anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Donnerstag, 20. Februar 2025
Wie wäre es mit einer Änderung im Krankenversicherungsystem?
Ein Tag komplett ohne Termine, wir standen dementsprechend erst spät auf, weil das Gefühl, dass der Tag ja noch unendlich viel Zeit für alles bietet, uns regelmäßig in einen Zustand maximal gechillter Lotterei versetzt.

Wie so oft mit Gefühlen trügt das natürlich, wenn man nicht scharf aufpasst, ist der Tag plötzlich um und man steht staunend vor all den Dingen, die man nicht getan hat und fragt sich, wo die Zeit geblieben ist.

Als ich heute meinen PC einschaltete, blieben die Bildschirme dunkel, ein Phänomen, was häufiger auftritt und heute ist mir der Geduldsfaden gerissen.

Ich habe meinen Laptop über eine Dockingstation mit zwei Bildschirmen verbunden, der Laptop selber müsste eigentlich gar nicht aufgeklappt werden, sondern sollte sich über die Dockingstation einschalten lassen und dann alles über die beiden angeschlossenen Bildschirme anzeigen. Sollte so sein, in 7 von 10 Fällen zickt aber mindestens einer der beiden Bildschirme, heute zickten beide, dann zickte ich und klemmte alles ab.

Einen Bildschirm und die Dockingstation habe ich jetzt ins Gästezimmer geräumt, den Laptop auf eine Doppelschubladenbox (erhöhter Stand) gestellt, aufgeklappt, mit dem verbliebenen Bildschirm verkabelt und jetzt läuft hoffentlich alles ohne weitere Zickereien.
Der Laptop-eigene Bildschirm ist jetzt eben mein zweiter Bildschirm und weil ich bei der Konfiguration des Rechners darauf geachtet habe, dass er ausreichend Anschlussstellen hat, brauche ich diese Dockingstation gar nicht unbedingt.
Weil ich außerdem den Rechner nicht mehr in der Gegend rumschleppe ist es überhaupt kein Problem, ihn aufwändig direkt zu verkabeln, das bleibt jegtzt so und fertig.

Sieht zwar nicht mehr so hübsch aus, aber form follows function, wenn es jetzt funktioniert bin ich komplett zufrieden.

Anschließend habe ich dann eine Zeitlang am PC gesessen, E-Mails beantwortet, pro aktiv selber welcher verschickt, Dateien abgelegt, Papierpost eingescannt, Rechnungen bezahlt und bei Krankenkasse und Beihilfe eingereicht, Buchhaltung gemacht und mich mal wieder über das total ungerechte Krankenkassensystem in Deutschland geärgert.

Wenn ich bestimmen dürfte, dann würde ich die Privatversicherung abschaffen, alle Menschen wären einheitlich in gesetzlichen Krankenkassen versichert (auch die Beamten!!!!) und wer will, kann sich für Zusatzleistungen zusatzversichern, ist aber nur ein add-on und nicht für die Grundleistungen notwendig.

Dann würde die total ungerechte Zweiklassengesellschaft bei ärztlichen Behandlungen im Wesentlichen wegfallen, alle müssten für Termine gleich lang warten (oder auch nicht) und bekämen auch die gleiche Leistung.

Was ich auch abschaffen würde, wäre dieses völlig verquere System der Kassensitzzulassungen samt ihrer seltsamen Budgetierungen. Ich verstehe nicht, warum nicht jeder approbierte Mediziner sich einfach wo er will als Arzt niederlassen kann, um Patienten zu behandeln. Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten und Tierärzte können das doch auch.
Okay, ein Arzt kann das auch, aber dann nur für Privatpatienten.

Ich habe schon verschiedene Ärzte gefragt, wo der Sinn dieser Kassenzulassungen ist, wirklich erklären konnte es mir bisher noch keiner. Angeblich will man damit verhindern, dass sich zuviele Ärzte an einer Stelle knubbeln und an anderen Stellen gibt es dann gar keine. Die Idee mag ja sinnvoll sein, aber könnte man das nicht viel einfacher über ein finanziell abgestuftes Zulassungssystem regeln?
Für die Mindestzahl an notwendigen Zulassungen pro Gemeinde können sich Ärzte bewerben und bekommen eine 100% Zulassung. Wenn es genug Ärzte an einer Stelle gibt, dann könnten sich durchaus noch weitere Ärzte daneben niederlassen, aber die bekommen dann eben nur eine 80%-Zulassung, d.h. die bekommen einfach weniger Geld für dieselbe Arbeit. Wenn sie das ungerecht finden, können sie ja aufs Land gehen, wo es noch freie 100%-Zulassungen gibt, ist ja keiner gezwungen, die überzähligen, schlechter bezahlten Zulassungssitze zu nehmen. Dass Personen auf dem Land und in der Stadt für dieselbe Arbeit unterschiedlich bezahlt werden, ist ganz normal, ich sehe darin also überhaupt kein Problem und ich bin sicher, so würde sich das ganz von alleine selbständig einregulieren, mit der Ärzteverteilung.

Aber vielleicht wäre das auch alles viel zu einfach und nicht im Sinne derer, die jetzt schon einen der wertvollen Kassensitze haben und den natürlich nicht für umsonst hergeben möchten.

Und es wäre nicht im Sinne der Beamten, denn die sind einfach so, weil es schon immer so war, Privatpatienten und genießen eine Sonderluxusspezialbevorzugungsbehandlung bei Ärzten, dass jeder, der sonst nur das normale Kassensystem kennt, nur staunen kann
.

103 x anjeklickt (2 mal hat hier schon jemand geantwortet)   ... ¿selber was sagen?


Sonntag, 19. Januar 2025
Alterseinkünfte, Drucker, Rente und Risiken
Als wichtigen Punkt, der auf der dringend zu erledigenden to-do-Liste recht weit oben stand, habe ich heute die Indexanpassung/Mieterhöhung für die Gewerbeimmobilie in Velbert final fertiggestellt, ausgedruckt und als Einwurf-Einschreiben frankiert in den Briefkasten geworfen.

K hatte das Schreiben samt Berechnung schon vorbereitet, allerdings ist der Verbraucherpreisindex für Dezember erst seit dem 16.1.2025 veröffentlicht, vorher hätten wir es also gar nicht abschicken können. Ich habe heute noch mal die Berechnung kontrolliert, einen Rundungsfehler korrigiert, den Text etwas angepasst und mich um die Technik des Versendens gekümmert.

Es ging damit los, dass ich die passende Frankierung finden, kaufen und aufkleben musste, was wiederum bedeutet, dass erst alles ausgedruckt sein musste, um durch Wiegen festzustellen, dass es mit 23g genau kein normaler Standardbrief mehr sein wird und ich deshalb eine andere Portokategorie auswählen muss.

Mitten beim Ausdrucken meldete der Drucker Tonernotstand und verlangte nach einer neuen Tonerkartouche in Gelb. Ich habe natürlich welche auf Vorrat hier liegen, trotzdem passiert das so selten, dass ich erst mal im Internet nachschauen musste, wie genau bei diesem Drucker jetzt der Toner zu wechseln ist. In dem Zusammenhang habe ich auch gleich den Füllstand der anderen Farben überprüft, heute verlangte der Drucker nämlich zunächst mal nur den Ersatz von Yellow.

Magenta und Cyan sind ziemlich niedrig, aber die beiden habe ich auch noch vorrätig, nur schwarz fehlt im Vorrat, da ist die Kartouche im Drucker auch nur noch 1/3 voll. Eine gute Gelegenheit, um sich mit der Nachbeschaffung von Toner zu beschäftigen.
Ich habe mehrfach mit Nachmacherprodukten schlechte Erfahrungen gemacht, deshalb bin ich da jetzt sehr vorsichtig geworden, die Original-Toner kosten aber auch original doppelt soviel und ich kann mich mal wieder nicht entscheiden.
Dann habe ich entdeckt, dass jemand anderthalb Multipack Original-Toner bei Ebay verkauft, weil er das Druckermodell gewechselt hat und den bisherigen Toner nicht mehr braucht. Da läuft die Auktion am Dienstag um 6.45h aus. Eventuell bin ich bekloppt genug, mir dafür einen Wecker zu stellen...

Am Abend haben wir den ausgedruckten und passend frankierten Brief sogar noch zu einem Briefkasten gebracht, der morgen früh geleert wird.
Diesen Punkt jetzt vollständig erledigt zu haben ist ein sehr gutes Gefühl.

Die Mieteinnahmen aus den Immobilien sind ein wichtiger Baustein meiner Alterseinkünfte und im Unterschied zur Rente, die sich sozusagen "von alleine" erhöht, muss ich mich hier selber um eine Anpassung kümmern. Die Indexierung der Mieten ist zwar vertraglich vereinbart, aber sie erfolgt natürlich nur, wenn der Vermieter sie auch anfordert.

Dass das Thema Rente grade jetzt im Wahlkampf mal wieder heiß diskutiert wird, ist normal, aber diesmal gibt es doch verstärkt fachlich gut recherchierte Sachbeiträge, wo die wahren Probleme für die Sicherheit der künftigen Rentner liegen. Das ZDF hatte dazu eine Dokumentation, die mir sehr gefallen hat, weil sie endlich mal genau das auf den Punkt bringt, was ich schon vor über 30 Jahren gesagt habe: Das kann rechnerisch alles einfach nicht funktionieren.

Ich habe ja vor vielen, vielen Jahren mal BWL studiert und da habe ich unter anderem auch einen Zusatzschein "Rente", also Rentenberechnung und Rentenrecht, gemacht. Seit dem war mir klar, dass es extrem naiv ist, sich nur auf seine gesetzliche Altersrente zu verlassen, denn es ließ sich damals schon ausrechnen, dass das Prinzip "Generationenvertrag" nicht zu halten sein wird, wenn die Alterspyramide kippt.

Ich habe also sehr früh begonnen, mich soweit es geht von der gesetzlichen Rente zu lösen und mich selber um meine persönliche Altersabsicherung zu kümmern. Ich konnte schon immer alles alleine ;-)
Der einfachste Weg führte aus meiner Sicht über Immobilien - und heute, 30 Jahre später, kann ich zu meiner Erleichterung feststellen, dass es funktioniert hat.
Mein Vorteil dabei war natürlich, dass ich zum einen selber eine entsprechende Menge Fachwissen hatte, was Finanzierung und steuerliche Gestaltung angeht und zum anderen hatte ich vor 30 Jahren noch CW an meiner Seite, dem es gelang, die passenden Immobilien auszusuchen und mit einer 100% Finanzierung bei den Banken zu platzieren. Das ist absolut keine Selbstverständlichkeit, das ist mir völlig klar, deshalb sage ich heute ja auch ständig, dass ich enorm viel Glück hatte.

Eine 100% Finanzierung bedeutet, dass man kein Eigenkapital einsetzt, sondern ausschließlich Bankkredite hat, die über die Mieterträge nach und nach zurückgezahlt werden. Am besten funktioniert das mit Gewerbeimmobilien, weil da die Mieten meist höher sind als bei Wohnimmobilien, dafür ist die vertragliche Gestaltung schwieriger und riskanter, weil Gewerbemieter eher schon mal Konkurs gehen als Wohnungsmieter.

Der Nachteil von Immobilien ist, dass die Verwaltung relativ viel Arbeit machen kann. K sagt immer, er findet Aktien viel angenehmer, die rufen nämlich nicht nachts an und melden einen Wasserrohrbruch, um den er sich kümmern muss.

Da es mir vor einiger Zeit gelungen ist, außer der Fabrik in Mönchengladbach auch zwei andere Immobilienbeteiligungen zu verkaufen, bin ich damit nicht nur eine sehr lästige Immobilie und eine Menge Risiko losgeworden, sondern konnte den Verkaufserlös auch noch zu einem sehr günstigen Zeitpunkt vollständig in Aktien investieren, die sich seitdem äußerst positiv entwickelt haben.

Schon wieder Glück gehabt und auch hier half mir wieder mein berufliches Fachwissen, denn seit 2010 habe ich mich beruflich immer mehr mit der Vermögensverwaltung von Stiftungen und NGO's beschäftigt, ich hatte also nicht nur das Fachwissen, sondern auch die passenden Kontakte in die Finanzwelt, um mir bei Fragen eine passende Unterstützung zu holen.

Ich werde häufiger mal gefragt, ob ich nicht anderen Menschen Tipps oder Ratschläge geben kann, wie sie Ihr Geld am besten anlegen und wie sie am besten Vorsorge fürs Alter treffen können.
Das ist etwas, was ich enorm ungerne mache, wenn es über die allgemeinen Grundlagen (=Einsatz des gesunden Menschenverstandes) hinausgeht, denn welche Anlagen sich nachher als Top und welche als Flop herausstellen - das ist leider sehr häufig reine Glückssache. Wie Pferderennwetten: Es mag helfen, wenn man sich genau in allen Abstammungslinien der Pferde, der Trainer und der Jockeys auskennt, aber eine Garantie ist es eben leider auch nicht.

Deswegen wiederhole ich so oft, dass ich vor allem Glück gehabt habe. Es hat funktioniert und das ist toll, es ist aber nicht beliebig replizierbar und es hätte auch gewaltig schief gehen können. Es gab durchaus Zeiten in meinem Leben wo ich schon begann, mich auf das worst case scenario einzurichten, aber dann drehte es sich doch wieder zum Positiven und es ging weiter.

Heute habe ich die allermeisten Risiken hinter mir gelassen, das ist ein sehr beruhigendes Gefühl und ich genieße es gewaltig.
Da ich einen Großteil meiner freien Liquidität dieses Jahr für den Hausbau in Rheda ausgeben werde, eliminiere ich damit sogar noch mehr Risiken, nämlich zum einen die weitere Entwicklung an den Börsen (wenn ich das Geld in Steine stecke, sind mir Börsenschwankungen egal) und zum anderen die Frage, wie Einkünfte aus Kapitalvermögen künftig versteuert werden, denn es wäre mehr als fair, sie endlich voll zu versteuern. Aber das trifft mich dann nicht mehr, weil ich dann ja gar keine (oder nur noch geringe) Einkünfte aus dieser Quelle habe. Die brauche ich dann aber auch nicht mehr, denn im Gegenzug spare ich die Miete, die ich jetzt in Greven bezahle.

Ich habe das mal ausgerechnet: Wenn ich 1 Millionen Euro habe und die sicher anlege, sagen wir zB in 10jährigen deutschen Bundesanleihen, dann bekomme ich aktuell dafür 2,5% Zinsen, also 25.000 Euro pro Jahr. Die muss ich aber noch versteuern. Im Moment ist der maximale Steuersatz dafür nur 26,375%, es kann gut sein, dass der demnächst voll auf den persönlichen Steuersatz übergeleitet wird, was ich wie gesagt absolut gut, richtig und fair fände, dann müsste ich dafür natürlich noch mehr als nur diese 26,375% Steuern bezahlen.
Aber rechnen wir nur mit dem aktuellen Steuersatz von 26,375%, dann bleiben mir von meinen 25.000 € Zinsen pro Jahr nur noch 18.400 € netto, also rund 1.500 € pro Monat. - Und das ist ziemlich genau die Miete, die ich nicht mehr bezahlen muss, wenn ich mir für die 1 Millionen ein Haus baue.

Ich finde, es kann keinen besseren Zeitpunkt geben, sein Geld auszugeben als grade jetzt
.

428 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Mittwoch, 8. Januar 2025
Filmtipps und Genderidentifikation
Heute habe ich vor allem zwei Filmempfehlungen, die ich jetzt sofort verlinke, bevor ich es wieder vergesse:

Vor ein paar Tagen zeigte das ZDF eine Dokumentation über Borkum im Winter, hier in der Mediathek zu finden.
Nicht unbedingt filmpreiswürdig, aber es gibt ein paar nette Bilder von Borkum.

Außerdem habe ich vor einiger Zeit schon den Film "Ungeschminkt" in der ARD-Mediathek angeschaut, den ich wirklich sehr empfehlen kann.
Adele Neuhauser spielt auf erfrischend geerdete und lebensnahe Art eine Transfrau, das Thema Transgender wird ohne (für mich) komplizierte Psychoverwicklungen und billige Klischees angenehm selbstverständlich umgesetzt, mir hat der Film sehr gefallen.

Das Thema Genderidentifikation fasziniert mich schon seit langem, weil es mir so vollständig egal ist. Ich meine, mir ist es wurscht, ob ich eine Frau oder ein Mann bin bzw. wofür mich andere Menschen halten oder wie sie mich lesen (kicher).

In meinem Ausweis steht "weiblich", weil das mein biologisches Geschlecht ist. Wenn da ab morgen "männlich" stände, wäre das auch okay, das ändert für mich nichts an dem, was ich bin. Ich bin Anje, fertig.

CW sagte immer, ich wäre ein Mann mit Gebärmutter und machte sich regelmäßig darüber lustig, dass weder mein Verhalten, noch meine Einstellungen und Empfindungen typisch weiblich sind und dass mich gleichzeitig diese als typisch weiblich beschriebenen Verhaltensmuster von anderen Frauen meist ratlos zurückließen. Warum sind die so umständlich und so nachgiebig?

Ich glaube, wenn ich ein Mann wäre, wäre ich schwul, weil ich mich üblicherweise mit Männern viel besser verstehe. Andererseits bin ich aber auch sehr zufrieden damit, dass ich offiziell eine Frau bin, ich habe dadurch deutlich mehr Vorteile in meinem Leben gehabt als wenn in meinem Pass "männlich" gestanden hätte.

Bei den Krautreportern gibt es einen Artikel von Emily Kossak, die meint "Männer können Frauen nicht lieben" und sie wundert sich, dass es überhaupt noch heterosexuelle Paare gibt und hat für sich die Folgerung getroffen, dass Frauen besser mit Frauen klarkommen.
Mich hat der Text sehr ratlos zurückgelassen, weil es mich einerseits fasziniert, warum so viele Frauen sich so viele Sachen einfach gefallen lassen und andererseits, weshalb man das als erstrebenswerte Eigenschaft betrachten sollte:

Zitat aus dem Artikel:
Warum aber macht die Heterosexualität so viele Frauen unglücklich? Naja, ihnen steht eine lästige Tradition namens Patriarchat im Weg. Patriarchat heißt, dass Männer auf allen Ebenen der Gesellschaft – Arbeit, Familie, Politik und auch Beziehungen – mehr Macht als Frauen haben. Und dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Deswegen übernehmen Frauen mehr Hausarbeit als Männer, haben weniger Spaß am Sex und sind meistens dafür verantwortlich, dass dabei nicht aus Versehen ein Kind entsteht.


Äh ja, mag ja sein, dass das vor 50 Jahren noch so war, aber inzwischen haben die Männer weder eine gesetzliche noch eine gesellschaftlich akzeptierte Handhabe mehr, dieses seltsame Patriarchat durchzusetzen. Weshalb sollte man sich dem also heute unterwerfen?
Ich gebe allerdings sofort zu, dass ich nur sehr ungern eine Frau gewesen wäre, wenn ich fünfzig Jahre älter wäre.

Aber heutzutage ist es (aus meiner Sicht) doch ganz einfach, diese zurückgebliebenen Dummbatzen, die sich vor allem über ihre dicken Eier definieren, genau so zu behandeln, wie trotzige Dreijährige, die sich bei Aldi heulend auf den Boden werfen und schreiend nach ihrer Kack-Mama treten, weil sie ihnen das gewünschte Eis verweigert.
Ich meine, die nimmt man doch sinnvollerweise einfach nur nicht ernst. Die haben ein Problem mit ihrer Realitätsvorstellung, aber damit müssen sie wohl selber klarkommen.

Wenn meine Kinder solche Anfälle in der Öffentlichkeit austoben mussten, bin ich meist einen Schritt zur Seite gegangen und habe recht laut gesagt: "Meine Güte, du bist aber schlecht erzogen. Bestell deiner Mama mal einen schönen Gruß von mir, die muss dringend zur Erziehungsberatung, dann musst du dich anschließend auch nicht mehr in Läden auf dem Boden rumwälzen."

Und Männer, die ihre Eier für einen Mercedes-Stern halten und sich einbilden, das garantiere ihnen eine eingebaute Vorfahrt, nun ja, denen geht man einfach aus dem Weg, das mache ich ja auch bei bissigen Hunden oder neurotischen Katzen.

Es gibt glücklicherweise ausreichend nicht gestörte Exemplare der jeweiligen Gattung, denn nur weil es Hunde oder Katzen gibt, die beißen oder kratzen, heißt das doch nicht, dass ich nicht mit einem Haustier gut zusammen leben kann - und nur weil es bekloppte Männer gibt, muss ich mich doch nicht sofort von allen Männern pauschal fern halten.

Ich habe noch nie verstanden, warum sich so viele Frauen so viel von Männern gefallen lassen - aber vielleicht bin ich ja auch gar keine richtige Frau, weil mir das Demutsgen fehlt. Und das Opfergen. Ich kann halt einfach immer alles alleine.

Andererseits bin ich aber auch kein richtiger Mann, weil ich es lächerlich finde, schwächere Menschen beherrschen zu wollen.

Mit mir stimmt also ganz offensichtlich etwas nicht, weil ich sowohl die typisch weibliche als auch die typische männliche Seite ziemlich dämlich finde. Meine Folgerung daraus: Mir ist es egal, wie andere mich sehen, ich bin eben Anje, eine nach außen gerichtete geschlechtliche Identifizierung, die für andere wichtig sein mag, hat für mich keine Bedeutung.

Und genau deshalb kann ich es nicht verstehen, warum Leute so große Unannehmlichkeiten auf sich nehmen, nur um einen nach außen gerichteten Geschlechtseintrag zu ändern.
Meine Suche, nach einer für mich nachvollziehbaren Erklärung treibt mich immer wieder dazu, mich mit dem Thema Genderidentifikation zu beschäftigen.

Meine Tochter, mit der ich mich auch darüber unterhalten habe, sagte, ich wäre "nonbinär", ich habe das bei Wikipedia nachgelesen und bin der Meinung, diese Bezeichnung trifft es auch nicht. Nonbinär ist alles mögliche, aber die Beschreibung, dass es jemandem schlicht egal ist, welcher Gendertypus er sein könnte, das kommt unter nonbinär auch nicht vor.

Am besten ist es, ich führe "Anje" als viertes Geschlecht ein, das wäre doch mal ein Vorhaben
.

526 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Freitag, 27. Dezember 2024
Konsumlimits
Ich habe meine Mitgliedschaft bei den Krautreportern vor allem wegen Gabriel Yoran und seiner Serie: "Die Verkrempelung der Welt." Selten fand ich Texte so wahr und richtig und so treffend und gut beschrieben.

Jetzt hat er den 10. und letzten Teil seiner Serie veröffentlicht und weil ich zahlendes Krautreportermitglied bin, darf ich den Link zu dem Artikel teilen.

Wie du dein wahres Selbst findest (koste es, was es wolle)

Yoran erklärt hier sehr schlüssig die Hintergründe unserer Konsumsucht und unserer Konsumgesellschaft.
Seitdem die Menschen überwiegend aufgehört haben, ein gottesfürchtiges Leben zu leben, brauchten sie ein neues Leitbild. Das Drama begann mit der sogenannten Aufklärung, also gegen Ende des 18. Jahrhunderts.

" Erst in der Folge der Aufklärung, die den Menschen sich selbst überließ, mussten moralische Ideale, da sie ja nun nicht mehr von einem Gott herabgereicht wurden, irgendwo anders herkommen: aus dem Menschen selbst. Diese Vorstellung entstand tatsächlich erst Ende des 18. Jahrhunderts. Bis dahin war ein gutes Leben ein moralisches Leben, und das meinte ein Gott wohlgefälliges."

Weil es jetzt also nicht mehr reichte, einfach ein bescheidenes, gottesfürchtiges Leben zu führen, was vor der Aufklärung den Sinn des Lebens und überhaupt alles erklärte, 42 sozusagen, brauchte es neue Werte und vor allem einen neuen Sinn.

Diese Werteverschiebung führte gradewegs an die Spitze der Maslow'schen Bedürfnispyramiden - wer heutzutage ein wahrhaft sinnerfülltes Leben führen will, muss sich selber verwirklichen. Nix mehr Gott, selbst ist der Mensch und um diese Einmaligkeit zu definieren, muss er natürlich auch Werte schaffen, die unmittelbar ihm persönlich zugeordnet werden, z.B. also seinen persönlichen Geschmack, seine Vorlieben und seine Abneigungen. Und wie zeigt man das treffender als durch individuellen Konsum? Eben.

Ich habe während ich den Artikel las, ständig zustimmend und teilweise auch verblüfft ob dieser simplen Erkenntnis vor mich hingenickt. Ja, die zwanghafte Suche nach und Zurschaustellung der eigenen Persönlichkeit beschreibt die Menschen unserer heutigen Geselllschaft sehr treffend - und sehr gruselig.

Die Menschen sind heute nicht mehr davon abhängig, einem unsichtbaren, allmächtigen Gott zu gefallen, sondern sie müssen heute ihrem sozialen Umfeld gefallen.
Wie schrecklich ist das denn, bitte schön?

Und weil das ungleich komplizierter ist als einfach nur ein einfaches, gottesfürchtiges Leben, bei dem man die Regeln genau kennt und wenn man die befolgt ist alles gut, nein, heutzutage weiß man ja gar nicht so genau, wie und auf welche Art man leben und seine eigene Authentizität entwickeln soll. Und weil das alles so viel komplizierter und belastender geworden ist, steigt logischerweise auch die Zahl der Menschen, die ob dieser Belastung verzweifeln - und depressiv werden. Sie fühlen nicht genug. Sie fühlen sich nicht genug, was auch immer, es geht ihnen schlecht.

Das wird übrigens in dem Artikel nicht weiter ausgeführt, aber ich halte das für eine völlig natürliche Erklärung.

Herr Yoran hat allerdings ein konkretes Ziel im Blick:

"Da uns exzessiver, durch Konsum definierter Individualismus überhaupt erst an den Punkt gebracht hat, an dem der ganze Planet existenziell gefährdet ist, muss die Diskussion über das gute Leben geführt werden."

Er stellt verschiedene Diskussionsmodelle vor und ich kann gedanklich jedem nur zustimmen. Wie wir das allerdings hinbekommen sollen, dass unsere (westliche) Gesellschaft sich solchen Forderungen beugt, da fehlt mir noch die passende Phantasie - auch wenn es alles absolut vernünftig wäre
.

672 x anjeklickt (2 mal hat hier schon jemand geantwortet)   ... ¿selber was sagen?


Donnerstag, 26. Dezember 2024
Wie es war und wie es wird
Ich habe mir schon Gedanken für den Rückblick auf das Jahr gemacht und bin dabei automatisch in einen Lebensrückblick gerutscht, weil dieses Jahr ja mal wieder einer meiner 15-jährigen Lebensabschnitte zu Ende geht (okay, der letzte Abschnitt dauerte rund 16,5 Jahre, aber grob gerundet sind das auch 15 Jahre).
Nächstes Jahr beginnen endgültig die nächsten 15 Jahre, wenn wir alle beide nicht mehr ins Büro gehen müssen und uns nur noch um uns selber und das, was uns Spaß macht, kümmern müssen und auf diesen Abschnitt bin ich schon enorm neugierig.
Wieder wird alles anders, wieder weiß ich nicht, was mich genau erwartet, ich weiß nicht, wie es mir gefallen wird, wie ich mich verändern werde und vor allem weiß ich nicht, ob meine jetzige Vorstellung, wie es werden könnte und wie ich mich dazu und dabei verhalten werde, ob ich diese Vorstellung auch in der Zukunft belastbar umsetzen kann.
Sich nur noch um das zu kümmern, was einem Spaß macht - das klingt so traumhaft, so unwirklich, so jenseits der aktuellen Wirklichkeit unserer Gesellschaft, die vor allem Realitäten bereithält, die einem alle überhaupt gar keinen Spaß machen, dass ich durchaus Bedenken habe, ob meine Vorstellungen diesmal nicht zu sehr nur Traumtänzereien sind, zu viel "Wünsch dir was" und zu wenig "So isses".

In der Vergangenheit passte meine Vorstellung von dem, wie ich mich zu dem, was passieren wird, verhalten werde, dagegen meist ziemlich gut, ich drücke mir also selber die Daumen, dass es mir auch diesmal, mit meinem letzten aktiven Lebensabschnitt gelingen wird, meine jetzigen Vorstellungen irgendwie in den Alltag zu übertragen, ich glaube, das Wichtigste wird sein, sich über all das, was eben nicht mehr funktioniert, auch nicht aufzuregen.

Ich erinnere mich noch gut, wie sehr ich mit Anfang und Mitte 20 belächelt wurde, als ich meine Theorien zum Thema Kinderhaltung zum Besten gab. Für mich ging es nämlich nie um Kindererziehung, weil ich von Erziehung im klassischen Sinne nichts halte, meiner Meinung nach wird der positive Einfluss, den Eltern auf ihre Kinder haben, komplett überbewertet. Mit negativem Einfluss können sie es ihren Kindern dagegen sehr schwer im Leben machen, ich habe meine Aufgabe als Mutter deshalb eher in einer Form von Kinderhaltung gesehen. Ich war dafür zuständig, dass sich die Kinder so frei und selbstständig entwickeln konnten, wie es im Rahmen der sonstigen Umstände nur möglich war und dass ich als Mutter sie maximal wenig dabei störte.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder nicht dümmer sind als Erwachsene und als überzeugter Anhänger der Mendel'schen Vererbungslehre war ich auch immer der festen Überzeugung, dass meine Kinder nicht dümmer sind als ich.
Der eingebaute Rechner, der die Leistung und Kapazität ihres Könnens steuert, ist ab Geburt vorhanden, nur die Software ist noch nicht vollständig installiert und es müssen natürlich noch Unmengen an Daten geladen werden. Das aber passiert sowieso ganz von alleine, wenn der eingebaute Rechner funktioniert und schnell genug getaktet ist, um damit eine brauchbare Leistung abrufen zu können.

Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass es für die Kinder ein Vorteil ist, wenn sie bevormundet werden, weshalb ich ihnen so weit wie möglich stets eine maximale Freiheit gewährt habe. Rückblickend sind die Kinder heute enorm stolz auf ihre harte Kindheit, denn grade weil ihnen nie etwas verboten war, konnten sie sich nie mit Unwissen oder Trotzreaktionen rechtfertigen. Allen Unsinn, den sie veranstaltet haben, mussten sie auch selber verantworten.
Ich habe zwar auf sie aufgepasst, aber immer mit so viel Abstand, dass sie es so wenig wie möglich merkten und fühlte mich vor allem dafür zuständig, das Schlimmste zu verhindern und ihnen den Arsch zu retten, wenn sie sich selber mit Schwung in die Kacke geritten hatten und feststeckten. Natürlich nicht ohne ausreichend Spott und Bemerkungen wie "und ich sag noch….".

Es war bei uns deshalb nie etwas konkret verboten, aber ich habe ihnen natürlich Ratschläge gegeben à la "hmm, was du da vorhast, das halte ich nicht für eine gute Idee. Ich sehe da dieses oder jenes Problem oder Risiko." Wenn sie es dann trotzdem taten und es passierte das, was ich vorhergesagt hatte, dann durften sie ihr Scheitern gründlich auskosten, bevor ich ihnen half, sich aus dem Schlamassel zu befreien. Per Saldo führte das dazu, dass sie mit zunehmendem Alter zunehmend auf meine Ratschläge hörten, sie hatten ihre Erfahrungen mit Widerstand eben früh genug schon gemacht. Ich hatte deshalb wenig Probleme mit Teenagern und Pubertät, da waren sie längst alt und erfahren genug, um meine Ratschläge freiwillig ernst zu nehmen.

Und ungefähr diese Grundhaltung für den Umgang mit Kindern habe ich schon früh propagiert, weil ich es schon immer für alle Beteiligten das Erfolgreichste und das Sinnvollste fand, wenn man sich gegenseitig respektiert, mit der Betonung auf gegenseitig. So lange ich keine eigenen Kinder hatte, bekam ich von den weisen älteren Menschen darauf dann immer nur zu hören: "Warte, bis du selber Kinder hast. Das ist nämlich alles nicht so einfach, wie du dir das vorstellst." - Nun, als ich dann selber Kinder hatte, war es exakt so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte, ich durfte mich nur weder an die althergebrachten noch an die allgemein geltenden Regeln halten, sondern musste meine eigenen leben. Was heute, rückblickend betrachtet, sehr gut funktionierte, was aber damals viele nicht glauben wollten und ich wurde viele Jahre sehr kritisch und abwertend von anderen Müttern angesehen.

Was den kommenden Lebensabschnitt angeht, habe ich wieder ziemlich andere Vorstellungen von meinem Alltag als das, was man gemeinhin so von Rentnern erwartet. Weder habe ich vor, eine Weltreise zu machen, noch freue ich mich auf Enkelkinder und kleiner setze ich mich im Alter auch nicht. Im Gegenteil, ich baue ein neues Haus mit allem Pipapo und ziehe dafür auch noch mal um in eine für mich völlig unbekannte Gegend.
Ich freue mich darauf, neue Menschen kennenzulernen, mir einen neuen Lebensrhythmus zu suchen und Dinge auszuprobieren, die ich noch nie getan habe. Ich bin sehr zuversichtlich, dass einiges davon gewaltig schief gehen wird, aber das ist nicht schlimm, es wird insgesamt hauptsächlich lustig, davon bin ich fest überzeugt
.

1062 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Samstag, 30. November 2024
Klaasohm
Hier auf der Insel ist grade richtig was los, so in der internen Community, denn erst der NDR und davon inspiriert natürlich auch diverse Social Media Kanäle haben Klaasohm an den Pranger gestellt, was leicht ist, weil es wirklich ein etwas aus der Zeit gefallener Brauch ist, der sich in den letzten Jahren auch nicht unbedingt positiv fortentwickelt hat.
Ich wundere mich seit 20 Jahren, dass das nicht schon längst passiert ist, aber nun gut, jetzt ist es ja endlich soweit. Wer sich für die passenden Links interessiert: Croco hat da was zusammengestellt.

In fünf Tagen, am 5.12. ist wieder Klaasohm, der NDR hat seine Reportage natürlich passend kurz vorher gesendet und jetzt geht es hier grade hoch her.
Ich stehe mit einer großen Portion Popcorn an der Seitenauslinie, gucke zu, wie sich die Gemüter erregen und finde es höchst amüsant. Ich gehe davon aus, dass es das jetzt war, mit der alten Tradition, spätestens ab nächstem Jahr gibt es nur noch Klaasohm light.

Für echte Borkumer ist Klaasohm der höchste Feiertag des Jahres, an dem einem recht alten Brauchtum gehuldigt wird, das noch aus der der Walfängerzeit der Insel stammt.
Früher wurden alle Informationen zu diesem Brauch wie in einer Freimaurerloge vollständig unter Verschluss gehalten, nur echte Borkumer durften überhaupt teilnehmen und es gehörte zu den Ehrenpflichten eines jeden echten Borkumers, dass man nicht darüber redete.

Das mit dem echten Borkumer wurde im Laufe der Jahre etwas verwässert. Früher war die Definition einfach: Nur wer als Geburtsort Borkum in seinem Ausweis stehen hatte, war ein echter Borkumer. Alle andere waren Zugezogene. Intern unterschied man deshalb zwischen Insulanern (das sind die Menschen, die dauerhaft auf der Insel leben) und Borkumern.
Borkumer bleibt man übrigens auch, wenn man nicht mehr auf der Insel lebt, dann ist man Butenbörkumer, und auch die zieht es am 5.12. magisch zurück in die alte Heimat.

Als dann aber irgendwann in den 70ern oder 80ern, ich weiß gar nicht genau wann, das örtliche Krankenhaus keine Geburten mehr durchführte, mussten alle Insulanerfrauen zur Entbindung aufs Festland. Plötzlich wurden also keine echten Borkumer mehr geboren, die kamen fortan alle in Emden auf die Welt. Blöd, was den Nachwuchs anging für den traditionellsten Traditionsverein der Insel, den Verein Borkumer Jungens, der auch die gesamte Klaasohmfeierei organisiert.
Der Verein musste seine Statuten ändern, denn ursprünglich war Aufnahmekriterium für eine Mitgliedschaft in diesem Verein, dass man eben Borkum als Geburtsort in seinem Ausweis stehen hatte.
Heute muss man so und soviele Jahre auf Borkum gelebt und hier zur Schule gegangen sein, ich bin über die Änderung in den Vorschriften nicht so genau informiert, weil ich meine Informanten, den Vater und den Onkel, beide "echte Borkumer" mit Borkum als Geburtsort im Ausweis, nicht mehr präzise danach gefragt habe, was sich an den Aufnahmeregeln im Jungsverein inzwischen geändert hat.
Geblieben ist auf alle Fälle die Regel, dass nur unverheiratete Männer aktives Mitglied im Jungsverein sein dürfen, da bin ich sehr sicher, dass das noch gilt.

Klaasohm gab es in meinem Leben schon immer und in meiner Jugend war Klaasohm einfach ein Männerfest. Die Jungs wollten unter sich sein, gewaltig saufen und sich prügeln, Frulüd hatten da nichts zu suchen und ich hatte auch wirklich niemals den Drang, da mitzumachen. Um die Frauen auf Abstand zu halten, wurden sie kurzerhand von den durchs Dorf ziehenden Klaasohms verhauen, wenn sie eine sahen, das wussten die Frauen und deshalb blieb man, wenn man gescheit war, auch sinnvollerweise diesen einen Abend im Jahr einfach sicher zu Hause.

Natürlich gab es immer ein paar unbelehrbare, widerspenstige oder sonstwie auf Krawall gebürstete Frauen, die dann grade deshalb, weil es mit Ärger verbunden war, am Klaasohmabend auf die Straße gehen mussten.
Ich persönlich reagiere mit Trotz und Widerstand und einem aktiven "jetzt erst recht-Verhalten" auf jedes Verbot, Klaasohm hat mich allerdings nie getriggert, denn es war ja nicht verboten als Frau unterwegs zu sein, es war nur dämlich, weil man extrem schlechte Chancen hatte, da unverhauen durchzukommen.
Ich persönlich hatte also nie ein Problem mit diesem Brauch und mich mit einer Meute sturzbesoffener, aufgepeitschter Jungs auseinanderzusetzen war auch nie etwas, was mich aktiv gereizt hat, ich bin dem Ganzen einfach immer weiträumig aus dem Weg gegangen.

Mitbekommen habe ich es natürlich trotzdem, der Onkel war lange Jahre Vorsitzender des Jungsvereins und selber auch zweimal aktiv als Klaasohm unterwegs, der Vater selbsternannter Heimatforscher, es blieb nicht aus, dass ich schon früh weit mehr über dieses Fest wusste als ich hätte wissen dürfen. Aber vielleicht fand ich es auch grade deshalb stets sehr langweilig, Jungs machen sowieso oft langweilige Dinge, es gibt überhaupt keinen Grund, dass man da bei allem dabei sein muss und Massenbesäufnisse waren ja nun auch noch nie mein Fall.

Für die Jungs schien es aber immer schon ein irgendwie identitätsstiftendes Initiationsritual zu sein, bei Klaasohm mitzulaufen. Wer an Klaasohm nicht besoffen ist, ist kein Borkumer, lautet deshalb auch ein Spruch, der sicherlich mehr als nur ein bisschen gesellschaftspolitischen Druck auf eine ansonsten von vielen Nachteilen betroffene Gruppe von Menschen ausübt. Auf der Insel hält man zusammen - oder ist verloren.

Klaasohm ist also traditionell ein reines Männerfest zur Stärkung der Gemeinschaft und der internen Hackordnung, die Jungs verkleiden sich als wilde Kerle, saufen sich bis obenhin zu und prügeln sich dabei. Fremde möchten sie nicht dabei haben, die machen alles nur noch komplizierter, die wollen eventuell Dinge diskutieren, die man nicht diskutieren möchte, weil es schon immer so war, und überhaupt ist man auf der Insel ja sowieso permanent und dauernd von Fremden umgeben, weil man vom Tourismus lebt, weshalb der Drang, wenigstens einmal im Jahr etwas nur für sich und ohne Rücksicht auf irgendwelche fremden Leute zu machen, groß ist.

Den Rest des Jahres ist Rücksichtnahme auf die Gäste alleroberste Priorität. Ich bin aufgewachsen mit dem Spruch meiner Oma: Erst kommen die Gäste, dann kommen noch mal die Gäste, dann kommt ganz lange Zeit gar nichts, und dann schauen wir mal, was noch übrig bleibt.

Ich persönlich habe also absolut volles Verständnis für Männer, die sich, mit der Absicherung der Tradition im Hintergrund, an diesem einen Tag einmal zusammen mit öffentlich vorgesehener Prügelei ungehemmt die Kante geben können und dabei ihren Aggressionen freien Lauf lassen. Enjoy.

Die Beiträge, die da grade im Netz kursieren, sind übrigens in ihrer Gewichtung alle ziemlich verschoben. Eigentlich und rein traditionell geht es nicht darum, Frauen zu verhauen, sondern die Klaasohms prügeln sich untereinander. Es gibt ja sechs einzelne Klaasohms, die mit ihrem Gefolge quer durchs Dorf ziehen und an verschiedenen Häusern anhalten, um etwas zu trinken. Wenn sich dabei unterwegs zwei Klaasohms begegnen, müssen die sich prügeln, um klarzustellen, wer der Stärkere ist. Dass sich das in den letzten Jahren immer mehr auf die Jagd nach Frauen verlagert hat, liegt daran, dass immer mehr Frauen mitmachen und es witzig finden, sich jagen zu lassen. Wie gesagt, früher war das anders, aber wen interessiert das schon.

Und genau deshalb ist es mir persönlich auch ziemlich schnurz, wie das nun ausgeht, mit der Tradition und dem Brauchtum versus political correctness und öffentliche Meinung. Die werden sich da jetzt schon irgendwas zurechtfaseln und dann werden die Regeln geändert, was aber wurscht ist, weil sich die Regeln in den letzten Jahren schon ganz von alleine in eine Richtung geändert haben, die nicht lange gut gehen konnte - wie gesagt, ich wunderte mich schon seit Jahren, dass sich da bisher noch niemand aufgeregt hat, aber nun ist es ja passiert und dann warten wir mal ab, wie es weitergeht
.

356 x anjeklickt (2 mal hat hier schon jemand geantwortet)   ... ¿selber was sagen?


Mittwoch, 6. November 2024
Politikgeschehnisse, die selbst ich nicht ignorieren kann
Mein Interesse an Politik war noch nie sehr hoch.
Seitdem ich in den letzten Jahren beruflich sehr viel mit vielen verschiedenen Politikern zusammenarbeiten musste, ist meine Achtung vor dieser Spezies immer weiter gesunken.
Diese Blicke hinter die Kulissen waren eindeutig nicht dazu geeignet, mein Vertrauen in die Kompetenzen und Handlungen der zuständigen Menschen zu stärken, so dass ich mich schon zum Schutz meines eigenen Seelenheils lieber nicht mit Politik egal welcher Ausrichtung beschäftige.

Und eine eigene Meinung habe ich auch nicht, denn das einzige, von dem ich zutiefst überzeugt bin, ist, dass es kompliziert ist und dass jede Richtung nicht nur schlechte oder nur gute Seiten hat, sondern dass es in jeder Situation auch immer viele gegensätzliche und trotzdem gleichzeitig nachvollziehbare Gründe, Haltungen, Entscheidungen, Aussagen gibt - und ganz viele individuelle, persönliche und menschliche Macken der handelnden Personen, die zu teilweise völlig irrationalen - oder eben rationalen, wenn man die individuelle Persönlichkeit berücksichtigt - Ergebnissen führen.
Aus all diesen Gründen möchte ich nichts mit Politik und noch viel weniger mit Politikern zu tun haben.

Deshalb habe ich mich wenig für die Wahlen in den USA und genauso wenig für das Gezanke in der Ampel interessiert, dass aber auf beiden Schauplätzen heute so fulminante und unerwartete Ergebnisse mit einem Paukenschlag sozusagen gleichzeitig die Nachrichtenkanäle überschwemmten, die daraufhin komplett ins Schleudern gerieten und gar nicht mehr wussten, wie und was sie jetzt berichten sollen, das fand ich immerhin dann doch witzig.

Dass sich die Amis mehrheitlich für Herrn Trump entschieden haben, kann ich aus Sicht der Mehrheit der Amis durchaus verstehen, ob Herr Trump in seiner zweiten Regentschaft allerdings ihre Erwartungen erfüllen wird, wage ich massiv zu bezweifeln, aber was weiß ich schon, ich interessiere mich ja nicht.
Die Wertpapiermärkte sind auf alle Fälle sehr zufrieden mit der US Wahl und da ich ja den Verkaufserlös aus der Fabrik komplett in (überwiegend) US-Aktien investiert habe, hat mein Depot heute dann mal bemerkenswert fünfstellig zugelegt, es ist alles eine verkehrte Welt.

Dass Herr Lindner dann ausgerechnet heute die Ampel gesprengt hat, passt zu meiner abgründig schlechten Meinung über diesen Herrn und seine Partei - auch wenn ich persönlich genau zu der Klientel gehöre, die die FDP ständig versucht zu fördern. Gleichzeitig fehlt mir aber auch jedes Verständnis, warum grade die vermögenden Leute weiter unterstützt werden müssen, denn wenn jemand auch ohne Unterstützung vom Staat klarkommen kann, dann doch wohl diejenigen, die mehr haben als die anderen, oder? Ich finde sowohl die FDP als auch ihre Klientel insgesamt nur peinlich.
Aber wie auch immer - jetzt hat es sich ja ausgeeffdepeht, ich persönlich finde das völlig okay, habe aber Sorge, dass es nach den Neuwahlen noch viel schlimmer wird. Wahrscheinlich nicht für mich - aber für viele Deutsche, die sich im Laufe der Zeit daran gewöhnen werden müssen, dass es hier nach und nach vorbei ist mit der guten alten Zeit.
Doch auch hier gilt, ich interessiere mich nicht genug, als dass ich eine belastbare Meinung haben sollte, insofern warten wir doch einfach mal ab, wie das alles nun weitergeht
.

186 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Sonntag, 15. September 2024
Geschlechterrollen
Herr Buddenbohm schreibt über Helmtraut und Helmbert und es dauert ein wenig, bis ich begreife, dass das Karikaturnamen sind. Wie üblich habe ich mal wieder nicht mitbekommen, dass es längst einen passenden Trend gibt, der sich über das lustig macht, was sich auf Borkum auch zuhauf rumtreibt, was ich aber schon längst nicht mehr als Besonderheit, sondern als betrübliche Normalität wahrnehme.
Diese älteren Paare im Partnerlook gab es schon immer, seit neuestem tragen sie aber auch beide Helm und je mehr behelmte Rentner vor meiner Haustür langfahren, um so fester ist meine Überzeugung, dass ich mich niemals freiwillig so lächerlich mache.

Ja, ja, ich weiß, man kann stürzen und sich verletzen und es ist doch nur vernünftig, blablabla. Aber wieso ist diese Sorte Vernunft erst jetzt so verbreitet? Ich meine, vom Fahrrad fallen und sich dabei zu verletzten - das war auch schon vor 50 Jahren möglich und vor 50 Jahren gab es auch schon Helme. Vielleicht nicht solche wie heute, aber es gab Helme. Reitkappen zum Beispiel. Wieso wurden früher nur Stürze vom Pferd als so gefährlich eingestuft, dass man sich mit einer Reitkappe schützte und nicht die potentiellen Stürze vom Fahrrad? Und jetzt komm mir keiner mit zunehmendem Autoverkehr und dadurch gestiegener Gefahr für Radfahrer. Mag für Städte gelten, aber nicht für Borkum. Im Gegenteil, da ist der Autoverkehr immer weiter eingeschränkt worden und überall ist Zone 30, je weniger Autos hier auf den Straßen rumfahren, um so mehr Radfahrer gibt es, die dafür zunehmend mit Helm. Es ist so so lächerlich.

Und jetzt sag mir keiner, dass die Leute mit den E-Bikes ja viel schneller unterwegs seien als auf einem Bio-Fahrrad. Mag für U40 Typen auf einem E-Mountain-Bike gelten, aber nicht für Rentner auf einem normalen E-Bike. Da fahren nur sehr wenige schneller als 15km/h, ich weiß das, weil ich mich ständig darüber aufrege. Wieso hat man ein E-Bike, um damit dann immer noch so langsam zu fahren, dass ich dahinter Sorge habe, dass ich gleich umfalle, wenn es noch langsamer wird und mich aufrege, wenn ich die Rentnertruppe nicht überholen kann, weil sie natürlich auch am allerliebsten nebeneinander fahren? Vielleicht ist das ja der Grund, weshalb sie alle Helme tragen - sie fallen öfter mal um, weil sie zu langsam unterwegs sind und keine Übung darin haben, ein Fahrrad im Stehen aufrecht zu halten. Ist ja auch nicht so einfach, selbst Profiradfahrer müssen Stehversuche aktiv trainieren.

Gleichzeitig gibt es natürlich auch einzelne Raser-Rentner, die ich genauso hasse, weil sie der festen Überzeugung sind, dass die Straßenverkehrsordnung nicht für Fahrradfahrer gilt. Weder gilt für sie das Rechtsfahrgebot noch so was Lächerliches wie rechts vor links, das gilt auf der Insel zwar überall und an jeder Ecke für alle Autofahrer, Fahrradfahrer im Urlaub sind davon aber nicht betroffen. Diese Raser-Rentner brettern dann sehr gerne mit 25 km/h auf ihrer Straße auch an Kreuzungen hemmungslos gradeaus weiter und scheren sich einen feuchten Kehrricht darum, dass von rechts jemand kommen könnte, der eventuell auch noch Vorfahrt haben könnte. Raser-Rentner tragen übrigens sehr häufig keinen Helm, die sind ja noch jung und dynamisch, da braucht man so ein Teil nicht. Ich habe mir schon mehrfach überlegt, ob ich mir nicht so einen Stuntman-Rugby-Anzug (mit Helm) besorge und mir dann rigoros mein rechts vor links Recht erzwinge, in dem ich einfach genauso stur weiterfahre.

Ich habe über diese Helmsache schon länger nachgedacht und ich besitze als Kompromiss einen Hövding, der wenigstens optisch nicht so peinlich ist, dass ich mich vor allem vor mir selber schämen müsste, aber für Fahrradtouren auf Borkum halte ich auch den in den meisten Fällen für entbehrlich. Wenn ich da vom Fahrrad falle, dann aus eigener Dämlichkeit und fast immer beim Auf- oder Absteigen. Ist wie beim Fliegen, Start und Landung sind das Gefährlichste, dass man unterwegs runterfällt, weil man von einem anderen Verkehrsteilnehmer gerammt wird, ist extrem selten. Und beim Auf- oder Absteigen auf den Kopf zu fallen, nun, dazu gehört dann wirklich so viel Dämlichkeit, dass ich denke, wenn mir das passiert, dann ist es auch gut so, das ist ein klares Signal. Wie es mit mir weitergeht, wenn mein Körper nicht mehr vernünftig funktioniert, weil ich auf den Kopf gefallen bin, habe ich schon lange geregelt, stören würden mich die Folgen dann auch nicht, habe ich hier ja schon ausführlich erläutert.

Dass es im Stadtverkehr sinnvoll sein kann, einen Helm zu tragen, will ich übrigens nicht in Frage stellen - aber auf Borkum gibt es keinen Stadtverkehr, dafür eine irre Menge an Helmtrauts und Helmberts.

Was Herr Buddenbohm ansonsten bei diesen Rentnerpaaren beobachtet, ist mir mangels Aufmerksamkeit selber noch nicht aufgefallen, vielleicht auch, weil ich zwar altersmäßig in die Rentner-Boomer-Kohorte gehöre, aber gleichzeitig auch Zeit meines Lebens noch nie in das typische Mann-Frau-Muster passte, so dass ich mich da auch im Rentneralter nicht mehr einfügen kann.
Herr Buddenbohm stellt also fest, dass bei diesen behelmten Rentnerpärchen immer der Mann voraus fährt und die Frau hinterher. Er sagt immer - und ich staune.
K und ich fahren ja nun auch sehr häufig gemeinsam Rad und in den allermeisten Fällen fahre ich voraus.
K hat eine, nun ja, wie sage ich es freundlich, eine sehr eigenwillige Orientierung. Ich nenne sie natürlich typisch männlich, habe aber nicht genug Vergleichsmaterial, um da eine statistisch relevante Aussage treffen zu können, auf alle Fälle findet er nicht intuitiv und zuverlässig den kürzesten Weg von A nach B.
Ich habe also sehr früh gelernt, dass es klüger ist, wenn ich nicht einfach immer stumpf hinter ihm herlaufe (oder fahre), sondern mir selber Gedanken mache, wie man von A nach B kommt und wenn K voraus geht, bin ich fast immer vor ihm da.
K selber ist dabei grundsätzlich der festen Überzeugung, dass sein Weg der bessere, sinnvollere und normalerweise ganz sicher auch der schnellste sei, weil der kürzeste Weg ja fast nie der schnellste ist, man kennt das. Ampeln, Baustellen, Behinderungen, nein, K findet es fast nie sinnvoll, den kürzesten Weg zu nehmen, weil der länger dauert. Meint er.
Ich diskutiere das nicht mit ihm, soll er seinen schnelleren Weg gehen oder fahren, ich nehme meinen und bin dann eben vor ihm da, ist ja nicht so schlimm.

Wenn man gemeinsam Fahrrad fahren will, ist das allerdings etwas lästig, weil das für die Gemeinsamkeit nicht förderlich ist, wenn K voraus fährt, sich dann für eine seiner seltsamen Abkürzungen entscheidet, von der ich weiß, dass sie locker 2km Umweg bedeuten wird und deshalb hinter ihm auf den kürzeren Weg abbiege.
Wenn wir zusammen Rad fahren wollen, funktioniert das nur, wenn K hinter mir her fährt, sonst bin ich irgendwann weg.
Ich habe dafür einen Rückspiegel an meinem Rad und achte darauf, dass K hinter mir auch noch da ist, K findet Rückspiegel überflüssig, weshalb er gar nicht bemerkt, wenn ich hinter ihm verschwunden bin, auch das nicht praktikabel für eine gemeinsame Radtour.

Weil in meinem Anjeversum also selbstverständlich derjenige vorne fährt, der die bessere Orientierung hat, habe ich noch nie darauf geachtet, ob es da ansonsten eine Männlein-Weiblein-Unterscheidung gibt, die ich total dämlich fände, denn wieso sollte die Orientierungsfähigkeit an das Geschlecht gekoppelt sein?
Ich werde das unbedingt nachholen. Also das Beobachten, wer vorne und wer hinten fährt.

Eine weitere Buddenbohmsche Beobachtung, nämlich die Rollenverteilung bei der Hotelvorfahrt - sie regelt die Details an der Rezeption und er montiert fluchend die mitgebrachten E-Bikes vom Fahrradträge - das träfe auf uns auch nicht zu. Hier bleibt mir nur der Konjunktiv, weil wir genau diese Situation mangels Verreisen und Hotels noch nie in echt durchgespielt haben, aber wenn ich es mir theoretisch vorstelle, dann weiß ich, dass ich K die Räder nicht alleine vom Gepäckträger wuchten lassen würde. Also, auf mein Rad würde ich auf alle Fälle selber aufpassen :-), aber ich glaube, ich wäre fair genug, ihm auch bei seinem Rad zu helfen, denn die Dinger sind sauschwer und zu zweit geht das eindeutig besser.
Dass ich die Dinge an der Rezeption alleine regeln kann, steht außer Frage, aber die Räder baut man doch sinnvollerweise gemeinsam ab, zumindest in unserem Rentneralter. Vor dreißig Jahren, mit einem dreißig Jahre jüngeren Mann, hätte ich den das auch entspannt alleine machen lassen, aber heute doch nicht mehr. Auch Männer werden älter und sind mit 65 nicht mehr so stark wie mit 35. Dafür sind die Fahrräder für ältere Menschen deutlich schwerer als für jüngere. (E-Bike vs. Bio-Bike)
Wenn Herr Buddenbohm das genau so und ausnahmslos beobachtet hat, dann fühle ich durchaus Fremdscham für die verzärtelten Ehefräuchen
.

190 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Donnerstag, 22. August 2024
Sterben
Die Kaltmamsell verlinkt einen Artikel über das Sterben aus der SZ, der hinter der Paywall steht. Sie sagt, es ist einer der wenigen Artikel, den sie in Papier behalten hat.

Mich macht das neugierig, denn Sterben interessiert mich. Ich habe mir den Artikel deshalb in einer freien Form hinter der Paywall besorgt. Und ja, es ist ein wirklich sehr guter, beeindruckender Artikel, kann ich ebenfalls nur empfehlen.

Mit jedem Tag, den man älter wird, rückt nicht nur das Büroende näher, sondern auch der eigene Tod.
Wie schnell das mit dem Büroende geht, habe ich grade live erlebt und ich habe mich auf meinen letzten Arbeitstag ja nun wirklich gefreut. Wenn man sich auf etwas freut, dauert die Wartezeit oft länger und trotzdem ging es zum Schluss dann sehr schnell.

Ich freue mich auch schon auf meinen Tod, ich stelle mir das wie das potenzierte Büroende vor: Endgültig ALLE Verantwortung abgeben, auch die für den eigenen Körper und die eigenen Atemzüge und sich um nichts, einfach gar nichts mehr kümmern müssen. Niemand mehr der nörgelt, der sich beschwert, dass man irgendetwas noch nicht erledigt hat, niemand mehr, der schlechte Witze macht und erwartet, dass man einen Humor teilt, den man im besten Falle albern, aber sicher nicht witzig findet, niemand mehr, der seltsame Meinungen und Ansichten hat und sie als gottgegebene Selbstverständlichkeit betrachtet, denen zu widersprechen sinnlos ist, niemand mehr, der erwartet, dass man Dinge tut, zu denen man keine Lust hat.
Keine Aufgaben mehr, keine To-Dos, unendliche Ruhe, für immer.

Okay, es bedeutet natürlich auch gleichzeitig, dass es kein Glück mehr gibt, dass man niemals mehr dieses unbeschreibliche Gefühl des "ach, ist das schön so" empfinden wird. Kein Lachen mehr, auch keine wirklich witzigen Witze mehr (gibt es selbstverständlich auch, ich habe schließlich einen Westfalenmann), all das verschwindet natürlich genauso wie die lästigen Seiten des Lebens. Deshalb gebe ich mir sehr viel Mühe, die schönen Dinge des Lebens jetzt noch so intensiv wie möglich zu genießen. Ich wüsste sehr gerne, wann mein letzter Tag ist, dann kann ich das besser organisieren, das mit dem Genießen, dann kann ich sicher sein, dass ich bis dahin auch wirklich alles erledigt und mitgenommen habe, um wenigstens für die letzten Jahres des Lebens eine maximal unbalanzierte Work-Life-Balance, nämlich viel mehr Life als Work, anzustreben, alles andere wäre doch sonst nur traurig verschwendet.

Aber noch bin ich so fit und gesund, dass es keinen Anlass gibt, den letzten Tag schon jetzt künstlich zu planen. Aktuell müsste es ein Unfall oder ein großer Zufall sein, der mich spontan und ohne Vorwarnung aus dem Leben reißt, dann soll es mir auch recht sein, ich finde, ich hatte auch nur bis hierhin schon ein sehr schönes Leben. Aber natürlich geht da noch was, noch gibt es viele Pläne und eine hohe Erwartung an noch sehr viele "ach, ist das schön so-Momente", aktuell fühle ich mich wie arbeitstechnisch mit Anfang 50, als mir klar wurde, dass es bis zur Rente zwar noch eine längere Zeit hin ist, dass ich sie aber schon am Horizont erahnen kann. Selbstverständlich habe ich ab 50 nicht konsequent auf die Rente hingearbeitet - aber ich habe mich schon damals auf diesen Zeitpunkt gefreut, weil ich dachte, wenn es denn irgendwann soweit ist, dann ist es auch gut. Dann habe ich beruflich alles erlebt und erreicht, was es zu erleben und zu erreichen gab, dann kann man sich anderen Dingen zuwenden.

Ungefähr so geht es mir jetzt auch mit dem Tod, ich freue mich darauf, dass es irgendwann gut ist, dass man irgendwann alles erlebt und erledigt hat, was das Leben zu bieten hatte. Weshalb man sich vor dem Tod fürchten sollte, habe ich noch nie verstanden und den letzten Tag genau so präzise zu kennen, wie den letzten Arbeitstag, das halte ich einfach für praktisch.

Furcht habe ich vor einem langen Siechtum, wenn man zu nichts mehr nutze ist, vor allem nicht für sich selber, wenn man sich und anderen nur noch eine Last ist, das finde ich eine grässliche Vorstellung. Ich kann alles alleine - wenn das nicht mehr funktioniert, dann will ich auch nicht mehr weiter. Ich habe deshalb mit meinen Kindern vereinbart, dass sie sich darum kümmern werden, dass mir so ein Ende erspart bleibt. Mein Vater ist seit über sechs Jahren in diesem Heim, mittlerweile kann er kaum noch etwas selber, mich gruselt es immer, wenn ich ihn besuche. Ich grusele mich aber nicht für ihn, denn er ist offensichtlich und nach eigener Aussage total zufrieden, für ihn gibt es also überhaupt keinen Grund an seiner Situation irgendetwas zu ändern. Ich grusele mich nur vor der Vorstellung, dass es mir auch mal so gehen könnte, und das will ich so ausdrücklich ganz bestimmt nicht!!!!, dass ich gar nicht genug Ausrufzeichen hinter diese Aussage setzen kann. Ich habe einen Arzt und einen Pharmazeuten als Sohn, die werden hoffentlich einen Weg finden, mir so etwas zu ersparen, allerdings bin ich durch meine Forderung nach einem vorzeitigen Ende auch sehr erpressbar, wie mir N neulich klipp und klar deutlich machte: "Tja, Mama, dann musst du ab jetzt immer sehr nett zu uns sein, sonst lassen wir dich einfach leben."

Diesen oben verlinkten Text über das Sterben fand ich vor allem deshalb wichtig, weil er für mich den Sterbevorgang als solches deutlich fassbarer, geerdeter und besser vorstellbar machte. Sterben selber ist nicht schlimm, nur endlos langes Dahinsiechen, das sollte man vermeiden.

Je länger ich darüber nachdenke, umso besser finde ich übrigens auch den Vergleich des eigenen Verscheidens mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben, denn beides ist halt ein harter Cut, beides macht man nur einmal im Leben und in beiden Fällen weiß man nicht, ob es sich nachher auch so anfühlt, wie man es sich vorher vorgestellt hat.
Der Unterschied ist zwar, dass es nach dem Sterben kein Nachher mehr gibt, aber ich denke, der Weg dorthin ist das Entscheidende. Sowohl zum Ver- als auch zum Ausscheiden. (Sorry, diese Wortwitze lagen so anbiedernd rum, da konnte ich nicht dran vorbei.) Und Witze machen sollte man in jedem Scheidungsfall, egal ob Ent-, Ver- oder Ausscheidung. (Ist ja schon gut, ich höre jetzt auf.)

Meinen Countdownzähler auf dem Handy habe ich übrigens schon gelöscht, die restlichen Tage kann ich mir jetzt auswendig merken, das ist alles nicht mehr so wichtig. Interessant fand ich aber die letzten sechs Wochen, weil ich in dieser Zeit schon mal üben konnte, wie das ist, ohne das Büroverpflichtungsfühl im Hinterkopf. Nicht mehr arbeiten zu müssen, keine Aufgabe mehr zu haben, seine Position im sozialen Gefüge des Kollegiums zu verlieren, dafür seinen neuen Privatalltag selber und komplett anders strukturieren zu müssen, neue Beziehungen zu Menschen aufzubauen, für die man bisher keine Zeit oder keine Energie hatte, sich einen komplett neuen Platz im Leben und in der Gesellschaft suchen. Ich finde durchaus, dass das Ausscheiden aus dem Berufsleben genau so etwas maximal Veränderndes hat, wie das Ausscheiden aus dem Leben selber. Danach geht es komplett anders weiter - und wer weiß schon, was nach dem Tod kommt
?

281 x anjeklickt (...bisher hat noch niemand was dazu gesagt)   ... ¿selber was sagen?


Mittwoch, 21. August 2024
Wofür lebt man eigentlich?
Ich habe mich neulich mit K über Frugalisten unterhalten und habe ihm erklärt, dass die ursprünglich Idee dahinter im Rahmen der Finanzkrise, also ca. 2008 aus der sogenannten FIRE-Bewegung stammt. FIRE steht für Financial Independence, Retire Early, also finanzielle Unabhängigkeit und möglichst frühzeitiger Ruhestand.

Frugalismus ist eine Lebensphilosophie, die auf einem sehr bewussten und sparsamen Umgang mit Geld basiert.
Der typische Frugalist gehört zu den Besserverdienern, die einen Großteil ihres Einkommens sparen, ihr Kapital bewusst anlegen und verwalten und immer genau wissen, wie viel und wofür sie ihr Geld jeden Monat ausgeben.

Wenn man alle seine monatlichen Einnahmen und Ausgaben in einer detaillierten Buchhaltung erfasst, bekommt man schnell ein gutes Gefühl dafür, wie viel Geld man so durchschnittlich im Monat benötigt und wird auch gleichzeitig auf die typischen kleinen Geldfresser aufmerksam, die nur Geld kosten ohne einen zusätzlichen Nutzen zu bringen.

Im Ergebnis gibt man sein Geld also sehr viel bewusster aus, in dem man zB gezielt auf Sonderangebote achtet, Spontankäufe vermeidet und sich bei teuren Investment aktiv nach Alternativen oder Substitutionsprodukten umschaut, man optimiert also sein Ausgabeverhalten.

Frugalismus hat nichts mit Minimalismus zu tun, Minimalisten möchten so wenig Dinge besitzen wie möglich, weil sie sich von Dingen belastet fühlen. Solche Gefühle haben Frugalisten nicht, im Gegenteil, sie sind oft echte Jäger und Sammler.
Das Ziel eines Frugalisten ist die finanzielle Unabhängigkeit, die, wenn man sie vollständig erreicht hat, bedeutet, dass man nur noch macht, was einem Spaß macht.

Ich finde diese Lebensphilosophie durchaus sympathisch und glaube, dass ich mein Leben und meinen Umgang mit Geld intuitiv schon immer so gestaltet habe. Ein früher Ruhestand ist nicht das Hauptziel des Frugalismus, es ist aber sozusagen ein Abfallprodukt, denn wenn sich durch das regelmäßige Sparen irgendwann so viel Vermögen angesammelt hat, dass man sich ausrechnen kann, dass man damit bis an sein Lebensende auskommt, ohne durch aktive Erwerbsarbeit gezwungen zu sein, noch immer weiteres Einkommen dazu zu verdienen, dann geht man immer dann in den Ruhestand, wenn man seine Arbeit bisher eben hauptsächlich aus Erwerbsgründen erledigt hat. Wenn man finanziell unabhängig ist, muss man halt nicht mehr arbeiten.

Ich habe auch mein Leben lang ein hohes Verlangen nach finanzieller Unabhängigkeit gehabt und die erreicht man nicht nur dadurch, dass man irre viel Vermögen anhäuft, sondern genauso gut auch dadurch, dass man gar nicht so viel braucht - und genau das war meine Grundausrichtung. Ich kaufe die allermeisten Dinge nur gebraucht auf dem Flohmarkt oder bei ebay, achte sehr stark auf Sonderangebote und meine Hobbys sind schlafen und lesen - ich gerate also nur sehr selten in Versuchung, viel Geld auszugeben und komme deshalb mit einem relativ kleinen Monatsbudget wunderbar aus.

Ich habe nie bewusst auf irgendetwas verzichtet, ich hatte von ganz alleine gar kein Bedürfnis nach vielen Dingen, für die andere Mensch sehr viel Geld ausgeben und so passierte es von ganz alleine, dass ich fast immer deutlich mehr verdient habe als ausgegeben und irgendwann wurde mir klar, dass ich das, was sich da im Laufe der letzten 40 Jahren so angesammelt hat, gar nicht mehr ausgegeben bekomme, wenn ich so weiter lebe.
Aus dem Grund höre ich mit der für mich inzwischen nur noch lästigen Erwerbsarbeit ja auch fünf Jahre eher auf als das per Altersrentenbeginn vorgesehen wäre. Ich muss kein Geld mehr verdienen, ich kann das, was da ist, einfach nur noch ausgeben, das langt mehr als dicke.

Im Grunde bin ich also ein echter Frugalist, auch wenn ich nicht mit 40 aufhöre zu arbeiten, sondern erst mit 62, aber immerhin.

Was mich an Ks Antwort dann allerdings sehr faszinierte, war seine gesellschaftspolitische Kritik an dieser Lebensphilosophie, er sagte nämlich: "Wenn das alle so machten, dann wäre die Gesellschaft sehr schnell am Ende. Wenn alle nur noch faul rumliegen wollen und keiner mehr bereit ist zu arbeiten, das kann doch nicht funktionieren."

Darüber habe ich jetzt ausführlich nachgedacht und bin am Ende bei der großen Frage nach dem Sinn des Lebens gelandet. Leben wir wirklich vor allem deshalb, um im Leben "etwas zu erreichen", um "voranzukommen", "Leistung zu bringen" und dafür zu sorgen, dass es uns "immer besser geht"?

Ich glaube, genau hier liegt der Fehler im System, denn ich bin fest davon überzeugt, dass das nicht der Sinn des Lebens ist. Dass wir uns quälen und schuften und immer weiter machen, auch ohne dass wir daran Spaß haben.
Ich glaube, der Sinn des Lebens ist einfach nur die Existenz. Dass wir einfach nur da sind - mehr Sinn gibt es nicht. Alles andere haben uns Leute eingeredet, die selber davon profitieren, wenn sich andere abrackern. Allerdings ist das System, in dem wir leben, inzwischen so fest darauf ausgerichtet, dass es für den einzelnen gar nicht mehr so leicht ist, einfach nur zu existieren, es bedarf viel Überlegung, Planung, Vorsorge und genaues Taktieren. Wenn man aber alles richtig macht (und Glück gehört natürlich auch dazu), dann darf man meiner Meinung nach auch sehr gerne sehr früh in den Ruhestand gehen, wenn man das möchte
.

308 x anjeklickt (immerhin schon ein Kommentar)   ... ¿selber was sagen?