Allerdings kann genau die Höhe auch wieder zu Problemen führen, die entsprechend individuell gelöst werden müssen.
Leider finde ich den Screenshot nicht mehr, den ich aber vielleicht auch vor lauter Gekicher über die Anzeige überhaupt vergessen habe zu machen, doch in der Flohmarkt-Facebookgruppe von Borkum hat neulich jemand sein "Bockspringbett, erst drei Monate alt, ist mir zu hoch" wieder zum Verkauf angeboten - ich fürchte, der hatte sich von dem Bett etwas anderes erwartet als es leisten konnte und war jetzt enttäuscht.
Einen sehr pragmatischen Umgang mit der Sitzhöhe eines SUVs hat dafür der Fahrer eines Mercedes GLA gefunden, den ich neulich dabei beobachten durfte, wie er eine ältere, recht kleine Dame (ich tippe, seine Mutter) vor einer Arztpraxis absetzte: die alte Dame öffnete die Beifahrertür und drehte sich um 90° nach rechts auf dem Beifahrersitz, so dass ihre Beine locker vom Sitz, aber halt auch deutlich weit oberhalb der Straße runterbaumelten, während ihr Sohn um das Auto herumlief, die hintere Beifahrertür öffnete und einen kleinen Plastikhocker (so einen, wie die Kinder früher unterm Waschbecken hatten) rausholte, den er seiner Mutter als Ausstiegshilfe hinstellte. So kam die kleine Frau gut aus dem Riesenauto, trippelte dann direkt weiter bis zur Arztpraxis, während ihr Sohn den Hocker wieder im Auto verstaute und wegfuhr.
Überhaupt SUV-Fahrer. Über SUV-Fahrerinnen wurde ja schon ausreichend gelästert, die Helikopter-Moms, die ihre Brut damit bis vor die Schultür fahren, die typisch weiblichen Autofahrer, die sich in einem SUV viel sicherer fühlen als in ihrem ehemaligen Kleinwagen, sozusagen hygge im SUV, das sind Standardschubladen, die schon in Mengen beschrieben wurden. Wozu bisher allerdings wenig gesagt wurde, zumindest in meiner Filterblase, ist der männliche SUV Fahrer.
Hier ist eine recht aktuelle Statistik nach Berufsgruppen der SUV Fahrer und tatsächlich bestätigt sie genau das, was ich rein gefühlt auch vermutet habe: Der typische SUV-Fahrer ist Beamter oder war Beamter. Pensionäre sind in der Statistik besonders weit oben, weil die Wagen grundsätzlich ja vor allem die gehobene Altersklasse der Autofahrer ansprechen. Der neue Audi 80 ist also ein SUV. Mit allen Konsequenzen. Nur der Wackeldackel samt selbstgehäkelter Klopapierrolle ist aus der Mode.
Mich wundert es ein wenig, dass ich da noch nicht mehr drüber gelesen habe, denn Spießer-Bashing ist doch eigentlich immer eine Glosse wert, aber nun ja, kommt vielleicht noch. Ich habe mit dieser Statistik aber endlich eine belastbare Begründung, warum für mich (bzw. mit meiner Akzeptanz) ein SUV ein absolutes NoGo als Auto geworden ist. Mein Westfalenmann hatte ja auch eine Zeitlang damit geliebäugelt und vor vier-fünf Jahren war ich für diese Idee wenigstens noch aufgeschlossen, während ich mich heute nur gruselnd abwende, wenn er mich fragt, wie ich dieses oder jenes Modell aus der SUV-Kategorie finde. Ein Auto mit der Ausstrahlung eines pensionierten Beamten, nein danke, das wäre mir so peinlich, dass ich dann ernsthaft über Transportalternativen nachdenken würde.
Wir haben dafür neulich den neuen Jaguar iPace Probe gefahren. Der ADAC hat den auch schon getestet, ich war dementsprechend gespannt.
Grundsätzlich gefällt mir ja nicht nur das Image von Jaguar als Automarke, sondern mir gefallen auch die meisten Jaguarmodelle (wenn man mal von den SUVs absieht, die ich für Jaguar besonders peinlich finde.). Es gibt ein paar Marken, die sind mir einfach als Marke unsympathisch (Ich mag zB keine Skodas) und es gibt ein paar Autohersteller, da gefällt mir kein einziges der Autos, die sie produzieren, bei Peugeot zB finde ich wirklich fast jedes Modell auffällig hässlich. Bei Jaguar reagiere ich dagegen in den meisten Fällen positiv und mit den Vorschusslorbeeren, die der neue iPace schon bekommen hatte, war ich sehr erfreut, dass wir den Wagen einen ganzen Tag lang testen konnten.
Wir haben uns einen Tag ausgesucht, wo wir wenig Termine hatten und beschlossen, dass wir einfach einen Ausflug ins Sauerland machen - ich wollte ja schon lange mal wieder zu Sockenfalke, mir hat der letzte Besuch dort sehr gefallen.
K hat sich schon verschiedene Elektroautos für eine Probefahrt ausgeliehen, wirklich überzeugt hat uns bisher keines, Hauptmangel ist grundsätzlich die geringe Reichweite und die lange Ladezeiten. Das einzige Elektroauto, das hier gute Werte hat, ist der Tesla, aber nun ja, der liegt eben tatsächlich außerhalb meiner Reichtumsgrenze. Aber selbst wenn ich etwas Sechsstelliges für ein Auto ausgeben würde (was ich insgesamt schon einfach nur abstrus finde, denn hallo??? - es ist nur ein Auto, ein Fortbewegungsmittel, um von A nach B zu kommen, und auch wenn Autofahren Spaß macht und ich es aus Hobby betreibe, so finde ich sechsstellige Beträge für ein Auto schlicht übertrieben), aber selbst wenn ich so viel Geld für ein Auto ausgeben würde, dann hätte ich wohl immer noch nicht den Mut, das ausgerechnet in einen Tesla zu stecken. Dafür bin ich zu sehr Team „late adopters", um mich auf etwas derart Neues in dieser finanziellen Größenordnung einzulassen. Bei Tesla ist ja nicht nur der Elektroantrieb das Neue, sondern das gesamte Auto ist neu. Tesla hat ungefähr so viel Erfahrung im Autobau wie Dr. Oetker - und sorry, aber dafür bin ich zu feige, um Geld in dieser Größenordnung in ein Projekt zu stecken, wo wirklich alle Bestandteile für alle Beteiligten komplett neu sind.
Ich denke, Leute, die sich einen Tesla gekauft haben, gehen mit Fehlinvestitionen im Zweifel so locker um, wie ich das neulich bei der noch ziemlichen neuen Spülmaschine auf Borkum getan habe. Da wollte ich auch unbedingt etwas ganz Neues und Innovatives haben, jetzt ist die Spülmaschine drei Jahre alt und zum Glück tatsächlich (endlich) kaputtgegangen, ich habe mich immerhin drei Jahre über sie geärgert, denn leider funktionierte sie nie so wie ich mir das erhofft hatte und außerdem war sie entsetzlich unpraktisch im täglichen Umgang. Ich sehne mich jetzt einfach nur nach einer ganz altmodischen, konventionellen 08/15 Spülmaschine, aber so etwas kann eben passieren, wenn man Neuheiten kauft. Ich finde es bei einer Spülmaschine, die zum Glück nur dreistellig kostet, schon ärgerlich, ich möchte nicht wissen, wie ich mich vor mir selber rechtfertigen sollte, wenn ich mir ein sechsstelliges Auto kaufte und käme damit dann auch nicht klar.
Deshalb ist ein Tesla für mich keine Alternative, aber ein „klassisches“ Auto, bei dem eben nur ein Elektromotor verbaut ist, das finde ich durchaus interessant und der neue Jaguar wird ja vor allem wegen seiner großen Reichweite beworben.
Als Zusammenfassung der Probefahrt kann ich auf alle Fälle feststellen, dass auch der iPace aktuell keine sinnvolle Alternative zu einem unserer "normalen" Autos ist, denn die Reichweite ist immer noch viel zu klein, "bis zu 400 km" schafft man nur, wenn man mit dem 400 PS Auto fährt als wäre ein Krankenfahrstuhl, da widerspricht sich also einiges gewaltig. Mir persönlich hat das Auto ansonsten vor allem optisch nicht gefallen, weil er so groß ist, dass er schon fast aussieht wie ein SUV. Der ElektroSUV ist dann für den pensionierten anthroposophischen Studienrat, möchte ich, glaube ich, auch nicht haben.
Aber der Reihe nach: wir haben den Jaguar in Münster abgeholt und sind als erstes bis nach Arnsberg gefahren, dort hatten wir einen Termin. Bei Abfahrt im Autohaus war der Wagen voll geladen und zeigte eine Reichweite von 463 km. Bei Ankunft in Arnsberg, also 100 km später, zeigte der Wagen nur noch 220 km Reichweite an und ich machte mir Sorgen. Denn ich wollte ja von Arnsberg noch nach Schmallenberg, dort ist das Outlet von Sockenfalke und darauf hatte ich mich gründlich gefreut. Von Arnsberg nach Schmallenberg sind es aber noch mal fast 50 km und von dort zurück nach Münster dann 150 km. Insgesamt war also ein Ausflug von 300 km geplant, nur leider hatte K. auf dem ersten Drittel der Reise schon mehr als die Hälfte der Kapazität verfahren. Es war abzusehen, dass wir ein Problem bekommen. Durch Zufall entdeckten wir aber eine Ladesäule in Arnsberg und da wir zwar nicht genug Strom, dafür aber ausreichend Zeit hatten, haben wir unseren Aufenthalt in Arnsberg einfach ausgedehnt und haben das Auto für anderthalb Stunden an die Ladesäule gehangen. Ich muss zugeben, nach anderthalb Stunden hatte ich genug von Arnsberg, ich habe selten eine so traurige Stadt erlebt. Dort ist wirklich gar nichts los, noch nicht mal ein hübsches Café oder Restaurant, wo man die Zeit gut hätte totschlagen können, haben wir gefunden. Zumindest nicht im fußläufigen Umkreis der Ladesäule und die stand mitten in der Innenstadt, soweit man bei Arnsberg überhaupt von Innenstadt sprechen kann. Aus lauter Langeweile und weil wir ja möglichst viel Strom zu tanken wollten, habe ich alle örtlichen Geschäfte angeguckt und dabei ein bisschen eingekauft, einen Spüllappen und einen BH, was man eben so im Sauerland einkauft.
Nach anderthalb Stunden Ladezeit, hatte das Auto 8 % mehr Ladung gesaugt und zeigte jetzt eine Reichweite von 280 km. Von jetzt an war stromsparendes Fahren angesagt, K schaltete auch die Klimaanlage aus, die brauchte ja auch Strom, K meinte, besser wir schwitzen jetzt als dass wir später schieben müssen. Bei rund 30° Außentemperatur haben wir das mit dem Schwitzen im Auto gut hinbekommen.
Wir sind auch tatsächlich ohne schieben zu müssen über Schmallenberg und Sockenfalke bis nach Münster zurückgekommen und hatten dort sogar immer noch eine Restreichweite von 40 km, in der Summe war die Fahrt aber einfach kein Vergnügen. Wenn man ein Auto fährt mit 400 PS, einer raketenartigen Beschleunigung, mit Allradantrieb, Klimaanlage (☹) und überhaupt allem sonstigen Shishi, dann möchte man das auch benutzen, nur leider hat das Auto dann nur noch 170 km Reichweite und muss erst wieder 8 Stunden an die Steckdose, bevor man weiterfahren kann.
K., dem die Hinfahrt viel Spaß gemacht hatte, war von der Rückfahrt so bedient, dass er reichlich schlechte Laune hatte, ich schätze, bis bei uns ein Stromer einzieht, wird es noch etwas dauern
.
1250 x anjeklickt (2 mal hat hier schon jemand geantwortet) ... ¿selber was sagen?
Am Vormittag bin ich über den Flohmarkt gelaufen und es war schon niedlich, wie intensiv die Menschen versucht haben, mich nicht anzustarren und dabei betont gleichgültig an meinem Gesicht vorbeigestarrt haben. Einige waren allerdings auch richtig mutig und haben mich offen angesprochen: „Was ist Ihnen denn passiert, hatten Sie einen Unfall?“ - Im Zweifel wollten die Leute ja nur nett sein und einen Aufhänger finden, um mich zu bemitleiden, aber irgendwie war mir nach Provokation, deshalb habe ich geantwortet: „Ja, natürlich einen Unfall, häusliche Gewalt würde ich ja auch nicht offen zugeben.“ Das betretene Schweigen, was folgte, fand ich lustig, löste es dann aber auf mit: „Nein, Scherz, ich bin beim Aufsteigen vom Fahrrad gefallen.“ Erleichtertes Lachen, aber damit war das Gespräch dann auch beendet.
Ich schätze, ich habe mal wieder eindrücklich bewiesen, dass ich für normalen Smalltalk nicht zu gebrauchen bin
.
819 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt) ... ¿selber was sagen?
Ich finde es außerdem aber auch immer wieder spannend zu beobachten und zu analysieren, wie unterschiedlich Geschwister sein können.
Ich habe es schon von jeher spannend gefunden, meine drei so komplett unterschiedlichen Kinder zu beobachten und mir zu überlegen, wo sie welches Verhalten, welche Einstellung und welche Ängste wohl herhaben, denn bei derart großen Unterschieden, wie sie diese drei Geschwister aufweisen, kann das nicht anerzogen sein, sondern war halt von Anfang an schon in den Genen des einzelnen Kindes angelegt.
Ich bin deshalb ja auch der Meinung, dass man mit Erziehung sowieso nur einen ganz kleinen Bruchteil am Charakter eines Menschen verändern kann, dieses ganze Tamtam, was die moderne Psychologie da heute um die frühe Prägung in der Kindheit faselt und wichtige Grundlagen schaffen, durch achtsame Geborgenheit und was weiß ich, wie das alles heißt, das hat sicherlich alles Folgen und Wirkungen später, ich bin aber ganz sicher, dass die Folgen und Wirkungen deutlich kleiner sind als das die moderne Kinderpsychologie es gerne hätte.
Es gibt sicherlich schöne und weniger schöne Kindheiten und ganz bestimmt gibt es große Unterschiede, was die Bildungsmöglichkeiten bzw. den Erwerb von Bildung angeht - hier kommt es ganz maßgeblich auf die Eltern an, und dass Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern es x-mal schwerer haben im Leben, das würde ich sofort mit unterschreiben, aber dass Kinder sich in ihrem späteren Leben deutlich unterschiedlich entwickeln je nachdem wie ausdauernd die Eltern auf jedes Gequäke aus dem Babyphone reagiert haben, das halte ich doch eher für eine Mär der Kinderpsychologen, die das aber natürlich zwingend verkünden müssen, denn sonst wären sie nicht so wichtig.
Ich komme ja noch aus der Generation, in der es gar kein Babyphone gab, so betrachtet, müsste also meine gesamte Alterskohorte verhaltensgestört sein, weil wir alle miteinander ganz bestimmt viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen haben.
Aber da wollte ich gar nicht hin, eigentlich war ich bei der faszinierenden Unterschiedlichkeit von Geschwister, die ihre Anlagen zwar aus demselben Genpool haben, aber rein mathematisch natürlich zu 100% unterschiedlich sein können.
Meine Schwester und ich sind so ein Pärchen mit sehr viel Unterschiedlichkeit.
Ich gehe relativ unbelastet von kontroversen Emotionen durch mein Leben. „Kopfgesteuert“ heißt das wohl. Natürlich habe ich meine emotionalen Aufreger und Reaktionen, aber in aller Regel bin ich in der Lage, die durch vernünftiges Nachdenken erst zu erkennen und dann auszuschalten, wenn sie rational betrachtet völlig bekloppt sind. Wenn ich sie nicht ausschalten kann, wird es mir aber gelingen, sie derart in mein Leben zu integrieren, dass sie einfach nur ein verrückter Spleen sind und dann nicht weiter stören. Tatsächlich habe ich sogar viele verrückte Spleens, ich habe mich aber gut mit ihnen arrangiert.
Meine Schwester dagegen ist der unbestritten sozial verträglichere Mensch, deutlich rücksichtsvoller und anderen Menschen gegenüber zugewandter, großzügiger und vor allem anspruchsloser als ich. Aber all das, was sie anderen Menschen mehr zuwendet, knappst sie sich von ihrem eigenen „Verwöhnbudget“ ab, und das wiederum führt dann dazu, dass sie sehr häufig Dinge tut, von denen sie rational weiß, dass sie ihr nicht guttun, die sie aus emotionalem Zwang heraus aber tun muss, per Saldo ist sie dann leider häufig der Verlierer.
Das, was ich vielleicht zu viel an Unbekümmertheit und fröhlichem Optimismus à la „keine Ahnung, wie das geht, aber ich krieg das bestimmt raus, ich probier einfach mal rum“ mitbringe, hat sie zu wenig.
Mein Zuviel führt vielleicht dazu, dass ich ab und zu mal auf die Nase falle, weil ich mich doch überschätzt habe und damit aufgekippt bin, im Großen und Ganzen gelingen aber die meisten Dinge, schon allein deshalb, weil ich ja keinen 100% Anspruch habe, sondern bei mehr als 50% schon „gewonnen“ schreie und dann wagt meist keiner zu widersprechen.
Meine Schwester dagegen möchte am liebsten alles zu 100% erledigen, was rein statistisch schon zum Scheitern verurteilt ist. Deshalb hat sie natürlich auch viel weniger Mut als ich, denn wenn man erst bei 100% zufrieden ist, braucht man viel Mut, um Dinge überhaupt anzufangen. Und außerdem weiß man bei vielen Dingen schon vorher, dass sie einem eben nie gelingen werden.
Per Saldo kommt damit eine deutlich schlechtere Erfolgsbilanz raus, die eben nicht an mangelndem Können, sondern nur an den eigenen, zu hohen Erwartungen gescheitert ist.
Und all diese Unterschiede waren von Anfang an da und das finde ich schon sehr faszinierend
.
534 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt) ... ¿selber was sagen?
Sicher, in dem Moment, wo ein Lebensabschnitt zu Ende geht und man sich schon rein wegen der anstehenden Ortsveränderung von den Weggefährten der letzten Jahre trennen muss, fühlt sich das für fast jeden sehr schwer und traurig an und fast alle guten Freunde nehmen sich vor, auf alle Fälle in Kontakt zu bleiben und regelmäßige Treffen zu organisieren.
Die Erfahrung zeigt allerdings, dass das nur den allerwenigsten gelingt und ich denke, das ist auch gut so.
Wahrscheinlich habe ich eine komplett andere Vorstellung und Erwartungshaltung bei der Frage, wie viele Freunde man braucht und ob alte Freunde bessere Freunde sind als Menschen, die man neu kennenlernt, als viele andere Leute, aber zum einen habe ich gar keine Kapazitäten, um mich um eine ständig wachsende Zahl von Freunden zu kümmern und zum anderen ist meine Sicht auf das Leben ausschließlich vorwärts gerichtet und ich finde Zukunft wichtiger als Vergangenheit.
Ich habe mein Leben bisher immer in "Lebensabschnitten" gelebt, wie ein Buch mit vielen Kapiteln. Wenn ein Kapitel ist zu Ende ist, folgt ein neues und in jedem Kapitel kommen neue Menschen vor und eben auch komplett geänderte Lebensumstände. Manche Menschen begleiten mich auch durch mehrere Kapitel, das klappt aber nur, wenn ihr Leben in dieser Zeit parallel zu meinem verläuft oder es wenigstens regelmäßige oder zumindest sporadische Themen gibt, die wir gemeinsam erleben.
Andere Menschen dagegen tauchen nach einigen Kapiteln, in denen sie nicht vorkamen, plötzlich wieder auf, sie sind dann sozusagen eine "bekannte Figur" und haben damit gegenüber allen fremden Menschen schon mal den großen Vorteil, dass man sich nicht als erstes umständlich kennenlernen muss, für einen fortgesetzten, regelmäßigen Kontakt muss es auf Dauer aber eine Ebene geben, auf der das gemeinsame Leben auch wieder parallel geführt wird, sonst verschwinden diese Menschen aus meinem Leben genauso schnell wieder, wie sie zwischendurch nur mal kurz auftauchen. Das reicht dann vielleicht für ein schnelles "Hallo, wie geht es dir und was hast du die letzten Jahre so getrieben?", aber dann ist das gemeinsame Zeitfenster auch schon wieder geschlossen.
Als ich so darüber nachgedacht habe, wie viele Menschen ich in meinem Leben schon gekannt habe, die mich in einzelnen Lebensabschnitten durchaus intensiv begleitet haben, wann ich viele Gefährten hatte und wann nur ganz wenige, ist mir aufgefallen, dass zumindest bei mir die Menge/Anzahl der Freunde abhängig ist vom Grad der Intensität der Freundschaft mit "der besten Freundin" bzw. "dem besten Freund".
Während meiner Schulzeit, oder genauer ab der 6. Klasse, war Claudia meine einzige, echte, richtige Freundin. Wir beide haben nicht nur alles geteilt (ja, auch Jungs, wir waren da sehr fair, schließlich gab es bei uns im Reitstall mehr Mädchen als Jungs, weshalb es uns lieber war, uns zu zweit einen Jungen zu teilen und dafür alle andere Mädchen gemeinsam zu bekämpfen als jede für sich in den Kampf zu ziehen), und selbstverständlich haben wir über alles geredet und haben im Wesentlichen versucht, jede freie Minute gemeinsam zu verbringen, weil wir natürlich sehr gleichgerichtete Interessen hatten. (Ich sag nur "Pferdemädchen", da bleibt wenig Zeit für anderes).
Natürlich hatten wir auch noch verschiedene andere Freundinnen (die meisten gemeinsam), aber das waren eher so lockere unverbindliche Freundschaften - man kannte sich halt, weil man gemeinsam zur Schule ging, nebeneinander wohnte, im selben Reitstall seine Nachmittage verbrachte, seine Sommerferien gemeinsam verbracht hatte, sich regelmäßig auf Feten traf oder was es ansonsten für andere Gemeinsamkeiten geben kann.
Nach dem Abitur änderte sich unser Leben und damit auch unsere Freundschaft. Wir studierten an weit voneinander entfernt liegenden Orten unterschiedliche Fachrichtungen, es gab plötzlich genug Männer für jede von uns und jede von uns lernte unabhängig von der anderen auch andere Menschen kennen und so schlief unsere Freundschaft einfach ein. Wir hatten beide nicht genug Zeit, sich um etwas zu kümmern, was uns auch beiden nicht wirklich fehlte, nämlich diese enge Beziehung zu einem anderen Menschen, mit dem man alles teilt, weil halt neue Menschen in unser Leben traten und damit fand jede von uns eine neue beste Freundin.
Meine neue Freundin hieß Ute, wir studierten gemeinsam Betriebswirtschaft und waren auch beide im Fachschaftsrat und der Studentenvertretung. Außerdem hatten wir beide einen Freund (da die Zeiten der Jungsknappheit vorbei waren, jede ihren eigenen) und wir wohnten auch jeweils mit unserem Freund zusammen. Außerdem teilten wir auch beide die Überzeugung, dass man sich nicht zu früh auf den Mann fürs Leben festlegen sollte, sondern sich auch ruhig noch etwas umsehen darf, was jede von uns vor die Herausforderung stellte, das möglichst so unauffällig hinzukriegen, dass der zu Hause wartende Freund es nicht mitbekam, denn auch hier wieder eine Ähnlichkeit: Beide Männer waren ausgesprochen lästig eifersüchtig. In solchen Fällen ist eine beste Freundin unersetzlich. Eine beste Freundin unterscheidet sich von anderen "nur Freundinnen" vor allem dadurch, dass man sich blind und ohne sich abzustimmen jederzeit aufeinander verlassen kann. Bei einer besten Freundin muss man sich keine Sorgen machen, zu wem sie hält, wenn es haarig wird.
Aber auch dieser Lebensabschnitt ging irgendwann zu Ende, mit dem ersten Job ändert sich auch der gesamte bisherige Tagesablauf, es kommt zu einer deutlichen Interessensverschiebung, man hat insgesamt immer weniger Zeit und außerdem lernt man schon wieder neue Leute kennen.
Wenn es dann noch zu einer jobbedingten, großen räumlichen Trennung kommt, dauert es nicht mehr lange, bis auch so eine Studentenfreundschaft einschläft, wieder aus den gleichen Gründen: Wir brauchten uns nicht mehr. In der ersten Zeit nach dem Studium brauchte ich eigentlich gar keine Freundschaft, denn ich hatte keine Zeit, ich habe einfach nur gearbeitet. Ute ging es genauso. Wenn wir noch, was immer seltener vorkam, telefonierten, erzählten wir uns gegenseitig, wie viel wir arbeiteten, denn mehr passierte in unserem Leben gar nicht, so dass es schlicht nicht mehr zu erzählen gab.
Während des Studiums und auch danach kannte ich natürlich auch noch jede Menge andere Menschen, aber im Grunde waren das vergleichbar lockere Freundschaften wie die "Zweitfreundinnen" während der Schulzeit. Man kannte sich vor allem deshalb, weil man sowieso viel Zeit miteinander verbrachte, erst Kommilitonen, dann Arbeitskollegen, aber wenn sich die Lebensumstände änderten, verlor man sich von ganz alleine aus den Augen.
Und dann traf ich irgendwann CW. CW wurde sehr schnell zu meiner besten Freundin. Mit CW hatte ich plötzlich wieder jemanden gefunden, mit dem ich über alles reden konnte, mit dem es enorm viel Spaß machte, über alles zu reden, mit dem ich wunderbar Blödsinn machen konnte und mit dem ich rein jobbedingt auch noch ganz von alleine sehr viel Zeit verbrachte.
Neben CW brauchte ich keine Freundin, ich hätte auch gar keine Zeit gehabt, mich noch um eine Freundin zu kümmern. Ich war vollauf mit meinem Alltag und CW beschäftigt.
Ich bekam Kinder, ich hatte einen Haushalt und einen Job zu organisieren und jede weitere Freundschaft (ob alt oder neu) hätte mir freie Zeit mit CW geklaut und was hätte eine weitere "beste" Freundin mir zusätzlich bieten können? Einen Menschen, dem ich blind vertraute, auf denen ich mich in jeder Situation bedenkenlos verlassen konnte, so einen Menschen hatte ich ja. Ich hatte aber gleichzeitig auch einen Menschen mit dem ich stundenlang reden konnte, mit dem ich sehr viele gemeinsame Interessen teilte, der ohne Ende bekloppte Ideen hatte und jedem Unsinn gegenüber aufgeschlossen war, jemanden mit dem mir nie langweilig war und der mein Leben einfach unglaublich bereicherte.
Natürlich hatte ich in dieser Zeit verschiedene Bekannte, mit denen ich jeweils einzelne, kleine Interessengebiete teilte. Ich verstand mich sehr gut mit einer Kollegin aus dem Büro, dann lernte ich irgendwann eine andere Mutter kennen, die eine angenehm ähnlich legere Grundeinstellung zu Kindern hatte und außerdem selber drei Kinder, die im Alter genau zwischen meine passten, das war perfekt, weil einmal sechs Kinder hüten definitiv weniger Arbeit ist als zweimal drei Kinder bespaßen und im Mandantenkreis gab es auch ein paar Leute, die ich auch privat ganz nett fand und mit denen ich/wir dann auch mal privat etwas unternahmen, aber mit allen diesen Menschen war ich maximal "freundschaftlich verbunden" und wenn sich die Lebensumstände änderten, dann lösten sich auch diese Verbindungen mit auf.
Im Laufe der Jahre wurde die Beziehung zu CW aber komplizierter. Wir mussten schließlich außer unserer Beziehung als beste Freunde auch noch unsere Mann-Frau-Beziehung wuppen und als Eltern hatten wir auch noch so etwas wie eine Vater-und-Mutter-Beziehung, die auch nicht immer reibungslos lief, es begann also zu kriseln und ich begann, mich einsam zu fühlen.
In dieser Zeit entdeckte ich das Internet und mit dem Internet fand ich auch neue Freunde. Plötzlich hatte ich sogar ganz viele Freunde, so viele, wie noch nie zuvor in meinem Leben, weil die Freundschaftspflege übers Internet ungleich einfacher möglich war als wenn ich mit allen Menschen, die sich so kennenlernte, mich regelmäßig in echt getroffen hätte. Internetfreunde fand ich toll, die waren pflegeleicht, einfach zu kontaktieren und überhaupt viel besser als so meckerige Freunde aus dem echten Leben, weil ich mit diesen Freunden ja nur das teilte, was ich auch nach außen zeigen wollte. Das erste Mal in meinem Leben war ich Teil einer größeren Clique, also aktives Mitglied in E-Mail-Gruppen oder Foren, offiziell ging es um Stempeln, aber tatsächlich fand ich den "offtopic-Part" in diesen Gruppen viel spannender.
CW interessierte sich für diesen neuen Teil meines Lebens gar nicht, ich brauchte also dringend eine neue beste Freundin.
Die fand ich dann auch, aus dem Kontakt aus so einer Internet-Gruppe ergab sich ein persönliches Treffen. Weil wir nur 50km entfernt voneinander wohnten, lud sie mich ein, sie zu besuchen, um mir irgendeine Stempeltechnik zu zeigen, ich fuhr zu ihr und war das erste Mal seit langem wieder von einem Menschen fasziniert. Wir haben spontan ca. fünf Stunden gequatscht - über alles mögliche, nur nicht über Stempeln, weshalb ich sie ja eigentlich besuchte.
Das haben wir dann auf das nächste Treffen vertagt - und waren quasi von dem Tag an "in einer festen Beziehung".
Mit Heidi habe ich dann meine Stempelleidenschaft intensiviert, Heidi war schon Hardcore-Stemplerin als ich sie kennenlernte, ich war damals noch blutiger Anfänger.
Die ersten Jahre haben wir unsere Freundschaft sehr intensiv gelebt, in der großen Gruppe der Stempelmenschen waren natürlich noch viele andere, mit denen wir auch befreundet waren, aber unsere Freundschaft war deutlich intensiver als eine Bekanntschaft unter Menschen, die dasselbe Hobby teilen.
Doch das Leben entwickelt sich weiter und wir entwickelten uns nicht parallel. Aus unserer reinen Zweierfreundschaft wurde irgendwann eine "Pärchenfreundschaft", damit war Heidi samt Mann nicht mehr "meine Freundin", sondern wir waren zu viert befreundet - und als ich CW verließ habe ich mir große Mühe gegeben, ihm nichts wegzunehmen, was ihm wichtig war und das galt auch für alle Freunde, die genauso seine wie meine waren.
Denn als ich CW verließ hatte ich ja grade meinen neuen allerbesten Freund gefunden. Seitdem ist mein Westfalenmann der beste, wichtigste und zentralste Freund in meinem Leben und weil sich die Muster in meinem Leben durchaus wiederholen, habe ich auch heute noch einfach keinen Bedarf für eine zweite "beste Freundin".
Die einzige Freundschaft, die sich tatsächlich in den letzten 20 Jahren stabil und unerschütterlich immer als verlässliche "Zweitbeziehung" gehalten hat, ist meine Freundschaft zu Barbara. Vielleicht, weil sie einfach nie sauer auf mich war, wenn ich mich nicht gemeldet habe? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich sehr froh bin, sie zu kennen und das Gefühl zu haben, dass ich jederzeit bei ihr anrufen kann, wenn es mir in den Sinn kommt, ohne dass sie erstaunt ist und Sätze sagt wie "Mit einem Anruf von dir habe ich jetzt nicht mehr gerechnet." - Denn das ist meine persönliche Freundschaftserfahrung: Wenn ich mich mal eine längere Zeit (einige Monate oder Jahre) nicht mehr melde, dann ist so eine Freundschaft eben vorbei.
Einige der früheren Freunde haben mich auf Facebook wiedergefunden und kontaktiert, dann freut man sich kurz, sagt "Hallo, wie geht es dir und was hast du die letzten Jahre so getrieben?" und anschließend ist man halt auf Facebook befreundet und fertig. Mehr passiert nicht, denn die gemeinsame Zeit ist Vergangenheit und zum Weiterleben schauen wir alle nach vorne.
Ich finde deshalb nicht, dass alte Freunde die besseren Freunde sind, ich finde, die besten Freunde sind die, die man grade jetzt und in diesem Lebensabschnitt hat - und wenn man sich einsam fühlt, dann muss man sich halt aktiv nach neuen Freunden umsehen, aber prophylaktisch Beziehungen aus der Vergangenheit zu konservieren, bloß um jederzeit einen Freund zu haben, wenn man einen braucht, das finde ich eine entschieden zu niedrige Erwartung an eine Freundschaft
.
773 x anjeklickt (4 mal hat hier schon jemand geantwortet) ... ¿selber was sagen?
Das Ergebnis war relativ ernüchternd, denn er hat festgestellt, dass Apotheker tatsächlich nichts besonders Spannendes machen, eigentlich machen sie genau das gleiche wie die Angestellten PTAs: Medikamente verkaufen, sich immer wieder die gleichen Geschichten von alten Omas anhören, Regale einräumen, Bestände kontrollieren, Bestellungen aufgeben und außerdem unendlich viel Buchführung und Abrechnungen.
Weshalb man dafür zwölf Semester studieren muss, erschließt sich einem wirklich nicht, aber mit einem Pharmaziestudium muss man ja nicht zwingend Apotheker werden, in der Pharmaindustrie gibt es garantiert auch einige spannendere Jobs.
Ich habe leider nicht nur überhaupt keine Ahnung von Naturwissenschaften, ich habe dummerweise noch weniger Ahnung, welche Jobs es in diesen Fächern überhaupt gibt und wodurch sich der Job eines Chemikers von dem eines Biochemikers, von dem eines Pharmazeuten letztlich unterscheidet, wenn nachher alle drei in der Forschung arbeiten. Aber vielleicht sind die Unterschiede auch gar nicht von so großer Bedeutung, ich kann mir sogar sehr gut vorstellen, dass sich die tatsächliche Spezialisierung erst im Job ergibt und nicht schon durch das Studium.
Ich bin deshalb durchaus gespannt, für welches Studium sich J. letztlich entscheidet, ich persönlich fände ja Pharmazie attraktiv, dann hätte ich einen Mediziner Sohn und einen Apotheker Sohn, und müsste mir um meine medizinische Versorgung im Alter keine Gedanken mehr machen.
Eine ernüchternde Zusatzerkenntnis, die J. aus seinem Praktikum gewonnen hat, ist die Feststellung, dass von einem Tag nur sehr wenig übrig bleibt, wenn man tatsächlich acht Stunden arbeitet. Das habe ich dann nur mit „Ach was“ kommentiert
.
800 x anjeklickt (2 mal hat hier schon jemand geantwortet) ... ¿selber was sagen?
dient im Grunde nur als Symbolbild, denn ich amüsiere mich immer, wenn ich solche „besonders schönen Verbrauchsgegenstände“ unbenutzt für ganz kleines Geld auf dem Flohmarkt kaufen kann, was tatsächlich relativ häufig vorkommt.
So eine Flaschenpost müsste man ja eigentlich „verbrauchen“ d.h. man schreibt einen Text und seinen Absender auf den beigefügten Zettel, rollt das Papier zusammen, steckt es in die Flasche und verschließt dann die Flasche mit dem ebenfalls beigefügten Wachssiegel. Alles absolut stilecht. Dann muss man die Flasche nur noch irgendwo ins Wasser werfen, am besten natürlich in ein Meer, und abwarten, was passiert. Mit Glück findet jemand die Flasche, vorzugsweise natürlich möglichst weit weg, öffnete den Brief und antwortet dem Absender. So sind in der Literatur die wunderbarsten Brieffreundschaften entstanden und um genau so etwas anzubahnen, hat sich jemand dieses Flachenpostset gekauft, oder es wurde ihm geschenkt, man weiß es nicht. Was ich aber weiß, ist, dass der ehemalige Besitzer das Set nicht benutzt hat, denn sonst könnte er es ja nicht mehr verkaufen.
Warum er es nicht benutzt hat, kann ich nur vermuten, aber ich bin ziemlich sicher, dass es nicht daran lag, dass er keine Gelegenheit hatte, irgendwo eine Flaschenpost ins Meer zu werfen oder einem fließenden Gewässer zu übergeben. Ich glaube vielmehr, er fand das Set so hübsch, dass er es einfach nur zu schade fand, es tatsächlich zu benutzen und ins Meer zu schmeißen. Denn dann wäre es ja weg gewesen, zwar bestimmungsgemäß verbraucht, aber eben doch verbraucht. Und eigentlich ist das viel zu schade, so eine hübsche Flaschenpost....
Deshalb verkauft der Mensch das Flaschenpostset lieber auf dem Flohmarkt, und damit es auch bestimmt weggeht, verlangt er nur einen Euro dafür, aber jetzt hat er es sinnvoll verkauft und nicht sinnlos verbraucht.
Mich fasziniert diese Logik immer sehr, ist sie doch recht häufig bei Flohmarktverkäufern anzutreffen. Die Dinge sind viel zu schade, um sie selber zu verbrauchen, deswegen werden sie verkauft, allerdings für so wenig Geld, dass es bei diesem Warenwert schon gar nicht mehr schade sein kann, das Teil zu verbrauchen.
Als ich neulich auf dem Flohmarkt war, habe ich außer der Flaschenpost noch ein wunderschönes Stück handgemachte Seife für 0,50 € erworben, die Verkäuferin sagte, sie hätte die Seife selber auf einem Kunsthandwerkermarkt für fünf Euro gekauft, aber sie wäre halt zu schade zum Benutzen.
Ich will mich ganz sicher nicht darüber beschweren, denn ich freue mich ja, dass ich so schöne Dinge für so wenig Geld kaufen kann, ich frage mich nur, welchem Zwang diese Menschen folgen. Im Zweifel wird die Seifenverkäuferin sich für die 0,50 €, die sie jetzt für die wunderschöne handgemachte Seife bekommen hat, anschließend eine Billigseife beim Discounter kaufen und benutzen, aber immerhin hat sie dann nicht die gute Seife benutzt, denn war ja viel zu schade
.
692 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt) ... ¿selber was sagen?
„Du kannst im Leben nicht zurück und den Anfang ändern, du kannst aber neu anfangen und damit das Ende ändern.“In einem Gespräch mit Bekannten ging es neulich um die Frage, was man in seinem Leben bereut und was man anders machen würde, könnte man sein Leben noch mal leben.
Am meisten hat mich fasziniert, dass fast jeder irgendein Verhalten, eine Entscheidung, einen Vorfall in seiner Vergangenheit nannte, was er bereute und heute anders machen würde.
Ich habe lange über diese Frage nachgedacht, aber weder bereue ich etwas, noch würde ich etwas anders machen, obwohl ich gleichzeitig zugebe, dass ich durchaus vieles falsch gemacht habe in meinem Leben, aber auch all diese Fehler würde ich noch mal genau so machen wollen, denn sie sind Teil meines Lebens und wenn ich sie nicht gemacht hätte, wäre ich heute sicher nicht da oder die, die ich heute bin - und an der jetzigen Situation möchte ich ganz ausdrücklich nichts ändern.
Vielleicht hat das aber auch etwas mit dem Pragmatismus zu tun, dem ich schon sehr eng verhaftet bin, wenn es um die Beurteilung der eigenen Lebensumstände geht, ich kann halt den Anfang nicht ändern, aber ich kann jederzeit anfangen das Ende zu ändern, dieser Satz hat mir schon vor 40 Jahren gut gefallen und als ich ihn neulich in meinem alten Sprüchebuch wieder entdeckte, fand ich ihn unverändert aktuell, richtig und wichtig.
Einfach noch mal neu anfangen - diese Haltung zieht sich durch mein gesamtes Leben. Wenn man den Anfang verfuddelt hat, bzw. wenn man feststellt, da hat sich was verfuddelt, dann finde ich einen klaren Cut mit einem neuen, anderen und sauberen Anfang deutlich positiver als das krampfhafte Festhalten an alten Strukturen, alten Beziehungen und alten Rollenmustern, die sich ja doch nicht mehr sinnvoll ändern lassen und in denen mir im Zweifel auch heute noch 20 Jahre alte Fehler nachgetragen werden.
In so einem Fall bereut man seine Fehler natürlich, denn es ist nichts Neues daraus entstanden und damit auch nichts Positives.
Nächsten Monat jährt sich meine letzte Entscheidung, mein gesamtes Leben neu zu organisieren, zum elften Mal - ähnlich radikale Entscheidungen hatte ich vorher auch schon zweimal getroffen - und jede dieser Entscheidungen machte mein Leben besser, deshalb kann ich doch die Fehler, die ich vorher gemacht habe, gar nicht bereuen, denn ohne diese Fehler hätte ich die Neuanfangsentscheidungen nie getroffen
.
737 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt) ... ¿selber was sagen?
Ich war mit einem einkalkulierten Zeitpuffer von 25 Minuten losgefahren, wenn man nachrechnet, heißt das also, dass die Autofahrt selber 20 Minuten schneller war als sie unter sonst üblichen und von mir als „normale, stau- und behinderungsfreie Umstände“ genannten Verhältnissen braucht.
Aber die Straßen waren wirklich so komplett menschen- und autoleer wie ich es selten erlebt habe.
Es war eine angenehme Fahrt.
Ich hatte zwar nur vier Stunden geschlafen, da ich gestern natürlich doch noch bis Mitternacht rumpuzzlen musste und um 4h schellte schon der Wecker, denn Abfahrt war für 5h vorgesehen, aber erfreulicherweise war ich kaum müde und die letzten Müdigkeitsreste spülte die kalte Dusche gut weg.
Gleich nach der Abfahrt habe ich den neuen Podcast von Vanessa Giese gestartet. D.h. ganz neu ist der nicht, vorgestern kam schon die dritte Folge raus, doch ich hatte mir bisher nur vorgenommen, da unbedingt mal reinzuhören, war aber noch nicht dazu gekommen.
Dass die Fahrt so schnell ging und dass die Podcastlänge seit der 2. Folge auf 30 Minuten gekürzt wurde, passte perfekt zusammen, denn so konnte ich genau alle drei Folgen hören und genau bei Ankunft in Emden auf Radio umschalten, was ich wegen der Blitzer in Emden gerne mache, denn ich habe den akuten Verdacht, dass sich Emden hauptsächlich aus Bußgeldeinnahmen finanziert.
Grundsätzlich finde ich Podcasts ja wirklich eine gute Sache. Sehr bequem für Menschen mit altersbedingt nachlassender Lesesehschärfe, aus dem Grund gefallen mir ja auch Hörbücher zunehmend gut. Ich finde nur einfach nicht genug Gelegenheiten, um Podcasts und/ oder auch Hörbücher zu hören.
Die tägliche Fahrt ins Büro dauert nur 20 Minuten, da lohnt es sich nicht, einen Podcast oder ein Hörbuch zu starten, weil das ja auch stets mit einer nicht unumständlichen Vorbereitung/Einstellerei/Verkabelung verbunden ist.
Während der Arbeitszeit arbeite ich, bleibt also nur die Privatzeit. Die verbringe ich zu einem Großteil zuhause, weil ich ja kaum aushäusigen Beschäftigungen nachgehe, aber grade zuhause finde ich „Texte hören“ fast nicht möglich, weil ich entweder mit irgendetwas anderem beschäftigt bin, was mich geistig so sehr fordert, dass ich nicht nebenher Texte hören kann, oder ich schlafe sofort ein. Da mein angeborenes Schlafbedürfnis (12h Schlaf fände ich prima) üblicherweise deutlich größer ist als die Stunden, die ich tatsächlich schlafe, schleppe ich eine latente Dauermüdigkeit mit mir rum, die sofort zuschlägt, wenn ich mich hinsetze und nichts mehr mache außer zuhören.
Um ein Hörbuch oder einen Podcast zu hören brauche ich also eine passende Gelegenheit, die sich in meinem Alltag so schnell nicht findet. Längere Autofahrten sind dafür ideal, aber auch nur, wenn ich selber fahre. Als Beifahrer schlafe ich selbstverständlich auch sofort ein. Da ich aber auch beim Autofahren regelmäßig mit diesem Einschlafproblem zu kämpfen habe, fahre ich längere Strecken sowieso nur dann selber, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Wenn wir zu zweit unterwegs sind, ist in 90% der Fälle K. der Fahrer, eben weil ich lieber schlafe als Auto fahre.
Nun, aber heute war endlich mal eine Gelegenheit und alle drei Folgen fand ich sehr interessant und es hat Spaß gemacht zuzuhören.
In Folge 1 geht es ums Kennenlernen, wie man neue Begegnungen positiv gestaltet, was kommt danach und wo man überhaupt Menschen so kennenlernen kann.
Heißer Tipp mal wieder: Twitter
Ich finde Twitter ja grundsätzlich auch sehr spannend, was mir bisher aber noch niemand erklärt hat, ist, wo man die Zeit hernimmt, um auf all diesen Socialmediakanälen aktiv zu sein, denn Twitter erscheint mir unter allen Kanälen dabei der zu sein, der besonders viel Zeit braucht.
Denn das entscheidende ist ja, dass man kommuniziert und das heißt, dass man selber kurzfristig reagieren sollte, wenn man angesprochen wird und dass man gleichzeitig auch zeitnah mitbekommt, was die anderen so twittern, damit man auch selber andere in einem passenden Zusammenhang ansprechen kann, wenn sie etwas getwittert haben. Da Twitter ein extrem schnelles Medium ist, kann man schlecht zwei Tage alte Tweets aufgreifen, damit macht man sich nur lächerlich, zumindest wenn es ums Kennenlernen geht.
Ich habe mich mit meinem Blog jetzt soweit eingerichtet, dass ich es tatsächlich schaffe, mich immerhin einmal am Tag damit zu beschäftigen, darauf bin ich schon ziemlich stolz, aber für noch mehr Zeit wüsste ich einfach nicht, wie ich das einrichten sollte.
Für mich kommt außerdem noch dazu, dass ich das Gefühl habe, Twitter bis heute nicht vernünftig bedienen zu können und das bringt vor allem Unsicherheit und die Sorge, sich unkontrolliert zu blamieren, keine gute Basis, um neue Menschen kennenzulernen.
———
In Folge 2 hieß das Thema dann „Lernen“. Hier ging es natürlich darum, dass Lernen Spaß machen kann, um „lebenslanges Lernen“, wie man andere motiviert und so weiter.
Mir fehlte ein bisschen die Definition, was Lernen überhaupt bedeutet. Ist die reine Wissensaufnahme schon lernen? Dann wäre ja auch Zeitungslesen lernen. Hier müsste man noch mal in die Diskussion einsteigen.
———
In Folge 3 ging es darum, wie man anderen unangenehme Dinge sagt.
Die angebotenen Möglichkeiten fand ich persönlich nicht besonders hilfreich, aber das Gespräch in dem Podcast war interessant und es machte Spaß zuzuhören.
Der Ratschlag, dem anderen zunächst zu sagen, dass man ihn wirklich nicht verletzen möchte, aber…., - mag ja grundsätzlich richtig sein, wird aber auch nicht verhindern, dass man den anderen verletzt. Insgesamt kamen mir die Ratschläge deshalb schlicht zu idealistisch vor, andererseits ist es natürlich auch oft nicht möglich, jemand anderem unangenehme Dinge zu sagen, ohne dass man ihm damit weh tut.
———
Der Rest des Tages verlief sehr friedlich, Sachen auspacken, Spinnen wegsaugen, Einkaufen, Kühlschrank einräumen und Ruhe genießen.
Schön ist es hier
.
663 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt) ... ¿selber was sagen?

Fotografiert habe ich es heute morgen bei Aldi, weil ich voller Faszination auf dieses "Angebot" gestarrt habe, denn ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, dass es bei Aldi Rollfondant geben könnte - und dann auch noch in Flieder.
Eigentlich wusste ich bis heute morgen noch nicht mal, dass es Rollfondant überhaupt gibt, aber wenn ich mal kurz darüber nachdenke, dass es ja jede Menge Torten mit so einem "Zuckergussüberzug" gibt, dann erscheint es auch sehr wahrscheinlich, dass es analog zu einer Marzipandecke auch etwas Vergleichbares aus Zuckerguss gibt. Dass das Zeug so flexibel ist, dass man es ausrollen kann, war mir nicht klar, aber nun, mag so sein.
Warum man so etwas nun unbedingt in lila haben muss, entzieht sich zwar meiner Phantasie, das scheint aber anderen Leuten wohl auch so zu gehen, sonst wäre der fliederfarbene Rollfondant ja nicht in der Grabbelkiste bei Aldi gelandet.
Wesentlich interessanter fand ich allerdings die Tatsache, das Albona, also die Aldibilligmarke für Backzutaten, dass diese Firma also meint, mit Rollfondant eine ausreichende große Zielgruppe ansprechen zu können, als dass sich die Generikaherstellung lohnt.
Zu meiner Zeit - als ich noch aktiv einen großen Haushalt betrieb und deshalb einigermaßen aktuell informiert war, was grade modern ist in deutschen Küchen, also damals™, da hätte ich in absolute Spezialfachgeschäfte gehen müssen, wenn ich auf die Idee gekommen wäre, selber "Konditortorten" zu produzieren, denn zumindest in meiner damaligen Filterblase (und ich war damals viel in Kochforen etc. unterwegs) war das einfach kein Thema.
Während des Aldieinkaufs habe ich dann noch kurz zwei-dreimal über den fliederfarbenen Rollfondant gekichert, aber damit war das Thema für mich auch durch.
Zunächst.
Bis ich mir in den Kopf setzte, dass ich zu dem Sushi, das ich für heute Abend geplant hatte, (und ja, ich habe rechtzeitig daran gedacht, den Fisch vorzubestellen, hat wunderbar geklappt) - also dazu wollte ich unbedingt mal ein paar ausgefallene Saucen produzieren.
Wir waren ja nun schon zweimal in Hamburg bei Steffen Henssler essen und das Beste an dem Sushi, was dort serviert wird, sind eben diese ausgefallenen Saucen, die er dazu kreiert.
Und das muss man doch genauso gut auch selber machen können, wozu gibt es Tante Google.
Japanische Mayonnaise habe ich noch von Weihnachten übrig, laut Google braucht es für die spicy tuna sauce aber unbedingt noch Sriracha.
Deshalb sind wir heute Abend noch mal einfach so und spontan in den Nachbarort gefahren, denn dort gibt es einen Riesenrealmarkt und dort gibt es eigentlich alles.
Wir waren schon ein paar Mal dort, aber für meinen ganz normalen Alltagsbedarf reicht mir mein Lidl hier vor Ort vollkommen aus und seitdem ich ja die meiste Zeit des Jahres auch nur noch einen kleinen Zweipersonenhaushalt führe, brauche ich auch kaum noch "Spezialsachen", ich glaube, mein letzter Besuch in diesem Riesenmarkt ist mindestens drei Jahre her.
Und ja, dort gab es Sriracha, aber was mich viel mehr faszinierte, war das Regal drei Gänge vor den Saucen: Dort standen nämlich die Backzutaten und in diesem Regal waren mindestens fünf Meter voll mit Rollfondant in allen Farben sowie weiterem Lebensmitteldekoschnickischnack, der wie irre glitzerte.
Meine Güte, was ist denn das für eine Mode? Die ist ja wirklich so sehr komplett an mir vorbeigegangen, dass ich nur mit offenem Mund den ganzen Lebensmittelverzierglitterkram dort im Regal anstaunte. Zu meiner Zeit hieß es noch, man spielt nicht mit Essen - aber ich glaube für Instgramfashionfoodfotos gilt das nicht mehr. Da werden jetzt auch Lebensmittel komplett durchgestylt und mit allen Tricks soweit aufgepimpt, dass sie optisch nichts mehr mit Essen, sondern nur noch mit Glamour zu tun haben und schmecken muss es ja auch nicht, Hauptsache sieht schick aus, denn wie es schmeckt, sieht man auf Instagram ja nicht.
Spontan war mir auch klar, dass es selbstverständlich eine Zielgruppe für lila Rollfondant bei Aldi geben muss, ich bin nur einfach nicht mehr informiert bzw. nehme an diesem Leben nicht mehr teil.
Das Leben ist an mir vorbeigezogen und ich habe es noch nicht mal bemerkt.
Da mir dieser Rollfondant heute dann aber gleich zweimal begegnet ist, bin ich immerhin soweit wachgerüttelt worden, dass ich wahrgenommen habe, dass sich da was tut in deutschen Küchen - der Kuchen macht sich fotofein.
Ansonsten habe ich in diesem Riesensupermarkt aber noch festgestellt, dass ich 99% der Dinge, die man dort kaufen kann, alle gar nicht brauche - und damit meine ich nicht nur den Rollfondant, sondern auch all die anderen Dinge, die es nur dort gibt und die meine kleinen Standarddiskounter vor Ort gar nicht führen, die ich aber auch tatsächlich alle miteinander nicht vermisse.
Bis auf die Srirachasauce, aber die habe ich ja jetzt und so scharf, wie die ist, kann man die eh nur tröpfchenweise verwenden, die wird also wahrscheinlich für die nächsten 20 Jahre reichen
.
896 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt) ... ¿selber was sagen?
Mich hat dieser Artikel auch sehr angesprochen, denn er brachte ganz viele Saiten gleichzeitig zum Klingen,
Zum einen fand ich natürlich den Text als solchen schon ganz prima, kurz, präzise und gut geschrieben - ich würde ihn sofort mit "komplett meine Meinung" unterschreiben, und freue mich immer, wenn ich solche Texte finde.
Dann haben mir die Zitate gefallen, die dort erwähnt wurden.
"Die Welt schuldet dir gar nichts, sie war schon vorher da" - Mark Twain. Was für ein überaus kluger Satz, den man gar nicht oft genug anbringen kann.
Mindestens so gut fand ich aber auch das Douglas Adams Zitat:
"Alles, was da ist, wenn man geboren wird, hält man für selbstverständlich und normal. Alles, was erfunden wird, nachdem man 35 geworden ist, ist ein Angriff auf die natürliche Ordnung der Dinge."
Ich kenne Leute, bei denen kann man die 35 durch 17 ersetzten - aber gut, das war jetzt ein Insider und soll hier nicht weiter erwähnt werden.
Und insgesamt behandelt der Text ein Thema, über das ich mich selber schon oft aufgeregt habe, weil ich bei einigen Menschen regelmäßig nicht verstehe, wo sie ihre aus meiner Sicht sehr schrägen Anspruchserwartungen hernehmen.
Es gibt Kinder, die meinen, sie hätten einen Anspruch auf das Vermögen der Eltern. Es gibt betrogene Ehefrauen, die meinen, sie hätten einen Anspruch auf Rache (und lassen sich den dann in barer Münze auszahlen) und es gibt verlassene Ehefrauen, die meinen, sie hätten einen Anspruch auf "standesgemäßen Unterhalt".
Manche Menschen meinen, sie hätten einen Anspruch auf Ruhe oder Rücksicht oder Erholung oder was weiß ich, im Grunde finde ich fast jedes Anspruchsdenken seltsam, wenn es in der Form umgesetzt wird, dass Menschen meinen, ihnen stände etwas zu, was sie sich auch gegen den Widerstand eines anderen nehmen dürfen - und wenn sich der andere wehrt, dann dürfen sie sich zumindest gewaltig aufregen.
Die Kurgäste auf Borkum sind ein hübsches Beispiel, da finden sich immer mehr Leute, die der festen Überzeugung sind, sie haben ein Recht auf unverschämtes Benehmen, schließlich haben sie für ihren Urlaub bezahlt. Eine Woche Arschloch sein - eintausend Euro. Das Gefühl endlich mal zu den Siegern zu gehören - unbezahlbar.
Ich glaube, es gibt wirklich viele Menschen, die fühlen sich von der Welt schlecht behandelt. Sie gucken rechts, sie gucken links und finden überall Menschen, denen es besser geht als ihnen, das kann doch nur ungerecht sein.
Zitat aus dem Artikel:
"Es steht mir zu. Mit welchem Recht? Mit dem Recht des Stärkeren, des Unverschämteren, des Skrupelloseren, des Gedankenloseren. Das hat oft mit Macht zu tun, aber zunehmend einfach nur mit Selbstermächtigung. Ich habe es verdient: weil ich schon so alt bin, weil ich noch so jung bin, weil ich..... "
Weil ich weniger habe als du und deshalb hast du mir etwas abzugeben. Gefälligst.
Ein ebenfalls sehr beliebtes Argument für schräge Forderungen ist der Satz "weil das schon immer so war." oder auch "weil das deine Aufgabe ist."
Daraus entsteht Gewohnheitsrecht und aus Recht entstehen Ansprüche. Wie logisch - und wie peinlich für all diejenigen, die nicht merken, zu was für einem rücksichtslosen Widerling sie sich machen, wenn sie da in voller Selbstermächtigungsherrlichkeit ihre Rechte einfordern.
Da ich auf solche Forderungen mit absolut 100%iger Zuverlässigkeit, sehr spontan und seit immer schon reflexartig mit "Nein" reagiere, haben meine Kinder sehr früh gelernt, dass es äußerst unklug ist, irgendetwas von mir zu fordern und eine deutlich zur Schau gestellte Anspruchshaltung ist natürlich auch eine unübersehbare Forderung.
Wenn meine Kinder etwas haben möchten, dann fragen sie, ob sie es haben dürfen oder bitten mich, ob ich es ihnen gebe oder etwas für sie tue. Die Dinge, die als Selbstverständlichkeiten "Allgemeingut" sind, sind allgemein akzeptiert geklärt, wenn man sich unsicher ist, fragt man lieber einmal zu viel als dass man sich der Gefahr aussetzt, als unverschämter Klotz zurückgewiesen zu werden.
Diese Regel gilt übrigens in beide Richtungen und aus meiner Sicht hat das etwas mit Respekt zu tun.
Nicht nur Respekt vor der Persönlichkeit des anderen, sondern auch und vor allem Respekt vor der Privatsphäre des anderen. Nach meiner festen Überzeugung haben beide, sowohl Kinder als auch Eltern jeweils eine Privatsphäre, die von beiden zu beachten ist, damit erspart man sich sehr viele psychische blaue Flecke.
Ich bin in einer Familie großgeworden, in der es keine Privatsphäre gab. Mein Vater herrschte nach Gutsherrenart und selbstverständlich gehörte ihm alles und er konnte über alles bestimmen, da er ja auch für alles verantwortlich war.
Anderes, als materielles Eigentum, gab es für meinen Vater sowieso nicht.
Immaterielle Dinge, wie eine eigene Meinung, einen eigenen Geschmack, eigene Vorlieben oder eigene Abneigungen hatten für ihn genauso wenig Wert wie eigene Freunde oder eigene Gedanken, da es sich schließlich grundsätzlich um Kinder-Geschmack, Kinder-Vorlieben, Kinder-Gedanken handelte und die mussten erst noch geformt und entwickelt werden und dafür war er nicht nur zuständig, sondern vor allem auch verantwortlich und deshalb stets bemüht, dafür zu sorgen, dass das alles in die richtige Richtung lief.
Die richtige Richtung war selbstverständlich sein Geschmack, seine Meinung, seine Vorlieben und so weiter. Ein typischer Satz aus meiner Kindheit lautete: Man muss die Menschen zu ihrem Glück schon mal zwingen.
Damit ihm böse Menschen nicht hinterrücks seine Erziehungsarbeit kaputt machen konnten, war er an einer maximalen Informationslage interessiert.
Selbstverständlich hatte er ein Recht, an mich adressierte Briefe zu öffnen, mein Tagebuch zu lesen und jederzeit mein Zimmer zu durchsuchen. (Dieses Recht hatte er übrigens nicht nur gegenüber seinen Kindern, sondern auch gegenüber seiner Ehefrau, denn auch die hatte ja geschworen, dem Manne Untertan zu sein.)
Was den materiellen Besitz angeht, hatte er ebenfalls die komplette Verfügungsfreiheit.
Kinder haben üblicherweise keinen oder nur wenig materiellen Besitz. Logisch, sie haben ja auch noch kein eigenes Einkommen. Das, was sie haben, haben sie meist der Gnade der Eltern zu verdanken.
Mein Vater stand auf dem Standpunkt, da er ja gesetzlicher Vormund ist, kann er auch ganz alleine entscheiden, was mit dem Geld geschieht, was aus welchen Gründen auch immer theoretisch mir gehören könnte. Das galt nicht nur für Geldgeschenke, die die Großeltern ihren Enkeln machten, das galt auch für das Taschengeld, das er mir selber zuteilte, das ich aber nur für ganz bestimmte Dinge ausgeben durfte.
Wenn man in so einer Umgebung aufwächst, lernt man schnell, dass man für sein eigenes Leben ganz alleine verantwortlich ist, wenn man den Wunsch hat, irgendetwas anders zu machen als das, was "schon immer so war" oder das, was "meine Aufgabe ist".
Und ich habe gleichzeitig gelernt, dass es sehr daneben gehen kann, darauf zu warten, dass das Leben die Dinge von alleine richtet, denn während man brav wartet, regeln andere Leute an einem vorbei über einen hinweg ihre eigenen Interessen und irgendwann stellt man fest, dass man vor lauter Warten vergessen hat, zu leben und dass im übrigen der Kuchen auch schon verteilt ist und die Party sich grade auflöst.
Für Leute, die ernsthaft der Meinung sind, dass das Leben ihnen etwas schulde, habe ich deshalb nur Mitleid übrig, für Leute allerdings, die sich in Gutsherrenmanier an allem bedienen, weil sie der Meinung sind, dass sei ihres und es stände ihnen zu, für die habe ich nur ungemein viel Verachtung und eine sehr deutlich Ablehnung übrig.
Ich finde, man kann sich sehr gut aktiv durchs Leben bewegen, ohne dabei alle Menschen um sich herum gedankenlos niederzutrampeln und gleichzeitig kann man aber auch darauf achten, selber nicht niedergetrampelt zu werden
.
707 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt) ... ¿selber was sagen?