anjesagt

Anjesagtes, Appjefahr'nes und manchmal auch Ausjedachtes
Samstag, 22. März 2025
Erinnerung, Tagesinhalt, Langsamkeit
Heute wäre CW 77 geworden, wenn er sich nicht mit 66 schon endgültig aus dieser Welt verabschiedet hätte.

Ich finde es unfassbar, dass das schon fast elf Jahre her ist, er ist nach wie vor immer noch regelmäßig bei uns präsent, wir führen seine Witze weiter und lachen stellvertretend für ihn darüber, wir wundern uns ständig über die Dummheit der Menschen und schütteln gleich für ihn mit den Kopf darüber und er fehlt uns immer noch, die Lücke, die er hinterlassen hat, wird sich nicht mehr schließen.
Er hat Glück, dass er die Entwicklungen der letzten elf Jahre in der Welt nicht mehr live verfolgen musste, er hätte es nur mit noch mehr Alkohol und noch mehr Verzweiflung ertragen können, was aber auch kein angenehmes Dasein ist.
Die Entropie des Schwachsinns - sein Lieblingsausdruck für den Zustand der Menschheit - ist in den letzten elf Jahren immer weiter angestiegen.

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K war heute bei einem weiteren Fliegertreffen, ich bin derweil nach Münster gefahren, da war Flohmarkt und weil ich alleine unterwegs war, konnte ich mir alle Zeit der Welt lassen und entspannt vor mich hin trödeln. An manchen Ständen habe ich mich gründlich verquatscht, das Wetter war toll, alle waren gut drauf, viele heute das erste Mal nach der Winterpause wieder da, man traf sich, freute sich, dass man sich traf und es war schön.
Ich habe zwei Kochbücher, zwei Bastelbücher, zwei Notenbücher (Noten sind selten auf dem Flohmarkt und meist sehr teuer, diese waren sehr preiswert, das ist dann stets eine große Freude) und zwei DVDs gekauft. Außerdem ein paar witzige Teile Küchenzubehör, zwei Töpfchen Krakelierfarbe (ich habe meine alte, eingetrocknete Farbe schließlich grade weggeworfen, jetzt darf ich neue, frische kaufen) und einen Pullover. Alles zusammen für insgesamt 12,50€, dafür habe ich nicht nur einen wunderschönen Vormittag verbracht, sondern auch noch Kram bekommen, der mit gut gefällt.

K hat in der gleichen Zeit für das gleiche Geld drei Tassen Kaffee bei seinem Fliegertreffen getrunken, aber außer Kopfschütteln und latent schlechter Laune, weil die sich in diesem Verein alle so seltsam benehmen, hat er nichts mit nach Hause gebracht. Ich finde, ich hatte den besseren Part.

Anschließend fuhr ich mein Auto durch die Waschstraße, füllte es randvoll mit Sprit, der grade ausgesprochen preiswert war und machte noch einen Zwischenstopp bei Lidl und einen bei Netto und hatte dann alles für dieses Wochenende erledigt, was ich mir vorgenommen hatte.

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Seit ziemlich genau sechs Monaten bin ich nun fertig mit dem aktiven, beruflichen Gelderwerb. Was sich in dieser Zeit massiv verändert hat, ist die Geschwindigkeit meines Lebens.
Ich mache nichts mehr schnell, ich beeile mich nicht mehr und ich habe es auch nicht mehr eilig. Ich kümmere mich überhaupt nicht mehr um die Zeit, sondern lasse mich treiben, halte immer wieder mal an und mache dann nichts, schaue einfach nur so vor mich hin und freue mich, dass alle hetzen, nur ich nicht. Ich habe so viel Zeit, dass ich sie mit vollen Händen verschwenden kann. Es ist ein Gefühl des überbordenden Reichtums und ich genieße es in vollen Zügen.
Ich habe über 40 Jahre in einem Leben verbracht, das unter der Überschrift "time is money" immer eine maximale Zeiteffizienz verlangte. Und dieses Leben ist nun vorbei. Ich kann es mir endlich leisten, uneffizient zu sein, Zeit zu verschwenden, nicht mehr darauf zu achten. Mir war gar nicht klar, wie unendlich schön das ist
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