit, wenn man eh ans Haus gefesselt ist - und es hat einen Höllenspaß gemacht. Wie viele schon leicht ins Halbdunkle abgetauchte Erinnerungen ich wieder hervorgeholt habe, einfach toll. Hätte ich all diese Momente nicht als Foto festgehalten, wären die Bilder in meinem Kopf nach und nach verstaubt und ich wäre ständig unterwegs auf der Suche nach neuem Input. Wie entsetzlich anstrengend. Und wie ermüdend.
So reicht mir ein Foto und der gesamte Tag ist wieder auferstanden.
Oder auch eine ganze Geschichte.

Unter anderem habe ich die Fotos von unserem Ausflug nach Marokko noch mal durchgesehen und sofort stand die gesamte Reise wieder wie grade frisch erlebt ganz aktuell und neu in meinem Kopf parat.

Wir sind 2009 mal für eine Woche nach Marokko geflogen, vier Maschinen aus dem Fliegerclub waren gemeinsam unterwegs. Wir waren zu viert in einer Maschine, C und J waren dabei, und K musste die gesamte Tour alleine fliegen und funken, ich hatte damals noch keine Funkerlizenz.
Wie abenteuerlich das wirklich war und vor allem welche Fliegerleistung K damals abgeliefert hat, kann ich eigentlich erst heute richtig beurteilen, heute habe ich 11 Jahre mehr Flieger- und Funkererfahrung und bin sehr froh, dass ich das Abenteuer jetzt wirklich nur noch im Kopf erleben muss. Aber es war toll.



Oben links sieht man eine marokkanische Fliegerkarte. Wenn man weiß, wie normalerweise Fliegerkarten aussehen, zuckt man schon leicht zusammen, wenn man jetzt noch weiß, dass man diese Karte weder vor noch während der Reise kaufen konnte, sondern wir haben sie im Tower in Al Houceima an der Wand hängen sehen und dann abfotografiert, was verboten war, aber die einzige Chance, um überhaupt an eine Fliegerkarte mit den dort abgedruckten wichtigen Infos für Meldepunkte und Funkfrequenzen zu kommen, wenn man das also mal gleich als Ausgangsinfo für den gesamten Charakter der Reise nimmt, dann kann man sich in etwas vorstellen, wie fröhlich und unbekümmert frei improvisierend wir da alle durch die Gegend geflogen sind.
Aber es war lustig.



Für den Hinflug haben wir zwei Tage gebraucht, am ersten Tag über die Alpen bis Empuriabrava im Norden von Spanien. Dort haben wir übernachtet und stellten am nächsten Tag fest, dass K leider, leider den Hauptschalter unserer Maschine angelassen hatte, was bedeutete: Batterie leer. Empuriabrava ist jetzt kein Großflughafen mit Werft, also konnten wir die Batterie dort nicht laden. Flugzeuge kann man zwar nicht anschieben wie Autos, aber man kann den Propeller anreißen (ist allerdings ungleich gefährlicher, weil, wenn der Propeller anspringt, sollte man unbedingt den Arm vorher weggezogen haben).
Das Anreißen gelang aber ohne Verletzung, wir flogen anschließend weiter bis Almería, konnten dort noch mal tanken, die Batterie aufladen und den Kindern eine Gelegenheit geben, beim Warten auf das Aufladen ausführlich auf dem Flugfeld rumzutollen. Am Abend kamen wir dann recht spät in Al Houceima in Marokko an. Geplant war das anders, aber es stellte sich heraus, dass wir zwingend über Al Houceima einreisen müssen, weil das damals seit neuestem der vorgeschriebene port of entry für EU-Ausländer war (ist?).

Zwar ist Englisch offiziell die internationale Fliegersprache - aber nur in der Luft. Am Boden sprach das in Marokko natürlich niemand. Zum Glück sprechen in Marokko aber alle recht brauchbar Französisch, ich habe uns da also fröhlich radebrechend durchgedolmetscht* und durch Zufall für den Leiter unserer Truppe den perfekten Job angegeben. Da ich nicht wusste, was "Beamter" auf Französisch heißt, habe ich einfach gesagt, er wäre "ministre d'État" - was sofort die gesamte Truppe der marokkanischen Grenzpolizei strammstehen und salutieren ließ.
*Ich spreche recht fließendes "Gassenfranzösisch", was ich eben wirklich nur vor Ort auf der Straße bzw. durch einen Schüleraustausch von einer gleichaltrigen Französin gelernt habe, mit so Feinheiten wie Grammatik oder gewählten Schulfranzösisch-Ausdrücken habe ich mich dafür nie aufgehalten.

Nach dem sich in Al Houceima also blitzartig flüsternd die Kunde von dem hohen Besuch aus Deutschland, der "très privé" jetzt dringend für sich und seine Entourage ein Hotelzimmer brauchte, verbreitet hatte, klappte das alles vorzüglich.
Wir landeten in einem Hotel, das offiziell noch gar nicht eröffnete hatte, waren also die einzigen Gäste, was uns natürlich vor allem wegen der "securité" sehr gut gefiel und wurden fürstlich bewirtet. Das war witzig.

Der Weiterflug nach Fès am nächsten Tag wurde nicht gestattet, weil der König grade in Fès war und dann ist der gesamte Luftraum komplett für alle Maschinen gesperrt.
Also flogen wir nach Meknes, mittlerweile kam es ja auch nicht mehr drauf an.



Dort wohnten wir in einem wunderschönen Hotel mitten in der Altstadt, liefen durch den Souk und wenn ich die Bilder sehe, sind auch sofort alle Gerüche wieder da.

Was mir aber am eindruckvollsten in Erinnerung geblieben ist, war das Essen.



Als wir am dritten Tag Marokko ein McDov-Geschäft entdeckten, waren die Kinder und K sofort total begeistert und stellten fest, dass es trotz der seltsam arabisch angehauchten Burgerauswahl dort das beste Essen ganz Marokkos gegeben hätte. So ganz konnten sie sich nämlich mit der typischen Landesküche nicht anfreunden.
Bis auf den Obstsalat, der war wirklich überall ganz hervorragend und so lebten die Kinder im Wesentlichen von Obstsalat und McDov in Marokko, es ist ihnen bekommen.

Der Leiter unserer Truppe (Dietmar) hatte irgendwann mitbekommen, dass die Kinder überall immer einen ganz wunderbaren Obstsalat bekamen und als am letzten Tag in Marokko nur die Erwachsenen abends in ein empfohlenes Restaurant zum Essen ausgingen, bestellte sich Dietmar auch Obstsalat - und hoffte natürlich auf so ein toll zusammengeschnipseltes Obstcomposé, wie er es bei den Kindern immer gesehen hatte.
Nun, was er bekam sieht man auf dem oberen Bild, ich bin vor Lachen fast unter den Tisch gefallen, aber sehr offensichtlich war dieses Restaurant nicht auf Obstsalat für Kinder eingestellt.

Als wir live und aktiv vor Ort auf dieser Reise unterwegs waren, fühlte es sich eigentlich immer nur wie ein sehr improvisierter Ausflug mit witzigen Einzelherausforderungen an, das echte Abenteuergefühl entsteht erst im Nachhinein, im Kopf, wenn man die Bilder sieht und die Reise noch mal nacherlebt. Es gab wahrlich viele schräge Momente. Eine Pilotin bekam unterwegs einen hysterischen Nervenzusammenbruch und weigerte sich, in der kleinen Maschine weiterzufliegen, sie bestand auf Lufthansa, was bedeutete, dass wir sie erst mal zu einem Flughafen transportieren mussten, wo Lufthansa überhaupt abflog.
Überhaupt die gesamte Luftnavigation quer durch/über Marokko war komplett abenteuerlich. Wir sind noch bis Essaouira am Atlantik geflogen und von dort quer übers Land und über den Atlas wieder nach Al Houceima und von dort zurück nach Europa.
Und das alles nur mit einer abfotografierten Karte. Das darf man eigentlich gar nicht erzählen, deshalb liebe Kinder: Auf keinen Fall nachmachen
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Sonntag, 2. August 2020
Heute mal Pause
Hier gibt’s grade nix Neues
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Samstag, 1. August 2020
Nix Neues
Langweiliger Tag heute, es ist nichts Berichtenswertes passiert. Das Bein ist unverändert eingegipst, ich habe von der Krückenrumhampelei mittlerweile Muskelkater an allen Stellen des Körpers außer im rechten Bein, Muskelkater ist etwas sehr Lästiges und macht schlechte Laune, das ist aber auch wirklich alles, was ich heute bemerkt habe.
Um mir irgendwelche tiefschürfenden Gedanken zu philosophischen Grundsatzthemen wie Respekt, Altwerden oder Reichtum zu machen (alles Themen, die ich grundsätzlich sehr faszinierend finde und deshalb häufig darauf rumdenke), für das Nachdenken über solche Themen reichte aber meine Grundentspannung nicht. Diese Muskelkaterthematik finde ich schon sehr dämlich und überhaupt habe ich noch nicht meinen endgültigen Frieden mit der aktuellen Situation geschlossen. Es ist wie es ist, schon klar, aber noch finde ich es blöd.
Aber wird schon
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Freitag, 31. Juli 2020
Immerhin konnte ich schlafen
Wirklich dankbar bin ich für eine sehr seltsame Marotte meines Körpers: Wenn Dinge (zu) schmerzhaft werden, fährt er die Körperfunktionen kurzerhand auf Winterschlaf herunter, was zwar einerseits bedeutet, dass meine Außenwelt mich dann als sehr seltsam wahrnimmt, was aber andererseits auch bedeutet, dass ich wenigstens kein Problem mit Schlafen habe.
Kurz gesagt funktioniert das bei mir so: Je Schmerz, desto Schlaf. Und ich bin sehr zufrieden damit.

Das erste Mal mit Bewusstsein bemerkt wurde diese ungewöhnliche Körperreaktion bei der Geburt des ersten Kindes. Ich wurde morgens gegen 4h mit einem seltsamen Ziehen im Bauch wach. Beim ersten Kind und wenn es auch noch mehr als zwei Wochen vor dem Termin laut Kalender ist, reagiert man als Frau noch nicht besonders alarmiert, mir war aber immerhin komisch genug als dass mir nach einem ausgiebigen heißen Bad in der Wanne war. Das ließ ich mir einlaufen, legte mich in das ziemlich heiße Wasser und stellte nach 15 Minuten fest, es wird nicht besser, sondern schlimmer. Es wurde so schlimm, dass ich fand, das ist nicht mehr zu ertragen, also kletterte ich aus der Wanne (in der im übrigen die Fruchtblase geplatzt war, was man aber in der Wanne nun mal so gar nicht bemerkt), trocknete mich grob ab und kroch wieder in mein Wasserbett, wo mich mein Körper umgehend in den Winterschlaf versetzte. Ich habe nur so eine zerfetzte Erinnerung an Wehen, aber nach allem, was ich weiß, muss das schon bannig weh tun.
Ich lag also wieder im Bett und hätte mich dort auch nicht mehr rausbewegt, wenn der Kindsvater nicht durch mein Gehampel aufgemacht wäre und plötzlich Panik schob. Er sah, dass unter mir alles nass war (die Fruchtblase lief fröhlich weiter aus) und meinte, wir müssten jetzt sofort und umgehend ins Krankenhaus.
Ich antwortete nicht, bei mir hatte sich der Körper für "Augen zu" entschieden und Reden war mir auch nicht mehr möglich, obwohl ich gleichzeitig wach genug war, um mitzubekommen, was um mich herum passierte, aber mein Hirn sagte mir, dass ich wahrscheinlich sowieso sterben werde, weil, solche Schmerzen kann man nicht überleben, also lohnt es sich jetzt auch nicht mehr, noch mit anderen zu kommunizieren oder nett zu sein.
Dem Kindsvater (also CW) gelang es dann aber doch, mich soweit in Gang zu setzen, dass ich mich immerhin irgendwie anzog und dann auf dem Po die Treppe runterrutschte, weil, aufrecht gehen war mir nicht mehr möglich.
Ein Taxi (der Klassiker: natürlich sprang CWs Auto grade jetzt nicht an) brachte uns Sonntags morgens um 5h ins nächste Krankenhaus, ich saß hinten und hatte mich in mir selber zusammengerollt. Vorm Krankenhaus angekommen zog mich CW irgendwie aus dem Auto, der Taxifahrer erkundigte sich noch mitfühlend: "Ist es sehr schlimm? Der Blinddarm?" weil ich wohl absolut nicht den Eindruck einer gebärenden Frau machte, vor allem auch, weil ich komplett stumm war.
Im Krankenhaus angekommen konnte CW all die notwendigen Fragen nicht beantworten wie "welche Krankenkasse" und "wo ist der Mutterpass" und "sind Allergien bekannt?" weil ich die Geburtsvorbereitungskurse alleine absolviert hatte, schließlich sollte ich ja das Kind bekommen und nicht der Vater. Witzigerweise war das schon vor 30 Jahren nicht mehr üblich, ich wurde deshalb bei diesen Kursen mehrfach mitfühlend gefragt, ob ich alleingebärend sei, was ich jedesmal mit: "Ja selbstverständlich. Kann man das delegieren?" beantwortete, was mir aber wohl eher keine Freunde einbrachte.

Wie auch immer, CW hatte von all dem Gedöns um die Kinderkriegerei herum keine Ahnung, wir lebten da das Modell der Arbeitsteilung, aber er war jetzt dafür zuständig, mich zu meinem letzten großen Einsatz abzuliefern - und ich ließ ihn kläglich im Stich. Statt mich wie eine ordentlich Gebärende mit Geschrei und Gestöhne und was weiß ich zu benehmen, wollte ich mich jedesmal, wenn er mich nicht aktiv aufrecht hielt, auf dem Fußboden zusammenrollen, um in meinem Winterschlaf weiterzudämmern.
Immerhin gelang es ihm, mich in einen Kreißsaal zu lotsen, dort wurde ich an eine Wehenmaschine angeschlossen, die wohl sehr hoch ausschlug, die werdende Mutter dagegen rührte sich nicht und zischte nur böse, wenn man sie anfassen wollte. Immerhin konnte CW die Frage, welche Drogen ich denn genommen habe, mit einem ausdrücklichen "Keine" beantworten, was ihm aber keiner glaubte, weil dazu benahm ich mich viel zu zugekifft.
Long story short: Um 4h war ich in die Badewanne gegangen, N ist ca. zwei Stunden später geboren, für eine Erstgebärende recht ordentlich und der zuständige Oberarzt der Station erklärte mir später, das hätte sicherlich auch daran gelegen, dass ich den Wehen vom ersten Moment an keinerlei Widerstand entgegengesetzt hätte - was ich logisch fand, denn wenn man der festen Überzeugung ist, dass man jetzt absolut sicher sowieso verstirbt, dann ist es besser, es geht schnell und man wehrt sich nicht.
In dem Moment als das Kind dann komplett aus mir rausgeflutscht war, gingen bei mir übrigens die Augen wieder auf und ich war voll da. Winterschlaf vorbei.

So ging das auch bei den folgenden Geburten und so geht es mir jedesmal, wenn der Körper meint, dass es überflüssig ist, zu große Schmerzen live zu erleben - dann schaltet er auf Notbetrieb.

Der Fuß tat heute Nacht also schon arg weh - weshalb ich einfach erst mal 10 Stunden schlief.
Um 10h rief der Arzt aus dem MVZ an und teilte mir mit, dass es sein könnte, dass da doch noch mehr kaputt ist, sie hätten leider den Mittelfuss nicht geröngt, weil die Schwellung ja zunächst nur über dem Sprunggelenk war, aber ob ich noch mal vorbeikommen möge, sie würden gerne den Rest des Fußes auch noch röntgen.
Ergebnis: Ja, hier ist ein sehr offensichtlicher Bruch im 5. Mfk, aktuell nicht disloziert, also erst mal Gipsen und gucken, wie es sich bis nächste Woche entwickelt, dann gibt es das große Kontrollröntgen. Wenn sich die Bruchspalte vergrößert, dann blöd, dann OP, sonst einfach nur Gips für länger und dann mal schauen.

Jetzt habe ich hier also einen wunderhübschen, blauweiß gestreiften, original maritimen Unterschenkelgibs, mit dem der gesamte Fuß aber auch sofort deutlich weniger weh tut, dementsprechend habe ich heute auch nicht mehr geschlafen.

Ich bin mal gespannt, wie die Nacht wird
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Donnerstag, 30. Juli 2020
PECH
Eigentlich hätte ich jetzt wirklich ausreichend Zeit zum Bloggen, denn außer mehr oder minder unbeweglich an einer Stelle zu sitzen oder zu liegen, kann ich grad eh kaum was anderes machen, uneigentlich bin ich aber jetzt grade und heute noch zu jammerig für längere Texte.

Ich bin nämlich heute vom Spaten gefallen.
K hat einen neuen Spaten bestellt, mit dem das Gartenumgraben viel besser gehen soll und ich wollte ihn gleich mal ausprobieren. Er ließ sich aber einfach nicht in den Rasen stechen, um eine Grassode abzustechen, also bin ich mit Schwung auf den Spaten gesprungen, ich dachte, was mit Gewalt nicht geht, geht vielleicht mit viel Gewalt.
Naja, ging auch nicht mit viel Gewalt, stattdessen bin ich vom Spaten abgerutscht und habe mir dabei den rechten Fuß so gewaltig umgeknickt, dass es ganz fiese Geräusche machte.

Endergebnis: Außenbandruptur, ob auch gleich ein Stück vom Knochen mit abgerissen ist, werden wir nächste Woche sehen, bis dahin gilt PECH: Pause-Eis-Compression-Hochlegen.

Das befolge ich übrigens freiwillig, weil, es tut schon eklig weh.
Auftreten ist aktuell zu 100% unmöglich, auch die kleinste Belastung schmerzt schon so unerträglich, dass selbst ein "nur ein bisschen abstützen" komplett ausscheidet.

Also habe ich mich jetzt ins Bett gelegt und erinnere mich an die alten Wehenübungen, Schmerzwegatmen, konnte ich mal ziemlich gut
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Mittwoch, 29. Juli 2020
Vergangenheit
Ein kleiner Blick in den Wikipedia Artikel des jeweiligen Tages reicht, für mich zumindest, regelmäßig aus, um viel Zeit totzuschlagen.

Heute vor 106 Jahren began der 1. Weltkrieg. Vor 69 Jahren wurde die Genfer Konvention verabschiedet.
Vor 199 wurde Peru unabhängig. Und so weiter und so weiter.

Über die Geschichte nachdenken fühlt sich immer wieder so surreal an. Man vertraut üblicherweise den Fakten, man weiß auch eigentlich, dass das wirklich passiert war, dass da Leute hinterstanden und betroffen waren, dass die gleiche Logik und Naturgesetzmässigkeit geherrscht hat, die man auch heute kennt.

Aber trotzdem fehlt da etwas. Ich glaube, wie so viele Dinge, ist der menschliche Geist nicht intuitiv darauf ausgelegt, die (fremde) Vergangenheit so zu bewerten, wie das eigene Gedächtnis. Die Emotion fehlt, das Irrationale.
Genau wie man mit der Zahl „eine Milliarde“ praktisch umgehen kann, auch wenn man sie nicht versteht, so kann man aus der Geschichte lernen, auch wenn sie als so entfernt und abstrakt wirkt.

Vor 16 Jahren ist der Entdecker der DNA verstorben. Vor 66 Jahren wurde Hugo Chávez geboren. Vor 77 Jahren starben über 40000 Hamburger in einem Feuersturm.
Und so weiter und so weiter

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