Zeit seines Lebens hat er sich über die zweite 2 geärgert, 22. März, wie ärgerlich. Für ihn begann das Jahr mit Frühlingsbeginn, der 21. März war also eigentlich der wirklich erste Tag des Jahres, ich habe vergessen, bei wem das so war, bei den Römern vielleicht? Egal, CW sagte, der 21. März wäre der Tag an dem alles beginnt und seine Mutter hat versagt als Mutter, dass sie ihn, den eigentlichen wahren Meister aller Dinge erst am zweiten Tag des Jahres geboren hat. Was für eine Schmach, sein Leben gleich als Zweiter zu beginnen.
Ich glaube, das trug er seiner Mutter auch ihr Leben lang nach.
Heute hätte er also seinen 75. Geburtstag feiern können, den hat er nun aber nicht nur um einen, sondern gleich um 3.212 Tage verpasst, ich habe es grade nachgerechnet, so lange ist er jetzt schon tot.
Es ist seltsam mit dem Totsein, aber man gewöhnt sich daran. Also ich meine, ich habe mich daran gewöhnt, dass CW tot ist, was vor allem bedeutet, er kann mir nicht mehr widersprechen und wir streiten nicht mehr ständig. Sonst hat sich gar nicht so viel geändert.
Ich habe sein Durcheinander aufgeräumt und inzwischen geht es einigermaßen, was seine Hinterlassenschaften betrifft. Ich bin allerdings immer noch nicht ganz damit fertig, ein paar Reste klappern immer noch nach. Erst gestern ging wieder ein Schreiben ein, dass doch irgendjemand noch mal auf den allerletzten Drücker kurz vor endgültiger Verjährung eine Klage eingereicht hat, es ist mühsam und ärgerlich und ich schiele immer wieder auf alle möglichen Fristen, manches dauert aber wohl tatsächlich noch.
Aber jetzt, mit dem halbwegs aufgeräumten Durcheinander, ist mein Leben wieder so sortiert wie es vor CWs Tod war, ich muss mich halt nur nicht mehr so viel mit ihm streiten.
Er fehlt mir allerdings immer noch unverändert, da haben auch 3.212 Tage nichts dran abgeschliffen, aber im Grunde ist das auch nicht anders als all die Jahre davor. Wenn er da war, haben wir gestritten, wenn er nicht da war, hat er mir gefehlt. Irgendwas ist halt immer, aber wirklich verändert hat sich dann doch nichts
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Sein Geburtstag steht immer noch in meinem Kalender und ich mag es, dass mein Kalender so tut, als sei CW immer noch da und mich erinnert, dass ich ihm heute gratulieren soll.
CW ist tatsächlich seit 2847 Tagen schon nicht mehr da, ich kann es gar nicht fassen, wie lange das her ist, weil er gefühlt immer noch mindestens einmal die Woche mit am Tisch sitzt, wir uns über ihn unterhalten und uns vorstellen, was er zu diesem oder jenem gesagt hätte.
Außerdem sind seine vermaledeiten Hinterlassenschaften ja immer noch nicht endgültig abgewickelt und machen teilweise immer noch gründlich Ärger.
Was sich allerdings mittlerweile geändert hat, sind die normalen Alltagsroutinen.
Es hat lange gedauert, bis ich aufhörte, automatisch für ihn mitzudenken, aber das ist jetzt weg.
Es ist sogar schon etwas länger weg, ich weiß gar nicht, wann es aufhörte, aber so ist das ja auch oft mit Schmerzen.
So lange es weh tut, nimmt man den Schmerz auch wahr und leidet darunter, ist er aber weg, bemerkt man es manchmal gar nicht. Verrückt, nicht wahr?
Ich glaube, ich habe es inzwischen wirklich verinnerlicht, dass CW nicht mehr da ist. Er fehlt mir noch manchmal, aber es tut nicht mehr weh.
Und heute wäre er 74 geworden - ich glaube, es ist gut, dass er das nicht mehr erlebt hat, sein Geschimpfe über das Alter war schon anstrengend, sein Geschimpfe über sein eigenes Altern hätte ich mir deshalb wirklich nicht anhören wollen, so ist uns beiden einiges erspart geblieben
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Nicht mehr täglich, aber regelmäßig, mindestens einmal die Woche gibt es eine Situation, wo ich an Dich denke und mit Dir rede.
Ja, ich rede oft mit Dir, ich finde es schön, dass ich seit zweitausendfünfhundert Tagen mit Dir reden kann, ohne dass wir uns streiten müssen. Das ist eindeutig ein Vorteil, totsein ist nicht nur schlecht.
Überhaupt finde ich totsein für denjenigen, der tot ist, ja gar nicht so schlimm, weil ich fest davon überzeugt bin, dass es Dir entweder völlig egal ist, eben weil Du tot bist, oder, wenn es ein Leben nach dem Tod gibt, na, dann wirst Du Dich da schon eingerichtet haben, denn wenn Du etwas gut konntest, dann das. "Neues Spiel, neues Glück, gibt keinen Grund, deshalb den Kopf hängen zu lassen, so ist das mit den Leben, kommt immer wieder ein neues." - ich kann es förmlich spüren, wie Du Dir die Hände reibst und fröhlich in neue Abenteuer startest, während Du mir nur noch kurz zurufst, dass ich mir keine Sorgen machen soll, Du hast alles im Griff.
Für diejenigen, die nicht tot sind, ist es aber schon blöd, wenn in ihrem Leben plötzlich jemand fehlt, weil der jetzt in einem anderen Leben weitermacht. Da bleibt ein Loch und um das muss man irgendwie drumherumleben und dabei ständig aufpassen, dass man da nicht reintritt und stolpert, das wirft einen sonst nämlich jedes Mal ein bisschen aus dem eigenen Lebensalltag.
Jeder Mensch, der stirbt, hinterlässt ein Loch im Leben der Menschen, die ihn kannten. Je nachdem wie eng man mit dem toten Menschen gelebt hat und verbunden war, ist das Loch größer oder kleiner und vor allem an einer zentralen Stelle mitten im eigenen Leben oder weiter am Rand und dementsprechend schwer oder nicht so schwer fällt es den Hinterbliebenen, sich an dieses Loch in ihrem Leben zu gewöhnen.
Das Loch, was Du in meinem Leben hinterlassen hast, hattest Du ja schon vor Deinem Tod begonnen, etwas zuzuschippen und mir geholfen, meinen Lebensmittelpunkt an eine andere Stelle zu verlagern, weg von dem Loch, was Du hinterlassen wirst, deshalb war es nicht ganz so riesengroß und vor allem bin ich nicht zu oft reingetreten und ins Stolpern geraten. Es war aber trotzdem eine Zeitlang mühsam.
Inzwischen geht es ganz gut, vor allem auch, weil ich die allermeisten der sonstigen Stolpersteine, die Du mir in Deiner großen Unbekümmertheit ja auch noch hinterlassen hast, inzwischen zur Seite geräumt habe, einige konnte ich sogar benutzen, um das Loch zu füllen, weil ich mich sehr darüber geärgert habe, dass ich mich mit all dem Kram jetzt auseinandersetzen musste, und dieser Ärger war genau die Energie, die es brauchte, um die Steine in das Loch kullern zu lassen.
Es ist immer noch nicht alles aufgeräumt und einige Steine spuckt das Loch auch wieder aus und wirft sie mir erneut in den Weg, aber vielleicht ist das auch nur Deine Methode, dauerhaft in meinem Leben präsent zu bleiben, zutrauen würde ich es Dir.
Mein Umgang mit Dir hat sich verändert, er ist abgeklärter geworden, wohlwollender und auch verständnisvoller.
An manchen Tagen, wenn ich mit Dir rede und Dir erzähle, was wieder alles so passiert ist, muss ich über mich selber lachen, denn während ich mich noch lautstark darüber beschwere, welche Widrigkeiten sich das Leben jetzt wieder für mich ausgedacht hat, sehe ich, wie Du bedauernd die Schultern hochziehst, um Dich in der gleichen Bewegung auch aufzulösen und im Nebel zu verschwinden. Ja, ich weiß ja, Du kannst Dich nicht um alles kümmern, hast Du mir ja oft genug gesagt. Ich habe in den letzten zweitausendfünfhundert Tagen aber auch begriffen, dass es vielleicht tatsächlich sogar ganz klug ist, wenn Du Dich nicht kümmerst, und ich die Dinge selber regel, seitdem ich mich deshalb nicht mehr von Dir provoziert fühle, geht das eigentlich ganz gut.
Und es funktioniert gut, wenn ich mir dabei von meinem Westfalenmann helfen lasse, der ist meine wichtigste Unterstützung überhaupt. Ohne ihn hätte ich auch Dein Durcheinander nicht so vernünftig aufgeräumt bekommen, aber genau so hattest Du das ja auch geplant, nicht wahr?
2.500 Tage - das ist doppelt so lange wie der Zeitraum, den ich noch ins Büro gehen muss. Naja, fast doppelt so lange, denn ich bin erst in 1.262 Tagen fertig mit dem Büro, ich finde das übrigens schade, dass die Zahlen nicht genau passen, Kabbalistik ist ja etwas, was ich immer schon mit großem Vergnügen gespielt habe. Aber auch wenn es nicht ganz genau passt, so macht es mir doch Hoffnung, dass 1.262 Tage gar nicht mehr so lange sind, denn Du bist ja auch noch nicht lange fort und doch schon doppelt so lange. Ach, ich fange an, Unsinn zu reden, das passiert mir übrigens öfter mal, wenn ich mich mit Dir unterhalte, es ist so wohltuend, nicht auf jedes Wort achten zu müssen, dass ich dabei dann auch schon mal übers Ziel hinausschieße.
Ich wäre ja so neugierig zu erfahren, wie Du mit den aktuellen Sprachvorschriften umgingest. Das wäre sicherlich ein großer Spaß, also, ich meine, für mich, weil ich die seltsamen Verrenkungen, die hier seit neuestem angestellt werden, um die Sprache als Alibimäntelchen über jede Art der vorstellbaren Diskriminierung zu legen, ja schon extrem spaßig finde. Als ob man Diskriminierung dadurch abschafft, dass man sie anders nennt. Ich weiß noch wie Du Dich über das "Jobcenter" lustig gemacht hast, das ab irgendwann nicht mehr Sozialamt hieß und "Stütze" auszahlte, sondern Hartz4 Unterstützungsleistungen anbot. Die Realität hat sich erwartungsgemäß dadurch natürlich nicht verändert, es entstanden nur noch mehr neue Wörter, und ob Menschen weniger diskriminiert werden, weil sie jetzt "Hartzer" heißen oder "hartzen", wenn sie nicht arbeiten, könnten die schlauen Sprachveränderer ja mal untersuchen, aber das könnte zu einem Ergebnis führen, dass Teile unser intellektuellen Sprachförderungselite verunsichern könnte, deshalb lässt man das wohl besser.
Ich bin so sicher, dass Du Dir jeden Tag neue, hintertupfige Schmähungen gegen diese Rittery des gegenderten Unperfekts ausdenken würdest, dass es wirklich ganz arg schade ist, dass hierzu nicht mehr genug Zeit blieb. In Hermes Phettberg hattest Du ja schon lange einen Bruder im Geiste gefunden, seine Sprachvariante wird jetzt allerdings wirklich grade ernsthaft als seriös diskutiert, stell Dir das vor, soweit ist es mit der Sprache in diesem Land gekommen. Obwohl, von allen Varianten, die nicht nur diskutiert, sondern offiziell von obersten Stellen verwendet werden, finde ich die Zuschauy-Lösung tatsächlich noch am angenehmsten, sie ist wenigstens niedlich.
2.500 Tage, das sind fast 30% der Zeit, die Du ein aktiver Teil meines Lebens warst, und trotzdem fühlt es sich immer noch an wie vorgestern, ich schätze, Du taugst einfach nicht zum Vergessen und darum bin ich sehr, sehr froh.
Wir haben so viel gemeinsam erlebt und auch überlebt, da waren schon einige heiße Situationen bei, aber am Ende ging alles immer gut aus und wir hatten wieder eine Story mehr für unsere Katastrophengeschichten. Vielleicht ist das ja der Grund, weshalb ich tief innen drin immer noch fest davon überzeugt bin, dass Du gar nicht ganz verschwunden bist aus dieser Welt. Vielleicht bist Du aber auch nur vorgegangen, wartest jetzt irgendwo und rufst in regelmäßigen Abständen meinen Namen, so wie Du es eigentlich immer getan hast, wenn ich nicht im selben Raum war wie Du.
Grade heute habe ich K noch die Geschichte mit dem Müllwagen erzählt, erinnerst Du Dich?
Hier auf Borkum wurde heute nämlich auch der Müll abgeholt und weil als erstes die Müllmänner für die gelben Säcke kamen und die Abdeckplane nicht wieder ordentlich über den schwarzen Müllsack gezogen haben, hat es natürlich prompt eine Möwe geschafft, den Sack aufzupicken und Teile des Inhalts über die Straße zu verteilen, bevor auch dieser Sack vom nachfolgenden Müllwagen eingesammelt wurde. Als ich die Plane reinholte sah ich die Bescherung, machte die Straße wieder sauber und erzählte K, was passiert war, was er mit: "Ja, als ich heute Morgen aus dem Fenster sah, habe ich gesehen, dass die gelben Säcke weg waren und die Plane nicht mehr ordentlich drüber lag." kommentierte, was wiederum mich zu einer sehr erbosten Antwort brachte, denn wenn er gesehen hat, dass die Plane nicht mehr richtig liegt, dann hätte er natürlich sofort hingehen müssen und sie wieder gradeziehen, man weiß doch, was passiert, wenn die Müllsäcke nicht abgedeckt sind. Er sagte dazu aber nur, das wäre nicht gegangen, weil er nur einen Morgenmantel anhatte und damit nicht auf die Straße gehen wollte.
An dieser Stelle zeigte sich der Unterschied zwischen einem Westfalen und einem Wiener, denn natürlich fiel mir dazu die Geschichte ein, wie Du einst barfuß und mit wehendem Morgenmantel, in jeder Hand eine Mülltonne hinter Dir herziehend hinter dem Müllwagen herjagtest, weil Du natürlich trotz von mir mehrfach abgefragter und von Dir bestätigter Zusage die Mülltonnen nicht rechtzeitig an die Straße gestellt hattest. Als Du das Müllauto draußen klappern hörtest, fiel es Dir aber siedendheiß ein und bei der Wahl zwischen barfuß und im Morgenmantel die Mülltonnen dem Müllwagen nachzubringen oder meinem vorhersehbaren Wutanfall, wenn die Tonnen nicht geleert worden wären, hast Du Dich klugerweise für die Rettung der Mülltonnenleerung entschieden. Zur Freude aller Nachbar(inne)n ging Dir bei dem Sprint mit den Mülltonnen aber auch noch der Gürtel des Morgenmantels auf.
Es muss ein wunderbares Bild gewesen sein, wie der Herr Wirtschaftsprüfer barfuß, mit wehenden Morgenmantelrockschößen und einem frei schwingenden Schniedel mit zwei Mülltonnen im Schlepptau einmal fast die gesamte Straße langgerannt ist. Ich habe die Geschichte am Abend natürlich brühwarm von der Nachbarin erfahren, aber die Mülltonnen waren geleert. Prioritäten, so wichtig.
Ach CW, zweitausendfünfhundert Tage, das ist eigentlich schon ganz schön lange, aber in meinem Leben bist Du präsent wie eh und je. In diesem Sinne, auf die nächsten zweitausendfünfhundert
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Eintausendsechshundert Tage sind umgerechnet rund 8.000 Bürostunden, die ich seitdem weiter in dieser Welt verbracht habe und ja, mein Verständnis für deinen Widerwillen, deine Interesselosigkeit und deine Verzweiflung ob dieser maßlosen Entropie des Schwachsinns, wie du es nanntest, ist seitdem um mindestens 8.000 Stunden gereift.
Aufgrund des Durcheinanders, das du hinterlassen hast, waren allerdings bisher mindestens noch 1.000 zusätzliche Bürostunden notwendig, um wenigstens die gröbsten Dinge zu regeln und gradezuziehen, aber so langsam lichtet sich das Gestrüpp und rein über Verjährung fallen im Laufe des nächsten Jahres (mit Glück) noch ein paar Baustellen weg. Drück mal die Daumen.
Sehr fasziniert war ich von dem Verhalten einiger deiner "Freunde" nach deinem Abgang, denn wie auch immer du diese Beziehungen gesehen hast, knapp warst du weg, sahen diese Freunde nur noch ihren eigenen Vorteil und versuchten mit sehr viel Energie und Hinterlist so viel wie möglich von dem scheinbaren Kuchen, den du hinterlassen hast, an sich zu raffen. Obwohl, im Grunde sind sie nur ihrem Charakter treu geblieben, sie hatten schon immer etwas blutsaugerhaftes, aber wahrscheinlich hat dich genau das an diesen Freundschaften gereizt, CW der Vampirbändiger, ich glaube, du hast dir in dieser Rolle sehr gefallen.
Dein Lieblingsfreund Peter M. zB hat gleich eine ganze Armada an Anwälten aufgefahren, weil er der festen Überzeugung war, du hättest ihm ein regenbogenpupsendes Einhorn als Erbteil versprochen, was er dann bei mir einklagen wollte.
Das war einerseits zwar sehr niedlich, andererseits aber auch sehr zeitintensiv und nervtötend, weil er immer neue Anwälte und neue Klageideen fand, mit denen ich mich jedesmal beschäftigen musste und auch, wenn er bisher mit jedem Versuch gescheitert ist, so weiß doch niemand, was ihm noch alles einfällt, und naja, preiswert ist so ein Unsinn auch nicht, du kannst es dir denken.
Dein Spezi Arnold B. hat dagegen nichts mehr von sich hören lassen. Gleich nach deinem Tod, noch vor der Beerdigung hat er versucht, sich den Schlüssel zu deiner Wohnung zu besorgen, weil er "seine" Sachen dort abholen wollte, das habe ich zum Glück rechtzeitig genug mitbekommen, so dass dieser Versuch ins Leere ging, aber geärgert hat es mich durchaus.
Das, was von deinem Nachlass hauptsächlich übrig geblieben ist, ist Ärger - und Müll.
Ich habe ja immer gesagt, dass ich dein Geld nicht will, aber nach dem ich einen groben Überblick über das von dir nicht verbrauchte oder verschenkte Vermögen hatte, bin ich mittlerweile zufrieden, dass es wenigstens für die Müllentsorgung reichte. Das Haus in Mönchengladbach ist jetzt leer, hat knapp 30 K gekostet, professionelle Entrümpeler sind teuer.
Es ist schrecklich, dass es so enden musste, aber was hätte ich sonst mit all dem Zeug anfangen sollen? Du hast immer gemeint, der Kram wäre wertvoll und man könnte zig Tausende bekommen, wenn man es verkauft. Mag sein, aber dann hätte man jemanden finden müssen, der es kauft und das ist mir vier Jahre lang nicht gelungen. Deshalb habe ich jetzt umgekehrt Geld dafür bezahlt, dass jemand einfach alles entsorgt.
Weißt du wie viel Arbeit das ist, Dinge zu verkaufen? Und weißt du, wie ätzend ich es finde, Dinge zu verkaufen?
Ich habe viele, viele Stunden damit verbracht, dein verlassenes Firmendurcheinander aufzuräumen, die meisten Firmen habe ich in die Insolvenz geschickt (auch das ist nicht mal eben so und ohne Aufwand möglich), zwei habe ich gerettet und hoffe, dass ich dort eine geordnete Liquidation abwickeln kann, aber auch das bedeutet ja wieder, dass Dinge verkauft werden müssen. Und nein, keine deiner Firmen hat nennenswertes Vermögen abgeworfen.
Ich finde es schrecklich, mit Leuten darum zu feilschen, was wie viel wert ist und wer wie viel wofür bezahlt. Verkäufer ist wirklich der letzte, der allerallerletzte Job für mich.
Ich habe für mich gelernt, dass ich beginnen muss, eine Übersicht, oder besser noch, ein Handbuch für die Kinder zu erstellen, in dem alles erklärt und vorgeschlagen wird, was zu tun ist, wenn ich nicht mehr da bin.
Und ich sollte jetzt schon mal mit Wegwerfen und Aussortieren beginnen. Denn ich habe festgestellt, dass auch die Kinder Verkaufen ätzend finden.
Bei der Vorbereitung des Nachlasses geht es gar nicht darum, irgendwelche Werte zu sichern oder irgendeinen Streit um den Nachlass zu vermeiden, es geht um die Entscheidung des Wegwerfens, denn für diejenigen, die zurückbleiben, ist das Wegwerfen der zurückgelassenen Dinge viel belastender als für denjenigen, der die Dinge selber für sich gekauft und zusammengetragen hat.
Ich bin im Sommer ein letztes Mal durch die Hallen in Mönchengladbach gelaufen und es war schrecklich. Es war einfach schrecklich anzusehen, in welchem Zustand sich die Dinge befanden, die du so gemocht und so eifrig gesammelt hast. In das Gebäude ist mehrfach eingebrochen worden, weil die Leute wahrscheinlich dachten, es gäbe was Tolles zu klauen - gab es aber nicht, denn es waren ja nur die Dinge da, die du hinterlassen hast und die auch nach deinem Tod niemand haben wollte. Weil sich die Einbrecher dann darüber geärgert haben, dass sie dort nur alte Bücher, ein paar Möbel, Klamotten, Geschirr und ohne Ende Flohmarktkrimskrams fanden, haben sie dort alles verwüstet, Schränke samt Inhalt kurz und klein geschlagen, alles auf dem Boden verteilt, die Wände aufgehackt und die Kupferrohre geklaut. Mit den Büchern haben sie dann immer wieder ein Feuerchen gemacht, wahrscheinlich weil sie es lustig fanden.
Irgendjemand hat das Klavier angezündet, das wird wenigstens richtig gut gebrannt haben, das Holz war immerhin gut 80 Jahre alt. Aber die Feuerwehr fand das verständlicherweise nicht lustig, jedes Mal mussten die Einsätze bezahlt werden, deshalb habe ich das Gebäude nun rigoros leerräumen lassen, jetzt gibt es nichts mehr zum Anzünden.
Als ich so durch die Räume wanderte, entdeckte ich überall noch einzelne Gegenstände, die in all dem Schutt, der den Boden bedeckte, noch zu erkennen waren und jedes Teil erzählte eine Geschichte. Eine Geschichte von dir, oft auch eine Geschichte von uns, die aber stets in verlassener Einsamkeit endete. Zurück blieben verlassene Gegenstände, die niemand mehr wollte.
Das alte Holz-Kinderbett war noch da, ich habe es vor über 26 Jahren bei meinen Großeltern auf dem Dachboden gefunden, die haben es nach dem Krieg wohl als Gästekinderbett benutzt und auch damals wird es nicht neu angeschafft worden sein. So viele Jahrzehnte hatte es überlebt, jetzt gab es endgültig niemanden, der es noch haben wollte.
Auch viele alte Bilder standen noch rum, die meisten mit zerbrochenen Glasscheiben, aber jedes hat eine eigene Geschichte und du wurdest nie müde, sie auch zu jedem Bild regelmäßig, meist mit eigenen, phantasievollen Ausschmückungen erweitert, mit Begeisterung zu erzählen.
Und ein Martiniglas habe ich gefunden. Ich weiß noch, wie wir uns darum gestritten haben, wer das Set mit den alten Martinigläsern auf dem Flohmarkt als erster gesehen hat und wer es deshalb kaufen durfte bzw. wem es gehört.
Als ich auszog habe ich dir die Martinigläser da gelassen, ich hatte ja schon genug schlechtes Gewissen, dass ich überhaupt auszog, da konnte ich nicht auch noch die Martinigläser mitnehmen. Jetzt sind sie alle kaputt, nur ein einzelnes lag noch unbeschädigt im Schutt, ich habe es nun nach Borkum gebracht.
1600 Tage, fast viereinhalb Jahre und doch gibt es Tage, da bist du so präsent, dass ich fast damit rechne, dass gleich die Tür aufgeht und du schimpfend den Raum betrittst, weil dich niemand vom Bahnhof abgeholt hat.
Und natürlich gibt es immer noch Tage, an denen ich dein Fehlen schmerzlich bemerke.
Du warst der beste Streitpartner, den ich je hatte und auch wenn das Leben mit K. leichter und deutlich weniger chaotisch ist, streiten kann ich mich mit ihm nicht vernünftig, und ja, ich nehme dir wirklich übel, dass du dich einfach so verdrückt hast und ich dir nicht mehr beweisen kann, mit wie vielen Vorhersagen ich absolut recht behalten habe.
Und es ist schade, dass du nicht mehr siehst, was aus deinen Kindern geworden ist. Verdammt, was wärst du stolz auf sie, alle drei, und ja, auch J, das Dramakind hat sich gemacht. Ausgerechnet J hat das beste Abitur von allen hingelegt, ich bin so neugierig, mit welchen Worten du diese Leistung als nichtige Kleinigkeit abgetan hättest, um innerlich vor Stolz zu platzen und überall mit ihm anzugeben.
Und dann habe ich noch diesen Satz gefunden, diesen einen Satz, der dich so perfekt beschreibt, obwohl ihn jemand anderes über jemand anderen geschrieben hat. Aber vielleicht meinte er ja doch dich, wer weiß? Er schrieb:
Mir erschien er wie ein trotzköpfiger Chaot, der sein Chaos schlitzohrig als Kunst tarnt.
Quelle
Du und deine Kunst, tatsächlich und in echt nur Chaos, es hat aber Spaß gemacht. Auf uns und auf die nächsten 1600 Tage.
Und danke für den Fisch
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Ich glaube, ihm ist das ganz recht, dass er da nicht mehr dabei sein muss, altwerden war etwas, was er kategorisch abgelehnt hat.
Mochte der Rest der Welt um ihn herum alt werden, er nicht, er verweigerte das einfach ab, denn er fand alte Leute schrecklich.
Als er zum „40 Jahre Abi“ Treffen seines Abschlussjahrgangs ging (das goldene Abitur hat er nicht mehr erlebt), kam er anschließend sehr frustriert und ziemlich angenervt nach Hause: „Da waren nur alte Männer, es war gräßlich.“
Es gibt diesen Spruch:
Mit 50 bemerkt man die ersten Aussetzer.
Mit 60 bemerken es auch die anderen.
Mit 70 bemerken es nur noch die anderen.
Ich bin aktuell in einem Alter, wo ich meine eigenen Aussetzer sehr wohl bemerke und immer hoffe, dass ich sie noch so gut vertuschen kann, dass die anderen es noch nicht merken, aber ich weiß, dass das nicht ewig gut gehen wird und die Vorstellung, irgendwann in gar nicht zu weiter Ferne zu den Menschen zu gehören, zu denen auch ich nie gehören wollte, macht mir durchaus Angst.
Und dann beneide ich CW ein wenig, denn das Problem hat er geschickt vermieden
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Wir haben uns schließlich darauf geeinigt, dass wir Kartoffelbrei mit Bordelaisefisch und Gurkensalat machen - und einen großen Topf voll Piña Colada mixen, weil ich noch eine frische Ananas im Haus hatte und ausreichend Kokosmilch in Dosen, das muss ja schließlich auch mal weg. K. bekam drei große Gläser voll, er fand, es war ein gelungens Fest.
Bei Facebook gibt es natürlich immer noch die unverbesserlichen, pflichtgetreuen Geburtstagsgratulierer. Ich bin mal gespannt, wann es der letzte gemerkt hat, dass CW schon seit 2014 nicht mehr da ist.
***
C. schrieb auf ihrem Handy mit irgendjemandem und fragte mich plötzlich: "Sag mal, mit so ganz frischen Babys, was macht man mit denen? Ich meine, kann man die streicheln?"
Ihre Freundin kennt wohl eine Familie, wo demnächst ein Baby erwartet wird und freut sich schon darauf, dass sie es dann auch mal streicheln kann. C. war sich nicht ganz sicher, ob man Babys so streichelt wie junge Hunde, weshalb sie nachfragte.
Ich muss gestehen, dass ich es auch nicht weiß - ich habe in meinem ganzen Leben noch nie ein Baby angefasst, was nicht meines war - und meine habe ich rumgetragen, gedrückt, geknuddelt, geküsst, gepustet, gekitzelt, geschaukelt, gewickelt, gewaschen, gefüttert und an- und ausgezogen - aber gestreichelt? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich sie gestreichelt habe, dafür waren sie dann vielleicht doch zu wenig Hund.
Ich habe ihr deshalb gesagt, dass man Babys nicht streichelt, sondern auf den Arm nimmt - das hat sie aber sofort energisch abgelehnt. Das käme auf keinen Fall in Frage, ein fremdes Baby kann man doch nicht auf den Arm nehmen, was wäre denn, wenn man das fallen lässt, also nein, auf den Arm nehmen auf keinen Fall, aber ein wenig das Köpfchen streicheln, das wäre doch bestimmt nett. Babys sind doch sicher ganz weich und flauschig.
Ich bin mal gespannt, wie die Geschichte weiter geht
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1061 x anjeklickt (5 mal hat hier schon jemand geantwortet) ... ¿selber was sagen?
Im Moment eskaliert hier mal wieder das Drama um CWs vermurkste Vertragshinterlassenschaften. Ich finde das alles so schrecklich, dass ich komplett dicht gemacht habe. Die sonstigen beteiligten Personen setzen aus meiner Sicht komplett falsche Prioritäten und sehen Risiken, die ich einfach nicht nachvollziehen kann, was nicht wirklich zur Stimmungsverbesserung beiträgt.
Sagte ich schon, dass ich Anwälte, die ständig nur Probleme und Risiken sehen, entsetzlich lästig finde?
Oh CW, nimm es mir nicht übel, aber ich glaube, ich habe nicht die Kraft, nachhaltig mit so vielen Leuten umzugehen, die die wesentlichen Fakten nicht begreifen und ständig Probleme lösen wollen, die völlig uninteressant sind. Es tut mir echt leid, aber ich fürchte, das fährt hier grade alles gegen die Wand und ich kneife nur noch fest die Augen zusammen und halte mir die Ohren zu, damit ich den großen Knall nicht mitbekomme
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812 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt) ... ¿selber was sagen?
Und ja, natürlich hast Du recht, dass dieser Jahrestag im Grunde auch wieder ein Anschubser von Dir ist und ich mich zwischendurch lange nicht gemeldet habe, aber es ist tatsächlich so, dass ich froh darüber bin, dass ich es immer mehr als Normalität empfinde, dass Du nicht mehr da bist.
Denn weißt Du, die erste Zeit war echt richtig oberblöd. Ich bin durch die Gegend gelaufen und bin Dir jeden Tag siebzehnmal begegnet. So oft, wie ich in den ersten Wochen täglich in Gedanken darüber gestolpert bin, dass ich mit Dir reden wollte, Dir Dinge erzählen, zeigen oder schenken wollte, Dich Sachen fragen wollte, das Gefühl hatte, ohne Deinen Rat komme ich gar nicht weiter, so oft wie Du mir in den ersten Wochen täglich gefehlt hast, so oft habe ich in den Jahren zuvor noch nicht mal in einem Monat mit Dir Kontakt gehabt.
Es war so wie mit dem Rauchen aufzuhören. Bevor ich aufgehört habe zu rauchen, habe ich vielleicht noch drei-fünf Zigaretten täglich geraucht, als ich aufgehört habe, habe ich jeden Tag mindestens vierzig Zigaretten nicht geraucht. Inzwischen denke ich vielleicht nur noch einmal im Monat daran, wie es wäre eine Zigarette zu rauchen - aufhören wird das nie, aber so ist es einigermaßen erträglich.
Ich hätte nie, nie nie gedacht, dass Du mir so entsetzlich fehlen wirst, wie Du mir dann tatsächlich gefehlt hast. Du warst so sehr ein Teil meines Lebens, dass es mir sogar gefehlt hat, dass ich mich nicht mehr mit Dir streiten konnte.
Die ersten Wochen habe ich dann hauptsächlich versucht zu funktionieren. Vieles habe ich auf Krischan abgeschoben, der mir immer wieder das Gefühl gegeben hat, wir schaffen das schon irgendwie.
Und wir haben das ja auch geschafft bisher. Es ist immer noch lange nicht alles erledigt, aufgearbeitet und neu organisiert, aber so nach und nach flackert da immer häufiger ein Licht am Ende des Tunnels.
Das meiste ist wahrscheinlich nicht so geworden, wie Du Dir das vorgestellt hast - andererseits hattest Du aber auch ein paar Dinge in der Vergangenheit so verbockt und völlig verkehrt beurteilt, dass da wirklich nichts mehr zu retten war. Wenn ich mir die Dinge ansehe, die so völlig daneben gegangen sind, kannst Du echt froh sein, dass Du tot bist und Dich nicht mehr darüber ärgern musst. Ich glaube, sonst wärst Du spätestens an dem Schock gestorben, wenn Dir klar geworden wäre, was Du für grandiose Fehler gemacht hast.
Ich habe da echt nicht mit gerechnet. dass Du solche großen, unheilbaren Fehler machst, aber letzten Endes ist es dann auch wieder nur Geld und dann gönne es halt Herrn B. und Herrn G., die sich den größten Teil dadurch einstecken konnten, dass Du vergessen hast, die Satzungen rechtzeitig zu ändern.
Alles in allem komme ich aber inzwischen gut zurecht und freue mich über die Dinge, die gut klappen.
Den Kindern geht es auch gut, J. ist wohl derjenige, der im Moment am meisten damit hadert, dass Du nicht mehr da bist. Ihr hattet eine große Deutschlandrundreise geplant, wenn er 18 ist und Dich chauffieren kann? Er wird nächsten Monat 18 und ich kann Dich in diesem Punkt nicht ersetzen.
Er sagte, er stellte es sich so deutlich vor: "Wir fahren dann jeden Tag in eine neue Stadt, Papa sagt dort irgendwelche Papasachen, wir besichtigen Museen und Kirchen und Dinge, die mich alle nicht interessieren und es wäre einfach toll gewesen."
Aber immerhin siehst Du daran, dass Du natürlich permanent da bist. Quietschlebendig, nicht nur in meinen, sondern auch in den Gedanken Deiner Kinder - und ich denke, genau so hast Du Dir das auch vorgestellt , oder?
Deshalb reicht es, wenn ich Dir nur an dem von Dir verursachten Jahrestag eine Rückmeldung schicke, ansonsten streiten wir uns mit Dir in unserem Alltag genauso , wie wir es schon immer getan haben, warum sollte sich daran etwas ändern?
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CWs reizender Türke, den er sich als persönliche Leibwache ins Haus geholt hatte, weigert sich jetzt, aus der Wohnung auszuziehen, weil er selbstverständlich etwas vergleichbar Großes zu vergleichbaren Konditionen nirgendswo mehr bekommen wird. Nur leider ist er der letzte Bewohner in der Gesamtimmobilie, die ich abreißen lassen möchte, weil ich das Grundstück nur als Baugrund verkaufen kann und habe deshalb ausgesprochen wenig Neigung, die laufenden Kosten für diesen Riesenkasten weiterzubezahlen, die um ein Vielfaches höher sind als die Miete, die diese eine Familie zahlt. Wir streiten uns also vor Gericht und um seinen Aussagen ("Isch mache disch platt, wenn du hier weiter Ärger machst") gebührend Ausdruck zu verleihen, ist er in CWs (und meine) ehemalige Wohnung eingestiegen (die auch noch nicht ganz ausgeräumt war, eben weil ich ja noch nicht abreißen kann) und hat dort alles ausgiebig verwüstet.
Vor die Tür hat er außerdem demonstrativ eine tote, schwarze Katze gelegt, die dort nun langsam verwest und gewaltig stinkt.
Bei manchen Leuten fragt man sich echt, was in deren Köpfen so vorgeht
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